Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 12.02.2021 – RN 5 E 21.201
Titel:

Verwaltungsgerichte, Einstweilige Anordnung, Schutzimpfung, Richtiger Antragsgegner, Prozeßbevollmächtigter, Anspruchsberechtigte, Antragstellers, Feststellungsinteresse, Anordnungsanspruch, Hauptsacheverfahren, Anordnungsgrund, Pauschalierung, Vorläufiger Rechtsschutz, Einstweiliger Rechtsschutz, Vorrangigkeit, Summarische Prüfung, Vorwegnahme der Hauptsache, Teilhabeanspruch, Prozeßkostenhilfeverfahren, Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz

Normenketten:
CoronaImpfV § 1, §§ 2-4, § 6 Abs. 1 S. 2
ZustV § 65 S. 1
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 3 Abs. 1
VwGO 123
Leitsatz:
Eine Höherstufung in die höchste Prioritätsstufe ist auch im Einzelfall grundsätzlich nicht mehr möglich.
Schlagworte:
Anspruch auf vorrangige COVID-19-Schutzimfung, Priorisierungsreihenfolge, Zuständigkeit für die Entscheidung über die Gewährung einer Schutzimpfung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 2149

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz die unverzügliche Gewährung einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2.
2
Der am … geborene Antragsteller mit Wohnsitz in der Stadt Deggendorf ist beruflich als Unternehmer/Geschäftsführer tätig.
3
Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung - CoronaImpfV) vom 8. Februar 2021 (BAnz AT 8.2.2021 V1 S. 1 ff.) haben unter anderem Personen mit Wohnsitz in Deutschland im Rahmen der Verfügbarkeit der vorhandenen Impfstoffe Anspruch auf Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Dabei haben die Länder und der Bund den vorhandenen Impfstoff so zu nutzen, dass die Anspruchsberechtigten in der durch die §§ 2 bis 4 vorgegebenen Reihenfolge berücksichtigt werden, § 1 Abs. 2 Satz 1 CoronaImpfV. Die vorangegangene Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung - CoronaImpfV) vom 18. Dezember 2020 (BAnz AT 21.12.2020 V3 S. 1 ff.) trat mit Ablauf des 7.2.2021 außer Kraft, § 15 Satz 3 CoronaImpfV.
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Gegenwärtig werden Personen über 80 Jahre, Bewohner in Alten- und Pflegeheimen sowie medizinisches Personal mit sehr hohem Ansteckungsrisiko und Personal in der Altenpflege geimpft (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, Impfung gegen das Coronavirus, Reihenfolge der Impfungen, https://www.stmgp.bayern.de/coronavirus/impfung/, aufgerufen am 12.2.2021), mithin Personen mit höchster Priorität, § 2 CoronaImpfV.
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Der Antragsteller versuchte, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, bislang erfolglos den Erhalt bzw. die Beschaffung des Impfstoffes von dem Bundesministerium für Gesundheit, von dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, von dem Landkreis Deggendorf, von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) sowie auf dem freien Markt zu erwirken. Mit Schreiben vom 15.1.2021 versuchte der Antragsteller, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, eine unverzügliche Verabreichung des Impfstoffes durch den Antragsgegner zu erwirken. Eine förmliche Ablehnung des Antrags erfolgte bisher nicht.
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Mit Schreiben vom 29.1.2021, eingegangen bei Gericht am 1.2.2021, ließ der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht München erheben (M 26a K 21.447) und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen (M 26a E 21.448).
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Am gleichen Tag ließ der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg gegen den Landkreis Deggendorf erheben (RN 5 K 21.153) und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen (RN 5 E 21.151). Dort begehrte der Antragsteller mit seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz die unverzügliche Gewährung einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Der Antrag wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 3.2.2021 abgelehnt. Gegen den Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde, eingegangen beim Verwaltungsgericht Regensburg am 9.2.2021, einreichen lassen. Eine Entscheidung steht noch aus.
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Zur Begründung ließ der Antragsteller im Wesentlichen vortragen, dass der Antragsteller wünsche, die Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2 aus gesundheitlichen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG), aber auch aus beruflichen Gründen (Art. 12, 14 Abs. 1 GG) unverzüglich zu erhalten. Der Antragsteller fühle sich aufgrund der vorgenommenen Priorisierung (§§ 1 Abs. 2, 2, 3 und 4 CoronaImpfV) gegenüber anderen Versicherten und Menschen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland benachteiligt. Dies gelte umso mehr, als nun gefährliche Mutationen des Virus auftauchen würden und somit eine unmittelbare Gefahr für sein Leib und Leben bestehen würde. Es fehle §§ 1 Abs. 2, 2, 3 und 4 CoronaImpfV an einer verfassungskonformen Ermächtigungsgrundlage. Die Vorschriften seien daher verfassungswidrig und damit nichtig. Sie dürften von Behörden nicht angewendet werden und müssten von den Bürgern nicht beachtet werden. Die hohe Grundrechtsrelevanz der Impfpriorisierung spreche grundsätzlich für eine hohe Regelungsdichte eines förmlichen Parlamentsgesetzes. § 20i Abs. 3 SGB V und § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 lfSG, auf deren Grundlage die CoronaImpfV erlassen worden sei, gewährleiste keine verfassungsrechtlich hinreichende parlamentarische Rückanbindung der Impfpriorisierung. Weder § 20i Abs. 3 SGB V, noch § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 lfSG, noch die Kombination beider Rechtsnormen würden den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügen. Damit verbleibe es bei dem durch § 1 Abs. 1 CoronaImpfV geschaffenen Rechtsanspruch auf eine Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2. Der Antragsteller könne dessen Erfüllung auch unverzüglich beanspruchen. Der Antragsgegner verfüge unstreitig über ausreichenden Impfstoff hierfür. Ein Anordnungsgrund liege vor. Würde die begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen werden, so entstünden dem Antragsteller schwere und unzumutbare, später nicht wiedergutzumachende Nachteile, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Durch die Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, die schwere gesundheitliche Schädigungen bis hin zum Tod verursache, ergebe sich für das Leben des Antragstellers eine sehr konkrete Bedrohung.
9
Der Antragsteller ließ beantragen,
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller unverzüglich und ohne Berücksichtigung von § 1 Abs. 2, 2, 3 und 4 CoronaImpfV eine Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2, einschließlich etwaiger Folge- und Auffrischungsimpfungen, die für ein vollständiges Impfschema im Rahmen der Zulassung vorgesehen sind, zu gewähren.
Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Eilantrag Ziffer 1:
2. Es wird einstweilen festgestellt, dass §§ 1 Abs. 2, 2, 3 und 4 CoronaImpfV durch die Beklagte im Verhältnis zum Kläger nicht angewandt werden dürfen.
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Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
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Zur Begründung trug der Antragsgegner vor, dass sich an der materiellen Sach- und Rechtslage im Vergleich zum Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 3.2.2021 (RN 5 E 21.151) nichts geändert habe. Es bestehe nach wie vor weder ein Anordnungsgrund, noch ein Anordnungsanspruch.
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Mit Beschuss des Verwaltungsgerichts München vom 4.2.2021 erklärte sich das Verwaltungsgericht München für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Regenburg.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im Eilrechts-schutzsowie im Hauptsacheverfahren (RN 5 K 21.202) Bezug genommen.
II.
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Der Antrag hat mangels Begründetheit keine Aussicht auf Erfolg.
15
1. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet. Der Antragsteller hat zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts keinen Anspruch auf eine unverzügliche und vorgezogene Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 gegen den Antragsgegner.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahren zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
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Unstatthaft und damit unzulässig ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 5 VwGO, wenn vorläufiger Rechtsschutz nach den § 80 und 80a VwGO zu suchen ist, wenn also in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft ist.
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Ferner ist der Antrag auf Erlass auch nur dann zulässig, wenn sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) geltend gemacht sind, d.h. nach dem Vortrag des Antragstellers muss das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes zumindest als möglich erscheinen. Diese Voraussetzung entspricht somit der Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren.
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Begründet ist ein Antrag, wenn Anordnungsanspruch und -grund zudem glaubhaft gemacht sind, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Dies ist dann der Fall, wenn aufgrund einer summarischen Prüfung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 1 oder 2 VwGO überwiegend wahrscheinlich ist (BayVGH, B. v. 16.8.2010 - 11 CE 10.262 - juris Rn. 20 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 23). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
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Ein Anordnungsanspruch, der im Rahmen des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine Verpflichtung des Antragsgegners zur unverzüglichen Impfung des Antragstellers begründen könnte, wurde vom Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher Anspruch ergibt sich für den Antragsteller bei summarischer Prüfung weder aus den Bestimmungen der Coronavirus-Impfverordnung - CoronaImpfV - noch unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Das Gericht hat dabei die Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Danach ist ein möglicher Anspruch nach der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung - CoronaImpfV) vom 8. Februar 2021 (BAnz AT 8.2.2021 V1) zu beurteilen. Durch diese Verordnung werden u.a. die Voraussetzungen des Impfanspruches nach § 20i Abs. 3 Satz 7 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe c und f IfSG geregelt (vgl. BayVGH, B. v. 10.2.2021 - 20 CE 21.321 - Rn. 13, abrufbar unter https://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/21a00321b.pdf.).
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a) Zuständig für die Entscheidung über die Gewährung einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 ist das Landratsamt Deggendorf als Kreisverwaltungsbehörde nach § 6 Abs. 1 Satz 2 CoronaImpfV, § 65 Satz 1 ZustV. Auf die ausführlichen Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts Münchens vom 4.2.2021 - M 26a E 21.448 - wird ausdrücklich Bezug genommen (Bl. 42 ff. der Gerichtsakte). Der Antragsteller hat seinen Antrag gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, gerichtet. Eine unrichtige Angabe der Vertretungsbehörde des Antragsgegners ist unschädlich, sodass durch das Gericht zu ermitteln ist, welche Behörde zuständig ist (vgl. Brenner in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 78 Rn. 26; siehe auch BayVGH, a.a.O. Rn. 14 zur Frage des richtigen Antragsgegners).
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b) Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein Anspruch ergibt sich weder aus der CoronaImpfV noch aus einem unmittelbaren aus der Verfassung abgeleiteten Teilhabeanspruch aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. Art. 3 Abs. 1 GG. Die allgemein bekannte Knappheit der Impfstoffe ermöglicht eine Teilhabe nur im Rahmen der aktuell zur Verfügung stehenden Kapazitäten und erfordert daher in jedem Fall eine Priorisierung (LSG Niedersachsen-Bremen, B. v. 2.2.2021- L 5 SV 1/21 B ER - juris; BayVGH, a.a.O. Rn. 15). Das Vorbringen des Antragstellers sowie die vorgelegten Stellungnahmen führen zu keiner anderen Beurteilung.
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(1) Ein entsprechender Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 1 Abs. 1 und 2 CoronaImpfV.
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Nach § 1 Abs. 1 CoronaImpfV haben insbesondere Personen mit Wohnsitz in Deutschland im Rahmen der Verfügbarkeit der vorhandenen Impfstoffe Anspruch auf Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Dabei haben die Länder und der Bund den vorhandenen Impfstoff so zu nutzen, dass die Anspruchsberechtigten in der durch die §§ 2 bis 4 CoronaImpfV vorgegebenen Reihenfolge berücksichtigt werden, § 1 Abs. 2 Satz 1 CoronaImpfV. Innerhalb der in Satz 1 genannten Gruppen von Anspruchsberechtigten können auf Grundlage der jeweils vorliegenden infektiologischen Erkenntnisse, der jeweils aktuellen Empfehlung der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut und der epidemiologischen Situation vor Ort bestimmte Anspruchsberechtigte vorrangig berücksichtigt werden, § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaImpfV. Von der Reihenfolge nach Satz 1 kann in Einzelfällen abgewichen werden, wenn dies für eine effiziente Organisation der Schutzimpfungen, insbesondere bei einem Wechsel von einer der in Satz 1 genannten Gruppen zur nächsten, und zur kurzfristigen Vermeidung des Verwurfs von Impfstoffen notwendig ist, § 1 Abs. 2 Satz 3 CoronaImpfV.
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Derzeit verimpft der Freistaat Bayern die verfügbaren Impfstoffe in der Gruppe der höchsten Priorisierung, § 2 CoronaImpfV (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, Impfung gegen das Coronavirus, Reihenfolge der Impfungen, https://www.stmgp.bayern.de/coronavirus/impfung/, aufgerufen am 12.2.2021).Der Antragsteller hat zwar im Grundsatz einen Anspruch auf eine Impfung gegen das Coronavirus, bei eingeschränkter Verfügbarkeit von Impfstoffen nicht jedoch auf eine unverzügliche Impfung im Rahmen der höchsten Priorität, vgl. § 1 Abs. 1 CoronaImpfV. Der am … geborene Antragsteller mit Wohnsitz in Bayern gehört nicht zu den von § 2 CoronaImpfV erfassten Anspruchsberechtigten mit höchster Priorität. Aufgrund des Alters, der Gesundheit und der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers fällt dieser in keine der Priorisierungsgruppen der §§ 2 - 4 CoronaImpfV. Anhaltspunkte für das Vorliegen etwaiger Priorisierungsgründe - gemessen an den Bestimmungen der Neufassung der CoronaImpfV - wurden jedenfalls nicht vorgetragen.
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Das Gericht weist in diesem Zusammenhang auch auf die zutreffenden Ausführungen des BayVGH in seinem Beschluss vom 10.2.2021 - 20 CE 21.321 - Rn. 16 hin:
„Die vorgenommene Priorisierung ist dabei grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Sie entspricht im Wesentlichen den Beschlussempfehlungen der am RKI angesiedelten Ständigen Impfkommission nach § 20 Abs. 2 IfSG - STIKO (vgl. zuletzt den „Beschluss der STIKO zur 2. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung“, Stand der Aktualisierung vom 29. Januar 2021; abzurufen unter: RKI - Impfungen A - Z - STIKO-Empfehlungen zur COVID-19-Impfung - Epidemiologisches Bulletin -; aufgerufen hier zuletzt am 8. Februar 2021). Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Empfehlungen nicht auf den jeweils neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und regelmäßig evaluiert werden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, B. v. 2.2.2021 - L 5 SV 1/21 B ER - juris).“
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Es besteht für den Antragsteller auch kein Raum für eine vorrangige Berücksichtigung im Ermessenswege nach § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaImpfV.
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Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 CoronaImpfV haben die Länder und der Bund die Anspruchsberechtigten in der durch die §§ 2 bis 4 CoronaImpfV vorgezeichneten Reihenfolge zu berücksichtigen. In der vorangegangenen CoronaImpfV vom 18. Dezember 2020 (BAnz AT 21.12.2020 V3 S. 1 ff.) war § 1 Abs. 2 Satz 1 CoronaImpfV noch als Soll-Vorschrift ausgestaltet: „Die Länder und der Bund sollen den vorhandenen Impfstoff so nutzen, […]“. Mit der Neufassung der Verordnung hat der Verordnungsgeber klargestellt, dass eine Höherstufung in die höchste Prioritätsstufe grundsätzlich auch im Einzelfall nicht mehr möglich ist (vgl. BayVGH, B. v. 10.2.2021 - 20 CE 21.321 - Rn. 18). Eine vorrangige Berücksichtigung im Einzelfall ist nur innerhalb der in Satz 1 genannten Gruppen möglich, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaImpfV. Ausnahmen sind nach der Verordnung nur möglich, wenn dies für eine effiziente Organisation der Schutzimpfungen und zur kurzfristigen Vermeidung der Verwerfung von Impfstoffen notwendig ist, § 1 Abs. 2 Satz 3 CoronaImpfV. Die in § 1 Abs. 2 Satz 3 CoronaImpfV vom 8. Februar 2021 neu aufgenommene Regelung ermöglicht nunmehr ausdrücklich eine Verimpfung von übrig gebliebenem Impfstoff, was vor dem Hintergrund der derzeit noch herrschenden Knappheit an Impfstoffen auch sinnvoller ist, als den vorhandenen Impfstoff ungenutzt zu verwerfen. Auch unter dieser Maßgabe gilt jedoch, dass soweit wie möglich die Priorisierungsreihenfolge, wie sie die CoronaImpfV vorsieht, eingehalten werden muss. Eine von vornherein geplante Berücksichtigung von Personen, die nach dieser Reihenfolge noch nicht zu berücksichtigen wären, ist damit nicht in Einklang zu bringen (Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zur CoronaImpfV, S. 21, Stand 8.2.2021, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/CoronaImpfV_mit_B...21.pdf). Die Regelung erweist sich angesichts ihres klaren Wortlauts als objektives, allein einer möglichst effizienten Impforganisation dienendes Recht und verleiht der einzelnen Person kein subjektiv-öffentliches Recht auf Berücksichtigung eines besonderen individuellen Schutzbedarfs (vgl. BayVGH, B. v. 10.2.2021 - 20 CE 21.321 - Rn. 18, abrufbar unter https://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/21a00321b.pdf).
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(2) Im Übrigen kommt es auf die vermeintliche Verfassungswidrigkeit der Verordnung nicht an, da sich der behauptete Anspruch des Antragstellers auch nicht aus einem unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Teilhabeanspruch ergibt (siehe hierzu die nachfolgenden Ausführungen), (so auch schon: BayVGH, B. v. 10.2.2021 - 20 CE 21.321 - Rn. 16, vorgehend VG München, B. v. 28.1.2021 - M 26b E 21.292 - juris Rn. 36 ff.; Hannover, B. v. 25.1.2021 - 15 B 269/21 - juris Rn. 26; VG Gelsenkirchen, B. v. 11.1.2021 - 20 L 1812/20 - juris Rn. 65 ff.). Auch ein solcher Anspruch muss sich wegen der aktuell begrenzten Kapazität der Impfstoffe an nachvollziehbaren, wissenschaftlich basierten Erkenntnissen orientieren und müsste damit ähnlichen Kriterien folgen wie der Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 CoronaImpfV (vgl. BayVGH, B. v. 10.2.2021 - 20 CE 21.321 - Rn. 20).
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Das Verwaltungsgericht München führt in seinem Beschluss vom 28.1.2021 - M 26b E 21.393 - juris Rn. 37 ff. hierzu Folgendes aus:
„bb) Ein Anspruch auf vorgezogene Berücksichtigung bei der Impfung ergibt sich für den Antragsteller auch nicht unmittelbar aus dem aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Teilhabeanspruch an den vorhandenen Impfkapazitäten.
Stellt der Staat eine gesundheitliche Leistung zur Verfügung, so folgt für den Einzelnen aus den genannten Grundrechten ein Anspruch auf gleiche und chancengleiche Zuteilung dieser Leistungen. Dies ist im vorliegendem Zusammenhang umso bedeutsamer, als dem Staat die Pflicht zukommt, das menschliche Leben und die menschliche Gesundheit vor Beeinträchtigungen durch das Coronavirus zu schützen und die staatlich initiierte und organisierte Impfung einen wesentlichen Baustein der Schutzstrategie des Staates zur Bekämpfung des Coronavirus darstellt.
Der Teilhabeanspruch findet seine Grenzen in den vorhandenen Kapazitäten. Dabei muss die Vergabe so geregelt werden, dass eine gleichheitsgerechte Verteilung sichergestellt ist (vgl. hierzu etwa BVerfG, U. v. 19.12.2017 - 1 BvL 3/14 u. a. - beckonline Rn. 107), was ein sachgerechtes Kriterium für die Vergabe der jeweiligen Leistung erfordert (BVerfG, a. a. O., Rn. 128, 132). Dabei darf sich der Antragsgegner in einem Massenverfahren wie der hier streitgegenständlichen Impfkampagne gegen das SARS-CoV-2-Virus bei der Frage nach sachgerechten Kriterien auch Generalisierungen, Typisierungen und Pauschalierungen bedienen, ohne dass damit unvermeidlich verbundene Härten im Einzelfall einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz begründen (vgl. OVG NRW, B.v. 22. Januar 2021 - 13 B 58/21 - juris Rn. 10). Außerdem kommt dem Verordnungsgeber und im Falle eines direkten Teilhabeanspruchs auch der vollziehenden Gewalt ein Gestaltungsspielraum zu, so dass nicht zwingend nur eine einzige denkbare Lösungsmöglichkeit der Priorisierungsproblematik in Betracht kommt (ebenso im Zusammenhang mit COVID-19-Impfungen SG Oldenburg, B. v. 21.1.2021 - S 10 SV 1/21 ER - juris Rn. 30; VG Gelsenkirchen, B. v. 11.1.2021 - 20 L 1812/20 - juris Rn. 50).
Im vorliegenden Fall ist die vom Antragsgegner verfolgte Impfreihenfolge von sachlichen Kriterien getragen und hält sich im Rahmen des Gestaltungsspielraums. Die derzeitig vorrangig durchgeführte Impfung von Personen, die unter die höchste Priorisierungsstufe nach den der CoronaImpfV zugrundeliegenden Kriterien fallen, ist nicht zu beanstanden. Das Risiko für schwere oder tödliche Verläufe einer COVID-19-Erkrankung, das berufsbedingte Infektionsrisiko, die Zugehörigkeit zu Berufsgruppen der kritischen Infrastruktur sowie der Gefährdung aufgrund der Wohn-, Lebens- und/oder Arbeitsverhältnisse stellen tragfähige sachliche Gründe dar, die der Priorisierung bei der Impfstoffvergabe zugrunde liegen. Soweit die Impfpriorisierung an gesundheits- bzw. altersbedingten Risikofaktoren fest gemacht wird, beruht dies auf wissenschaftlichen Erkenntnissen (vgl. Robert-Koch-Institut, a. a. O., S. 33 ff.), im Übrigen auf Beobachtungen, Einschätzungen von Fachexperten und Gemeinwohlüberlegungen (a. a. O., S. 40 ff.) und erweist sich als naheliegend und nachvollziehbar. […] Dass die Impfpriorisierung dabei in pauschalierender Weise erfolgt, ist, wie bereits dargelegt wurde, gerechtfertigt, um dem Pandemiegeschehen möglichst effektiv entgegenzuwirken zu können.“
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Das Gericht schließt sich zunächst vollumfänglich den überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts München an. Die o.g. Erwägungen lassen sich auf den Fall des Antragstellers - gleichwohl das Verwaltungsgericht München über einen etwas anderen Sachverhalt zu entscheiden hatte - unmittelbar übertragen. Ergänzend wird wie folgt ausgeführt:
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Die Vergabe des Impfstoffes wurde so geregelt, dass eine gleichheitsgerechte Verteilung sichergestellt ist. Die Priorisierung nach Altersgruppe, Vorerkrankung, Berufsgruppen stellt ein sachliches Kriterium für die Reihenfolge der Schutzimpfung dar.
33
Bei der Auswahlentscheidung, wer zuerst geimpft werden soll, wurde die Empfehlung der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) zur COVID-19-Impfung hinsichtlich der Priorisierungsentscheidungen zu Grunde gelegt (vgl. Referentenentwurf der CoronaImpfV des Bundesministeriums für Gesundheit vom 17.12.2020, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/CoronaImpfV_mit_Begruendung.pdf). Dem vorausgegangen war ein Positionspapier der gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Ständigen Impfkommission, des Deutschen Ethikrates und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina (Wie soll der Zugang zu einem COVID-19-Impfstoff geregelt werden? abrufbar unter https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Ad-hoc-Empfehlungen/deutsch/gemeinsames-positionspapier-stiko-der-leopoldina-impfstoffpriorisierung.pdf).
34
Diesem Positionspapier lässt sich auf S. 2 f. entnehmen, dass die Priorisierungsentscheidungen an dem Aspekt der Dringlichkeit zu orientieren sind, also an der Wahrscheinlichkeit, im Fall einer Erkrankung intensivmedizinische Behandlung zu benötigen, schwerwiegende bleibende Schäden zu erleiden oder zu versterben, oder am berufs- oder privatbedingten Kontaktumfeld und dem daraus resultierenden höheren Gesundheitsrisiko für sich selbst oder für andere. Allerdings müssten die Priorisierungsentscheidungen unter den Bedingungen einer räumlich wie zeitlich schnell ausgreifenden Pandemie notwendig pauschalieren, also auf Personengruppen bezogen werden, um die erhoffte positive Wirkung zu entfalten.
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Diese gebotene pauschalierende Priorisierungsentscheidung wird im Rahmen der STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung durch die Bildung von Personengruppen orientiert am Kriterium der Dringlichkeit umgesetzt und liegt im Übrigen auch der derzeitigen Reihenfolge der Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2 zugrunde (Robert-Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin, 2/2021, 14.1.2021, Beschluss der STIKO zur 1. Aktualisierung der COVID-19-Empfehlung). Die STIKO empfiehlt, aufgrund begrenzter Impfstoffverfügbarkeit die Impfung zunächst nur Personengruppen anzubieten, die ein besonders hohes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe einer COVID-19-Erkrankung haben oder die beruflich entweder besonders exponiert sind oder engen Kontakt zu vulnerablen Personengruppen haben. Die Priorisierungsstrategie verfolgt dabei das übergreifende ethische Ziel, möglichst viel gesundheitlichen und gesellschaftlichen Schaden durch die Covid-19-Pandemie zu verhindern (S. 47). Dabei stellt die STIKO im Rahmen der Bewertung der Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf in erster Linie auf das Alter der Betroffenen ab. Das zunehmende Alter sei der unabhängige Faktor, der mit Abstand die höchste Risikoerhöhung mit sich bringe. Daneben spielten bestehende Vorerkrankungen und eine Schwangerschaft eine untergeordnete Rolle (S. 33), (vgl. hierzu VG München, B. v. 28.1.2021 - M 26b E 21.393 - juris Rn. 30). Es obliege den für die Priorisierung in den Bundesländern Verantwortlichen, in Einzelfällen Personen, die nicht ausdrücklich im Stufenplan genannt seien, angemessen zu priorisieren. Dies betreffe z. B. Personen mit seltenen, schweren Vorerkrankungen oder auch schweren Behinderungen, für die bisher zwar keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz bzgl. des Verlaufes einer COVID-19-Erkrankung vorliege, für die aber ein deutlich erhöhtes Risiko angenommen werden müsse (Robert-Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin, 5/2021, 29.1.2021, Beschluss der STIKO zur 2. Aktualisierung der COVID-19-Empfehlung, S. 4 f.). Zugleich wird klargestellt, dass die Priorisierungsempfehlung nur solange Gültigkeit haben solle, bis genügend Impfstoff verfügbar sei. Mittelfristig sei es das Ziel, allen Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu einer Impfung gegen COVID-19 anbieten zu können (Robert-Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin, 2/2021, 14.1.2021, Beschluss der STIKO zur 1. Aktualisierung der COVID-19-Empfehlung, S. 3 f.).
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Dass die Impfpriorisierung dabei in pauschalisierender Weise erfolgt, ist nach dem oben Gesagten gerechtfertigt.
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Es wurden bislang insgesamt 800.250 Impfdosen nach Bayern geliefert (Stand: 2.2.2021, 10 Uhr). Für einen wirksamen Schutz ist bei den absehbar verfügbaren Impfstoffen eine zweimalige Impfung im Abstand von 21 Tagen erforderlich. Seit Beginn der Corona-Impfungen wurden in Bayern mit Stand vom 10.2.2021 408.751 Menschen bereits einmal gegen das Virus geimpft. Zudem erhielten 208.635 Menschen bereits die Zweitimpfung (Stand 10.2.2021, 10 Uhr), (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, Impfung gegen das Coronavirus, Allgemeine Informationen, https://www.stmgp.bayern.de/coronavirus/impfung/, aufgerufen am 10.2.2021).
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Für das Gericht bestehen vor diesem Hintergrund auch keine Zweifel daran, dass derzeit nicht genügend Impfstoff in Bayern verfügbar ist, um allen Bürger und Bürgerinnen eine Schutzimpfung (1. und 2. Impfung) zu ermöglichen, sodass eben aus diesem Grunde die Impfpriorisierung ein sachgerechtes Kriterium darstellt.
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Der Einwand des Antragstellers, dass er sich aufgrund der vorgenommenen Priorisierung gegenüber anderen Personen benachteiligt fühle, ist für das Gericht nicht hinreichend nachvollziehbar.
40
Der Antragsteller trägt hierzu vor, dass das europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ESDC) für ganz Europa von einem Fall-Verstorbenen-Anteil von 10,5% ausgegangen sei, der Inzidenzwert für den Wohnort des Antragstellers, Landkreis Deggendorf, am 27.1.2021 einen Inzidenzwert von 176,6 aufgewiesen habe und sich für den Antragsteller gegenüber dem bundesweit durchschnittlichen Inzidenzwert von 101,0 am 27.1.2021 eine um 74,85 erhöhte Wahrscheinlichkeit ergebe, sich mit dem SARS-CoV-2 zu infizieren und in der Folge an COVID-19 zu erkranken. Ungeachtet der Relevanz und Nachvollziehbarkeit der einzelnen Werte weist das Gericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich der Anteil an allen Todesfällen im Zusammengang mit dem Coronavirus in Deutschland mit Stand vom 26.1.2021 für die Altersgruppe 20 - 29 - in die der Antragsteller fällt - 0,1% beträgt. Im Vergleich dazu beläuft sich der Anteil an allen Todesfällen im Zusammengang mit dem Coronavirus in Deutschland mit Stand vom 9.2.2021 für die Altersgruppe ≥ 90 Jahre auf 23,3% und für die Altersgruppe 80-89 Jahre auf 46,7% (vgl. https://de.statista.com/infografik/23756/gesamtzahl-der-todesfaelle-im-zusammenhang-mit-dem-coronavirus-in-deutschland-nach-alter/, Quelle Robert-Koch-Institut, aufgerufen am 10.2.2021). Wenngleich die dargestellte Statistik nicht als einzig maßgebliche Entscheidungsgrundlage herangezogen werden kann, ohne weitere Faktoren wie etwa die Größe der Bevölkerungsgruppen einzubeziehen, so dient sie dennoch als anschauliches Beispiel, um die Größenordnung der Gefahrenunterschiede der Altersgruppen darzustellen. Diese Größenordnung der Gefahrenunterschiede ergibt sich auch aus der Tabelle 2 mit Stand vom 19.1.2021 des Epidemiologischen Bulletin des RKI (Übermittelte COVID-19-Todesfälle nach Altersgruppe und Geschlecht; Angaben verfügbar für 47.494 Todesfälle). Insgesamt wurden bis 9.2.2021 47.622 COVID-19-Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19 an das RKI übermittelt. Von den Todesfällen sind 42.287 (89%) Personen 70 Jahre alt und älter; das mediane Alter der Verstorbenen beträgt 84 Jahre (Robert-Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin, 5/2021, 29.1.2021, Beschluss der STIKO zur 2. Aktualisierung der COVID-19-Empfehlung, Tabelle 2, S. 17).
41
Eine Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die bereits geimpft worden sind, weil sie einer priorisierten Personengruppen zugeordnet werden können, scheidet bereits deshalb aus, weil es sich bei diesen Personen und dem Antragsteller schon nicht um die gleiche Gruppe handelt. Anhaltspunkte dafür, dass Personen geimpft worden sind, die hinsichtlich ihres Alters, ihrer beruflichen Tätigkeit und ihrer persönlichen Umstände mit dem Antragsteller vergleichbar sind, wurden indes nicht vorgetragen.
42
Es ist nach alledem nicht ersichtlich, dass die vom Antragsgegner vorgenommene Priorisierung sachwidrig wäre. Es ist auch nicht ersichtlich, dass einzig und allein die vorrangige Impfung des Antragstellers eine sachgerechte Entscheidung darstellen würde. Zudem würde die vorrangige Impfung des Antragstellers gleichzeitig zu einer Zurückstellung eines an sich mit höchster Priorität Impfberechtigten darstellen, die angesichts der knappen Verfügbarkeit des Impfstoffs nicht sachgerecht wäre (so VG München, B. v. 28.1.2021 - M 26b E 21.393 - juris Rn. 42).
43
(3) Da es bereits - wie ausgeführt - an einem Anordnungsanspruch fehlt, muss über die Frage, ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, nicht mehr entschieden werden.
44
2. Nachdem der Hauptantrag abzulehnen war, war über den Hilfsantrag zu entscheiden. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet, da der Antragsteller einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat.
45
Der Antragsteller begehrt hilfsweise die einstweilige Feststellung, dass §§ 1 Abs. 2, 2, 3 und 4 CoronaImpfV im Verhältnis zum Antragsteller nicht angewandt werden dürfen. Mit diesem Antrag begehrt der Antragsteller keine vorläufige Feststellung, sondern eine endgültige Vorwegnahme der in einem künftigen Hauptsacheverfahren zu erstrebenden Entscheidung. Die Feststellung der Nichtanwendbarkeit der §§ 1 Abs. 2, 2, 3 und 4 CoronaImpfV im Verhältnis zum Antragsteller würde nämlich die Hauptsache (vgl. Ziffer 2 der Klageanträge im Hauptverfahren) vorwegnehmen.
46
Solchen, die Hauptsache vorwegnehmenden Anträgen ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn die Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, also wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (BVerwG, B. v. 26.11.2013 - 6 VR 3/13 - NVwZ-RR 2014, 558; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 123 Rn. 13 m. w. N.; Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 123 Rn. 142-145).
47
Hiervon ausgehend hat der Antragsteller entgegen § 123 Absatz Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Absatz 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei einem Abwarten auf die Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren unzumutbare, auch nach einem Erfolg in diesem Verfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen. Wie bereits - unter Ziffer 1 ausgeführt - würde der Antragsteller selbst im Falle der begehrten Feststellung der Nichtanwendbarkeit der Priorisierungsvorschriften der §§ 1 Abs. 2, 2, 3 und 4 CoronaImpfV im Verhältnis zum Antragsteller keine unverzügliche und vorrangige Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 erhalten. Ohne Geltung der Priorisierungsvorschriften der §§ 1 Abs. 2, 2, 3 und 4 CoronaImpfV hätte der Antragssteller - wie bereits ausführlich unter Ziffer 1 dargestellt - auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer unverzüglichen Impfung.
48
Unabhängig vom Vorstehenden kann einem Begehren, eine Entscheidung zu erwirken, die eine Hauptsacheentscheidung vorwegnähme, nur stattgegeben werden, wenn eine Hauptsacheentscheidung schon auf Grund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würde (BVerwG, a.a.O.). Vorliegend spricht nach der hier gebotenen summarischen Prüfung kein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür, dass der mit der Hauptsache in Ziffer II verfolgte Antrag begründet ist. Die Erfolgsaussichten sind vielmehr als offen zu beurteilen, da es vorliegend um die Klärung schwieriger Rechtsfragen, wie etwa der Verfassungsmäßigkeit der §§ 1 Abs. 2, 2, 3 und 4 CoronaImpfV, geht.
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Die oben genannten besonderen Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilrechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO liegen demnach nicht vor.
50
Außerdem dürfte bereits fraglich sein, ob überhaupt ein Feststellungsinteresse besteht. Feststellungsinteresse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art anzusehen, das hinreichend gewichtig ist, um die Position des Betroffenen zu verbessern (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 43 Rn. 23). Die Rechtstellung des Antragstellers würde sich selbst bei Nichtanwendbarkeit der Priorisierungsvorschriften derzeit nicht verbessern bzw. verändern (siehe dazu Ausführungen unter Ziffer 1.)
51
Der Antrag ist nach alldem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
52
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i. V. m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Angesichts der Vorwegnahme der Hauptsache erachtet es das Gericht für sachgerecht, den Streitwert auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben.