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VG Augsburg, Urteil v. 27.04.2021 – Au 3 K 20.1505
Titel:

Wechsel von der Universität zur Hochschule begründet keinen schwerwiegenden Grund für Hinausschieben des Vorlagezeitpunkts der Leistungsbescheinigung nach § 48 Abs. 2 BAföG

Normenkette:
BAföG § 15 Abs. 3, § 48
Leitsätze:
1. Der Wechsel der Ausbildungsstätte hat auf die fortlaufende Zählung der Fachsemester keinen Einfluss, solange die Ausbildung in derselben Fachrichtung fortgesetzt wird. (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Bei einem Wechsel von einem Bachelorstudiengang an einer Fachhochschule in einen Studiengang der gleichen Fachrichtung an einer Universität oder umgekehrt liegt kein Fachrichtungswechsel vor. (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Schwerwiegende Gründe iSv § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG sind solche Umstände, die für die Verzögerung des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung innerhalb der Förderungshöchstdauer von erheblicher Bedeutung sind, weil sie es dem Auszubildenden unmöglich oder unzumutbar machen, diese Verzögerung zu verhindern (BVerwG BeckRS 1995, 22503). Auch hochschulbedingte Verzögerungen der Ausbildung können grundsätzlich hierunter fallen (BVerwG BeckRS 1999, 30065328). (Rn. 22) (red. LS Clemens Kurzidem)
4. Studienverzögerungen infolge des Wechsels zu einer anderen Ausbildungsstätte unter Beibehaltung des Studiengangs rechnen grundsätzlich nicht zu den schwerwiegenden Gründen iSv § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG (OVG Schleswig BeckRS 2018, 43848). Denn die Freiheit des Studienortwechsels kann nicht als Wert an sich ohne weitere Zumutbarkeitserwägungen die Ausnahme der förderungshöchstdauerüberschreitenden Ausbildungsförderung bzw. nach § 48 Abs. 2 BAföG die Verschiebung der Vorlage der Leistungsbescheinigung auslösen. (Rn. 26) (red. LS Clemens Kurzidem)
5. Es ist Sache des Auszubildenden, dass er sich vor einem Wechsel der Hochschule erkundigt, ob die Organisation von Studium und Prüfungen - etwa im Hinblick auf die Anerkennung von leistungsnachweisen - einen zügigen Fortgang des Studiums nach dem Wechsel erlaubt (OVG Schleswig BeckRS 2018, 43848). Ist der Zeitverlust durch einen anderen Studienaufbau entstanden, der bewusst in Kauf genommen worden ist, bleibt kein Raum für die Annahme eines schwerwiegenden Grundes nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG (VG Saarlouis BeckRS 2016, 41984)..  (Rn. 26) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Ausbildungsförderung nach dem fünften Fachsemester, Hochschulwechsel, Zählung der Fachsemester, Anspruch auf Vorlage der Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 BAföG zu einem späteren Zeitpunkt (verneint), Hochschulwechsel als schwerwiegender Grund für Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus (verneint), Ausbildungsförderung, Studium Bauingenieurwesen, Leistungsbescheinigung, Fachsemester, Hochschulstudium, Studienortswechsel, Ausbildungsverzögerung, schwerwiegender Grund, Überschreitung der Förderungshöchstdauer
Fundstelle:
BeckRS 2021, 21161

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Gewährung von Ausbildungsförderung für ihr Studium an der Hochschule ... ab dem Wintersemester 2019/2020.
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1. Die Klägerin studierte ab dem Wintersemester 2016/2017 bis einschließlich Sommersemester 2019 im Studiengang Bachelor Bauingenieurwesen an der ... Universität in ... (...). Hierfür erhielt die Klägerin im Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2018 Ausbildungsförderung vom Studentenwerk .... Im Anschluss an ihr viertes Fachsemester nahm die Klägerin im Wintersemester 2018/2019 ein Urlaubssemester, in dem sie bei der Firma ... ein Praktikum absolvierte. Während des Urlaubssemesters beschloss die Klägerin, von der ... auf eine Hochschule zu wechseln und dort ihr Studium des Bauingenieurwesens fortzusetzen. Nach mehreren Ablehnungen wurde die Klägerin von der Hochschule ... für einen Wechsel zugelassen, allerdings erst zum darauffolgenden Wintersemester 2019/2020. Im Sommersemester 2019 - ihrem fünften Fachsemester - war die Klägerin weiterhin an der ... eingeschrieben, absolvierte währenddessen aber ein weiteres Praktikum bei der .... Zum Wintersemester 2019/2020 wechselte die Klägerin schließlich von der ... zum Studiengang Bachelor Bauingenieurwesen an der Hochschule ... und wurde dort unter Anrechnung von erbrachten Studienleistungen in das dritte Fachsemester eingestuft. Für dieses Studium beantragte die Klägerin für die Zeit ab dem Wintersemester 2019/2020 Ausbildungsförderung.
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Mit Bescheid vom 22. November 2019 lehnte das Studentenwerk ... den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Ausbildungsförderung ab dem Wintersemester 2019/2020 ab. Ausbildungsförderung werde vom fünften Semester an für den Besuch einer Hochschule nur ab dem Zeitpunkt geleistet, ab dem der Auszubildende eine Bescheinigung darüber vorlege, dass er die bei geordnetem Verlauf seiner Ausbildung bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters üblichen Leistungen erbracht habe. Die Klägerin könne keinen Leistungsnachweis vorlegen, der einen positiven Leistungsstand über fünf Fachsemester zum Ende des Sommersemesters 2019 ausweise. Es liege kein Fachrichtungswechsel sondern lediglich ein Hochschulwechsel vor, weshalb die bisher studierten Fachsemester weitergezählt werden müssten. Die Rückstufung vom fünften Fachsemester im Studiengang Bachelor Bauingenieurwesen an der ... in das dritte Fachsemester an der Hochschule ... sei bei der Fachsemesterzählung für das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) irrelevant. Damit befinde sich die Klägerin förderungsrechtlich im Wintersemester 2019/2020 im sechsten Fachsemester des Studiengangs Bachelor Bauingenieurwesen. Um weiterhin Ausbildungsförderung erhalten zu können, sei ein positiver Leistungsstand über fünf Fachsemester zum Ende des Sommersemesters 2019 nachzuweisen. Ein Hochschulwechsel sei kein Grund im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, der eine Verlängerung der Vorlagefrist rechtfertigen würde.
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2. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2019 Widerspruch ein und beantragte, sie gemäß ihres Antrags vom 26. August 2019 zu bescheiden, hilfsweise sie vorläufig unter dem Vorbehalt der Anrechnung ihrer Praktika im Wintersemester 2018/2019 und im Sommersemester 2019 als Praxissemester zu verbescheiden. Eine Vorlage einer Leistungsbescheinigung zu einem späteren Zeitpunkt sei gerechtfertigt, weil ihre Praktika im Wintersemester 2018/2019 und im Sommersemester 2019 sowie ihr Studienbeginn an der Hochschule ... im dritten Fachsemester zum Wintersemester 2019/2020 eine spätere Überschreitung der Förderungshöchstdauer rechtfertigten. Daher sei ihr weiter Ausbildungsförderung zu gewähren. Die Vorlage einer Leistungsbescheinigung zu einem späteren Zeitpunkt sei zuzulassen, wenn Tatsachen vorlägen, die voraussichtlich eine spätere Überschreitung der Förderungshöchstdauer rechtfertigten. Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus werde geleistet, wenn die Förderungshöchstdauer aus schwerwiegenden Gründen überschritten worden sei. Ein schwerwiegender Grund in diesem Sinn ergebe sich aus dem wegen ihrer Fähigkeiten und Neigungen erforderlichen Wechsel von einer Universität zu einer praxisorientierten Hochschule. Eine schuldhafte Verzögerung der Ausbildung sei der Klägerin nicht vorzuwerfen, da sie stets um zügige Fortführung des Studiums bemüht gewesen sei. Die Verzögerung, die eingetreten sei, weil ein Wechsel von der ... zur Hochschule ... erst im folgenden Wintersemester möglich gewesen sei, sei unvermeidbar gewesen, zumal sie die Zwischenzeit durch das Praktikum überbrückt habe.
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Nach Aufforderung durch den Beklagten reichte die Klägerin mit E-Mail vom 26. Februar 2020 einen Leistungsnachweis der ... ein, wonach sie bis zum Ende des fünften Fachsemesters 61 ECTS (Leistungspunkte nach dem europäischen System zur Anrechnung von Studienleistungen) erworben hatte (Bl. 255 der Verwaltungsakte). Weiter wurde ihr mit Formblatt 5 zum Ende des dritten Fachsemesters an der Hochschule ... der Erwerb von insgesamt 86 ECTS bescheinigt. Mit Schreiben der Hochschule ... vom 27. April 2020 (Bl. 28 der Gerichtsakte) wurde der Klägerin die 18-wöchige praktische Tätigkeit des praktischen Studiensemesters anerkannt. Nach dem Modulhandbuch der Hochschule ... zum Studiengang Bauingenieurwesen (Bl. 20 der Gerichtsakte) werden hierfür 20 ECTS-Punkte angerechnet.
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Das Studentenwerk ... wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2020 zurück. Ein Anspruch auf Ausbildungsförderung ab dem Wintersemester 2019/2020 bestehe wegen des fehlenden Leistungsnachweises nicht. Vom fünften Semester an werde Ausbildungsförderung nur von dem Zeitpunkt an geleistet, in dem der Auszubildende eine Bescheinigung der Ausbildungsstätte darüber vorlege, dass er die bei geordnetem Verlauf seiner Ausbildung bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters üblichen Leistungen erbracht habe. Der Leistungsnachweis sei damit eine unverzichtbare Förderungsvoraussetzung. Einen entsprechenden Leistungsnachweis habe die Klägerin nicht erbringen können. Bei der Frage, welchen Leistungsstand sie nachzuweisen habe, könnten die fünf Fachsemester, die die Klägerin zunächst an der ... studiert habe, förderungsrechtlich nicht unberücksichtigt bleiben. Denn es liege lediglich ein Hochschulwechsel und kein Fachrichtungswechsel vor, weshalb die bisher studierten Fachsemester weitergezählt werden müssten. Die von der Hochschule ... vorgenommene Rückstufung sei bei der Fachsemesterzählung für das BAföG irrelevant. Damit befinde sie sich förderungsrechtlich im Wintersemester 2019/2020 im sechsten Fachsemester des Studiengangs Bachelor Bauingenieurwesen. Die Klägerin hätte damit zu Beginn des Wintersemesters 2019/2020 den zum Ende des fünften Fachsemesters üblichen Leistungsstand nachweisen müssen. Dies sei nicht erfolgt. Zwar könne das Amt für Ausbildungsförderung die Vorlage der Bescheinigung über den Leistungsnachweis zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt zulassen, wenn Tatsachen vorlägen, die voraussichtlich eine spätere Überschreitung der Förderungshöchstdauer rechtfertigen würden. Eine solche Überschreitung komme insbesondere in Betracht, wenn schwerwiegende Gründe hierfür vorlägen. Allerdings sei ein Hochschulwechsel kein solcher schwerwiegender Grund, der eine Verlängerung der Vorlagefrist rechtfertigen würde. Studienverzögerungen, die aufgrund des Wechsels zu einer anderen Ausbildungsstätte erfolgt seien, würden als schwerwiegender Grund nicht anerkannt. Andere Gründe hierfür seien nicht ersichtlich. Eine Förderung unter Vorbehalt müsse ebenso verneint werden. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz kenne nur wenige Ausnahmen, in denen eine Förderung unter Vorbehalt möglich sei. Die vorliegende Entscheidung zähle nicht hierzu.
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3. Hiergegen hat die Klägerin am 28. August 2020 Klage erhoben und zuletzt beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Studentenwerks ... vom 22. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2020 zu verpflichten, die Vorlage der Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 BAföG zu einem späteren Zeitpunkt zuzulassen und Ausbildungsförderung für die Klägerin ab dem Wintersemester 2019/2020 zu bewilligen.
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Der Klägerin sei Ausbildungsförderung zu gewähren, weil sie keine Verzögerung des weiteren Studienverlaufs verschuldet habe. Sie habe im Wintersemester 2018/2019 sowie im Sommersemester 2019 den Studienschwerpunkt auf die Ableistung eines Studienpraktikums gelegt und daher keine anderen Studienleistungen erbringen können. Eine Verzögerung von einem Fachsemester sei dadurch eingetreten, dass der Studienbeginn an der Hochschule ... erst zum Wintersemester 2019/2020 vorgesehen gewesen sei. Dies habe sie durch die Verlängerung des Praktikums bei der Firma ... kompensiert. Während der Verlängerung im Sommersemester 2019 sei die Klägerin ordentlich immatrikuliert gewesen, da das Praktikum bei der Firma ... ohne Immatrikulation nicht möglich gewesen sei, da eine Anstellung als Praktikant außerhalb des Studiums aus betrieblichen Gründen ausgeschieden sei. Das absolvierte Praktikum sei auch als Studienleistung anerkannt worden. Das Studium Bauingenieurwesen an einer Fachhochschule unterscheide sich wesentlich vom gleichen Studium an einer Universität, weil hier der Schwerpunkt auf der Vermittlung von anwendungsbezogenen Inhalten liege. Schließlich habe sie weder für das Wintersemester 2018/2019 noch für das Sommersemester 2019 Ausbildungsförderung beantragt gehabt. Sie weise den Vorwurf, sie sei an einer Verzögerung des Studiums schuld, zurück. Nichts rechtfertige den Verdacht, sie habe ihr Studium nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit verfolgt.
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4. Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die Begründung des Widerspruchsbescheids verwiesen.
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5. Auf Anfrage des Verwaltungsgerichts Augsburg zu den Gründen für die Einstufung der Klägerin ins 3. Fachsemester teilte die Abteilung für Studienangelegenheiten Hochschule ... mit Schreiben vom 22. April 2021 mit, die Klägerin habe von der ... 61 ETCS mitgebracht, die teilweise angerechnet worden seien. Die Klägerin sei folglich ins dritte Fachsemester eingestuft worden. Unabhängig von der Frage der Unterschiedlichkeit der Studiengänge in ... und ... habe aufgrund der relativ geringen Gesamtleistung der Klägerin der Klägerin gar keine höhere Eingruppierung erfolgen können. Das Schreiben vom 22. April 2021 wurde in der mündlichen Verhandlung in Auszügen vorgetragen.
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Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2021 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 22. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zulassung der späteren Vorlage eines Leistungsnachweises und daher auch keinen Anspruch auf die beanspruchte Ausbildungsförderung (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung für ihr Studium ab dem Wintersemester 2019/2020. Nach § 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) besteht ein Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Einem Anspruch der Klägerin steht entgegen, dass sie die nach § 9 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 BAföG im Hinblick auf ihre Eignung erforderlichen Nachweise nicht erbracht hat.
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1. Nach § 48 Abs. 1 BAföG wird vom fünften Fachsemester an Ausbildungsförderung für den Besuch einer Hochschule nur von dem Zeitpunkt an geleistet, in dem der Auszubildende ein Zeugnis über eine bestandene Zwischenprüfung (Nr. 1), eine Bescheinigung der Ausbildungsstätte darüber, dass die bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters üblichen Leistungen erbracht wurden (Nr. 2), oder - wie im Fall der Klägerin einschlägig - einen nach Beginn des vierten Fachsemesters ausgestellten Nachweis über die bis dahin erworbene Anzahl von Leistungspunkten nach dem Europäischen System zur Anrechnung von Studienleistungen (ECTS) vorlegt, wenn die bei geordnetem Verlauf der Ausbildung bis zum Ende des jeweils erreichten Fachsemesters übliche Zahl an ECTS-Leistungspunkten nicht unterschritten wird (Nr. 3). Der Beklagte hat von der Klägerin zu Recht einen solchen Nachweis verlangt, weil das Wintersemester 2019/2020 für die Klägerin das sechste Fachsemester (siehe unten 2.) war und sie keinen Anspruch nach § 48 Abs. 2 BAföG auf Zulassung der Vorlage der Bescheinigung zu einem späteren Zeitpunkt hat (siehe unten 3.).
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2. Das Wintersemester 2019/2020 war für die Klägerin das sechste Fachsemester, da sie ihr Studium im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen im Wintersemester 2016/2017 begonnen hat, das Wintersemester 2018/2019 wegen eines Urlaubssemesters bei der Zählung der Fachsemester der Klägerin nicht berücksichtigt wird und die Rückstufung der Klägerin ins dritte Semester durch die Hochschule ... nach ihrem Hochschulwechsel für die Zählung der Fachsemester nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ohne Belang ist. Der Wechsel der Ausbildungsstätte hat auf die fortlaufende Zählung der Fachsemester nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz keinen Einfluss, so lange die Ausbildung in derselben Fachrichtung fortgesetzt wird (Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 48 Rn. 8), wie es hier bei der Klägerin der Fall ist, die zunächst an der ... und dann an der Hochschule ... jeweils Bauingenieurwesen im Bachelorstudiengang studierte. Dies entspricht auch Tz. 7.3.3. der Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföGVwV), wonach bei einem Wechsel von einem Bachelorstudiengang an einer Fachhochschule in einen Studiengang der gleichen Fachrichtung an einer Universität oder umgekehrt kein Fachrichtungswechsel vorliegt.
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Die nach den Richtlinien der Hochschule ... für die Bescheinigung nach § 48 BAföG am Ende des fünften Fachsemesters übliche Leistung von 105 ETCS-Leistungspunkten (vgl. Bl. 246 der Verwaltungsakte) hat die Klägerin - zwischen den Parteien unstreitig - auch unter Berücksichtigung der 20 ETCS-Leistungspunkte, die ihr für das im fünften Fachsemester an der ... durchgeführte Praktikum angerechnet wurden, bei weitem nicht erreicht.
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3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus § 48 Abs. 2 BAföG, dass der Beklagte die Vorlage der Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 BAföG zu einem späteren Zeitpunkt zulässt und solange Ausbildungsförderung ohne die Vorlage der Bescheinigung nach § 48 Abs. 1 BAföG gewährt.
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Voraussetzung hierfür ist, dass Tatsachen vorliegen, die voraussichtlich eine spätere Überschreitung der Förderungshöchstdauer nach § 15 Abs. 3 BAföG oder eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer nach § 15a Abs. 3 BAföG rechtfertigen, wobei im Fall der Klägerin allenfalls eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer aus schwerwiegenden Gründen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG im Raum steht. Dies ist im Fall der Klägerin jedoch zu verneinen.
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a) Schwerwiegende Gründe im Sinne dieser Vorschrift sind solche Umstände, die für die Verzögerung des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung innerhalb der Förderungshöchstdauer von erheblicher Bedeutung sind, weil sie es dem Auszubildenden unmöglich oder unzumutbar machen, diese Verzögerung zu verhindern (vgl. BVerwG, U.v. 7.2.1980 - BVerwG 5 C 38.78 - juris Rn. 12; U.v. 28.6.1995 - 11 C 25.94 - juris Rn. 15 m.w.N). Es können nur solche Umstände berücksichtigt werden, die für die Verlängerung der Ausbildung und die daraus folgende Überschreitung der Förderungshöchstdauer in dem Sinne kausal sind, dass der Auszubildende den Zeitverlust nicht mit zumutbaren Mitteln und Anstrengungen verhindern bzw. aufholen konnte (OVG NW B.v. 6.12.2013 - 12 A 2167/13 - juris Rn. 5 m.w.N). Eine Verlängerung der Ausbildungszeit, die bei zumutbarer Studienplanung und rationeller Durchführung der Ausbildung vermeidbar gewesen wäre, rechtfertigt nicht eine Verlängerung der Förderungsdauer (OVG SH, U.v. 15.2.2018 - 3 LB 9/17 - juris Rn. 32; ähnlich VG Magdeburg, U.v. 05.04.2018 - 6 A 344/16 - juris Rn. 27). Auch hochschulbedingte Verzögerungen der Ausbildung können grundsätzlich unter die schwerwiegenden Gründe des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG fallen (BVerwG, U.v. 30.6.1999 - 5 C 40/97 - juris Rn. 8 ff.; VG Magdeburg, U.v. 5.4.2018 - 6 A 344/16 - juris Rn. 32 m.w.N.)
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b) Der Hochschulwechsel der Klägerin und die damit in Zusammenhang stehende Einstufung in das dritte Fachsemester an der Hochschule ... stellen keine schwerwiegenden Gründe im Sinn des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG dar.
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aa) In diesem Zusammenhang ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass die Einstufung der Klägerin in das dritte Fachsemester an der Hochschule ... nach der im Verfahren eingeholten Stellungnahme der Hochschule darauf beruhte, dass die Klägerin aufgrund der geringen, von ihr im bisherigen Studienverlauf an der ... erbrachten Gesamtleistung unabhängig von der Frage der Unterschiedlichkeit der Studiengänge in ... und ... nicht höher eingestuft werden konnte.
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Zwar zählt nach Tz. 15.3.3 BAföGVwV zu den schwerwiegenden Gründen im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG auch die erstmalige Wiederholung eines Studienhalbjahres wegen des Misslingens von Leistungsnachweisen, wenn anstelle einer einzelnen Zwischen- oder Modulprüfung laufend Leistungsnachweise zu erbringen sind. Bei der Klägerin ging es aber nicht um die Wiederholung nur eines Studienhalbjahres, sondern um eine Rückstufung um drei Fachsemester, weshalb die Annahme eines schwerwiegenden Grundes unter Berufung hierauf eindeutig ausscheidet.
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bb) Im Übrigen werden nach der Rechtsprechung Studienverzögerungen infolge des Wechsels zu einer anderen Ausbildungsstätte unter Beibehaltung des Studienganges grundsätzlich nicht zu den schwerwiegenden Gründen nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG gezählt (OVG SH, U.v. 15.2.2018 - 3 LB 9/17 - juris Rn. 33; Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 15 Rn. 27). Denn die Freiheit des Studienortwechsels kann nicht als Wert an sich ohne weitere Zumutbarkeitserwägungen die Ausnahme der förderungshöchstdauerüberschreitenden Ausbildungsförderung bzw. nach § 48 Abs. 2 BAföG die Verschiebung der Vorlage des Nachweises auslösen. Ein Studienortwechsel muss bei der Feststellung des Schwerwiegens im Zusammenhang mit einer sinnvollen und dem Studierenden zumutbaren Planung des Studienablaufs gesehen werden, da die Regelstudienzeit nach § 15 Abs. 2 BAföG als zumutbarer Regelfall ausgestaltet ist (VG Magdeburg, U.v. 05.04.2018 - 6 A 344/16 - juris Rn. 38). Von dem Auszubildenden muss nämlich erwartet werden, dass er sich vor einem Wechsel der Hochschule erkundigt, ob die Organisation von Studium und Prüfungen - etwa hinsichtlich der Unterschiede in den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen oder der Anerkennung von bisher erbrachten Leistungsnachweisen - einen zügigen Fortgang des Studiums nach dem Hochschulwechsel erlaubt (OVG SH, U.v. 15.02.2018 - 3 LB 9/17 - juris Rn. 33). Ist der Zeitverlust durch einen anderen Studienaufbau entstanden, der bewusst in Kauf genommen worden ist, ist kein Raum für die Annahme eines schwerwiegenden Grundes im Verständnis von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG (VG Saarland, Gerichtsbescheid v. 17.4.2015 - 3 K 787/14 - juris Rn. 38 f.).
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cc) Eine andere Beurteilung kann allenfalls ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn der Hochschulwechsel gerade dazu dient, das Studium erfolgreich zum Abschluss zu bringen oder eine berufliche Verwertbarkeit des Studiums sicherzustellen (OVG SH, U.v. 15.02.2018 - 3 LB 9/17 - juris Rn. 33; dort bejaht für einen Wechsel vom Teilstudienplatz zum Vollstudienplatz im Fach Medizin). Eine derartige Ausnahmekonstellation ist im Fall der Klägerin jedoch nicht erkennbar. Dass die Klägerin das Studium an der ... aus anderen Gründen als etwaigen Leistungsdefiziten (hierzu s.o.) nicht hätte erfolgreich zum Abschluss bringen können, ist nicht ersichtlich. Auch die Gestaltung des 5. Fachsemesters (Sommersemester 2019) als Praktikumssemester stellt keine Ausnahmekonstellation in diesem Sinn dar. Denn durch die Anerkennung der Praktikumsleistung mit 20 ETCS war dieses auch nicht für die Rückstufung der Klägerin verantwortlich. Diese beruht vielmehr im Wesentlichen auf ihren mangelnden Leistungen an der ... und Unterschieden im Studienaufbau, die die Klägerin bewusst in Kauf genommen hat.
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3. Der Ausspruch über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.