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VG München, Urteil v. 21.07.2021 – M 26a K 21.2026
Titel:

Erfolglose Klage gegen die Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen für eine Wohnung

Normenketten:
RBStV § 2 Abs. 1
RFinStV § 8
Leitsatz:
Das seit dem 1. Januar 2013 geltende Modell des Rundfunkbeitrags ist verfassungsgemäß (Anschluss an BVerfG BeckRS 2018, 15432). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag im privaten Bereich, Rechtmäßigkeit eines Festsetzungsbescheides, Rundfunkbeitrag, Wohnung, Verfassungsmäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2021, 21450

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen für eine Wohnung.
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Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 1. April 2021 Rundfunkbeiträge in Höhe von 472,50 EUR für den Zeitraum … Januar 2019 bis … März 2021 sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 8 EUR festgesetzt.
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Am … April 2021 erhob der Kläger Klage bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte,
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den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. April 2021, Beitragsnummer ... aufzuheben.
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Zur Begründung verwies er auf seine Ausführungen im Verfahren M 26a E 21.961. In diesem Verfahren hatte er ein Schreiben der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) vom 2. März 1998 in Kopie vorgelegt, wonach sein Rundfunkgebührenkonto ausgeglichen sei. Er halte seither keine Rundfunkgeräte mehr zum Empfang bereit, wie er in dem in Kopie vorgelegten Schreiben vom … August 2020 bereits dargelegt habe. Er gehe deshalb davon aus, dass er nicht verpflichtet sei, Rundfunkabgaben zu zahlen, solange er gar nicht die Möglichkeit habe und nutze, die ausgestrahlten Programme überhaupt zu empfangen.
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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 22. April 2021,
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die Klage wird abgewiesen.
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Zur Begründung führt er aus, die Zahlung des Rundfunkbeitrages sei nicht daran geknüpft, ob der Kläger Rundfunkgeräte zum Empfang bereithalte. Auf mündliche Verhandlung werde verzichtet.
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Mit Beschluss vom 12. Mai 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Die Klage wurde durch Gerichtsbescheid vom 10. Juni 2021 abgewiesen.
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Der Kläger beantragte am 30. Juni 2021 die Durchführung der mündlichen Verhandlung. Diese wurde am 21. Juni 2021 durchgeführt.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten in diesem Verfahren sowie in den Verfahren M 26a S 21. 2027 und M 26a E 21.961 sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage hat keinen Erfolg, sie ist zulässig aber unbegründet. Der Festsetzungsbescheid vom 1. April 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1.1 Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag - RBStV - in der Fassung der Bekanntmachung vom 7.6.2011 [GVBl S. 258] sowie § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags -RFinStVin der Fassung der Bekanntmachung vom 27.7.2001 [GVBl S. 566]. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist nach Zustimmung der Landesparlamente und Hinterlegung der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten (s. Art. 7 Abs. 2 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags; s. BayVerfGH, E.v.14.5.2014 - Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 - juris Rn. 57). Mit dem Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags vom 17. Mai 2011 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011(GVBl S. 258) kommt ihm die Wirkung eines bayerischen Landesgesetzes zu.
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Im privaten Bereich war im streitgegenständlichen Zeitraum nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Dieser beträgt seit 1. April 2015 17,50 EUR pro Monat (s. § 8 RFinStV in der Fassung des 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 9.7.2014). Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 RBStV).
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1.2 Die Verfassungsmäßigkeit des seit 1. Januar 2013 geltenden Beitragsmodels ist höchstrichterlich durch Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - juris) des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 18.3.2016 - 6 C 6/15 - juris) sowie des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 - Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 - juris) geklärt. Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Erhebung des Rundfunkbeitrages an die potentielle Möglichkeit zu knüpfen, das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot zu nutzen. Der Beitrag dient dabei dem Ausgleich des Vorteils, der in der Möglichkeit der Nutzung des Rundfunkangebots besteht. Es ist zulässig, den Kreis der Vorteilsempfänger im privaten Bereich anhand der Inhaberschaft einer Wohnung zu bestimmen, wobei die Erhebung des Beitrags auch unabhängig von dem Besitz eines Empfangsgerätes erfolgen darf, da nicht erforderlich ist, dass der beitragsrelevante Vorteil auch tatsächlich wahrgenommen wird. Da die Beitragspflicht an die potentielle Möglichkeit anknüpft, Rundfunkangebote zu nutzen, lässt ein freiwilliger Verzicht auf die Nutzungsmöglichkeit die Beitragspflicht nicht entfallen. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) verlangt nicht, Wohnungsinhaber, die bewusst auf eine Rundfunkbeitragsmöglichkeit verzichten, von der Rundfunkbeitragspflicht auszunehmen. Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten kommt es ebenso wenig an wie auf die Bereitschaft des Beitragspflichtigen, das Rundfunkangebot zu nutzen (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - juris Rn. 87, 89; BVerwG, U.v. 18.3.2016 - 6 C 6/15 - juris Rn. 34; BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 - Vf. 8-VII-12 u.a. - juris Rn. 98). Maßgeblich ist vielmehr, dass eine realistische Nutzungsmöglichkeit besteht. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwingt den Gesetzgeber nicht etwa dazu, eine Befreiungsmöglichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollen. Eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag kommt allerdings gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV (Härtefall) auf Antrag dann in Betracht, wenn der Rundfunkempfang objektiv unmöglich ist. Das kann etwa in seltenen Fällen aus technischen Gründen der Fall sein (z.B. dauerhaftes „Funkloch“) oder aber aus Gründen, die in der Person des Beitragspflichtigen liegen. Letzteres ist dann anzunehmen, wenn der Rundfunkempfang für die Person schon von vornherein von keinem denkbaren Nutzen ist (z.B. für taubblinde Menschen, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV). Darüber hinaus reduziert der Staatsvertrag die Beitragspflicht auf Antrag auf 1/3 für diejenigen, die das Angebot nur teilweise nutzen können, insbesondere für Taube oder blinde Menschen (§ 4 Abs. 2 RBStV) (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - juris Rn. 85, 93, 102; BVerwG, U.v. 18.3.2016 - 6 C 6/15 - juris Rn. 34; BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 - Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 - juris Rn. 130).
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1.3 Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, im streitgegenständlichen Zeitraum Inhaber einer Wohnung gewesen zu sein, und weder dargelegt noch nachgewiesen, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum für zwei Wohnungen in Anspruch genommen worden wäre. Auch wurde weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum bereits eine andere Person den Rundfunkbeitrag für die Wohnung des Klägers entrichtete. Er war demnach als Wohnungsinhaber Beitragsschuldner und für den festgesetzten Zeitraum verpflichtet, einen monatlichen Rundfunkbeitrag zu zahlen. Die Beitragsschuld besteht kraft Gesetzes. Die Festsetzung durch Bescheid durfte erfolgen, weil die Rundfunkbeiträge trotz deren Fälligkeit nicht rechtzeitig und vollständig gezahlt wurden (§ 10 Abs. 5 Satz 1, § 7 Abs. 3 RBStV).
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1.4 Ein Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Beitragspflicht besteht nicht, da der Kläger nach Aktenlage bereits keinen entsprechenden Antrag gestellt hat.
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1.5 Auch die Festsetzung des Säumniszuschlags ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge - Rundfunkbeitragssatzung - vom 5. Dezember 2016, in Kraft getreten am 1. Januar 2017 (StAnz Nr. 51-52/2016) i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit jedem Bescheid kann nur ein Säumniszuschlag festgesetzt werden (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Rundfunkbeitragssatzung).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.