Titel:
Verunstaltung einer Giebelwand durch Fremdwerbeanlage
Normenketten:
BayBO Art. 8 S. 1, S. 2, Art. 56 S. 1 Nr. 5
StVO § 33 Abs. 2 S. 1, S. 2
Leitsätze:
1. Art. 8 BayBO hat als Norm des Bauordnungsrechts die Funktion, Auswüchse zu unterbinden, nicht jedoch bestimmte ästhetische Wertvorstellungen zur Gestaltung des Stadt- bzw. Ortsbildes zu verwirklichen. Dementsprechend ist unter dem Begriff der Verunstaltung ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des für solche Eindrücke aufgeschlossenen gebildeten Durchschnittsmenschen nicht bloß beeinträchtigender, sondern verletzender Zustand zu verstehen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Werbeanlage verunstaltet ihren Anbringungsort, wenn sie die entsprechende Wand zu einem Werbeträger herabwürdigt bzw. umfunktioniert oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzt, der zu seiner Umgebung in keiner Beziehung steht und es damit empfindlich stört. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
erfolglose Verpflichtungsklage, Baugenehmigung für eine an der Giebelwand eines Wohnhauses angebrachte unbeleuchtete Fremdwerbeanlage, Rechtschutzbedürfnis (bejaht), Verunstaltung (bejaht), Fremdkörper, gebildeter Durchschnittsmensch
Fundstelle:
BeckRS 2021, 21838
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens ausgenommen der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3.Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die baurechtliche Genehmigung zur Errichtung einer einseitigen unbeleuchteten Werbeanlage zur Fremdwerbung.
2
Die Klägerin ist geschäftsmäßig in der Aufstellung und Vermietung von Außenwerbeanlagen tätig. Die Beigeladene ist eine kreisangehörige Gemeinde im Landkreis …, in deren Gemeindegebiet das Bauvorhaben umgesetzt werden soll. Mit Bauantrag vom 2. Oktober 2019 begehrte die Klägerin, unter Vorlage der Einverständniserklärung der Grundstückseigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …, Gemarkung …, … … …, … … (Vorhabengrundstück), die Erteilung einer Baugenehmigung zur Anbringung einer einseitigen unbeleuchteten Plakatanschlagstafel an dem auf dem Vorhabengrundstück befindlichen Wohnhaus. Die Maße der Plakattafel betragen 2,80 m x 3,80 m (Ansichtsfläche: 2,60 m x 3,60 m), wobei die Werbeanlage an der Giebelwand des Wohnhauses ungefähr in Erdgeschosshöhe angebracht werden soll.
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Das Vorhabengrundstück befindet sich südöstlich der … … (* … …*), der Ortsdurchfahrt von …, unmittelbar an der Einmündung der von Osten kommenden … in die … … In nordöstlicher Richtung stadtauswärts befindet sich die Anschlussstelle … der … Die geplante, an der Hauswand angebrachte Werbeanlage ist für die in Fahrtrichtung Südwest (Richtung …*) die Ortsdurchfahrt passierenden Verkehrsteilnehmer einsehbar. Sie befindet sich aus deren Sicht auf der linken Fahrbahnseite. An der Einmündung … … verläuft der die … querende Fußweg (roter Fahrbahnbelag mit Leitlinie), den auch Radfahrer in beiden Richtungen benutzen dürfen. Ungefähr auf Höhe der Ecke … … befindet sich auf dem an der … … vor dem Vorhabengrundstück verlaufenden Gehweg ein für die in Richtung … passierenden Verkehrsteilnehmer einsehbares Gehwegzeichen mit dem Zusatz „Radfahrer frei“. Auf der … … in Fahrtrichtung Nordost mündet von Westen kommend in ca. 43 m (Fahrbahnmitte) Entfernung zur Plakattafel der … in die … … ein. In ca. 60 m Entfernung (Fahrbahnmitte) befindet sich die Einmündung der aus Osten verlaufenden Straße „…“ in die* … … Auf dem nördlich hiervon in Fahrtrichtung … links der … … gelegenen Grundstück befindet sich eine Bäckerei und Metzgerei mit Eigenwerbeschildern. In entgegengesetzter Fahrtrichtung der … …, Richtung …, befindet sich unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenzend linker Hand der Bauhof der Gemeinde, im weiteren Verlauf Wohnbebauung und anschließend eine Scheune an der Einmündung des … in die … … An dieser ist an der Traufseite ein in Fahrtrichtung … einsehbares Fremdwerbeplakat angebracht. Weiter in Richtung … kommt linker Hand eine öffentliche Grünfläche mit Bushaltestelle zum Liegen. Im Übrigen findet sich in der näheren Umgebung vermehrt Wohnbebauung. Vereinzelt sind kleinere Plakate mit Fremdwerbung zu sehen.
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Die Beigeladene hat für den fraglichen Bereich eine Satzung für die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes „… …“ vom 5. August 2003, geändert durch die mit Gemeinderatsbeschluss vom 27. Oktober 2016 beschlossene Änderungssatzung, erlassen. § 3 der Änderungssatzung sieht vor, dass die Vorschriften des § 144 Abs. 1 BauGB über genehmigungspflichtige Vorhaben und Rechtsvorgänge Anwendung finden.
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Die Beigeladene verweigerte zur beantragten Errichtung der Werbetafel das gemeindliche Einvernehmen mit Gemeinderatsbeschluss vom 24. Oktober 2019, da das Vorhaben, für das § 34 BauGB anzuwenden sei und welches sich in einem Mischgebiet befinde, sowohl hinsichtlich der Größe als auch aufgrund seiner Eigenschaft als Fremdwerbung an einem Privatgebäude nicht den Gestaltungsrichtlinien im Sanierungsgebiet „… …“ entspreche.
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Das Staatliche Bauamt verweigerte mit Schreiben vom 10. Februar 2020 sein Einvernehmen, Art. 24 Abs. 1 BayStrWG, da sich die Werbeanlage unmittelbar an einer Einmündung/Kreuzung mit Fußgänger- und Radfahrerquerungen befinde. Aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, insbesondere des Fußgänger- und Radfahrverkehrs, könne eine Ablenkung in diesem Bereich nicht toleriert werden. Die Polizeiinspektion … schloss sich mit Schreiben vom 15. Juni 2020 der Auffassung des Staatlichen Bauamtes an und teilte überdies mit, dass sich im Zeitraum 1. Januar 2015 bis 14. Juni 2020 im unmittelbaren Bereich zwei Verkehrsunfälle ohne Personenschaden ereignet hätten. Auch die Straßenverkehrsbehörde des Landratsamtes … schloss sich der Einschätzung des Staatlichen Bauamtes an.
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Daraufhin hörte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 19. März 2020 zur beabsichtigten Ablehnung der beantragten Baugenehmigung an. Die Klägerin erwiderte hierauf mit Email vom 30. März 2020, dass das Vorhaben den Verkehr keineswegs beeinträchtige, da die … … an der besagten Stelle geradlinig verlaufe und ausreichend auffällige Markierungen am Boden angebracht seien. Auch sei die Anlage kein Fremdkörper und beeinträchtige das Ortsbild nicht, denn es seien mehrere Werbeanlagen im Ort vorhanden. Die geplante Anlage sei daher kein Präzedenzfall, auch werte die Werbetafel den Ort auf und gebe ihm einen modernen Anstrich.
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Der Beklagte versagte mit Bescheid vom 29. Juni 2020 die Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Das Vorhaben sei als bauliche Anlage nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig. Es sei jedoch nicht genehmigungsfähig. Die Werbeanlage solle im bauplanungsrechtlichen Innenbereich errichtet werden. Ein Bebauungsplan existiere nicht. Die geplante Werbetafel würde zu einer Beeinträchtigung des Ortsbildes führen, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB. Durch die Anbringung der Werbetafel am Giebel eines Wohnhauses verliere dieser seine Funktion. Man würde an dieser Stelle des Wohnhauses eher den Einbau von Fenstern erwarten als die Anbringung einer Werbetafel. Durch seine Lage entwickele die Werbeanlage eine gewisse Fernwirkung, womit der gesamte Straßenzug an dieser Stelle entwertet würde. Auch sei das Vorhaben aus denselben Gründen gestalterisch nach Art. 8 BayBO abzulehnen, da die vorhandene Giebelwand umfunktioniert und damit herabgewürdigt würde. Das vorhandene Erscheinungsbild würde durch diesen Fremdkörper empfindlich gestört. Die Werbeanlage sei ein wesensfremdes Gebilde, das zu seiner Umgebung in keiner Beziehung stünde und zudem in unmittelbarer Nähe zu mehreren Wohngebäuden aufdringlich, geradezu erschlagend und damit verunstaltend wirke. Weiter komme es, unter Verweis auf die Stellungnahmen des Staatlichen Bauamtes und der Polizeiinspektion …, zu einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange, da die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gefährdet sei, Art. 14 BayBO. Das gemeindliche Einvernehmen sei verweigert worden. Da dies zu Recht erfolgt sei, komme ein Ersetzen des Einvernehmens nach Art. 67 BayBO nicht in Betracht. Weiter fehle es am Bescheidungsinteresse, da die Gemeinde … die erforderliche Genehmigung nach § 144 Abs. 1 BauGB nicht erteilt habe.
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Gegen den am 2. Juli 2020 per Postzustellungsurkunde zugestellten Bescheid vom 29. Juni 2020 hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 31. Juli 2020, bei dem Verwaltungsgericht Ansbach per Fax eingegangen am selben Tag, Klage erhoben. Das Sachbescheidungsinteresse sei gegeben, denn eine möglicherweise erforderliche Sanierungsgenehmigung hindere mangels Geltung der Schlusspunkttheorie in Bayern die Erteilung der beantragten Baugenehmigung nicht. Auch führe das Vorhaben nicht zu einer rechtserheblichen Beeinträchtigung des Ortsbildes, § 34 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BauGB. Es seien nur Beeinträchtigungen des Ortsbildes beachtlich, die städtebauliche Qualität besäßen. Nicht jedes Ortsbild sei schützenswert. Es müsse eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit vorliegen, woran es hier fehle. Eine besondere bodenrechtliche Charakteristik, die der Örtlichkeit eine über das Normale hinausgehende Prägung verleihen würde, sei nicht ersichtlich. Hinsichtlich einer weiteren Werbetafel an der Ortsdurchfahrt von …, … … …, sei dies vom Verwaltungsgericht Ansbach (AN 9 K 15.02380) bereits festgestellt worden. Art. 14 BayBO stehe der Genehmigung nicht entgegen, denn durch eine statische und unbeleuchtete Plakatanschlagstafel, dessen angebrachtes Werbeplakat in dekadischen Abständen händisch gewechselt werde, werde eine konkrete Verkehrsgefährdung im Rechtssinne nicht bewirkt. Besondere Einzelfallumstände, die hier eine konkrete Verkehrsgefährdung annehmen ließen, seien nicht erkennbar. Das beantragte Vorhaben verdecke oder überdecke nicht den freien Blick auf eine Lichtzeichenanlage oder ein Verkehrszeichen. Auch sei ein rechtserheblicher Unfallschwerpunkt vor Ort nicht feststellbar. Die … … sei übersichtlich ausgebaut und verlaufe nahezu schnurgerade. Allein der aus Richtung Nordwest kommende Verkehrsteilnehmer könne die Anlage erblicken und dies schon von Weitem. Da das Vorhaben keine besonderen Ablenkungseffekte mit sich führe, sei eine konkrete Verkehrsgefährdung nicht anzunehmen. Eine rechtserhebliche Verunstaltung nach Art. 8 BayBO sei ebenso wenig gegeben. Eine Verunstaltung der Umgebung sei nicht zu erwarten. Ob das Straßen- oder Ortsbild verunstaltet werde, hänge einerseits von den gestalterischen Eigenarten und Gegebenheiten der zu schützenden Objekte ab, so unter anderem von dem Gebietscharakter der Umgebung, der städtebaulichen Bedeutung des Straßenzuges, eines Platzes oder einer Anlage sowie der einheitlichen oder diffusen Prägung des Bereichs, in dem die Werbeanlage wirken solle, und andererseits von den gestalterischen Merkmalen der Werbeanlage, die zu dem Umgebungsbild in Beziehung treten solle. Art. 8 BayBO solle nicht bestimmte ästhetische Wertvorstellungen zur Stadtbildgestaltung verwirklichen, sondern diene dazu, Auswüchse zu unterbinden. Auch eine objektbezogene Verunstaltung sei zu verneinen. Die vorliegende Giebelfläche sei von vorneherein unsymmetrisch aufgebaut und gestaltet. Das Hinzutreten der Werbeanlage müsse nicht nur als hässlich oder unästhetisch empfunden werden, sondern es müsse im Auge des Betrachters ein krasser, verletzender Zustand eintreten. Dies sei nicht der Fall, denn das Auge des aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters kenne gerade hinsichtlich der Gestaltung von Fassaden eine „hohe Verletzungsschwelle“. Auch werde nicht der gesamte Giebel zum Werbeträger. Es würde genug freie Flächen verbleiben, so dass der Betrachter nicht von einer Gesamtwerbeanlage bezogen auf die Hauswand ausgehe. Auch diesbezüglich werde auf die erwähnte Entscheidung des VG Ansbach verwiesen.
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Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Juni 2020 zu verpflichten, der Klägerin die Baugenehmigung zur Anbringung einer statischen, unbeleuchteten Plakatanschlagstafel auf der Liegenschaft …, … … …, gemäß näherer Darstellung in den Bauvorlagen, zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, und führte zur Begründung ergänzend zu den im Bescheid genannten Gründen im Wesentlichen aus, dass das klägerseits zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts für eine Plakatanschlagstafel am Anwesen … … … nicht als Vergleichsmaßstab heranzuziehen sei. Die beiden Standorte stünden in keinem räumlichen Zusammenhang, auch sei eine Sichtbeziehung nicht gegeben. Im hier maßgeblichen Bereich sei der Gehweg im Rahmen der Erneuerung der Ortsdurchfahrt neu gepflastert und die umliegende Bebauung weise keine vielfach anzutreffenden Leerstände und Baumängel auf. Vielmehr seien zahlreiche optische Aufwertungen erfolgt. Auch sei die Werbeanlage geeignet, bodenrechtliche Spannungen zu erzeugen. Durch die immer wiederkehrenden Wechsel der Plakatinformation komme es in dem durch Wohnbebauung sehr stark geprägten Bereich zu einer Unruhe für die Bewohner und damit zu einer Verminderung der Wohnqualität. Darüber hinaus nehme der sanierte Bereich auch dadurch Schaden, dass veraltete Werbung mangels neuen Werbevertrages an den Tafeln hängen bleibe und dann witterungsbedingt zerstört würde. Ebenso sei eine Verunstaltung i.S.d. Art. 8 BayBO anzunehmen. Die Schutzwürdigkeit werde durch den sanierten Bereich der Ortschaft und dem Umstand, dass das Wohnhaus „… … …“ mit seinen südwestlichen Fenstern direkt auf das Schild ausgerichtet sei, geprägt. Auch sei die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs bereits dann konkret gefährdet, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender oder bloßer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass durch die Anlage ein Verkehrsunfall verursacht oder der Verkehr in seinem Ablauf behindert werde, insbesondere ein Durchschnittskraftfahrer durch sie abgelenkt werde.
12
Die Klägerin beantragte beim Landratsamt … mit Schreiben vom 28. Juli 2020, bezugnehmend auf den abgelehnten Bauantrag, die Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung für die geplante Werbetafel. Die Beigeladene verweigerte ihr gemeindliches Einvernehmen mit Beschluss vom 27. August 2020. Nach Anhörung der Klägerin lehnte der Beklagte den Antrag auf sanierungsrechtliche Genehmigung vom 28. Juli 2020 mit Bescheid vom 28. September 2020 ab, worauf die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 2. November 2020 Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach erhob. Das diesbezügliche Verfahren wurde mit Beschluss des Gerichts vom 20. Mai 2021 ruhend gestellt.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung mit Augenscheinseinnahme vom 20. Mai 2021 samt Lichtbildern Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Rechtschutzbedürfnis gegeben, da hier der Vorrang der straßenverkehrsrechtlichen Genehmigung vor der Baugenehmigung nach Art. 56 Satz 1 Nr. 5 BayBO i.V.m. § 33 Abs. 2 Sätze 1 und 2, § 46 Abs. 2 StVO nicht eingreift. Für die Erteilung der straßenverkehrsrechtlichen Genehmigung wäre nicht der Beklagte, sondern gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, c der Verkehrswesen-Zuständigkeitsverordnung (ZustVVerk) die Regierung von Mittelfranken zuständig. Nach Art. 56 Satz 1 Nr. 5 BayBO bedürfen Werbeanlagen keiner Baugenehmigung, soweit sie einer Ausnahmegenehmigung nach dem Straßenverkehrsrecht unterliegen. Dies ist gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1, § 46 Abs. 2 StVO dann der Fall, wenn Einrichtungen, die Zeichen oder Verkehrseinrichtungen (§§ 36 bis 43 StVO in Verbindung mit den Anlagen 1 bis 4) gleichen, mit ihnen verwechselt werden können oder deren Wirkung beeinträchtigen können, dort angebracht oder sonst verwendet werden, wo sie sich auf den Verkehr auswirken können, § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO, oder ein Fall des § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO vorliegt. Danach ist Werbung und Propaganda in Verbindung mit Verkehrszeichen und -einrichtungen verboten.
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Ein Fall des § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO in Bezug auf das „Gehweg“-Vorschriftszeichen mit dem Zusatzzeichen „Fahrräder frei“, welches laut Nr. 18, Zeichen 239 der Anlage 2 zur StVO das Gebot enthält, dass nur Fußgänger den Gehweg benutzen dürfen und bei erlaubter zusätzlicher Nutzung durch Radfahrer, wie hier, dass diese auf den Fußgängerverkehr Rücksicht zu nehmen haben, kann nicht angenommen werden. Dafür ist zwar nicht die Feststellung einer konkreten Beeinträchtigung erforderlich, sondern reicht es aus, wenn die jeweiligen Einrichtungen die Wirkung von Verkehrszeichen beeinträchtigen und sich auf den Verkehr auswirken können. Dabei wiederum ist nicht jede theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung ausreichend, sondern muss eine ernsthafte Beeinträchtigungsgefahr bestehen. § 33 Abs. 2 StVO kann insofern als abstrakter Gefährdungstatbestand bezeichnet werden (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2020 - 15 ZB 20.144 - juris Rn. 8; Ritter in Dötsch/Koehl/Krenberger/Türpe, BeckOK Straßenverkehrsrecht, 11. Ed. 15.4.2021, § 33 Rn. 17 ff.). Das Verkehrszeichen ist ungefähr auf Höhe der Ecke … … auf dem an der … … vor dem Vorhabengrundstück verlaufenden Gehweg aufgestellt und ist für die in Richtung … verkehrenden Verkehrsteilnehmer einsehbar. Damit befindet sich das Verkehrszeichen durchaus in der Nähe des geplanten Anbringungsortes der Werbetafel an der Giebelwand des Wohnhauses auf dem Vorhabengrundstück. Die … … ist in diesem Bereich und in der für dieses Verkehrsschild maßgeblichen Blickrichtung in Richtung … jedoch gut einsehbar und verläuft nahezu gerade. Insbesondere aufgrund der an der Einmündung zum … zusätzlich angebrachten Kenntlichmachung des den Einmündungsbereich querenden Geh-/Radweges in roter Farbe ist ein Übersehen des Gehwegvorschriftszeichens für die vom Verkehrsschild tangierten Fußgänger und Radfahrer nicht anzunehmen. Eine ernsthafte Gefahr der Beeinträchtigung des Verkehrs besteht nicht.
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Dies gilt ebenso für die auf der … … in Richtung … fahrenden und in die … abbiegenden Verkehrsteilnehmer in Bezug auf den durch Leitlinien und in rot kenntlich gemachten kreuzenden Geh-/Radweg, da diese Verkehrszeichen bereits aufgrund der roten Fahrbahnmarkierung insgesamt optisch deutlich hervortreten, das Werbeplakat von der Fahrbahn der … … aus bereits von weitem sichtbar ist, beim Abbiegen generell auf kreuzende Fußgänger/Radfahrer zu achten, § 9 Abs. 3 StVO, und die Aufmerksamkeit des Abbiegenden erhöht ist.
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Schließlich ist eine ernsthafte Beeinträchtigungsgefahr in Bezug auf sämtliche Markierungen und Verkehrszeichen, die an der Einmündung der … in die … … für die aus der … ausfahrenden Verkehrsteilnehmer angebracht sind (wie z.B. Stoppschild mit Zusatzschild des von links und rechts kreuzenden Radverkehrs sowie einer Haltelinie) aufgrund des nicht im Blickfeld eines die … in Richtung … … passierenden Verkehrsteilnehmers liegenden Werbeplakats fernliegend. Der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer wird die Werbetafel in dieser Fahrtrichtung gar nicht oder allenfalls am Rande wahrnehmen.
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Ebenso wenig ist § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO einschlägig, wonach Werbung und Propaganda in Verbindung mit Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen unzulässig ist, weil es an der Verbindung der Werbeanlage mit einem Verkehrszeichen/einer Verkehrseinrichtung fehlt (vgl. auch: Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, StVO, 2. Aufl. 2017, § 33 Rn. 21). Demnach bleibt es beim regulären Baugenehmigungsverfahren für die geplante Errichtung der Werbeanlage durch die Klägerin, weswegen diese nach erfolgter Verweigerung der Baugenehmigung durch den Beklagten ein Rechtsschutzbedürfnis für die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) auf deren Erteilung hat.
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2. Die Klage ist unbegründet. Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Diese hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung.
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Voraussetzung für einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung ist nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nachdem es sich bei dem Vorhaben der Klägerin um keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt und auch keine Verfahrensfreiheit (Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 a - g, Abs. 2 Nr. 6 BayBO) oder Genehmigungsfreistellung (Art. 58 BayBO) in Frage kommt, sind vom Prüfungsumfang grundsätzlich nur die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfasst. Allerdings gewährt Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayBO den Bauaufsichtsbehörden eine erweiterte Ablehnungsmöglichkeit, wenn das Vorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Da der Beklagte den streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid auch auf Art. 8 Satz 1 und 2 BayBO gestützt hat und insofern von seinem Ablehnungsrecht aus Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayBO Gebrauch gemacht hat, sind auch diese Vorschriften Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung.
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Die geplante Werbeanlage verstößt gegen das Verunstaltungsverbot des Art. 8 BayBO. Art. 8 Satz 1 BayBO regelt, dass bauliche Anlagen nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein müssen, dass sie nicht verunstaltet wirken. Nach Satz 2 dürfen bauliche Anlagen das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht verunstalten. Art. 8 BayBO hat als Norm des Bauordnungsrechts die Funktion, Auswüchse zu unterbinden, nicht jedoch bestimmte ästhetische Wertvorstellungen zur Gestaltung des Stadt- bzw. Ortsbildes zu verwirklichen (vgl. BayVGH, U.v. 21.2.1995 - 14 B 92.2128; U.v. 11.8.2006 - 26 B 05.3024; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 8 Rn. 53 m.w.N.). Dementsprechend ist unter dem Begriff der Verunstaltung ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des für solche Eindrücke aufgeschlossenen Betrachters nicht bloß beeinträchtigender, sondern verletzender Zustand zu verstehen. Er bedeutet nicht nur Störung der architektonischen Harmonie, vielmehr muss die optische Situation als belastend oder Unlust erregend empfunden werden (vgl. BayVGH, U.v. 25.7.2002 - 2 B 02.164; B.v. 12.5.2014 - 2 ZB 12.2498, beide juris). Dabei ist nicht auf ästhetisch besonders empfindsame oder geschulte und auch nicht auf solche Betrachter abzustellen, die ästhetischen Eindrücken gegenüber überhaupt gleichgültig oder unempfindlich sind; entscheidend ist das Empfinden des sogenannten gebildeten Durchschnittsmenschen, der zwischen diesen beiden Personenkreisen steht (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2019 - 9 ZB 17.264 - juris Rn. 6).
23
Soll eine Werbeanlage an einer Gebäudewand oder unmittelbar vor einer solchen errichtet werden, kann ein Verstoß gegen das umgebungsbezogene Verunstaltungsverbot in Art. 8 Satz 2 BayBO in Betracht kommen, wenn die Werbeanlage das Gebäude und durch dieses die Umgebung verunstaltet (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2016 - 2 ZB 15.2503 - juris, B.v. 26.11.2019 - 9 ZB 17.264 - juris Rn. 7). Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass eine Werbeanlage ihren Anbringungsort verunstaltet, wenn sie die entsprechende Wand zu einem Werbeträger herabwürdigt bzw. umfunktioniert (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2002 - 14 ZB 02.1849; U.v. 28.10.2014 - 15 B 12.2765; U.v. 11.11.2014 - 15 B 12.765; B.v. 16.2.2016 - 2 ZB 15.2503, B.v. 12.1.2018 -9 ZB 15.1911 - alle juris) oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzt, der zu seiner Umgebung in keiner Beziehung steht und es damit empfindlich stört (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2016 - 2 ZB 15.2503 - juris Rn. 3; B.v. 11.11.2014 - 15 B 12.2765 - juris Rn. 13). Eine Verunstaltung kann auch angenommen werden, wenn die Werbeanlage vor oder an eine bauliche Anlage ohne Rücksicht auf deren Gestalt und Gestaltung gesetzt wird, wenn sich die Kanten der Werbeanlage mit den Konturen der vorhandenen baulichen Anlage überschneiden (vgl. HessVGH, U.v. 14.4.1982 - IV OE 11/80 - juris), wenn sich der Eindruck der Disharmonie geradezu aufdrängt (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2018 - 9 ZB 15.1911 - juris Rn. 10) oder wenn die Werbeanlage die andere bauliche Anlage, an der sie angebracht wird, deutlich dominiert und so zur Hauptsache wird, wenn sie also mit ihrer Größe in einem Missverhältnis zu ihrem Anbringungsort steht (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 8 Rn. 202, 233).
24
Insbesondere aufgrund des Ergebnisses des durchgeführten Augenscheins geht die Kammer davon aus, dass die geplante Werbeanlage an ihrem Anbringungsort eine solche Verunstaltung bewirken würde. Bei dem zweistöckigen Gebäude, an dem die Werbetafel angebracht werden soll, handelt es sich um ein gepflegtes, nachträglich mit einem Vollwärmschutz versehenes, fachmännisch verputztes und gestrichenes Wohnhaus. Die Werbeanlage soll auf der der … zugewandten Giebelwand des Gebäudes rechter Hand in Erdgeschosshöhe angebracht werden und nimmt in diesem Bereich etwas weniger als die Hälfte der dem Erdgeschoss zuzuordnenden Giebelseite ein. Die Giebelwand hat im Erdgeschoss keine Fenster, im 1. Stock befinden sich zwei symmetrisch angebrachte Fenster und im Dachgiebel ein mittig angebrachtes Fenster. Die Werbetafel würde ohne Rücksicht auf die gepflegte und geordnete Erscheinung der Giebelwand aufgesetzt werden. Bei einer Giebelwand tritt die Werbeanlage in der Regel auch mehr in Erscheinung als an einer Traufwand. Durch die Abmessungen der Tafel und den Anbringungsort an der Hauswand rechts unten würde die zwar schlichte, aber dennoch vorhandene architektonische Gliederung des Gebäudes empfindlich gestört. Die Symmetrie der Fassade würde durch die Werbeanlage zerstört. Einem durchschnittlichen Betrachter würde sich der Eindruck der Disharmonie geradezu aufdrängen. Dem vorhandenen ruhigen und gepflegten Erscheinungsbild des Gebäudes würde ein Fremdkörper aufgesetzt, der zu seiner Umgebung in keiner Beziehung steht.
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Durch die Verunstaltung der Giebelwand des Wohnhauses am Vorhabengrundstück, das Teil des Straßen- und Ortsbildes ist, wird im vorliegenden Fall zugleich das Straßen- und Ortsbild verunstaltet. Hierfür ist nicht erforderlich, dass es sich beim Anbringungsort um ein architektonisch hervorgehobenes und deshalb seine Umgebung besonders prägendes Gebäude handelt (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2019 - 9 ZB 17.264 - juris Rn. 7). Sowohl das auf dem Vorhabengrundstück befindliche Wohngebäude als auch die nähere Umgebung des Gebäudes, in der sich viele Wohngebäude befinden, machen einen überwiegend gepflegten Eindruck. Hervorzuheben ist die erst kürzlich erfolgte Sanierung der öffentlichen Verkehrsflächen wie Fahrbahn und Gehwege, die zu einer deutlichen Aufwertung der näheren Umgebung geführt haben. Die umliegende Bebauung weist auch keine Leerstände und Baumängel auf und ist gerade nicht durch baugestalterische Anspruchslosigkeit oder Lieblosigkeit gekennzeichnet, wo eine Werbetafel eher hinzunehmen ist. Ebenso wenig finden sich weitere Fremdwerbeanlagen mit vergleichbaren Dimensionen in der näheren Umgebung. Die geplante Werbeanlage, die in ihrer Größe am Aufstellungsort noch ohne Vorbild ist und der eine gewisse Fernwirkung nicht abgesprochen werden kann, wirkt damit besonders in einem Gebiet, das wie hier auch der Wohnnutzung dient, aufdringlich und verunstaltend. Auch wenn es an der Ortsdurchfahrt von … noch weitere Fremdwerbeanlagen gibt, wie etwa die beim Augenscheinstermin besichtigte, an der Traufseite einer Scheune angebrachte Werbetafel an der Einmündung … und die schriftsätzlich genannte Werbetafel in der … … … (AN 9 K 15.02380), so ändert dies an der verunstaltenden Wirkung der hier zur Genehmigung stehenden Werbeanlage nichts und dies bereits deshalb, weil sowohl die Gebäude, an denen die anderen Werbetafeln angebracht wurden (jeweils Scheune) als auch der Anbringsungsort (Traufseite) als auch die unmittelbare Umgebung vom streitgegenständlichen Fall differieren.
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Nach alledem ist nach Ansicht der Kammer eine Verunstaltung des Straßen- und Ortsbildes im Sinne des Art. 8 Satz 2 BayBO gegeben. Ob daneben die Werbeanlage auch für sich verunstaltet im Sinne des Art. 8 Satz 1 BayBO ist, kann dahinstehen.
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3. Die Klage hat keinen Erfolg und ist mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.