Inhalt

VG München, Urteil v. 20.05.2021 – M 22 K 20.3851
Titel:

Bayernweites Betretungsverbot für einen Sexualstraftäter an Schulen für den Zeitraum von fünf Jahren

Normenkette:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Soweit die zu verhütende Straftat iSd Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG konkret drohen muss, ist dies dann der Fall, wenn aufgrund objektiver Tatsachen oder bestimmter Verhaltensweisen mit dem Eintritt des Schadens für die geschützten Rechtsgüter in dem konkreten Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gerechnet werden muss; bloße Vermutungen reichen dafür nicht. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der anzustellenden Gefahrenprognose ist ganz entscheidend, dass angesichts der schwerwiegenden Folgen für minderjährige Opfer (auch) sexuell motivierter Straftaten und dem Ausmaß des möglichen Schadens für sie keine zu hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sowie einer zukünftigen Intensivierung des Täterverhaltens gestellt werden dürfen. (Rn. 33 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Anordnung des Betretungsverbots für Schulen, die auch von Minderjährigen besucht werden, genügt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bayernweites Betretungsverbot für Schulen für den Zeitraum von fünf Jahren, Erschleichen der Teilnahme am Schulunterricht einer 9. Klasse, vorangegangene Verurteilungen u.a. wegen Nachstellung, Betretungsverbot, Gefahrensprognose, frühere Verurteilung, sicherheitsrechtliche Generalklausel
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.07.2021 – 10 ZB 21.1714
Fundstelle:
BeckRS 2021, 20866

Tatbestand

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Der 1998 geborene Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen ein von der Beklagten erlassenes sicherheitsrechtliches, bayernweit für den Zeitraum von fünf Jahren gültiges Betretungsverbot für öffentliche und private Schulen.
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Der Kläger ist in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Annäherungen an männliche Jugendliche und Kinder (vorwiegend Jungen in der Altersklasse von 9 bis 15 Jahren) in Erscheinung getreten. In diesem Kontext wurde er vom Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Augsburg mit Urteil vom 13. Dezember 2018, rechtskräftig seit 18. Dezember 2018, wegen Nachstellung in sechs tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz, in einem Fall in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, in zwei Fällen in Tateinheit mit Hausfriedensbruch in drei tateinheitlichen Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Hausfriedensbruch in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in zwei tateinheitlichen Fällen, in Tatmehrheit mit Hausfriedensbruch in fünf tatmehrheitlichen Fällen zu einer Einheits-Jugendstrafe von einem Jahr und 9 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Einheits-Jugendstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt und der Kläger für die Dauer von zwei Jahren der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Dem Kläger wurde unter anderem die Weisung erteilt, eine begonnene Therapie ordnungsgemäß fortzusetzen und zu beenden und den ordnungsgemäßen Therapieabschluss nachzuweisen. Zudem wurde ihm die Weisung erteilt, jegliche Art von Annäherungsversuchen an jugendliche Personen unter 18 Jahren zu unterlassen, insbesondere jegliche Art von körperlicher Annäherung.
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Dieser Verurteilung zugrunde lagen mehrere Annäherungsversuche des Klägers an minderjährige Jungen:
- Zwischen Juni und September 2016 versuchte der Kläger unter anderem über dessen Schwester Kontakt zu einem zum damaligen Zeitpunkt 13-jährigen Jungen zu erhalten. Er beobachtete den Jungen an mehreren Tagen heimlich, verfolgte ihn durch die Innenstadt, suchte das Grundstück der Familie auf und suchte die räumliche Nähe des Jungen sowie weiterer Jungen bei einem Vereinstraining. In diesem Zusammenhang erging gegen den Kläger am 22. Juli 2016 durch das Amtsgericht Weilheim ein Beschluss nach dem Gewaltschutzgesetz, der dem Kläger unter anderem verbot, mit dem damals 13-jährigen Jungen in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen und sich der Wohnung der Familie zu nähern. Dennoch warf der Angeklagte wenige Tage später einen Brief in den Briefkasten der Familie.
- Im Juli 2016 versuchte der Kläger mehrfach einen zum damaligen Zeitpunkt 12-jährigen Jungen, einen Freund des soeben genannten 13-jährigen Jungen, der ebenfalls bei dem genannten Vereinstraining anwesend gewesen war, telefonisch und persönlich zu kontaktieren. Trotz Aufforderung durch den Vater dieses Jungen, sich von der Familie fernzuhalten, klingelte der Kläger an der Wohnungstür der Familie und versteckte sich in der Nähe.
- Im August 2016 übersandte der Kläger an einen weiteren 2003 geborenen Jungen zwei Briefe, in denen er diesem unter anderem seine Liebe bekundete. Im September 2016 betrat der Kläger unbefugt gegen den Willen der Familie des Jungen das eingefriedete Grundstück der Familie und warf einen weiteren Brief für den Jungen in den Briefkasten.
- Im September 2016 nahm der Kläger Kontakt mit einem weiteren 2002 geborenen Schüler eines Landschulheims in Schondorf auf, schrieb ihm WhatsAppNachrichten und bat beharrlich um ein persönliches Treffen. Der Bitte des Vaters des Jungen, die Kontaktaufnahme zu unterlassen, kam der Kläger nicht nach, sondern sandte dem Jungen weiter Sympathiebekundungen über WhatsApp. Nach einer nochmaligen Bitte durch den Minderjährigen, ihn nicht mehr zu kontaktieren, ihn nicht im Landschulheim zu besuchen und nachdem der Minderjährige den Kläger auf WhatsApp blockierte, sandte der Kläger dem Jungen eine SMS und gestand darin seine Liebe. Trotz weiterer Bitte, den Kontakt zu unterlassen, kündigte der Kläger an, den Geschädigten in der Schule zu besuchen und sich in der Schule bewerben zu wollen. Wenige Tage später erschlich er sich Zutritt zu einer 10. Klasse des Landschulheims und wohnte dort mehreren Unterrichtsstunden bei. Auch an einem weiteren Tag hielt sich der Kläger in dem Landschulheim auf und ersuchte darum, dem Jungen ein Kuvert zukommen zu lassen, das mit dem Namen des Jungen beschriftet und mit einem Herz versehen war. Trotz mehrfachen Ausspruchs eines Hausverbots und nochmaliger Erläuterung des Hausverbots durch Polizeibeamte betrat der Kläger das Gelände der Schule nochmals an mehreren Tagen. Im November 2016 wurde der Kläger daraufhin in polizeilichen Gewahrsam genommen. Wegen der Äußerung von Suizidabsichten wurde die Unterbringung angeordnet.
- Im Dezember 2016 unternahm der Kläger mehrere Annäherungsversuche an einem weiteren 2002 geborenen Jungen in Augsburg, folgte ihm auf dem Schulweg und in die Schule, rief ihn an und schrieb ihm Nachrichten u.a. über WhatsApp obwohl der Junge den Kläger mehrfach darum gebeten hatte, dieses Verhalten zu unterlassen. Der Kläger erschien vor der Haustür der Familie und klingelte, bis die Familie die Polizei rief. Zudem besuchte der Kläger den betroffenen Jungen in der Schule in Augsburg, sprach ihn dort an und blieb dort, obwohl der Minderjährige ihn bat zu gehen. Zudem klopfte der Kläger während des Unterrichts an die Klassenzimmertür und bat die Lehrkraft um Kreide.
- Während des Aufenthalts an dieser Schule übergab der Kläger einem weiteren 2003 geborenen Jungen einen Brief, in dem er u.a. mitteilte, den Jungen treffen, in seine Schulklasse eintreten und neben ihm sitzen zu wollen. Im Februar 2017 betrat der Kläger das umfriedete Grundstück der Familie dieses Jungen und beobachtete die Bewohner durch das Fenster. Er fertigte zudem unerlaubt Fotos von dem Jungen und dessen Vater an, die er von außerhalb des Wohnhauses durch ein Fenster aufnahm.
- Obwohl ihm gegenüber ein Hausverbot erlassen worden war, betrat der Kläger im Februar 2017 erneut die vorgenannte Schule und hielt sich u.a. im Bereich der Umkleiden der Sporthalle auf. Dort wartete er darauf, dass die vorgenannten zwei Jungen vom Sportunterricht zurückkämen und überreichte ihnen jeweils einen ihrer Schuhe. Mehrere Wochen später hielt sich der Kläger erneut unberechtigt in den Räumlichkeiten und auf dem Außengelände der Schule auf.
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Die durch das Verhalten des Klägers hervorgerufenen psychischen Belastungen der betroffenen Jungen und deren Familienmitglieder wurden im Urteil des Amtsgerichts Augsburg dargelegt und bei der strafrechtlichen Beurteilung berücksichtigt. Auf die Begründung des Urteils des Amtsgerichts wird verwiesen.
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Darüber hinaus kam es in der Vergangenheit zu weiteren polizeilichen Ermittlungen im Zusammenhang mit der Kontaktaufnahme zu minderjährigen Jungen durch den Kläger:
- In der Zeit zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 25. April 2016 sprach der Kläger wiederholt Schüler der unteren Jahrgangsstufen seines Gymnasiums in W. an, bot an, ihnen Gebäck zu bringen und hielt sich auf dem Sportplatz in ihrer Nähe auf. Von Seiten des Gymnasiums wurde ein Hausverbot erlassen; der Kläger durfte die Schule nur noch zur eigenen Abiturvorbereitung betreten. Es erfolgte eine Gefährderansprache.
- Am 26. November 2016 sprach der Kläger in Augsburg Kinder im Alter zwischen neun und 12 Jahren an, bot ihnen Süßigkeiten an, lud sie ins Kino ein und übergab ihnen Zettel mit seiner Handynummer. Es erfolgte eine weitere Gefährderansprache.
- Am 22. Juli 2019 sprach der Kläger zwei Jungen im Alter von zehn und elf Jahren im … … in München an, bot ihnen an, mit ihnen essen zu gehen und tat dies sodann. Er erzählte den Jungen, dass man Geld verdienen könne, wenn man einem älteren Mann auf den Kopf uriniere. Der Kläger tauschte mit den Jungen Handynummern aus und stand mit ihnen über WhatsApp in Kontakt. Nach einer weiteren Gefährderansprache unterließ er den Kontakt.
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Mit Schreiben vom 20. Januar 2020 teilte das Kriminalfachdezernat 1 M. der Beklagten mit, dass sich eine zunächst unbekannte männliche Person am 17. und 18. Dezember 2019 im O.Gymnasium als Praktikant ausgegeben und zwei Tage am Unterricht der Klasse 9a teilgenommen habe. Am zweiten Tag hätten zwei Schüler die Schulleitung informiert und den Verdacht geäußert, dass der betreffende Mann kein Praktikant sei. Daraufhin habe die Schulleitung den Mann aufgefordert, das Schulgelände zu verlassen, was dieser dann auch getan habe. Laut Schulleitung sei er höflich gewesen und habe angegeben, sich für ein Lehramtsstudium zu informieren. Während der Pausen habe er Schülern der 9. Klasse Schokoladencroissants und Geld angeboten. Am 19. Dezember 2019 sei der Kläger als der unbekannte Mann ermittelt und sodann durch die Polizei kontaktiert worden. Er habe angegeben, sich keiner Schuld bewusst zu sein. Sein Erscheinen in der Schule sei durch die Lehrkräfte genehmigt gewesen. Nachdem die Schulleitung dieser Aussage widersprochen habe, sei dem Kläger mündlich durch einen Beamten der Polizei ein Hausverbot erteilt worden. Ebenfalls habe die Schulleitung mitgeteilt, dass der Kläger mit einigen ihrer Schüler in WhatsApp-Kontakt stehe.
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Gespräche zwischen Jugendkontaktbeamten und den Schülern hätten ergeben, dass mehrere Jungen im Alter zwischen 13 und 15 Jahren den Kläger über eine Sportanlage, bei der der Kläger bei Turnieren in einem Imbissladen gearbeitet habe, kennengelernt hätten. Der Kläger habe den Jungen Essen und Trinken spendiert und so den näheren Kontakt gesucht. Im Rahmen der mit den Jugendlichen geführten Chats habe der Kläger diese angehimmelt und habe explizite sexuelle Gedanken geäußert, beispielsweise, beim Masturbieren an die Jungen zu denken.
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Weiterhin übersandte das Kriminalfachdezernat 1 München der Beklagten eine Auflistung vergangener polizeilich bekannter Vorgänge mit dem Kläger (darunter auch die Vorgänge auf dem Gelände des Landschulheims in Sch. im September und November 2016, des Gymnasiums in W. im Frühjahr 2016 und des Gymnasiums in Augsburg im Dezember 2016 und Februar 2017) und regte ein örtliches Kontaktverbot für Schulen und ähnliche Einrichtungen an, da aufgrund der Aktenlage sowie des Verhaltens des Klägers (Uneinsichtigkeit, Suizidankündigungen bei Kontaktverbot) mit weiteren Vorfällen gerechnet werden müsse.
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Den der Beklagten übermittelten weiteren polizeilichen Ermittlungsergebnissen ist zu entnehmen, dass der Kläger seit Mai 2019 im WhatsApp- bzw. Chatkontakt mit mehreren männlichen Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 15 stand, sich mit diesen traf und ihnen Geschenke machte. Mehrere der Jungen informierten die Polizeibeamten auch darüber, dass der Kläger ihnen gegenüber sexuelle Gedanken geäußert habe, wie zum Beispiel, beim Masturbieren an sie gedacht zu haben. Weiterhin habe er geplant, sich einer Nasenoperation nach dem Vorbild eines der Jungen zu unterziehen. Er habe ihnen zudem davon erzählt, einen "Sugar Daddy" zu haben und was dies bedeute. Für den Fall, dass einer der Jungen den Kontakt mit dem Kläger abbrechen sollte, habe dieser seinen Suizid angekündigt. Eine Audio-Datei, in welcher der Kläger nach Einschätzung der Empfänger onanierte und dabei ein Lied sang, sowie ein Foto von einem in Plastikfolie eingewickelten nackten Mann seien durch ihn per WhatsApp verschickt worden. Weiterhin habe der Kläger die Jugendlichen gebeten, mit ihm ins Kino zu gehen und ihn als "Sitzbank" zu benutzen. Er habe bei mindestens drei Gelegenheiten eine benutzte Trinkflasche und einen Stift von den Jungen erbeten und diese Gegenstände sodann abgeleckt. Als der Kläger den Jugendlichen unter anderem geschrieben habe, ihren Kot essen und ihren Urin trinken zu wollen, hätten die Jugendlichen begonnen, den Kläger auf Social Media Plattformen zu blockieren und den Kontakt abzubrechen. Der Beklagten wurden mit der Mitteilung des Kriminalfachdezernats Auszüge aus entsprechenden Chat-Verläufen übermittelt, in denen der Kläger u.a. gegenüber den Minderjährigen sexuelle Gedanken äußerte (z.B. Blatt der Behördenakte - BA Bl. - 172, 174, 268, 276), für den Fall des Kontaktabbruchs Suizidgedanken mitteilte (BA Bl. 199) und angab, gerne mit den Jungen in eine Schulklasse gehen zu wollen (BA Bl. 223, 166, 273), neben ihnen sitzen (BA Bl. 214), ihre Hausaufgaben und Referate machen zu wollen und versuchen werde, "Praktikant" bei ihrem Gymnasium zu werden (BA Bl. 271 ff.).
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Nach Einschätzung der Polizei bestehe aufgrund des Verhaltens des Klägers gegenüber den jugendlichen Schülern, auch unter Berücksichtigung seiner Äußerungen in den Chatverläufen, der Verdacht, dass er ein sexuelles Interesse an Kindern besäße. Gegen den Kläger sei daher ein Ermittlungsverfahren wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften eingeleitet, eine Wohnungsdurchsuchung angeordnet sowie die Durchsuchung seiner vormaligen Wohnung sowie seiner Arbeitsstelle durchgeführt. Es seien ein iPad und Mobiltelefone sichergestellt worden, deren Auswertung noch ausstehe.
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Mit Schreiben vom 14. April 2020 gab die Beklagte dem Kläger Gelegenheit sich bis zum 29. April 2020 zu dem ihr mitgeteilten Sachverhalt vom 18. und 19. Dezember 2020, den ihr mitgeteilten und in dem Schreiben näher dargestellten vergangenen Vorgängen aus den Jahren 2016 bis 2019 sowie einem beabsichtigten zwangsgeldbewehrten, bayernweit gültigen Betretungsverbot für Schulen zu äußern. Aufgrund des Verhaltens des Klägers bestehe der konkrete Verdacht, dass sich dieser zu Kindern und Jugendlichen, insbesondere zu Jungen, hingezogen fühle und auch künftig versuchen werde, sich minderjährigen Jungen zur Befriedigung seiner sexuellen Neigung zu nähern und zu diesem Zweck die Schulen der Kinder und Jugendlichen aufzusuchen.
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Im Rahmen der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 20. April 2020 bestätigte der Kläger, zwei der Jungen im Mai 2019 bei einem Tennisturnier kennengelernt zu haben und in den folgenden Monaten mit diesen sowie weiteren Jungen über WhatsApp und bei persönlichen Treffen Kontakt gehalten zu haben. Er habe den Jungen teilweise Geschenke gemacht. Weiterhin bestätigte er, ein Foto von einer in Plastikfolie gewickelten nackten männlichen Person an einen der Jungen geschickt zu haben. Ein sexuelles Interesse an Kindern und Jugendlichen habe er nicht. Der Besuch des O* …-Gymnasiums sei von den Lehrkräften genehmigt gewesen.
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Am 28. April 2020 äußerte sich der Kläger telefonisch gegenüber der Beklagten auf das Anhörungsschreiben vom 14. April 2020. Laut Aktenvermerk der Beklagten vom gleichen Tag gab er dabei an, sich zu Unrecht in eine Ecke gedrängt zu fühlen. Er habe die Lehrer gefragt, ob er sich in das Klassenzimmer setzen könne. Sein Verhalten habe keine sexuellen Hintergründe. Falls er einmal Kinder habe, könne er wegen des Betretungsverbots nicht in die Schule der Kinder.
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Mit Bescheid vom 9. Juli 2020, dem Kläger laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 23. Juli 2020, untersagte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum von fünf Jahren ab Zustellung des Bescheids bayernweit, die Gebäude sowie das Gelände von öffentlichen und privaten Schulen zu betreten (Nummer 1 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Nummer 2) und für den Fall eines Verstoßes gegen das Betretungsverbot ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Nummer 3 Satz 1). Die Beklagte wies darauf hin, dass das Verwaltungsgericht auf Antrag der Verwaltungsbehörde Ersatzzwangshaft anordnen könne, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich sei (Nummer 3 Satz 2). Weiter wurden dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt; eine Bescheidsgebühr von 150,00 EUR wurde festgesetzt (Nummer 4).
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In seiner Begründung bezieht sich der Bescheid im Wesentlichen auf die polizeilichen Erkenntnisse, insbesondere auf das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten des Klägers sowie die Umstände der Kontaktaufnahme zu den Jungen seit Mai 2019, die Äußerungen ihnen gegenüber (Komplimente, Anhimmeln, Äußerungen explizit sexueller Art) und das ihnen gegenüber gezeigten Verhalten (Abschlecken eines Stiftes und einer Trinkflasche). Das vehemente Bestreiten von sexuellem Interesse an den Jungen in Verbindung mit dem Verhalten des Klägers spreche dafür, dass sich seine sexuelle Präferenz auf minderjährige Jungen beziehe. Insbesondere der Versuch, Vertrauen zu den Jungen aufzubauen, den Kontakt zu halten und durch Geschenke in eine Abhängigkeit zu bringen, entspreche nach allgemeinen Erkenntnissen dem Verhalten von potentiellen Triebtätern. Aufgrund des Verhaltens des Klägers in der Vergangenheit bestünde die konkrete Gefahr, dass dieser auch in Zukunft aus sexuellen Gründen den direkten Kontakt zu männlichen Minderjährigen suchen würde und diese in der Folge in der Schule aufsuchen würde. Aufgrund der in der Vergangenheit erteilten Platzverweise, Hausverbote, Gefährderansprachen der Polizei sowie der vorangegangenen Inhaftierung in Untersuchungshaft habe der Kläger gewusst, dass das von ihm gezeigte Verhalten den Kindern und Jugendlichen gegenüber grenzüberschreitend war und die Befürchtung bestanden habe, dass es zu sexuell motivierten Straftaten gegenüber den Kindern und Jugendlichen kommen könne. Dennoch habe er ab Mai 2019 mit gleichem Verhaltensmuster Kontakt zu Jugendlichen aufgenommen und sich im Dezember 2019 in die Schule der Jugendlichen eingeschlichen. Zwar sei es in der Vergangenheit nach Kenntnis der Beklagten nicht zu einem sexuellen Missbrauch gekommen, der Kläger habe die Jugendlichen durch die Ankündigungen des Suizids jedoch emotional erpresst, Druck auf diese ausgeübt und bei ihnen Schuldgefühle für den Fall verursacht, dass sie sich von ihm zurückziehen würden. Die Auslösung derartiger Schuldgefühle würde Jugendliche anfälliger für Missbrauchshandlungen machen. Es sei Aufgabe der Beklagten, Kinder und Jugendliche vor physischer und psychischer Gefährdung zu schützen. Aufgrund der folgenschweren Schäden sexueller Übergriffe könne die Annäherung zum Zwecke der willentlichen sexuellen Handlung an Jugendliche nicht abgewartet werden und müsse deshalb im Vorfeld unterbunden werden. Das Betretungsverbot stelle eine Präventivmaßnahme zur Verhinderung von sexuell motivierten Übergriffen und Straftaten dar, wobei der Abwehr der Gefahr Vorrang einzuräumen sei vor dem Interesse des Klägers, Schulen und Schulgelände aufzusuchen. Der Kläger habe in der Vergangenheit versucht, insbesondere über die Schule Kontakt zu Jugendlichen aufzunehmen. Anders als bei außerschulischen Kontakten hätten die Jugendlichen in der Schule nicht die Möglichkeit, den Umgang mit dem Kläger zu unterbinden. Auch aufgrund der Bedeutung der Schule als eines besonders geschützten Bereichs sei das Verbot ein geeignetes Mittel, Gefahren für Jugendliche abzuwehren, wenngleich das Verbot die Kontaktaufnahme nicht vollständig verhindern könne. Bei dem auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG gestützten zeitlich begrenzten Betretungsverbot handle es sich um das im Vergleich mildeste Mittel zur Zweckerreichung. Insbesondere sei es dem Kläger weiterhin möglich, seiner Berufstätigkeit als Mitarbeiter in einem Imbissladen oder im Einzelhandel nachzugehen, wo es zu zwangsläufigen Kontakten mit Jugendlichen komme. Das Betretungsverbot für Schulen sei daher auch einem allgemeinen Kontaktverbot zu Jugendlichen vorzuziehen. Eine Ausnahmemöglichkeit vom Betretungsverbot sei nicht vorzusehen. Die Befürchtung des Klägers, er könne, wenn er einmal ein eigenes Kind habe, die Schule seines Kindes nicht betreten, werde durch die zeitliche Beschränkung der Anordnung entkräftet. Weitere Gründe, die der getroffenen Anordnung entgegenstehen könnten, habe der Kläger in der Anhörung nicht vorgebracht.
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Am 28. Juli 2020 meldete sich der Kläger telefonisch bei der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten und gab laut Aktenvermerk an, es sei Schwachsinn davon auszugehen, dass er ein Triebtäter sei. Die Jugendlichen hätten selbst angegeben, sich nicht bedrängt zu fühlen. Das sei alles nicht wahr.
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Am 23. August 2020 erhob der Kläger zur Niederschrift bei Gericht Klage. Gleichzeitig begehrte er mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Nummer 2 des Bescheids. Er beantragt im Klageverfahren, den Bescheid vom 9. Juli 2020 aufzuheben.
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Seine Klage sowie den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO begründet er im Wesentlichen damit, dass er sich nicht zur Verübung von sexuell motivierten Übergriffen in die Schule begeben habe, sondern aus Interesse an den Lehrern und weil er die ihm bekannten Schüler gemocht habe. Die Schüler kenne er seit Mai 2019 und habe sich mit ihnen über eine WhatsApp-Gruppe ausgetauscht. In diesen Gesprächen sei es auch um schulische Dinge gegangen. Nach einigen Monaten sei deshalb bei einem persönlichen Treffen die Idee aufgekommen, dass sich der Kläger einmal den Unterricht an der Schule ansehen könne. Der Vorschlag sei von den Jugendlichen gekommen; der Kläger habe es auch für eine nette Idee befunden. Er habe die Lehrer der jeweiligen Unterrichtsstunde gefragt, ob er dem Unterricht beiwohnen könne. Dies sei von allen Lehrkräften gebilligt worden. Er sei nicht aus sexuellen Gründen in die Schule gegangen. Die Beklagte habe selbst mitgeteilt, die Jugendlichen hätten übereinstimmend angegeben, dass sie sich vom Kläger nicht bedrängt gefühlt hätten. Dennoch sei die Beklagte der Ansicht, dass die körperliche Unversehrtheit der Jungen gefährdet sei. Der Kläger sei nicht bereit, solche Anschuldigungen über sich ergehen zu lassen. Die Ermittlungsakte der Polizei enthalte keinen Hinweis auf ein Vergehen des Klägers. Die Aussagen der Schüler würden ihn, den Kläger, entlasten. Die Beklagte habe angegeben, dass sich seine sexuelle Präferenz auf minderjährige Jungen beziehe, das Gericht möge sich ein eigenes Bild machen. Zu diesem Zwecke lege er der Klage- und Antragsbegründung Fotos von jungen männlichen Personen bei, die er toll fände. Diese hätten alle etwa das Alter des Klägers. Weiter weise er darauf hin, dass er sich in einer Ausbildung zum Bankkaufmann befände und den Blockunterricht an der Berufsschule besuchen müsse. Er bitte das Gericht, unter anderem sein Grundrecht auf Bildung, Berufs- und Ausbildungswahl zu berücksichtigen.
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Mit Schreiben vom 20. Oktober 2020 beantragte der Kläger zudem, ihm Prozesskostenhilfe für die Klage sowie das Verfahren im Eilrechtsschutz zu bewilligen. Diese Anträge wurden mit Beschluss vom 10. Mai 2021 abgelehnt.
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Mit Schriftsatz vom 19. September 2020, eingegangen bei Gericht am 24. September 2020, beantragt die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde vollinhaltlich auf die Ausführungen im Bescheid verwiesen. Den Sachverhaltsdarstellungen lägen die Zeugenaussagen sowie die polizeilichen Ermittlungsergebnisse zugrunde. Mit am 10. November 2020 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz trug die Beklagte weiter vor, die Ausführungen des Klägers in der Klagebegründung gäben keinen Anlass, die Sach- und Rechtslage anders zu bewerten. Bei Vorlage eines entsprechenden Ausbildungsnachweises und einer Schulbescheinigung könne dem Kläger das Betreten der Berufsschule für die Zeit des theoretischen Blockunterrichts gestattet werden.
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Mit weiterem am 29. Januar 2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz wies die Beklagte darauf hin, dass sich der Kläger erneut einem 12-jährigen Jungen in der Zeit vom 1. November 2020 bis 4. Januar 2021 genähert habe (Treffen und Geschenke). Der in diesem Zusammenhang - neben dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 13. Dezember 2018 in dem Strafverfahren u.a. wegen Nachstellung - vorgelegten polizeilichen Mitteilung ist zu entnehmen, dass sich die Mutter des 12-Jährigen bei der zuständigen Dienststelle gemeldet habe, da sich ihr Sohn häufig mit einem 22-jährigen Mann, dem Kläger, getroffen habe und von diesem diverse Geschenke erhalten habe. Es sei deswegen eine weitere Gefährderansprache erfolgt sowie das Amtsgericht Augsburg und die Bewährungshilfe München informiert worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakten in den Verfahren M 22 K 20.3851 und M 22 S 20.3854 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte entschieden werden, obwohl der Kläger nicht zum Termin erschienen ist, da er ordnungsgemäß geladen wurde und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn entschieden und verhandelt werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
25
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid vom 9. Juli 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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Der Bescheid wurde formell rechtmäßig, insbesondere unter Wahrung des Anhörungserfordernisses des Art. 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), erlassen. Die für den Erlass der ergangenen Anordnung nach Art. 6 LStVG und Art. 3 Abs. 1 Nr. 3a BayVwVfG sachlich und örtlich zuständige Beklagte hat dem Kläger unter Mitteilung der ihr bekannten, entscheidungserheblichen Tatsachen eine angemessen lange Frist zur Stellungnahme gesetzt. Der Kläger hatte mithin ausreichend Gelegenheit sich zu allen maßgeblichen Aspekten des mitgeteilten Sachverhalts zu äußern.
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Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Er kann jedenfalls auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG gestützt werden. Vorrangige spezielle gesetzliche Eingriffsbefugnisse bestehen nicht.
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Die sicherheitsrechtliche Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 LStVG ist eine taugliche Rechtsgrundlage für ein Betretungsverbot (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 1.2.2016 - 10 CS 15.2689 - juris Rn. 17; VG München, B.v. 20.7.2007 - M 7 S 07.2792 - BeckRS 2007, 36564; VG München, U. v. 18.10.2018 - M 22 K 16.1473 - BeckRS 2018, 27212 m.w.N.).
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Die Beklagte hat die Tatbestandsvoraussetzungen dieser sicherheitsrechtlichen Befugnisnorm auch zu Recht als gegeben angesehen und dabei insbesondere eine rechtlich nicht zu beanstandende Gefahrenprognose hinsichtlich einer beim Kläger anzunehmenden Gefahr der Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gegenüber minderjährigen Jungen angestellt.
30
Nach Art. 7 Abs. 2 LStVG können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen nur treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden (Nr. 1.) oder Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen bedrohen oder verletzen (Nr. 3.). Die zu verhütende Straftat muss dabei konkret drohen. Dies ist dann der Fall, wenn aufgrund objektiver Tatsachen oder bestimmter Verhaltensweisen mit dem Eintritt des Schadens für die geschützten Rechtsgüter in dem konkreten Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gerechnet werden muss; bloße Vermutungen reichen dafür nicht. Allerdings gilt ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, B.v. 17.9.2015 - 10 CS 15.1435, 10 C 15.1434 - juris Rn. 21). Geht es um den Schutz hochrangiger Rechtsgüter, wie etwa auch der Gesundheit von Menschen, dürfen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadens keine überzogenen Anforderungen gestellt werden; es genügt, dass die Möglichkeit von Schäden an diesen Rechtsgütern realistischerweise nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. etwa BVerwG, U.v. 31.5.2012 - 3 A 1.11 - juris Rn. 31; BayVGH, B. v. 1.2.2016 - 10 CS 15.2689 - Beckonline Rn. 18).
31
Gemessen daran ist die Gefahrenprognose der Beklagten, angesichts des vom Kläger gezeigten Verhaltens sei zu befürchten, dass er aus sexuellen Gründen den Kontakt zu minderjährigen Jungen suchen, sich ihnen nähern, ihnen nachstellen und sie psychisch unter Druck setzen und zu diesem Zwecke auch erneut in den Schulen der minderjährigen Jungen aufhältig werden und insoweit sexuell motivierte Straftaten und Ordnungswidrigkeiten begehen würde, wobei auch die Möglichkeit einer zukünftigen Intensivierung des straffälligen Verhaltens und Verletzungen der Rechte der Jugendlichen und Kinder auf (sexuelle) Selbstbestimmung durch Übergriffe und sexuellen Missbrauch nicht ausgeschlossen werden könne, rechtlich nicht zu beanstanden.
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Dabei ist dem Kläger zuzugestehen, dass - wie auch die Beklagte in ihrem Bescheid ausführt - es in der Vergangenheit - jedenfalls nach bisherigem Kenntnisstand - zu keinem sexuellen Missbrauch gekommen ist. Gleichwohl lagen mit dem durch den Kläger in der Vergangenheit gezeigten und strafrechtlich relevanten Verhalten sowie den Umständen und Details der erneuten Annäherungsversuche an die minderjährigen Jungen der 9. Klasse des O* …-Gymnasiums sowie der unter einem falschen Vorwand erreichten Teilnahme am Unterricht Tatsachen vor, die die von der Beklagten getroffene Gefahrenprognose und die Annahme einer Wiederholungsgefahr hinsichtlich des bereits in Vergangenheit gezeigten strafrechtlich relevanten Verhaltens sowie die Befürchtung einer zukünftigen Intensivierung des Verhaltens des Klägers hinreichend stützen und auch die Einschätzung tragen, dass der Kläger (auch) aus sexuellen Motiven handelte und dies auch zukünftig zu befürchten sei.
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Der Kläger fiel über einen Zeitraum von mehreren Jahren immer wieder wegen beharrlicher Annäherungsversuche an minderjährige männliche Jugendliche auf, die mehrheitlich einem vergleichbaren Opfertypus (Jungen in der Altersgruppe von 9 bis 15 Jahren) angehörten. Mehrere polizeiliche Ermittlungsverfahren wurden wegen dieser Vorfälle geführt und der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Augsburg vom 13. Dezember 2018 unter anderem wegen Nachstellung in mehreren tatmehrheitlichen Fällen, wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz, wegen mehrerer Fälle des Hausfriedensbruchs sowie wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in mehreren Fällen verurteilt. In mehreren der zur Verurteilung führendenden Sachverhalte hatte sich der Kläger unbefugt in die Schulen der Jugendlichen begeben, war dort heimlich verblieben und trotz der Erteilung von Hausverboten dorthin zurückgekehrt, um weiterhin die Nähe der Minderjährigen zu suchen. Der Kläger wurde zu einer Einheits-Jugendstrafe verurteilt, deren Vollstreckung auf Bewährung ausgesetzt wurde, wobei ihm im Bewährungsbeschluss die Weisung auferlegt wurde, während der dreijährigen Bewährungszeit jegliche Art von Annäherungsversuchen an jugendliche Personen unter 18 Jahren zu unterlassen. Dennoch nahm der Kläger (spätestens) ab Mai 2019 erneut Kontakt zu minderjährigen Jugendlichen auf, traf sich mit ihnen und führte über mehrere Monate hinweg Chatgespräche mit ihnen, in denen er wiederholt explizit sexuelle Gedanken äußerte (z.B. BA Bl. 268, 276: "Ich entschuldige mich bei dir Herrscher mit dem allerlängsten allerschönsten Schwanz"), seinen Suizid für den Fall des Kontaktabbruchs ankündigte (z.B. BA Bl. 199: "Ich bin leider überall geblockt bei ihm […] Ich habe mich ehrlich vorher schon vor die S-Bahn werfen wollen deswegen […] Ich wollte aber ehrlich vorhin, als ich am Bahnsteig stand […] Ich bin halt so extrem abhängig von euch und hänge so so sehr daran […].") und mehrfach seine Verehrung der teilweise noch 14-jährigen Jungen zum Ausdruck brachte. Im Verlauf dieser Gespräche zeigte er sich auch bei Vorhalt uneinsichtig hinsichtlich seines Verhaltens und seiner Verehrung der noch minderjährigen Jungen und äußerte sich mehrfach dahingehend, dass er seine Annäherungen an Minderjährige nicht für problematisch erachte und kein sexuelles Interesse an den Jungen habe (beispielsweise BA Bl. 174: "Ich mache es nicht, wegen Pädo, sondern weil ihr wunderschön, göttlich und besonders seid"; BA Bl. 217: "Aber es ist nicht Pedo, wenn ich auf Dich oder […] stehe."; BA Bl. 101: "Und, dass du 14 bist: eigentlich bist du schon viel weiter für den Alter, finde ich. […] Und ich kann auch ehrlich nichts dafür: ich kenne schon welche in meinem Alter oder vielleicht 1-2 Jahre jünger, aber ich finde halt keinen von denen so toll wie Dich…"). Gleichzeitig gab er jedoch zu, bei dem Gedanken an die Jungen zu masturbieren (BA Bl. 172, 174) und ihren Kot essen und ihren Urin trinken zu wollen, oder tat sich dadurch hervor, Gegenstände der von ihm verehrten Jugendlichen abzulecken. Wiederholt äußerte er sich dahingehend, die Schulklassen der minderjährigen Schüler besuchen zu wollen, bzw. davon zu träumen, mit ihnen die Schule zu besuchen und dort neben ihnen zu sitzen. Vor diesem Hintergrund lagen aufgrund der Tatsache, dass sich der Kläger am 18. und 19. Dezember 2019 als Praktikant ausgab, am Unterricht einer 9. Klasse des O* …-Gymnasiums teilnahm, den Kindern und Jugendlichen in der Pause Geld und Croissants anbot und sich in dieser Zeit und den vorherigen Monaten in dem - zuvor beschriebenen - Kontakt mit mehreren minderjährigen Jungen befand, ausreichend Tatsachen vor, die die von der Beklagte getroffene Gefahrenprognose stützen.
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Dass dabei bislang keine Anhaltspunkte für einen begangenen sexuellen Missbrauch zu Tage traten und die minderjährigen Jungen teilweise - trotz der Tatsache, dass sie zum Teil ihre Eltern ins Vertrauen zogen - zumindest verbal angaben, sich von dem Kläger nicht bedrängt zu fühlen (wobei einige Jungen durchaus daraufhinwiesen, dass sie sich wegen des Kontakts des Klägers zu einem unbekannten 12-jährigen Jungen Sorgen machten, sich durch die Suizidankündigungen und den Schulbesuch bedrängt gefühlt hätten und teils selbst davon ausgingen, dass der Kläger ein sexuelles Interesse an ihnen habe), steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Bei der anzustellenden Gefahrenprognose ist ganz entscheidend, dass angesichts der schwerwiegenden Folgen für minderjährige Opfer (auch) sexuell motivierter Straftaten und dem Ausmaß des möglichen Schadens für sie keine zu hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sowie einer zukünftigen Intensivierung des Täterverhaltens gestellt werden dürfen. Der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass für den Erlass einer Präventivmaßnahme eine Annäherung zum Zweck einer willentlichen sexuellen Handlung an Jugendlichen nicht abgewartet werden kann, diese vielmehr mit Blick auf das bereits gezeigte (Täter-)Verhalten sowie die Uneinsichtigkeit des Klägers bereits im Vorfeld unterbunden werden muss.
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Die durch die Beklagte erst (nachträglich) im gerichtlichen Verfahren mitgeteilten neuen tatsächlichen Erkenntnisse über eine erneute Annäherung des Klägers an einen erst 12-jährigen Jungen im Zeitraum vom 1. November 2020 bis 4. Januar 2021, die offensichtlich Anlass für eine erneute Gefährderansprache sowie - angesichts der noch laufenden Bewährungszeit - für eine Mitteilung an das Amtsgericht Augsburg und die Bewährungshilfe München gaben, sind geeignet, die durch die Beklagte angestellte Gefahrenprognose weiter zu stützen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das sicherheitsrechtliche Betretungsverbot als Dauerverwaltungsakt zu qualifizieren und deshalb im Rahmen der Gefahrenprognose auch neuen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen ist (vgl. zu einem Kontaktverbot BayVGH, B. v. 1.2.2016 - 10 CS 15.2689 - Beckonline Rn. 25). Es bestehen auch nach derzeitiger Aktenlage sowie unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der mündlichen Verhandlung keine Anhaltspunkte dahingehend, dass der Kläger sein Verhalten überdacht und geändert hätte bzw. dies beabsichtigt. Vielmehr zeigen die Chatverläufe mit den Schülern der 9. Klasse des O* …-Gymnasiums, dass der Kläger sein Verhalten wiederholt rechtfertigt, als unproblematisch bezeichnet und nicht gewillt ist, dieses zu überdenken oder zu ändern. Den in Chats mit den Jugendlichen geäußerten Wunsch nach "Hilfe" legt der kläger augenscheinlich in den Verantwortungsbereich der minderjährigen Jungen, von denen er wiederholt fordert, sie sollten ihm helfen, mit ihm im Kontakt bleiben, die Nähe und Annäherungsversuche zulassen (z.B. BA Bl. 10: "ich bin krank, ich weiß es. Ihr seid normale nette Jugendliche. Ich sollte euch eigentlich so dankbar für alles sein. Bitte helft mir einfach damit weiter, und lasst mich mit euch zusammen sein […] Mein Verhalten war unmöglich und falsch euch gegenüber. Aber ich alleine bin einfach nicht in der Lage dazu, das zu erkennen und zu verstehen. Bitte helft mir und unterstützt mich halt dabei"; ähnlich BA Bl. 186). Angesichts der Uneinsichtigkeit des Klägers sieht auch das Gericht eine deutliche Gefahr einer Wiederholung und zukünftigen Intensivierung von Annäherungsversuchen an Kinder und Jugendliche und der Begehung jedenfalls auch sexuell motivierter Straftaten wie Nachstellungen. Auch ein Übergang zu physischen Übergriffen erscheint angesichts der Uneinsichtigkeit des Klägers und seines bisherigen Verhaltens aus Sicht der Kammer bei ausbleibender Verhaltenseinsicht nicht ausgeschlossen.
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Das von der Beklagten in Nummer 1 des Bescheides verfügte auf fünf Jahre befristete Betretungsverbot für Schulen erweist sich auch als ermessensfehlerfrei und lässt in dem durch § 114 Satz 1 VwGO gesteckten Prüfungsumfang keine Rechtsfehler erkennen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass aus Sicht des Gerichts aus dem Gesamtkontext ersichtlich wird, dass von dem Betretungsverbot nur Schulen erfasst werden, die (jedenfalls auch) von Kindern und Jugendlichen besucht werden, nicht jedoch Schulen der reinen Erwachsenenbildung.
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Die Beklagte hat bei Erlass des so zu verstehenden Betretungsverbots das ihr eingeräumte Ermessen erkannt, von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht und dies im Bescheid, auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO), hinreichend zum Ausdruck gebracht. Die Ausübung des Auswahl- und Handlungsermessens begegnet dabei keinen Bedenken. Die Beklagte hat angesichts der besonderen Bedeutung von Schulen auch als Orten des Schutzes und der freien Entfaltung von Minderjährigen sowie des Umstands, dass der Kläger bereits in Vergangenheit minderjährigen Jungen in die jeweilige Schule gefolgt ist und den Aufenthalt dort genutzt hat, um - auch über das Angebot von Geschenken - in Kontakt mit anderen minderjährigen Jungen zu treten, ermessensfehlerfrei als Präventivmaßnahme ein Betretungsverbot für Schulen erlassen. Insbesondere genügt die Anordnung des Betretungsverbots für Schulen, die auch von Minderjährigen besucht werden, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ein über die Anordnung in Nummer 1 hinausgehendes Kontaktverbot zu Jugendlichen hat die Beklagte - auch mit Blick auf die zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses bekannte berufliche Tätigkeit des Klägers in einem Imbissladen und im Einzelhandel - gerade nicht statuiert. Mit der zeitlichen Befristung des Betretungsverbots hat die Beklagte auch dem Umstand Rechnung getragen, dass der Kläger einmal selbst Kinder haben könnte und sodann ein berechtigtes Interesse haben könnte, Schulen zu betreten. In seiner Antwort auf das Anhörungsschreiben hat der Kläger auch keine Gründe vorgetragen, die einen Aufenthalt in einer Schule und damit ggf. eine Ausnahmeregelung erforderlich machen würden. Insofern der Kläger im gerichtlichen Verfahren erstmals vorbrachte, dass er derzeit eine Ausbildung mache und daher den Unterricht an einer Berufsschule besuchen müsse, hat die Beklagte bei Vorlage entsprechender Nachweise über die Ausbildung sowie den Schulbesuch eine Gestattung des Betretens der vom Kläger besuchten Berufsschule in Aussicht gestellt und damit auch dem anzuerkennenden Interesse des Klägers seiner eigenen Schulverpflichtung nachkommen zu können, hinreichend Rechnung getragen.
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Im Übrigen erweist sich das Betretungsverbot als die tägliche Lebensführung des Klägers nicht übermäßig einschränkend. Ein besonderes relevantes Interesse des Klägers daran, als erwachsene und kinderlose Person andere als die für die eigene Ausbildung zuständige (Berufs-)Schulen zu betreten, ist für das Gericht nicht ansatzweise ersichtlich. Angesichts des bisherigen (und anscheinend andauernden) Verhaltens des Klägers gegenüber minderjährigen Jungen überwiegt deren Schutzinteresse gegenüber dem Interesse des Klägers, unabhängig von Zeiten des eigenen Ausbildungsunterrichts Schulgelände zu betreten, derart, dass seine durch das Betretungsverbot eingeschränkte allgemeine Handlungsfreiheit dahinter zurücktreten muss.
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Das auf Art. 7 Abs. 2 LStVG gestützte Betretungsverbot erweist sich nach alledem als rechtmäßig.
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Auch die Androhung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung der getroffenen Maßnahme ist rechtmäßig erfolgt, Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 30, Art. 31 und Art. 36 BayVwZVG. Die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung ist ebenfalls nicht zu beanstanden, Art. 31 Abs. 2 BayVwZVG.
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3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.