Titel:
Abgewiesene Klage im Streit um Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung
Normenketten:
GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 105 Abs. 3 S. 2
Leitsätze:
1. Die vollständige Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs iSd § 16 I Nr. 1 GrEStG erfordert neben der zivilrechtlich wirksamen Beseitigung des ursprünglichen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgangs auch, dass der Erwerbsvorgang vollständig und tatsächlich rückgängig gemacht wird. Dazu sind zum einen der Wegfall der Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück sowie die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellung des Verkäufers erforderlich, zum anderen muss der Veräußerer den empfangenen Kaufpreis in vollem Umfang dem Erwerber erstatten. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es liegt keine vollständige Rückgängigmachung iSd § 16 I Nr. 1 GrEStG vor, wenn zwar der Kaufvertrag innerhalb von zwei Jahren zivilrechtlich wirksam aufgehoben worden ist, dabei jedoch der gezahlte Kaufpreis nicht innerhalb von zwei Jahren an den Käufer zurückgezahlt, sondern in ein Darlehen des Käufers umgewandelt worden ist. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Grunderwerbsteuer
Fundstellen:
EFG 2021, 1574
StEd 2021, 569
UVR 2021, 330
ErbStB 2021, 329
RNotZ 2023, 192
BeckRS 2021, 21657
MittBayNot 2023, 90
DStRE 2022, 675
LSK 2021, 21657
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Grunderwerbsteuerfestsetzung aufzuheben.
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Die Klägerin erwarb von Frau X mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 21. März 2016 (UR …) landwirtschaftliche Flächen in G zum Kaufpreis von 2,5 Mio. €. Letzterer setzte sich aus zwei Teilbeträgen zusammen, nämlich 600 T€ für den Grund und Bodenanteil und 1,9 Mio. € für den Bodenschatz (Kies). Nach dem Kaufvertrag hatte die Klägerin die Grunderwerbsteuer zu tragen. In derselben Urkunde gewährte die Klägerin Frau X zudem ein Darlehen i.H.v. 300 T€, das durch eine am in das Grundbuch eingetragene Hypothek gesichert wurde. Das Darlehen war mit Fälligkeit des Kaufpreises für den Bodenschatz bzw. mit Ausübung des Wiederkaufsrechts zur Rückzahlung fällig. Zugunsten der Klägerin wurde eine Auflassungsvormerkung ins Grundbuch eingetragen. Die Klägerin wurde nicht als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen.
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Mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 13. April 2016 setzte der Beklagte Grunderwerbsteuer i.H.v. 89 T€ gegen die Klägerin fest, wobei er von einer Bemessungsgrundlage i.H.v. 2,5 Mio. € ausging. Auf den Einspruch der Klägerin hin änderte der Beklagte den Grunderwerbsteuerbescheid vom 13. April 2016 und setzte mit Bescheid vom 9. Juni 2016 die festgesetzte Grunderwerbsteuer herab, wobei er nunmehr von einer Bemessungsgrundlage i.H.v. 600 T€ ausging. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
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Mit notariell beurkundetem Aufhebungsvertrag vom 15. März 2018 (UR …) hoben die Vertragsparteien den notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 21. März 2016 (UR …) vollumfänglich auf. Die Klägerin bewilligte und beide Vertragsparteien beantragten die Löschung der Auflassungsvormerkung. Der bezahlte Kaufpreis i.H.v. 600 T€ sowie das ausbezahlte Darlehen i.H.v. 300 T€ wurden von Frau X nicht zurückerstattet bzw. zurückbezahlt, sondern in derselben Urkunde in ein Darlehen umgewandelt und durch die Eintragung einer Hypothek an den o.g. landwirtschaftlichen Flächen abgesichert.
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Mit Schreiben vom 15. März 2018 beantragte die Klägerin die mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 9. Juni 2016 erfolgte Steuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetztes (GrEStG) aufzuheben. Mit Schreiben vom 5. August 2019 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 2. September 2019 Einspruch beim Beklagten ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
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Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Januar 2020, der an demselben Tag per Telefax bei Gericht einging, Klage, die wie folgt begründet wird:
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Im Streitfall sei das Eigentum an dem Grundstück nicht an die Klägerin übergegangen. Der Kaufvertrag vom 21. März 2016 sei mit dem Aufhebungsvertrag vom 15. März 2018, mithin innerhalb von zwei Jahren, zivilrechtlich aufgehoben worden. Darüber hinaus sei der Kaufvertrag auch tatsächlich vollständig rückabgewickelt worden. Insbesondere sei der Kaufpreis zurückbezahlt worden. Dass Letzterer in ein Darlehen umgewandelt worden sei, stehe der Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht entgegen. Die Regelung im Aufhebungsvertrag vom 15. März 2018 stelle insoweit lediglich einen abgekürzten Zahlungsweg bzw. eine bloße Verkürzung des Leistungswegs dar.
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Die Klägerin beantragt,
die Grunderwerbsteuerbescheide vom 13. April 2016 sowie vom 9. Juni 2016 - unter Aufhebung der Ablehnung vom 5. August 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2019 - aufzuheben,
hilfsweise, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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Seiner Ansicht nach seien die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG im Streitfall nicht erfüllt. Die Umwandlung des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises in ein Darlehen führe insoweit zu keiner Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.
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Mit Beschluss vom 18. März 2021 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird nach § 105 Abs. 3 Satz 2 FGO auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Behördenakte sowie die Gerichtsakte nebst Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1.) Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, wird gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auf Antrag die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet.
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Die vollständige Rückgängigmachung erfordert neben der zivilrechtlich wirksamen Beseitigung des ursprünglichen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgangs auch, dass Letzterer vollständig und tatsächlich rückgängig gemacht wird (vgl. Loose in Boruttau, GrEStG, 18. Auflage, 2016, § 16, Rn. 33, 61). Dazu sind zum einen der Wegfall der Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück sowie die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellung des Verkäufers erforderlich (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofes - BFH - vom 25. August 2010 II R 35/08, BFH/NV 2010, 2301 m.w.N.; Loose in Boruttau, GrEStG, 18. Auflage, 2016, § 16, Rn. 62). Zum anderen muss der Veräußerer den empfangenen Kaufpreis in vollem Umfang dem Erwerber erstatten (BFH-Urteil vom 10. Oktober 1973 II R 22/68, BStBl II 1974, 362; BFH-Beschluss vom 10. Juni 1996 II B 139/95, BFH/NV 1997, 61; Loose in Boruttau, GrEStG, 18. Auflage, 2016, § 16, Rn. 81).
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2.) Bei Übertragung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die zuletzt mit Bescheid vom 9. Juni 2016 erfolgte Steuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufhebt.
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a) Der Klägerin ist zwar insoweit zuzustimmen, als mit der zwischen der Klägerin und Frau X am 15. März 2018 abgeschlossenen Vereinbarung der Kaufvertrag vom 21. März 2016 - innerhalb von zwei Jahren - zivilrechtlich wirksam aufgehoben worden ist. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ist dadurch jedoch der Erwerbsvorgang nicht i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG rückgängig gemacht worden, da der Klägerin der von ihr gezahlte Kaufpreis i.H.v. 600 T€ nicht erstattet worden ist. Zwar ist zivilrechtlich die aus dem Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises resultierende Forderung mit der aus dem Darlehensvertrag resultierenden Forderung auf Zurverfügungstellung der Darlehenssumme verrechnet worden. Die Klägerin hat jedoch dadurch den Kaufpreis nicht zurückerhalten. Sie hat lediglich einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens in Höhe des Kaufpreises erhalten. Infolgedessen hat Frau X weiterhin die volle Verfügungsbefugnis über den seinerzeit erhaltenen Kaufpreis behalten. Die gewählte Gestaltung steht daher einer vollständigen Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs entgegen.
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b) Die Einwendungen der Klägerin überzeugen im Ergebnis nicht. So sind entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin die Grundsätze zum sog. abgekürzten Zahlungsweg im Streitfall nicht anwendbar. Der Zahlungsweg wird abgekürzt, wenn ein Dritter im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen dessen Schuld tilgt, statt ihm das Geld unmittelbar zu geben, damit der Steuerpflichtige seine Schuld selbst tilgen kann (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 2000 VIII R 68/96, BHH/NV 2000, 1278). Aufwendungen des Dritten können dann als Aufwendungen des Steuerpflichtigen angesehen werden. Eine solche Konstellation liegt im Streitfall nicht vor. Im Streitfall haben sich die Klägerin mit Frau X - ohne Zwischenschaltung Dritter - darauf geeinigt, dass die Rückerstattung des Kaufpreises durch eine neue vertragliche Regelung ersetzt wird. Die dadurch realisierte Schuldumwandlung (Novation) hat lediglich zu einer Verkürzung des Leistungswegs geführt (vgl. BFH-Urteil vom 22. Februar 2018, VI R 17/16, BStBl II 2019, 496). Letztere hat jedoch keine Rückerstattung des Kaufpreises, wie sie von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gefordert wird, nach sich gezogen, weil Frau X den seinerzeit erhaltenen Kaufpreis einvernehmlich nicht aus der Hand gegeben hat. Der Streitfall ist auch nicht mit der Konstellation vergleichbar, in der der Kaufpreis tatsächlich zurückgezahlt wird und anschließend aufgrund eines völlig eigenständigen Entschlusses ein Darlehen gewährt wird, weil vorliegend der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises und der Anspruch auf Gewährung des Darlehens in gleicher Höhe ganz bewusst miteinander verknüpft worden sind. Soweit die Klägerin vorträgt, dass es ihr aufgrund der Vertragsfreiheit freistehe, den Kaufpreisrückerstattungsanspruch in ein Darlehen umzuwandeln, ist ihr insoweit zuzustimmen, als dies zweifellos zivilrechtlich zulässig ist. Dieser Umstand ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die von der Klägerin gewählte zivilrechtliche Gestaltung zur Folge hatte, dass der Erwerbsvorgang dadurch nicht i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG rückabgewickelt worden ist. Beide Kriterien schließen sich nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 10. Oktober 1973 II R 33/68, BStBl II 1974, 362). Der Streitfall ist nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar, der der Entscheidung des BFH vom 31. Mai 1972 (II R 92/67, BStBl II 1972, 836) zugrunde gelegen ist. Streitgegenstand ist damals die grunderwerbsteuerliche Beurteilung der Umgestaltung eines entgeltlichen in einen unentgeltlichen Erwerbsvorgang gewesen. Eine Vergleichbarkeit des streitgegenständlichen mit dem der Entscheidung des BFH vom 30. Juni 2008 (II B 61/07, BFH/NV 2008, 1698) zugrunde-liegenden Sachverhalt ist ebenfalls nicht gegeben. Eine Aufrechnung ist im Streitfall nicht erklärt worden. Die Klägerin und Frau X waren sich lediglich darüber einig, dass die aus dem Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises resultierende Forderung mit der sich aus dem Anspruch auf Zurverfügungstellung des Darlehens ergeben Forderung verrechnet werden sollte. Dadurch ist zwar zivilrechtlich der Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises untergegangen. Die Kaufpreissumme ist jedoch - wie beabsichtigt - bei Frau X verblieben. Die Verknüpfung mit dem Darlehensvertrag hat gerade verhindert, dass Frau X die Kaufpreissumme an die Klägerin auszahlt. Die Klägerin hat somit den gezahlten Kaufpreis von Frau X nicht - wie von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gefordert - innerhalb von zwei Jahren zurückerhalten. Das Darlehen ist nach Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bis zum 12. Mai 2021 nicht zurückgezahlt worden.
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c) Nach den Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 20. Mai 2020 war Frau X schließlich nicht zahlungsunfähig, so dass die Rückzahlung des Kaufpreises nicht daran gescheitert ist.
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d) Da der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bereits wegen der mangelnden Kaufpreisrückerstattung nicht erfüllt ist, ist die Frage, ob Frau X infolge der Vereinbarung vom 15. März 2018 ihre uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über das Grundstück wiedererlangt hat, nicht mehr entscheidungserheblich und kann daher dahin gestellt bleiben.
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3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
22
4.) Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.