Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 16.02.2021 – RO 5 E 21.182
Titel:

Einstweilige Anordnung, Allgemeinverfügung, Rechtsschutzbedürfnis, Aufhebung, Verwaltungsgerichte, Antragsgegner, Vorläufiger Rechtsschutz, Festsetzung des Streitwerts, Streitwertfestsetzung, Streitwertkatalog, Streitwertbeschwerde, Antragsbefugnis, Vorwegnahme der Hauptsache, Prozeßkostenhilfeverfahren, Schriftsätze, Übereinstimmende Erledigungserklärung, Antragstellers, Wert des Beschwerdegegenstandes, Verwaltungsrechtsschutz, Kostenentscheidung

Normenketten:
BayIfSMV § 2
BayIfSMV § 3
BayIfSMV § 26
BayIfSMV § 27
IfSG § 28 a
BayVwVfG Art. 35 S. 2
VwGO § 42 Abs. 2, 123
VwGO § 42 Abs. 123
Schlagworte:
Erleichternde Abweichung von allgemeiner Ausgangsbeschränkung und nächtlicher Ausgangssperre, kein subjektiv-öffentliches Recht auf Erlass einer Allgemeinverfügung, Vorrang des individuellen Antragsrechts aus § 27 BayIfSMV, Ausschluss von Popularanträgen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 2151

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Antrag für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den Erlass einer Allgemeinverfügung, mit der die auf Grundlage von § 28a Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz -IfSG) erlassene allgemeine Ausgangsbeschränkung des § 2 und ursprünglich auch die nächtliche Ausgangssperre des § 3 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) für das Stadtgebiet Regensburg aufgehoben werden sollen.
2
Am 16. Dezember 2020 trat die 11. BayIfSMV vom 15. Dezember 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 737) in Kraft, die zuletzt am 12. Februar 2021 geändert wurde (BayMBl. 2020 Nr. 112) und bis zum 7. März 2021 gelten soll. Die 11. BayIfSMV enthält auszugsweise folgende Regelungen:
„§ 2 Allgemeine Ausgangsbeschränkung
1Das Verlassen der Wohnung ist nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt. 2Triftige Gründe im Sinne des Satzes 1 sind insbesondere:
1.
die Ausübung beruflicher oder dienstlicher Tätigkeiten,
2.
der Besuch von Einrichtungen und die Wahrnehmung von Angeboten nach §§ 18 bis 22, soweit sie zulässig sind, und die Teilnahme an Prüfungen nach § 17,
3.
die Inanspruchnahme medizinischer, pflegerischer und veterinärmedizinischer Versorgungsleistungen, der Besuch bei Angehörigen therapeutischer Berufe sowie Blutspenden,
4.
Versorgungsgänge, Einkauf und der Besuch von Dienstleistungsbetrieben in dem nach §§ 12, 13 zulässigen Ausmaß,
5.
der Besuch eines anderen Hausstands unter Beachtung der Kontaktbeschränkung nach § 4,
6.
der Besuch bei Ehegatten, Lebenspartnern, Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Alten, Kranken oder Menschen mit Einschränkungen unter Beachtung der Kontaktbeschränkung nach § 4,
7.
die Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts,
8.
die Begleitung von unterstützungsbedürftigen Personen und Minderjährigen unter Beachtung der Kontaktbeschränkung nach § 4,
9.
die Begleitung Sterbender sowie die Teilnahme an Beerdigungen im engsten Familien- und Freundeskreis,
10.
Sport und Bewegung an der frischen Luft unter Beachtung der Kontaktbeschränkung nach § 4,
11.
die Versorgung von Tieren,
12.
Behördengänge,
13.
die Teilnahme an Gottesdiensten und an Zusammenkünften von Glaubensgemeinschaften unter den Voraussetzungen des § 6 sowie an Versammlungen unter den Voraussetzungen des § 7.“
3
Mit E-Mail vom 3. Februar 2021 wandte sich der Antragsteller zu 1) an die Antragsgegnerin mit dem Hinweis, dass im Stadtgebiet der Schwellenwert aus § 28 Abs. 3 Satz 5 IfSG seit acht Tagen in Folge unterschritten werde. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die angeordneten Ausgangssperren seien nicht mehr gegeben. Es werde beantragt, § 2 und § 3 der 11. BayIfSMV gem. § 26 BayIfSMV aufzuheben.
4
Mit E-Mail vom 4. Februar 2021 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie im Hinblick darauf, dass die Kontaktverfolgung durch das Gesundheitsamt gerade so möglich sei, zunächst von lokalen Lockerungen Abstand nehme. Ein Antragsrecht für Bürger sei nach § 26 BayIfSMV nicht vorgesehen.
5
Mit E-Mail vom 4. Februar 2021 beantragte der Antragsteller zu 2) ebenfalls den Erlass einer Allgemeinverfügung. Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, dass die Aufhebung von § 2 und § 3 der 11. BayIfSMV keine Einschleppung zusätzlichen Infektionsgeschehens in die Stadt erwarten lasse. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass Bewohner von außerhalb die Stadt tagsüber aufsuchten, die keine triftigen Gründe im Sinne von § 2 11. BayIfSMV vorweisen könnten. Dies sei deswegen so, da triftige Gründe sowieso alle solche seien, die nicht von vornherein rechtswidrig seien. Aus diesem Grunde sei auch nicht damit zu rechnen, dass sich das Infektionsgeschehen innerhalb von Regensburg nennenswert verstärken werde. Durch einen Wegfall von § 2 11. BayIfSMV wäre im Grunde nicht mehr erlaubt als bereits jetzt. Da die Regelungen äußerst stark in Freiheitsrechte eingriffen, insbesondere in die Fortbewegungsfreiheit, und durch ihren Wegfall der Infektionsschutz wenigstens nicht wesentlich erschwert werde, sei die Fortgeltung unverhältnismäßig.
6
Am 4. Februar 2021 beantragten die Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg.
7
Die zulässigen Anträge seien begründet. Wortlaut, Zweck und Systematik von § 28a Abs. 3 IfSG und § 26 11. BayIfSMV würden es gebieten, bei einem Inzidenzwert von unter 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt erleichternde Abweichungen per Allgemeinverfügung zuzulassen. Eine wirksame Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus sei im Hinblick auf die niedrigen Inzidenzwerte im Stadtgebiet der Antragsgegnerin nicht mehr erheblich gefährdet, was jedoch die Voraussetzung der Maßnahmen in § 2 und § 3 11. BayIfSMV sei. Der Nutzen der Ausgangsbeschränkungen und nächtlichen Ausgangssperre sei äußerst fragwürdig und dienten allenfalls der besseren Kontrolle. Sie stellten jedoch auch einen gravierenden Grundrechtseingriff dar, da jegliche Freiheitsbetätigung außerhalb der eigenen Wohnung unter Rechtfertigungsdruck gesetzt werde.
8
Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2021 ergänzten die Antragsteller ihre Begründung dahingehend, dass es für sie nicht verständlich sei, weshalb sie kein Antragsrecht nach § 26 der 11. BayIfSMV haben sollten oder ein Rechtsschutzbedürfnis nur vorliegen sollte, wenn die Umstände für die Antragstellung in der Person der Antragsteller lägen. Voraussetzung sei, dass sich durch die Entscheidung des Gerichts die Position der Antragsteller verbessere, was vorliegend gegeben sei.
9
Die Antragsteller beantragen,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, durch erleichternde Abweichung nach § 26 11. BayIfSMV § 2 und § 3 der 11. BayIfSMV aufzuheben.
10
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
11
Es bestünden bereits erhebliche Bedenken hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses. Die Befugnis der Antragsgegnerin, Abweichungen im Einvernehmen mit der Regierung der Oberpfalz zuzulassen, knüpfe ausschließlich an Umstände an, die nicht in der Person des jeweiligen Antragstellers lägen. Anknüpfungspunkt sei nämlich das jeweilige objektive Infektionsgeschehen vor Ort. Ein subjektiv-rechtlicher Anspruch auf behördliches Einschreiten durch eine Allgemeinverfügung bestehe damit wohl nicht. Ein solcher Anspruch werde durch § 27 Abs. 2 11. BayIfSMV vermittelt, sofern eine Ausnahme aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar sei. Hierbei könnten individuelle Besonderheiten Berücksichtigung finden.
12
Zudem mangele es vorliegend jedenfalls an der Antragsbefugnis der Antragsteller, da eine Betroffenheit nicht substantiiert dargelegt worden sei. Die Antragsteller hätten nicht dargelegt, inwiefern sie von den Vorschriften der §§ 2 und 3 der 11. BayIfSMV gegenwärtig und selbst betroffen seien. Eine bloß potentielle Betroffenheit reiche nicht aus.
13
Problematisch sei zugleich, ob § 26 der 11. BayIfSMV überhaupt eine vollständige Aufhebung von § 2 und § 3 11. BayIfSMV trage, da dieser lediglich von „erleichternden Abweichungen“ spreche.
14
Des Weiteren sei der Antrag nach § 123 VwGO nicht statthaft. Die Antragsteller hätten ihr Begehren gegen den Freistaat Bayern als Verordnungsgeber im Verfahren nach § 47 VwGO zu richten.
15
Der Antrag betreffend § 2 der 11. BayIfSMV sei zudem viel zu unbestimmt, da die Vorschrift auf andere Regelungen in der jeweils gültigen Verordnung verweise und damit auf ein dynamischen Infektionsgeschehen.
16
Aufgrund der Änderung von § 3 der 11. BayIfSMV durch Verordnung vom 12. Februar 2021 mit Wirkung zum 15. Februar 2021 haben die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 13. und 15. Februar 2021 den Rechtsstreit hinsichtlich des Begehrens zur Verpflichtung, durch erleichternde Abweichung nach § 26 11. BayIfSMV § 3 der 11. BayIfSMV aufzuheben, für erledigt erklärt.
17
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, Bezug genommen.
II.
18
Aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen hinsichtlich des Antrags auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, durch erleichternde Abweichung nach § 26 11. BayIfSMV § 3 der 11. BayIfSMV aufzuheben, war das Verfahren teilweise einzustellen und ist nur noch über die Kosten zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Aus den unter Ziff. 1. angeführten Gründen waren die Kosten des Verfahrens insoweit den Antragstellern aufzuerlegen, da sie in der Hauptsache aller Voraussicht nach unterlegen wären.
19
Im Übrigen ist der Antrag abzulehnen, weil er bereits unzulässig ist.
20
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind darüber hinaus nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
21
Unstatthaft und damit unzulässig ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 5 VwGO, wenn vorläufiger Rechtsschutz nach den § 80 und 80a VwGO zu suchen ist, wenn also in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft ist.
22
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in jedem Fall die Geltendmachung und im Fall der Zulässigkeit des Antrags der Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit) als auch eines Anordnungsanspruchs. Ferner besteht hier die Besonderheit, dass im Falle der Gewährung von Eilrechtschutz die Hauptsache vorweggenommen würde, was dem Wesen des vorläufigen Rechtsschutzes widerspricht. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 13 m.w.N. aus Rspr. und Lit.). Dies wäre hier jedoch der Fall, da eine im Wege der einstweiligen Anordnung ergehenden Verpflichtung zum Erlass der begehrten Allgemeinverfügung gem. § 26 der 11. BayIfSMV die Hauptsache vorwegnehmen würde. Andererseits ist es anerkannt, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache dann möglich ist, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (vgl. BVerfG, B.v 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 - juris = BVerfGE 79, 69; BVerwG, U.v. 18.4.2013 - 10 C 9.12 - juris = BVerw-GE 146, 189; BVerwG, B.v. BVerwG, B.v. 13.8.1999 - 2 VR 1.99 - juris = BVerwGE 109, 258; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 14).
23
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
24
Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin auf Erlass einer Allgemeinverfügung soll nämlich nur dann möglich sein, wenn der Anspruch des Antragsteller auch nur durch den Erlass einer Allgemeinverfügung befriedigt werden kann (BeckOK VwVfG/von Alemann/Scheffczyk, 49. Ed. 1.10.2020, VwVfG § 35 Rn. 271). Ob etwa eine Verpflichtungsklage auf Erlass einer Allgemeinverfügung schon nur „statthaft“ wäre, wenn der Anspruch eines Klägers auch nur durch den Erlass einer Allgemeinverfügung befriedigt werden kann (so wohl HK-VerwR/Kyrill-Alexander Schwarz, 5. Aufl. 2021, VwVfG § 35 Rn. 116 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 16.2.1989 - 3 C 35/86 - NJW 1990, 787, 788) oder aber von fehlender Klage- bzw. hier Antragsbefugnis mangels subjektiven Rechts auszugehen wäre (in diese Richtung Huck/Müller/Müller, 3. Aufl. 2020, VwVfG § 35 Rn. 70 mit Verweis auf BVerwG NVwZ 2007, 695 und 1425), kann vorliegend dahinstehen.
25
Aufgrund der Systematik der 11. BayIfSMV ist nämlich davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber dem einzelnen Bürger ein subjektiv-öffentliches Recht auf Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 26 11. BayIfSMV nicht eingeräumt hat. In § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV hat der Verordnungsgeber bereits einen individuellen Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung über Ausnahmen vorgesehen und damit hinreichend sichergestellt, dass eine dem Einzelfall gerecht werdende Entscheidung der Kreisverwaltungsbehörde, welche der gerichtlichen Überprüfung unterliegt, getroffen werden kann. Auch Sinn und Zweck gebieten es bereits, die Annahme eines subjektiven Anspruchs auf Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 26 11. BayIfSMV zu verneinen. Bei der Entscheidung, erleichternde Abweichungen von den Bestimmungen der 11. BayIfSMV durch Allgemeinverfügung zuzulassen, handelt es sich um einen komplexen Abwägungsvorgang, der sämtliche in der Verordnung angeordneten Beschränkungen miteinzubeziehen hat. Ein individueller Anspruch mit einer hierfür erforderlichen Ermessensreduzierung auf Null wäre daher schon dem Grunde nach kaum denkbar. Gerade zur Befriedigung von Individualansprüchen ist eben das Antragsrecht in § 27 Abs. 2 Satz 1 11. BayIfSMV durch den Verordnungsgeber vorgesehen worden.
26
Sofern die Antragsteller die Unwirksamkeit von § 2 11. BayIfSMV geltend machen wollten, stünde ihnen der Weg der Normenkontrolle beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und der einschlägige Eilrechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO offen.
27
Die Zulässigkeitsschranken des § 42 Abs. 2 VwGO (analog) und § 47 Abs. 2 VwGO sollen darüber hinaus gerade „Popularanträge“ ausschließen (vgl. BVerwG, B.v. 18.7.1989 - 4 N 3/87 - BVerwGE 82, 225 = NVwZ 1990, 157), bei denen der Einzelne („quivis ex populo“) als Anwalt für die Durchsetzung des Rechts auftritt. Es handelt sich dabei um ein allgemeines Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes (nur beispielhaft BeckOK VwGO/Schmidt-Kötters, 56. Ed. 1.10.2019, VwGO § 42 Rn. 109 m.w.N.). Dass es den Antragstellern gerade über den Individualrechtsschutz hinaus auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Erlass einer für jedermann gültigen Allgemeinverfügung ankommt, zeigt deren Bekräftigung im Schriftsatz vom 15. Februar 2021, in dem sie klarstellen, dass sie keine Ausnahme im Sinne von § 27 BayIfSMV wünschten, sondern eine allgemeine Abweichung.
28
2. Der Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, durch erleichternde Abweichung nach § 26 11. BayIfSMV § 2 der 11. BayIfSMV aufzuheben, ist darüber hinaus auch mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Voraussetzung der Zulässigkeit jedes Antrags ist es, dass ein Antragsteller ein schutzwürdiges Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichts hat. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn ein Rechtsbehelf die Rechtsstellung des Antragstellers nicht (mehr) verbessern kann, weil er ihm keine rechtlichen oder tatsächlichen Vorteile bringt (Schoch/Schneider VwGO, VwGO vor § 40 Rn. 94, beck-online). Ein schutzwürdiges Interesse der Antragsteller ist für das Gericht nicht erkennbar und konnte durch die Antragsteller - trotz Problematisierung durch die Antragsgegnerin - in mehreren Schriftsätzen nicht dargelegt werden. So führt etwa der Antragsteller zu 2) in seiner E-Mail an die Antragsgegnerin vom 4. Februar 2021 explizit aus, dass eine Einschleppung zusätzlichen Infektionsgeschehens durch Aufhebung von § 2 der 11. BayIfSMV nicht zu erwarten sei, da die Annahme des Aufsuchens der Stadt ohne triftige Gründe i.S.v. § 2 der 11. BayIfSMV lebensfremd sei. Triftige Gründe seien ohnehin all solche, welche nicht rechtswidrig seien. Bis zuletzt vermochten die Antragsteller nicht darzulegen, in welchen Handlungen sie folglich durch die Regelungen in § 2 der 11. BayIfSMV eingeschränkt seien. Die bloße abstrakte Behauptung, selbst gewählte Gründe, die nicht triftig seien, als Anlass für ein Aufsuchen des Stadtgebietes haben zu wollen, reicht hierfür nicht, zumal die Antragsteller selbst gegenüber der Antragsgegnerin geäußert haben, ein Anlass aus einem nicht triftigen Grund sei lebensfremd. Eine Verbesserung der Rechtsstellung der Antragsteller ist demzufolge nach eigenem Bekunden der Antragsteller nicht denkbar. Bloß formell Adressat einer Regelung zu sein, rechtfertigt nicht die zulässige Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes. Auch derartige Anträge und Klagen sind zur Vermeidung von Popularklagen auszuschließen. Der Vortrag der Antragsteller beschränkt sich vielmehr auf den Vortrag einer rein potenziell möglichen Betroffenheit. Der Antrag ist daher bereits auch aus diesem Grund unzulässig.
29
Der Antrag war daher aus den vorgenannten Gründen abzulehnen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
30
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar auf der Homepage des BVerwG). Das Gericht hat vorliegend von der Möglichkeit, den Streitwert im Hinblick auf die Vorwegnahme der Hauptsache bis zur Höhe des Streitwerts der Hauptsache anzupassen, Gebrauch gemacht.