Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 13.07.2021 – AN 17 K 21.30074
Titel:

Kein Anspruch auf Zuerkennung – Einzelfall – Bidun in Kuwait

Normenketten:
Dublin III-VO Art. 17 Abs. 2
AsylG § 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3
Leitsatz:
Zwar sind registrierte Bidun Beeinträchtigungen durch den kuwaitischen Staat mit durchaus diskriminierender Zielrichtung ausgesetzt. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie sich zu der erforderlichen Intensität einer Verfolgungshandlung iSd § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG verdichten. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung sog. registrierter Bidun in Kuwait, Keine Gruppenverfolgung registrierter Bidun in Kuwait., Die sog. Bidun (Schreibweise variiert im Einzelnen) in Kuwait sind eine soziale Gruppe gem. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG., Die wirtschaftliche Existenz für Rückkehrer nach Kuwait und ihrer Familien, die den Bidun angehören, ist in gleichem Umfang möglich wie vor Ausreise., Die Grundsätze des § 60a Abs. 2c AufenthG sind entsprechend im Rahmen der Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG anzuwenden (Anschluss an NdsOVG, B.v. 13.3.2020 – 9 LA 46/20 – juris, Ls. und Rn. 14 ff.)., Kuwait, Bidun
Fundstelle:
BeckRS 2021, 21842

Tenor

1.Die Klagen werden abgewiesen.
2.Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.  

Tatbestand

1
Die Kläger begehren unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutz und weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten in Bezug auf Kuwait.
2
Die Klägerin zu 1) ist eigenen Angaben nach am … in Kuwait, der Kläger zu 2), ihr Ehemann, am … ebenfalls in Kuwait geboren. Sie sind die Eltern der Kläger zu 3) bis 6), die am …, am …, am … und am … geboren wurden. Ihrer Aussage nach sind die Kläger staatenlose Bidun mit gewöhnlichem Aufenthalt in Kuwait.
3
Den Angaben der Kläger zu 1) und 2) zufolge reiste die Familie am 21. September 2019 per Flugzeug aus Kuwait zunächst in Richtung Türkei aus. Nach einem viertägigen Aufenthalt dort fuhren sie mit dem Schiff auf die Insel …, Griechenland, und stellten dort am 16. Oktober 2019 einen Asylantrag. Am 15. September 2020 reisten die Kläger im Rahmen eines mit Koalitionsbeschluss vom 8. März 2020 beschlossenen Relocation-Verfahrens gemäß Art. 17 Abs. 2 der VO (EU) 604/2013 (Dublin III-VO) aus Griechenland kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten hier am 2. Oktober 2020 ihre Asylanträge.
4
Im Rahmen ihrer Anhörung durch das Bundesamt nach § 25 AsylG am 15. Januar 2021 gab die Klägerin zu 1) an, dass sie, wie bereits ihre Eltern, Kuwaiterin ohne Staatsangehörigkeit sei, eine sogenannte Bidun. Als solche besitze sie keine Ausweis- oder sonstige Personaldokumente und auch keine Heirats- oder Geburtsurkunden, da den Bidun keine ausgestellt würden. Daher sei ihre Ausreise auch mit gefälschten Pässen vom Flughafen in „…“ aus erfolgt. Für die Flugtickets in die Türkei (Turkish Airlines) hätten sie persönlich 600 Dinar bezahlt und den Rest der Arbeitgeber ihres Ehemannes, der ihnen habe helfen wollen. Für die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland hätten sie 2.000 US-Dollar bezahlt, die aus der „Stammeskasse“ der Familie … stammten, die für Notfälle angelegt worden sei. Die Gründe für ihre Ausreise seien zum einen, dass die Kinder nicht die Schule besuchen könnten und eine Tochter, die Klägerin zu 5), an Epilepsie leide, die sie in Kuwait nicht im Krankenhaus behandeln lassen könne. Als Bidun hätten sie nämlich keine Krankenversicherung. Im Falle von ernsthaften Erkrankungen gebe es nur die Möglichkeit Privatärzte aufzusuchen und diese selbst zu bezahlen. Diese Ärzte würden bei Bedarf auch nach Hause kommen und gegenüber der Regierung Stillschweigen über die Behandlung von Bidun wahren. Zum anderen würden sie als Bidun in Kuwait nicht respektiert. Sie bekämen keine Ausweisdokumente, dürften nicht im öffentlichen Dienst arbeiten, sondern nur wie ihr Ehemann Schafe hüten oder Obst verkaufen und würden festgenommen, wenn sie ihre Rechte einforderten. Wenn man festgenommen werde, werde man zudem gefoltert und gezwungen ein ausgefülltes Papier zu unterschreiben. Sie würden als Bidun von den Kuwaitern beschimpft, verachtet und rassistisch behandelt. Als Bidun-Frau dürfe sie überhaupt nicht arbeiten und ihre Kinder nicht mit kuwaitischen Kindern spielen. Für ihre Kinder wünsche sie sich ein besseres Leben. Man könne sich nicht vorstellen, wie erniedrigt sie in Kuwait gelebt hätten. Wenn man die Orte vergleiche, in denen Bidun und Kuwaiter lebten, habe man auf der einen Seite das Paradies, auf der anderen Seite die Hölle. Bei einer Rückkehr dorthin riskierten sie verhaftet zu werden. Auf die Frage des Bundesamtes hin, ob sie selbst oder ihr Ehemann konkrete Probleme mit den kuwaitischen Behörden gehabt hätten, antwortete die Klägerin zu 1), dass alle von ihnen das gleiche Problem hätten, nicht nur sie selbst. An weiteren Verwandten lebten noch ein Bruder und drei Schwestern in Kuwait.
5
Der Kläger zu 2) gab in seiner Anhörung vor dem Bundesamt nach § 25 AsylG am 15. Januar 2021 an, dass er ebenfalls Bidun sei und keine Ausweisdokumente besitze. Auf Rückfrage des Bundesamtes erklärte er, dass nur Bidun aus der „Statistik 1965“ sich einen Personalausweis ausstellen lassen könnten, gleiches gelte für die sog. Sicherheitskarte. Ihre Ausreise - die der Kläger - habe man mit gefälschten kuwaitischen Pässen bewerkstelligt und sei am 21. September 2019 vom Flughafen in „…“ mit Turkish Airlines in die Türkei geflogen. Bordkarten besitze er aber keine mehr. Auf Frage des Bundesamtes, von welchem Gate sie in Kuwait abgeflogen seien, antwortete der Kläger zu 2), dass er dies nicht wisse, er sei am Flughafen angekommen und dann sei es das erste Gate gewesen. Sie seien zuerst in einer großen Halle gewesen und nach der Passkontrolle sei es eine Treppe hinauf und wieder hinunter und dann zum Bus gegangen, der sie zum Flugzeug gebracht habe. Auf weitere Rückfrage des Bundesamtes, ob es nur einen Ausgang zu den Bussen gegeben habe, meinte der Kläger, dass es vier Uhr morgens gewesen sei und er nichts habe sehen können. Die Ausreise habe sie etwa 600 „Kuwaiti“ und 2.000 US-Dollar gekostet, letzteres nur für die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland. Für den Weg von Kuwait in die Türkei habe sein Arbeitgeber, ein Freund seines verstorbenen Vaters, zusätzlich finanzielle Unterstützung geleistet. Für diesen habe er als Schafhüter gearbeitet. Grund für die Ausreise sei gewesen, dass man als Bidun in Kuwait nicht die Schule besuchen könne, nicht in Krankenhäuser dürfe, nicht standesamtlich heiraten könne und keine Rechte habe. Allein anhand ihres Nachnamens würde man sie aber in Kuwait nicht als Bidun erkennen, die Behörden wüssten aber üblicherweise, wer Bidun ist. Das Land habe er wegen seiner Kinder verlassen, diese sollten ein besseres Leben haben und eine Ausbildung bekommen können. Für ihn sei sein eigenes Leben bereits vorbei. Zudem leide seine Tochter …, die Klägerin zu 5), unter Epilepsie, die sie in Kuwait nicht behandeln lassen könne. In Kuwait gebe es für sie keine Zukunft, da dort nicht auf Menschenrechte geachtet werde. Zwar gebe es mit „Sadeh Ashour, Mohammad Tani, Askar Alenzi und Hassan Jahwar“ Menschenrechtsaktivisten, die sich für die Bidun einsetzten, allerdings erfolglos. Die Kuwaiter lebten im Wohlstand, während er in Armut leben müsse. Fordere er seine Rechte ein, werde er inhaftiert und gefoltert und man lasse ihn als Druckmittel Blankoformulare unterzeichnen, die mit irgendwelchen Vorwürfen gefüllt würden. Der Emir von Kuwait oder das Parlament machten überhaupt nichts für die Bidun, seit 1965 hätten sie keine Rechte. Er selbst sei jedoch nicht politisch aktiv gewesen und habe auch keine Probleme mit der Polizei gehabt. Eine Rückkehr nach Kuwait wäre für ihn das Ende. Man würde herausfinden, dass er als Bidun illegal das Land verlassen habe und ihn inhaftieren. In Kuwait habe er noch viele Verwandte.
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Mit Bescheid vom 21. Januar 2021 erkannte das Bundesamt die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziffer 1), lehnte die Anträge auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen (Ziffer 4) und forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bescheidsbekanntgabe oder im Falle einer Klageerhebung binnen 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, andernfalls sie nach Kuwait abgeschoben würden. Die durch die Bekanntgabe dieser Entscheidung in Lauf gesetzte Ausreisefrist werde bis zum Ablauf der zweiwöchigen Klagefrist ausgesetzt (Ziffer 5). Schließlich ordnete das Bundesamt das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete es auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).
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Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und für die Anerkennung als Asylberechtigte nicht vorlägen. Die Kläger seien keine Flüchtlinge im Sinne des § 3 AsylG, weil allein der pauschale Verweis auf Diskriminierungen nicht für eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG genüge. Es müsse im Einzelfall dargelegt werden, mit welchen konkreten Maßnahmen die Kläger persönlich konfrontiert gewesen seien. Dass die Kläger zur Gruppe der Bidun gehören, sei zwar glaubhaft dargelegt, jedoch erreichten die vorgetragenen Beeinträchtigungen nicht die erforderliche Intensität, die eine Verfolgungshandlung im Rechtssinne aufweisen müsse. Insbesondere würden Bidun in Kuwait nicht gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG diskriminiert. Sie müssten zwar nach Auskunftslage einige Benachteiligungen hinnehmen. So dürften sie nicht wählen und es würden ihnen zumindest teilweise offizielle Dokumente verweigert. Die Bidun seien in Kuwait aber nicht die einzige Gruppe, die kein Wahlrecht innehabe. Das Wahlrecht komme dort nur einer Gruppe von Menschen zu, nämlich denjenigen, die bereits seit 1920 in Kuwait ansässig seien und sich rechtzeitig haben registrieren lassen sowie ihren Nachkommen. Teile der Bevölkerung, die die kuwaitische Staatsangehörigkeit haben und diese Kriterien nicht erfüllen, hätten hingegen kein  Wahlrecht.
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Ob Bidun Zugang zu Arbeitsstellen im öffentlichen Dienst haben, werde nach der Erkenntnislage unterschiedlich beurteilt. Für in Kuwait registrierte Bidun bestehe jedenfalls Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung und Bildung in Privatschulen, die von verschiedenen Wohltätigkeitsstiftungen bezahlt werde. Offizielle Dokumente wie Geburts-, Sterbe-, Ehe- und Scheidungsurkunden würden für sie ebenfalls ausgestellt. Nicht registrierte Bidun hingegen hätten keinen Zugang zu einer legalen Anstellung oder staatlichen Dienstleistungen und seien internationalen Organisationen zufolge der Gefahr willkürlicher Verhaftung und der Drohung ausgesetzt, abgeschoben zu werden. Allerdings gebe es nach Auskunft des Immigration Liaison Manager für die Golfstaaten der britischen Botschaft in Doha, Katar, in der Praxis keine nicht registrierten Bidun. Dabei handele es sich eher um Personen, die sich nie in Kuwait aufgehalten haben oder die ihre Nationalität verschweigen. Es gebe keine Gründe, sich als Bidun nicht registrieren zu lassen, gerade weil es so schwierig sei, unter diesen Bedingungen im Land zu leben. Die Bidun würden demnach nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht durch bewusste staatliche Maßnahmen rechtlos gehalten oder von der Teilnahme am öffentlichen Leben ausgeschlossen. Auch das Aufenthaltsrecht der Bidun in Kuwait stelle sich grundsätzlich als unproblematisch dar. Die beschriebenen Benachteiligungen erreichten nicht eine solche Intensität, dass hierin eine politische Verfolgung erblickt werden müsste.
9
Dass es sich bei den Klägern um unregistrierte Bidun ohne jegliche Ausweisdokumente handele, sei vorgeschoben. Dies insbesondere mit Blick darauf, dass zunächst die Klägerin zu 1) angegeben habe, Bidun besäßen generell überhaupt keine Personaldokumente und der hiernach gesondert befragte Kläger zu 2) angegeben habe, dass lediglich Bidun aus der „Statistik 1965“ grüne Karten erhalten hätten. Tatsächlich existieren nach Auskunftslage neben den grünen Sicherheitskarten, welche an Bidun im Anschluss an eine im Jahr 1965 durchgeführte Volkszählung ausgegeben wurden - je nach dort festgestelltem Status - auch noch rote, blaue und gelbe Sicherheitskarten. Zweifel ergäben sich auch aus den geschilderten Umständen der Ausreise mit gefälschten Pässen vom internationalen Flughafen in … Gemäß einigen Quellen sei eine illegale Ausreise aufgrund der sehr guten Grenzkontrollen unmöglich, nach anderen kämen illegale Ausreisen durchaus vor. Auch wenn eine solche möglich sein sollte, bleibe zu beachten, dass mit den gefälschten Papieren auch die Visa erlangt und die Einreisekontrollen der Türkei hätten überwunden werden müssen. Die Zweifel würden durch die Angabe der Kläger bestärkt, dass sie für die Flucht in die Türkei nur 600 kuwaitische Dinar, umgerechnet etwa 1700 Euro aufgewandt hätten, wovon die Flugreise der bis dahin noch fünfköpfigen Familie sowie die Beschaffung ebenso vieler gefälschter Pässe hätten abgedeckt werden müssen. Eine vernünftige Erklärung, warum die darüber hinausgehenden Kosten vom Arbeitgeber des Klägers zu 2) finanziert worden sein sollen, hätten die Kläger nicht zu geben vermocht. Da die Kläger auch nicht vorgetragen hätten, in den Fokus der kuwaitischen Sicherheitsbehörden geraten zu sein, sei weder von einer individuellen, noch einer staatlichen Gruppenverfolgung auszugehen. Eine Strafverfolgung bei Rückkehr sei nach der Erkenntnislage nicht beachtlich wahrscheinlich.
10
Auch die Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG seien nicht erfüllt. Ebenso wenig sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG einschlägig. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Kuwait führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung dorthin eine Verletzung der Kläger in Art. 3 EMRK drohe. Zwar seien Bidun anders als kuwaitische Staatsbürger von zahlreichen staatlichen Leistungen des wohlhabenden Landes ausgeschlossen, jedoch sei davon auszugehen, dass der Kläger zu 2) wie vor der Ausreise auch erwerbstätig sein und den notwendigen Lebensunterhalt erwirtschaften könne. Zudem verfügten die Kläger in Kuwait über ein familiäres Netzwerk, welches bereits Hilfe zur Ausreise geleistet habe. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie änderten an dieser Einschätzung nichts. Soweit für die Klägerin zu 5) ein Epilepsieleiden vorgetragen sei, ergebe sich hieraus kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es fehle bereits an der Vorlage qualifizierter ärztlicher Bescheinigungen im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG. Überdies seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die gesundheitliche Lage der Klägerin zu 5) nach einer Rückkehr in den Zielstaat unmittelbar lebensbedrohlich verschlechtern könnte. Immerhin sei seit der Ankunft der Familie in Griechenland im September 2019, mithin über einen Zeitraum von rund 15 Monaten keinerlei ärztliche Behandlung erfolgt. An dieser Beurteilung ändere sich auch wegen der Corona-Pandemie nichts, da eine etwaige Epilepsieerkrankung der Klägerin zu 5) nach derzeitigem Erkenntnisstand keinen besonderen Risikofaktor für einen schweren Krankheitsverlauf darstelle.
11
Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger am 2. Februar 2021 Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach. Zur Begründung verweisen sie auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. September 2020 (34 K 537.17 A - juris), in dem festgestellt worden sei, dass die Bidun flüchtlingsrechtlich eine soziale Gruppe darstellten und dass, wenn das Leben der Betroffenen im Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts grundlegend entwertet und ihnen die Existenzberechtigung als solche abgesprochen werde, ein Verfolgungseingriff mit dem Gewicht einer schweren Menschenrechtsverletzung vorliege. Dies sei bei unregistrierten bzw. undokumentierten Bidun aus Kuwait jedenfalls dann zu bejahen, wenn diese Maßnahmen gegen sie selbst gerichtet seien.
12
Die Kläger beantragen,
1.
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Januar 2021 aufzuheben.
2.
das Bundesamt zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutz zuzuerkennen und weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 bis 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
15
In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin zu 1) auf Frage des Gerichts zum Gesundheitszustand ihrer … der Klägerin zu 5), an, dass sie die Epilepsie ihrer Tochter erstmals im Alter von acht Monaten bemerkt habe. Bei dieser sei die Temperatur gestiegen und sie habe Anfälle bekommen, bei denen sich die Farbe ihres Gesichts verändert habe. Leute mit Erfahrung aus dem Familienkreis hätten ihr dann gesagt, dies sei Epilepsie. Dagegen hätten sie in Kuwait ein Medikament gegen Fieber gekauft. In Deutschland sei die Klägerin zu 5) schon bei einem Arzt gewesen, der noch keine abschließende Diagnose gestellt habe.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der in elektronischer Form beigezogenen Bundesamtsakten der Kläger und der Gerichtsakten Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung am 13. Juli 2021 wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

17
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
18
Die Klagen sind zulässig, jedoch unbegründet (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Den Klägern steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG noch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG oder auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Auch im Übrigen stößt der angegriffene Bescheid auf keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
20
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, weil es an einer begründeten Furcht vor Verfolgung fehlt.
21
a) Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3a Abs. 3 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung vom Staat (§ 3c Nr. 1 AsylG), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG).
22
Maßstab für die Beurteilung der Furcht der Kläger vor Verfolgung als begründet im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist das Vorliegen einer tatsächlichen Gefahr („real risk“) der Verfolgung. Erforderlich ist also, dass den Klägern mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer angenommenen Rückkehr Verfolgung droht (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 33/18 - NVwZ 2020, 161 Rn. 15; BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - NVwZ 2013, 936 Rn. 32; BVerwG, U.v. 22.11.2011 - 10 C 29/10 - NVwZ 2012, 1042 Rn. 23 ff.; BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5/09 - NVwZ 2011, 51 Rn. 22). Die Bejahung einer solchen beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 33/18 - NVwZ 2020, 161 Rn. 15; BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - NVwZ 2013, 936 Rn. 32).
23
Diesbezüglich gewährt Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Anerkennungs-RL) eine Beweiserleichterung: Für Vorverfolgte wird vermutet, dass ihre Furcht vor Verfolgung begründet ist. Die Vermutung ist widerleglich. Hierfür sind stichhaltige Gründe erforderlich, die dagegensprechen, dass dem Antragsteller eine erneute derartige Verfolgung droht (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 33/18 - NVwZ 2020, 161 Rn. 16).
24
Das Gericht muss in Asylstreitsachen die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals erlangen (BVerwG, B.v. 29.11.1996 - 9 B 293/96 - juris Rn. 2), wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat angemessen zu berücksichtigen und deshalb den glaubhaften Erklärungen des Asylsuchenden größere Bedeutung beizumessen ist als dies sonst in der Prozesspraxis bei Parteibekundungen der Fall ist (BVerwG, B.v. 29.11.1996 - 9 B 293/96 - juris Rn. 2 f.). Dem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung kommt gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris Rn. 16). Der Schutzsuchende hat sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen (VGH BW, U.v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris Rn. 35; HessVGH, U.v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A - juris). Er hat die Gründe für seine Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat bzw. Staat des gewöhnlichen Aufenthalts Verfolgung droht (BVerwG, B.v. 26.10.1989 - 9 B 405/89 - juris). Vom dem Asylsuchenden kann verlangt werden, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, B.v. 19.3.1991 - 9 B 56/91 - juris). Erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vorbringen können dem entgegenstehen, es sei denn, diese können überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, B.v. 21.7.1989 - 9 B 239/89 - juris, U.v. 23.2.1988 - 9 C 273/86 - juris). An der Glaubhaftmachung fehlt es auch, wenn der Schutzsuchende sein Vorbringen im Lauf des Verfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät ins das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris Rn. 35).
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b) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist das Gericht zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) nicht davon überzeugt, dass den Klägern im Falle einer Rückkehr nach Kuwait als ihrem Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der sogenannten Bidun im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht (dafür, dass auch hinsichtlich des 2020 in Griechenland geborenen Klägers zu 6) Kuweit als Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts gilt, s. VG Berlin, U.v. 17.9.2020 - 34 K 537.17.A - juris Rn. 65).
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aa) Unter dem Begriff der sog. Bidun, teils auch Bidoun, Bidoon, Bedoon oder Bedun geschrieben, versteht man eine Gruppe von Menschen, die zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit Kuwaits nicht die kuwaitische Staatsbürgerschaft erhalten hat oder nicht um diese nachsuchte - „bidoon jinsiya“: „ohne Staatsbürgerschaft“ (arab.). Der Begriff ist nicht inhaltsgleich mit dem der Beduinen, da es sich bei diesen um eine weiter gefasste soziokulturelle Gruppe von Wüstenbewohnern und nomadischen Hirten in der Region handelt, wenngleich es zu Überschneidungen beider Gruppen kommt (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kuwait, 29.3.2019, S. 19). Das kuwaitische Staatsangehörigkeitsgesetz 1959 machte es Stadtbewohnern und Mitgliedern einflussreicher Stämme einfacher, die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Mitglieder aus entlegenen Gebieten kommender Stämme versäumten es zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes die Staatsbürgerschaft zu beantragen, unter anderem wegen fehlender Dokumente, Analphabetismus oder auch fehlendem Verständnis für die rechtlichen Konsequenzen. Insgesamt erlangte rund ein Drittel der damaligen Einwohner Kuwaits bis zum Jahr 1965, in dem die Registrierungsfrist ablief, nicht die Staatsbürgerschaft. Daneben gibt einen weiteren, aber kleineren Anteil an Bidun aus anderen arabischen Staaten wie etwa dem Irak, Saudi-Arabien oder Syrien, die in den 1960er- bis 70er-Jahren mangels kuwaitischer Rekruten in die Sicherheitskräfte aufgenommen wurden. Da eine Aufnahme fremder Staatsangehöriger in den Militärdienst politisch brisant war, wurden sie als Staatenlose registriert. Von einem Großteil dieser Gruppe wird aber angenommen, dass sie Kuwait nach dem Zweiten Golfkrieg verlassen hat (BFA a.a.O., S. 20; Schweizerische Eidgenossenschaft [Schweiz], Staatssekretariat für Migration, Notiz Kuwait: Bidun, 9.7.2019, S. 4 f.).
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In den rund 25 Jahren nach der Unabhängigkeit Kuwaits wurden die Bidun als legale Einwohner ohne Nationalität angesehen und als solche toleriert. In dieser Phase hatten sie mit kuwaitischen Staatsangehörigen gleichberechtigt Zugang zu Bildung, Arbeit, Gesundheitsversorgung und Sozialleistungen. Dies änderte sich ab Mitte der 1980er-Jahre im Zuge der Islamischen Revolution im Iran, des Ersten Golfkrieges und zunehmender ethnisch-religiöser Konflikte. Im Jahr 1986 wurden die Bidun per Gesetz als illegale Einwohner deklariert und von den genannten Leistungen ausgeschlossen (BFA a.a.O, S. 20; Schweiz a.a.O., S. 6). 1993 wiederum wurde für die Registrierung und Einbürgerung von Bidun eine eigene Behörde geschaffen, die von 1993 bis 1996 „Central Committee“, von 1996 bis 2010 „Executive Committee for the Affairs of Illegal Residents (ECIR) hieß und seit 2010 unter „Central System for Remedying Illegal Residents‘ Status“, kurz „Central System“ firmiert. Jedoch wird berichtet, dass eine Registrierung als Bidun nur in den Jahren 1996 bis 2000 möglich war und seitdem, außer bei guten Beziehungen, nicht mehr (Schweiz a.a.O., S. 7 ff.; BFA, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Kuwait - Bidoun, Ausweisdokumente, Einreise, 30.4.2019, S. 7). Im Allgemeinen geht mit der Einrichtung des „Central System“ eine schrittweise Umkehr des Rechtsentzugs für Bidun einher, denen mit Ministerratsbeschluss Nr. 409/2011 eine Reihe von bürgerlichen und menschlichen Privilegien und Dienstleistungen gewährt wurden (BFA a.a.O., S. 8).
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Je nach Quelle wird von etwa 100.000 bis zu 240.000 Bidun in Kuwait ausgegangen (BFA, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Kuwait - Bidoun, Ausweisdokumente, Einreise, 30.4.2019, S. 2).
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bb) Zur Überzeugung der Kammer steht zwar fest, dass die Kläger der Gruppe der Bidun zugehörig sind, was auch die Beklagte so sieht. Für die Staatenlosigkeit der Kläger zu 1) bis 5) spricht insbesondere, dass diese eingeräumt haben, mit gefälschten kuwaitischen Pässen ausgereist zu sein. Hätten sie die kuwaitische oder die Staatsbürgerschaft eines anderen arabischen Staates inne, wäre die Ausreise ohne gefälschte Papiere und den entsprechenden finanziellen Aufwand hierfür möglich gewesen. Für Bidun hingegen gestattet Kuwait nur in Ausnahmefällen die Ausreise in Form des sog. „Art. 17-Reisepasses“, vor allem zu Zwecken der Ausbildung, medizinischen Behandlung oder religiösen Pilgerfahrten (Schweiz, Staatssekretariat für Migration, Notiz Kuwait: Bidun, 9.7.2019, S. 16). Was den erst 2020 in Griechenland geborenen Kläger zu 6) anbelangt, würde dieser das Schicksal seiner staatenlosen Eltern teilen.
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Die Bidun stellen auch eine soziale Gruppe im Sinne der § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG dar, womit im Grundsatz ein tauglicher Verfolgungsgrund gegeben ist. Der gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AsylG gemeinsame Hintergrund der Bidun, der nicht verändert werden kann, ist, dass sie als zumindest einstmals potentielle kuwaitische Staatsangehörige die bis zum Jahr 1965 eröffnete Registrierungsmöglichkeit nicht genutzt haben bzw. danach nicht nachweisen konnten, im Besitz von Papieren zur Volkszählung von 1965 zu sein und somit staatenlose Kuwaiter sind (vgl. VG Berlin, U.v. 17.9.2020 - 34 K 537.17 A - juris Rn. 75; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kuwait, 29.3.2019, S. 21; Schweiz, Staatssekretariat für Migration, Notiz Kuwait: Bidun, 9.7.2019, S. 4 f.). Zudem haben die Bidun in Kuwait im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AsylG eine deutlich abgegrenzte Identität, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet werden (diese Voraussetzung muss kumulativ vorliegen, s. BVerwG, B.v. 28.3.2019 - 1 B 7/19 - juris Rn. 9). Dies manifestiert sich objektiv darin, dass für sie ein in zentralen Lebensbereichen gegenüber kuwaitischen oder Drittstaatsangehörigen eigenes Rechtsregime gilt, begonnen bei einer eigenen Behörde für deren Registrierung, dem heutigen „Central System“ (s.o.), die speziell für die staatenlosen Bidun Referenz- und Ausweisdokumente mit je nach Status unterschiedlichen Farben ausstellen (Schweiz a.a.O., S. 7 ff.). In sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht sind Bidun überwiegend im informellen Sektor tätig und wohnen meist von den Kuwaitern segregiert in zum Teil slumähnlichen Siedlungen am Stadtrand (Schweiz, Staatssekretariat für Migration, Notiz Kuwait: Bidun, 9.7.2019, S. 12).
31
Allerdings hat das Gericht nicht die volle Überzeugung davon gewonnen, dass die Kläger unregistrierte Bidun sind. Die Angaben der Kläger zu 1) und 2) vor dem Bundesamt, über keinerlei Ausweisdokumente zu verfügen und in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Gerichts, dass sie selbst nie versucht hätten, sich beim kuwaitischen Staat registrieren zu lassen sowie, dass ihre Eltern ebenfalls nicht registriert wurden, sind unglaubhaft. Sie widersprechen der Erkenntnislage zu den Registrierungsmöglichkeiten und der Registrierungspraxis für Bidun in Kuwait. So war jedenfalls im Zeitfenster von 1996 bis 2000 eine Registrierung bei der zu dieser Zeit unter „Executive Committee for the Affairs of Illegal Residents (ECIR)“ firmierenden Behörde - die heute kurz „Central System“ heißt - möglich und führte zur Ausstellung eines zunächst als „reference card“, seit 2000 als „security card“ bezeichneten Dokumentes, welches Name, Adresse und Geburtsdatum des Inhabers enthielt (BFA, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Kuwait - Bidoun, Ausweisdokumente, Einreise, 30.4.2019, S. 2 ff.; Schweiz, Staatssekretariat für Migration, Notiz Kuwait: Bidun, 9.7.2019, S. 7 ff.; teils wird auch von einer „review card“ gesprochen: Landinfo Norwegen, Kuwait: The Biduns‘ review cards, 24.8.2020). Von diesem engen Zeitfenster abgesehen ist es bei entsprechenden Beziehungen oder Einsatz finanzieller Mittel aber möglich, etwaige bürokratische Hindernisse - nicht nur bei der beschriebenen Registrierung - zu umgehen (Schweiz a.a.O., S. 8, 18). Die farbliche Differenzierung der Karten je nach Status des einzelnen Bidun (so noch bei BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kuwait, 29.3.2019, S. 21 berichtet) scheint mittlerweile zugunsten einer einheitlich gelben Variante aufgegeben. Teils wird berichtet, dass es zwei mögliche Kartentypen gebe, zum einen eine für zwei Jahre gültige für die Bidun, die im Zensus von 1965 erfasst wurden oder belegen können mindestens seit 1965 in Kuwait zu leben, zum anderen eine für ein Jahr gültige für alle übrigen Bidun, die jeweils verlängerbar sind. Jedoch wird im gleichen Atemzug eingeräumt, dass letztlich unklar sei, welche Kartentypen ausgegeben worden seien und welche Laufzeiten diese hätten (Landinfo Norwegen, Kuwait: The Biduns‘ review cards, 24.8.2020, S. 5 ff.; Schweiz a.a.O., S. 9 f.). Nach Angaben des Immigration Liaison Manager für die Golfstaaten der britischen Botschaft in Doha, Katar, existieren in der Praxis keine nicht registrierten Bidun, da es keine Gründe gibt, sich nicht registrieren zu lassen, gerade weil die Lebensbedingungen für unregistrierte Bidun so schwierig sind. Es geht dabei meist entweder um Personen, die sich nie in Kuwait aufgehalten haben oder die ihre Nationalität verschweigen (Schweiz a.a.O., S. 13 f.; s.a. BFA a.a.O., S. 21: Es wird davon ausgegangen, dass sich die Mehrheit der Bidun inzwischen registriert hat). Dies zugrunde gelegt erscheint der Vortrag der Kläger zu 1) und 2) nicht stimmig und unglaubhaft, was in der Folge auch auf die Kläger zu 3) bis 6) durchschlägt, da diese als deren minderjährige Kinder von der Registrierung der Eltern entsprechend profitieren würden bzw. könnten (Landinfo Norwegen, Kuwait: The Biduns‘ review cards, 24.8.2020, S. 7). Schon die Angabe des Klägers zu 2), dass sich nur die Bidun registrieren könnten, die bei der Volkszählung 1965 erfasst worden seien, ist nicht zutreffend. Dies hat allenfalls Konsequenzen für die Art der „security card“, die nach einer Registrierung ausgestellt wird. Auch ist kein plausibler Grund dafür erkennbar oder vorgebracht, warum sich der Kläger zu 2) nicht im Zeitfenster von 1996 bis 2000 hat registrieren lassen. Noch dazu erscheint widersprüchlich, dass der Kläger zu 2) verneint hat, dass sein Arbeitgeber, der eigenen Angaben nach immerhin die Ausreise der Kläger organisiert und erheblich finanziell unterstützt hat, in der Lage wäre, ihm bei der Ausstellung von Registrierungsdokumenten behilflich zu sein. Dies widerspricht den angeführten Erkenntnismitteln, die die Bedeutung persönlicher Beziehungen zu kuwaitischen Familien und damit das soziale Netzwerk sowie die Möglichkeit Geldmittel einzusetzen, um Hindernisse zu umgehen, betonen. Was die Klägerin zu 1) anbelangt, dürfte diese mit ihrem Geburtsdatum 1. Mai 1992 für eine eigenverantwortliche Registrierung im Zeitraum der Jahre 1996 bis 2000 zu jung gewesen sein, jedoch ist ebenso wenig erkennbar, warum nicht ihre Eltern bzw. nach deren Tod die an deren Stelle tretende sorgeberechtigte Person eine Registrierung für sich selbst und für die Klägerin zu 1) haben vornehmen lassen. Mit der Registrierung der Eltern können nämlich auch deren Kinder ab einem Alter von fünf Jahren eine reference/security card erhalten (Landinfo Norwegen, Kuwait: The Biduns‘ review cards, 24.8.2020, S. 7). Im Übrigen gilt das zum Kläger zu 2) Ausgeführte sowie, dass es angesichts der nicht unerheblichen Geldmittel, über die die Kläger in Kuwait verfügten (jedenfalls 2.000 US-Dollar plus mindestens 600 kuwaitische Dinar, etwa 1.800 US-Dollar) fernliegend ist, dass auch außerhalb des Zeitfensters 1996 bis 2000 keine Registrierung möglich war und in Anspruch genommen hätte werden können. Und schließlich ist es angesichts der erst am 21. September 2019 erfolgten Ausreise der Kläger zu 1) bis 5) auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass eine Registrierung mangels Verlängerung wieder erloschen ist.
32
Sieht man die Kläger aber als registrierte Bidun an, so sind sie - die Kläger zu 1) bis 5), der Kläger zu 6) wurde sowieso erst im Jahre 2020 in Griechenland geboren - weder vorverfolgt im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der Anerkennungs-RL ausgereist noch droht ihnen bei Rückkehr eine Verfolgung in der von § 3a Abs. 1 AsylG für den Flüchtlingsstatus vorausgesetzten Intensität. Für registrierte Bidun gehen die zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel im Allgemeinen nicht von einer Verfolgung oder Verletzung der Menschenrechte aus (BFA, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Kuwait - Bidoun, Ausweisdokumente, Einreise, 30.4.2019, S. 6; s.a. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kuwait, 29.3.2019, S. 22; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Wiesbaden vom 13.5.2020, S. 2 mit der Aussage sogar für sämtliche Bidun: „Auch wenn eine gewissen Diskriminierung gegeben sein mag, kann nicht von einer generellen anhaltenden und ernsten Misshandlung ausgegangen werden“). Beim kuwaitischen Staat registrierte Bidun haben nämlich anders als unregistrierte Anspruch auf Sozialleistungen, insbesondere auf staatliche Gesundheitsversorgung und Zugang zum privaten Bildungssystem. Sie können kostengünstige staatliche Versicherungspolicen erwerben, wenn diese auch zahlreiche Gesundheitsleistungen nicht enthalten. Eine Registrierung ermöglicht zudem den Zugang zum legalen Arbeitsmarkt. Weiterhin können sich registrierte Bidun offizielle Dokumente wie Geburts-, Heirats- oder Scheidungsurkunden ausstellen lassen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kuwait, 29.3.2019, S. 22; Landinfo Norwegen, Kuwait: The Biduns‘ review cards, 24.8.2020, S. 4; Schweiz, Staatssekretariat für Migration, Notiz Kuwait: Bidun, 9.7.2019, S. 10 f.). Dies alles bedeutet zwar nicht, dass registrierte Bidun keiner Beeinträchtigung oder Diskriminierung mehr ausgesetzt sind. So gibt es administrative Hürden beim Zugang zu den genannten Rechten und bleibt es trotz Registrierung bei einer Benachteiligung am Arbeitsmarkt durch eine geringere Bezahlung und Verträge mit unterdurchschnittlicher Arbeitsplatzsicherheit (BFA a.a.O., S. 22; Schweiz a.a.O., S. 10 ff.). Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich die meisten Bidun trotz Schwierigkeiten und teils unter Einsatz von Bestechungsgeld den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen verschaffen können. Speziell was den Bildungssektor angeht hat der kuwaitische Staat einen Fonds aufgesetzt, der für bestimmte Bidun-Kinder die Schulgebühren von Privatschulen übernimmt. Für das Jahr 2013/14 bekannte Zahlen gehen von 15.000 unterstützen Kindern aus (Schweiz a.a.O., S. 11 f.). Registrierte Bidun sind demnach Beeinträchtigungen durch den kuwaitischen Staat mit durchaus diskriminierender Zielrichtung ausgesetzt, die sich jedoch nicht zu der erforderlichen Intensität einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AsylG verdichten.
33
Auch die Tatsache der illegalen Ausreise der Kläger zu 1) bis 5) als solcher und der Asylantragstellung aller Kläger in Deutschland vermögen nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes bei einer Rückkehr nach Kuwait nicht die Gefahr von Verfolgungshandlungen auszulösen. Wahrscheinlich ist aber mit einer den Tatbestand des § 3a AsylG nicht erfüllenden Befragung nach der Rückkehr zu rechnen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Wiesbaden vom 13.5.2020, S. 4).
34
cc) Selbst wenn man aber unterstellen würde, dass die Kläger zur Gruppe der unregistrierten Bidun zählen, haben sie kein glaubhaftes individuelles Verfolgungsschicksal vorgetragen. Die Kläger zu 1) und 2) haben vor dem Bundesamt übereinstimmend angegeben, nie persönlich ein Problem mit den kuwaitischen Behörden oder der Polizei gehabt zu haben. Im Speziellen hat der Kläger zu 2) hierzu ausgeführt, nicht politisch aktiv gewesen zu sein und keine Demonstrationen besucht zu haben. Ein gezieltes Tätigwerden oder Unterlassen der kuwaitischen Behörden gerade ihnen gegenüber schilderten die Kläger nicht substantiiert. Die einzig und zuerst in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage geschilderte konkrete Situation, dass das Klinikum in … die Klägerin zu 5) nicht aufgenommen habe, bleibt zu detailarm, da sich dem Vortrag schon nicht entnehmen lässt, aus welchem Grund das Krankenhaus angeblich keine Behandlung durchführte. Dem geschilderten Vortrag entspricht letztlich die durch die Kläger zu 1) und 2) weitestgehend übereinstimmend geäußerte Hauptmotivation für die Ausreise nach Europa: Die gemeinsamen Kinder sollten ein besseres Leben haben und speziell die Klägerin zu 5) Zugang zu einer medizinischen Behandlung in Europa, weil eine in Kuwait keinen Erfolg haben werde. In Zusammenschau mit der sich aus mehreren Quellen ergebenden Einschätzung, dass die Bidun in Kuwait eine heterogene Gruppe sind, für die nicht pauschal die Aussage getroffen werden kann, dass sie durch den kuwaitischen Staat verfolgt werden und da, wie bereits ausgeführt, persönliche Beziehungen und finanzielle Mittel über bestehende Beschränkungen hinweghelfen können (s.o. und Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Wiesbaden vom 13.5.2020, S. 2; Landinfo Norwegen, Kuwait: The Biduns‘ review cards, 24.8.2020, S. 2; Schweiz, Staatssekretariat für Migration, Notiz Kuwait: Bidun, 9.7.2019, S. 17 f.), ist die Kammer nicht vom Vorliegen einer Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG, die nach § 3a Abs. 3 AsylG auch in einem Unterlassen bestehen kann, durch Kuwait als staatlichen Akteur (§ 3c Nr. 1 AsylG) überzeugt. Diese setzte nämlich im Falle der Nummer 1 aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierende Handlungen voraus, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen bzw. im Falle der Nummer 2 eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, die im Ergebnis so gravierend ist, dass eine Person ähnlich wie in der in Nummer 1 beschrieben Weise betroffen ist. Zudem muss die Handlung gerade auf die durch sie bewirkte Rechtsgutsverletzung abzielen (BVerwG, U.v. 19.1.2009 - 10 C 52/07 - NVwZ 2009, 982). Da die „individuelle finanzielle und rechtliche Realität unter Bidun stark [variiert]“ (Schweiz a.a.O., S. 17 f.), kommt dem persönlichen Vorbringen der Kläger und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung für die Prüfung der Verfolgungshandlung und insgesamt des Flüchtlingsstatus zu. Dieses aber reicht hier nicht aus, um die Bejahung einer Verfolgungshandlung zu tragen.
35
dd) Schließlich können sich die Kläger, nachdem sie eine anlassgeprägte Einzelverfolgung nicht darlegen konnten, auch nicht auf eine die Bidun in Kuwait betreffende Gruppenverfolgung als Beweiserleichterung berufen (BVerwG, U.v. 21.4.2009 - 10 C 11/08 - NVwZ 2009, 1237 Rn. 16).
36
Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich für einen Ausländer zwar nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt, abgesehen von einem staatlichen Verfolgungsprogramm, eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen oder um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, U.v. 21.4.2009 - 10 C 11/08 - NVwZ 2009, 1237 Rn. 13 m.w.N.; Wittmann in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und IntegrationsR, 8. Ed. 1.5.2021).
37
Diese Voraussetzungen liegen für die Kläger nicht vor, weil sie als registrierte Bidun anzusehen sind, bezüglich derer zwar Beeinträchtigungen durch den kuwaitischen Staat mit durchaus diskriminierender Zielrichtung anzunehmen sind, die sich jedoch nicht zu der erforderlichen Intensität einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AsylG verdichten (s.o. 1. b), bb)). Doch selbst für unregistrierte Bidun ergibt sich keine Gruppenverfolgung im oben genannten Sinne. Zum einen ist angesichts der Auskunft des Auswärtigen Amtes (an das VG Wiesbaden vom 13.5.2020), dass, wenn auch eine gewisse Diskriminierung von Bidun gegeben sein möge, nicht von einer generell anhaltenden und ernsten Misshandlung von Bidun ausgegangen werden könne, nicht von der Existenz eines staatlichen Verfolgungsprogramms auszugehen. Im Übrigen fehlt es angesichts des oben unter 1. b), cc) Ausgeführten an einer hinreichend Verfolgungsdichte im Sinne des eben dargestellten Maßstabes.
38
2. Es besteht kein Anspruch der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a GG. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen.
39
3. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
40
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist der Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG Folter oder un-menschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
41
a) Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) droht den Klägern nicht. Die Todesstrafe wird in Kuwait zwar sowohl verhängt, als auch vollzogen, insbesondere berichtet für Straftaten wie Mord, Diebstahl, Vergewaltigung und Entführung (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kuwait, 29.3.2019, S. 17). Jedoch ist nichts dafür ersichtlich, dass den Klägern ein entsprechendes Verfahren droht.
42
b) Ebenso wenig droht den Klägern Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung. Nach der Auskunftslage ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass Bidun im Falle einer Rückkehr wegen illegaler Ausreise und Asylantragstellung Strafverfolgung droht. Als gesichert gilt nur, dass die Kläger bei einer Rückkehr befragt würden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Wiesbaden vom 13.5.2020, S. 4).
43
Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Kläger im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist nach dem oben unter 1. b) Ausgeführten auch nicht beachtlich wahrscheinlich.
44
c) Kuwait ist weder in einen internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt, noch herrscht ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der eine ernsthafte individuelle Bedrohung für das Leben oder die Unversehrtheit der Kläger mit sich bringen würde, womit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausscheidet.
45
4. Schließlich liegen keine Abschiebungsverbote für die Kläger nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG in Bezug auf Kuwait vor.
46
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung ist nach der EMRK insbesondere dann unzulässig, wenn dem Kläger in der Zielregion eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielland rechtfertigen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nur ausnahmsweise ein Abschiebungsverbot. Denn Art. 3 EMRK kann, so der EGMR, nicht dahin ausgelegt werden, dass er die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen eine Unterkunft oder finanzielle Unterstützung zu gewähren, damit sie einen gewissen Lebensstandard haben (EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien u. Griechenland, 30696/09 - NVwZ 2011, 413 Rn. 249; s.a. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25/18 - NVwZ 2019, 61 Rn. 10). Gleichwohl ist eine Verantwortlichkeit nach Art. 3 EMRK nicht ausgeschlossen, wenn eine vollständig von staatlicher Unterstützung abhängige Person, die behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien u. Griechenland, 30696/09 - NVwZ 2011, 413 Rn. 253). Zudem muss die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist relativ und hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, etwa der Dauer der erniedrigenden Behandlung, ihren physischen und psychischen Wirkungen, sowie von Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Ausländers (EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien u. Griechenland, 30696/09 - NVwZ 2011, 413 Rn. 219; s.a. EGMR, U.v. 13.12.2015 - Paposhvili/Belgien, 41738/10 - NVwZ 2017, 1187 Rn. 174). Dieser Maßstab ist auch für Abschiebungen in Staaten, die wie Kuwait nicht zu den Unterzeichnern der EMRK gehören, anzuwenden (EGMR, U.v. 28.6.2011 - Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich, 8319/07 - NVwZ 2012, 681; instruktiv VG München, U.v. 9.4.2020 - M 6 K 17.32718 - ZAR 2020, 381 m.Anm. Achatz). In örtlicher Hinsicht ist bei der Prüfung einer Verletzung von Art. 3 EMRK grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet, also regelmäßig der Herkunftsregion (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Ls. 2 und Rn. 26; OVG NW, U.v. 28.8.2019 - 9 A 4590/18.A - juris Rn. 175). Dies ist für die Kläger Kuweit - Stadt mit seinem internationalen Flughafen; dort haben sie vor der Ausreise gewohnt bzw. ist im Falle des Klägers zu 6) eine Rückkehr dorthin anzunehmen.
47
Für die Beurteilung ist erneut der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Erforderlich aber auch ausreichend ist daher die tatsächliche Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen Behandlung (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5/09 - NVwZ 2011, 51 - juris Rn. 22).
48
Diesen hohen Voraussetzungen sind im Falle der Kläger nicht erfüllt. Dazu ist in Ergänzung zu dem bereits unter 1. b) Ausgeführten anzumerken, dass die Kläger zu 1) bis 5) bereits vor ihrer Ausreise nach Europa in der Lage waren, in Kuwait - Stadt mit dem Arbeitseinkommen des Klägers zu 2) als Schafhüter Obdach und Auskommen der Familie zu sichern und daneben eine nicht unerhebliche Geldsumme von über 3000 US-Dollar anzusparen. Insofern ist davon auszugehen, dass ihnen die Existenzsicherung auch nach einer Rückkehr und auch mit einem weiteren Kind, dem zwischenzeitlich geborenen Kläger zu 6), auf etwa gleichem Niveau gelingt und zwar selbst dann, wenn man die Kläger anders als die Kammer als nicht registrierte Bidun ansehen würde. Dafür spricht auch die Auskunft des Auswärtigen Amtes, dass die wirtschaftliche Existenz für Rückkehrer und ihre Familien in gleichem Umfang möglich sein dürfte wie vor der Ausreise (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Wiesbaden vom 13.5.2020, S. 4). Und nicht zuletzt verfügen die Kläger noch über ein familiäres Netzwerk in Kuwait, welches in der unmittelbaren Zeit nach einer Rückkehr Unterstützung leisten kann. Ein anderes ergibt sich auch nicht aus der vorgetragenen Epilepsie-Erkrankung der Klägerin zu 5): Läge sie tatsächlich vor, wäre die übrige Familie mit erhöhten finanziellen Aufwendungen für eine medizinische Behandlung und unter Umständen einem erhöhten Betreuungsaufwand belastet. Zudem bestehen auch für registrierte Bidun teils Schwierigkeiten beim Zugang zum Gesundheitssystem. Jedoch wurde zum einen schon kein den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG genügendes ärztliches Attest beigebracht, weswegen die Erkrankung als nicht substantiiert dargelegt zu betrachten ist (zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 60a Abs. 2c AufenthG im Rahmen der Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG: NdsOVG, B.v. 13.3.2020 - 9 LA 46/20 - juris Ls. und Rn. 14 ff.). Zum anderen lässt sich aus den Angaben der Kläger zu 1) und 2) vor dem Bundesamt und insbesondere in der mündlichen Verhandlung keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende und behandlungsbedürftige Erkrankung der Klägerin zu 5) ableiten. So äußerte der Kläger zu 2) auf Nachfrage des Gerichts, dass sie das Geld aus der „Stammeskasse“ der Familie deshalb nicht für eine medizinische Behandlung der Klägerin zu 5) in Kuwait aufgewendet hätten, weil sie davon nach Europa reisen wollten und liefert damit ein Indiz gegen eine schwerwiegende und dringend behandlungsbedürftige Krankheit seiner Tochter. Zudem ergeben sich erhebliche Zweifel an der Diagnose Epilepsie, da die Klägerin zu 1) sie aus den Aussagen von „Leuten mit Erfahrung aus dem Familienkreis“ (Protokoll der mündlichen Verhandlung) gewonnen hat. Eine bestätigende Diagnose des Arztes, bei dem die Klägerin zu 5) in Deutschland in Behandlung ist, erfolgte bis zur gerichtlichen Entscheidung nicht.
49
Und schließlich vermag auch die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in Kuwait keine andere Beurteilung in Bezug auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m Art. 3 EMRK zu rechtfertigen. Kuwait ist zwar stark von Covid-19 betroffen und weist mehr als 200 Fälle pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen auf. Jedoch ergreift der kuwaitische Staat grundsätzlich adäquate Gegenmaßnahmen wie Einreisesperren für Ausländer, Einschränkungen bei der Öffnung von Geschäften und verpflichtende Hygieneregeln. Zudem wurden Stand: 13. Juli 2021 bereits 2.375 Millionen Impfdosen verabreicht, wobei Kuwait insgesamt etwa 4,2 Millionen Einwohner hat (Auswärtiges Amt, Reise- und Sicherheitshinweise zu Kuwait, Stand 1.7.2021; Johns Hopkins University, Coronazahlen Kuwait). Von etwaigen signifikanten Beeinträchtigungen insbesondere des Arbeitsmarktes oder des Gesundheitssektors wird nicht berichtet.
50
b) Ferner können die Kläger kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG geltend machen.
51
Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten - insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage - kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn nämlich der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen - Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Rückführungsstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleich-sam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31960 - juris Rn. 60 ff.; BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 23.10 - juris Rn. 21 ff.).
52
Unter Berücksichtigung dessen und der aktuellen Erkenntnismittel sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall der Kläger nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Punkt 4. a.) der Entscheidungsgründe verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris).
53
Es ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass einer der Kläger an einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG leidet, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (s. insbesondere hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Klägerin zu 5) oben unter 4. a)). Die Gefahr bei einer Rückkehr potentiell am Corona-Virus zu erkranken, stellt eine allgemeine Gefahr dar, die nur dann zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen könnte, wenn die Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahr ausgesetzt wären. Eine solche kann aber selbst bei einer 7-Tages-Inzidenz von über 200 nicht angenommen werden, soweit jedenfalls, wie hier, der kuwaitische Staat angemessene Abwehrmaßnahmen ergreift.
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5. Gegen die im angefochtenen Bescheid vom 21. Januar 2021 in Ziffer 5 ergangene Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung gemäß § 38 Abs. 1 AsylG und § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG bestehen keine rechtlichen Bedenken.
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Insbesondere ist die Verbindung der ablehnenden Asylentscheidung mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung europarechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden (EuGH, U.v. 19.6.2018 - Gnandi, C-181/16 - NVwZ 2018, 1625). Allerdings muss nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Lichte der RL 2008/115/EG (Rückführungs-RL) und der Asylverfahrensrichtlinie (heute RL 2013/32/EU) sowie des Grundsatzes der Nichtzurückweisung und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) durch das nationale Recht gewährleistet sein, „dass alle Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung ausgesetzt werden, dass der Antragsteller während dieses Zeitraums in den Genuss der Rechte aus der RL 2003/9/EG [heute: RL 2013/33/EU] des Rates vom 27.1.2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten kommen kann und dass er sich auf jede nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetretene Änderung der Umstände berufen kann, die im Hinblick auf die RL 2008/115/EG und insbesondere ihren Art. 5 erheblichen Einfluss auf die Beurteilung seiner Situation haben kann; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts“ (EuGH, U.v. 19.6.2018 - Gnandi, C-181/16 - NVwZ 2018, 1625 Rn. 67).
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Dem ist das Bundesamt zum einen durch die Formulierung in Ziffer 5 gerecht geworden, dass „die durch die Bekanntgabe dieser Entscheidung in Lauf gesetzte Ausreisefrist bis zum Ablauf der zweiwöchtigen Klagefrist ausgesetzt [wird]“ und zum anderen durch die § 38 Abs. 1 Satz 2 AsylG entsprechende Bedingung, dass im Falle einer Klageerhebung die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet. Die im Übrigen durch den EuGH formulierten Bedingungen sind erfüllt (s. VG Ansbach, U.v. 18.8.2020 - AN 17 K 20.30137 - juris Rn. 51 ff.).
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6. Auch die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG in Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheides begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.