Titel:
Nichtbestehen des mündlichen Teils seiner Jägerprüfung – Erfolglose Verpflichtungsklage auf Neubescheidung
Normenketten:
BJagdG § 15 Abs. 5
BayJG Art. 28 Abs. 1
JFPO § 13, § 15 8idF vom vom 22.1.2007)
Leitsätze:
1. Es ist nicht gestattet, im Wege der Neubewertung über die mündliche Prüfungsleistung einzelner Kandidaten zu entscheiden, wenn eine verlässliche Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Frage, ob die an eine erfolgreiche Prüfung zu stellenden Mindestanforderungen erfüllt sind, nicht mehr vorhanden ist. Nach welchem Zeitablauf eine solche verlässliche Entscheidungsgrundlage für eine Neubewertung entfällt, ist abhängig von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls, wie etwa, ob detaillierte Aufzeichnungen gefertigt und aufbewahrt wurden, die die Erinnerung des Prüfers stützen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Protokollierung des Verlaufs der mündlichen Prüfung ist in der JFPO weder vorgesehen noch zwingend geboten, so dass das Fehlen einer Niederschrift keinen Verfahrensfehler begründen kann. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Den Prüfern in der mündlichen Prüfung ist es erlaubt, eine gewichtige Sicherheitsfrage (etwa zum Thema Waffen und Lebensmittelsicherheit) besonders und ausschlaggebend zu gewichten, weil diesbezüglich die Folgen von Verstößen ganz gravierend sein können, sodass der Prüfer bei mündlichen Prüfungen eine ausschlaggebend negative Bewertung bereits dann geben kann, wenn auch nur eine Frage unzutreffend beantwortet ist, sofern er darlegt, dass Gründe dafürsprechen, dass diese Frage besonders gewichtig und geeignet ist, etwaig vorhandene brauchbare Ansätze zu entwerten, sodass es sich deshalb im Gesamtergebnis nach der Beurteilung des Prüfers nur um eine völlig unbrauchbare Leistung handelt. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine analoge Anwendung der nach der Prüfungsordnung bestehenden Grenzen für das Bestehen des schriftlichen Teils (vgl. § 12 Abs. 2 JFPO) auf den mündlichen Teil der Jägerprüfung kommt nicht Betracht. Den Prüfern ist die Entscheidung zu überlassen, auf der Grundlage ihrer Einschätzungen und Erfahrungen zu dem Ergebnis zu kommen, dass die fehlerhafte Beantwortung einzelner Fragen in der mündlichen Prüfung ein derartiges Gewicht hat, dass auch vor dem Hintergrund richtiger Antworten des Prüflings die erforderlichen ausreichenden Kenntnisse iSd § 15 Abs. 5 S. 1 Hs. 2 BJagdG nicht vorhanden sind. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
5. § 15 S. 3 JFPO sieht vor, dass die jeweiligen Prüfungsteile im gesamten Umfang zu wiederholen sind. Eine Wiederholung nur von Teilgebieten eines Prüfungsabschnitts scheidet somit aus, denn die Prüfungskommission muss das Recht haben, die gesamten Leistungen des Prüflings in der mündlichen Prüfung zu sehen und mit zu bewerten. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
mündlicher Teil der Jägerprüfung, gerichtliche Überprüfungskompetenz von Prüfungsentscheidungen, Zulässigkeit sog. „K.O.“-Kriterien
Fundstelle:
BeckRS 2021, 20575
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen das Nichtbestehen des mündlichen Teils seiner Jägerprüfung.
2
Mit Bescheid vom 27. November 2019 teilte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Landshut - Zentrale Jäger- und Falknerprüfungsbehörde - dem Kläger mit, dass er den mündlichen Teil der Jägerprüfung 0*/19 nicht bestanden habe (Ziffer 1 des Bescheids). Kosten würden nicht erhoben (Ziffer 2).
3
Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf den mündlichen Teil der Jägerprüfung am 20. November 2019 ausgeführt, dass der Kläger in den Sachgebieten 1, 2, 4, 5 und 6 das Ergebnis „ausreichend“, im Sachgebiet 3 „ungenügend“ erzielt habe, weshalb er nach § 13 Abs. 3 JFPO den mündlichen Teil der Prüfung nicht bestanden habe.
4
Der Bescheid wurde dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 29. November 2019 übergeben.
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Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 11. Dezember 2019, eingegangen beim AELF Landshut am 12. Dezember 2019, ließ der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid erheben. Auf die Widerspruchsbegründung vom 24. Januar 2020 wird Bezug genommen.
6
Auf die im Widerspruchsverfahren eingeholten Stellungnahmen des Prüfungsausschussvorsitzenden E. K., des Prüfers F. W. sowie des stellvertretenden Leiters der Kanzlei der Bayerischen Forstschule - Bayerische Technikerschule für Waldwirtschaft - L. a. M., M. M., jeweils vom 31. Januar 2020, wird Bezug genommen.
7
Mit Schreiben vom 26. März 2020 gab das AELF Landshut bis 17. April 2020 Gelegenheit zur Äußerung, ob der Kläger den Widerspruch zurücknehmen wolle. Auf die Stellungnahme der Bevollmächtigten des Klägers vom 15. April 2020 wird Bezug genommen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2020 wies das AELF Landshut den Widerspruch vom 11. Dezember 2019 gegen den Bescheid vom 27. November 2019, Az. 1.…, zurück (Ziffer 1 des Bescheids). Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt und eine Gebühr in Höhe von 420.00 € berechnet (Ziffern 2 und 3).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Widerspruch nicht begründet sei, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei. Nach Einholung der Stellungnahmen bei den an der Prüfung am 20. November 2019 beteiligten Personen bestünden keine Zweifel, dass die Prüfung korrekt durchgeführt worden und die Bewertung der Prüfungsleistung ordnungsgemäß erfolgt sei. Im Rahmen der mündlichen Prüfung im Sachgebiet 3 „Rechtliche Vorschriften“ habe der Prüfer dem Kläger u.a. die Frage gestellt, dass er zu einem Wildunfall gerufen werde und hierbei eine angefahrene, aber noch lebende Rehgeiß und ein verendetes Rehkitz vorfände. Die Fragen zur weiteren Vorgehensweise seien hierbei korrekt vom Kläger beantwortet worden. Dann sei die entscheidende Frage erfolgt, was mit dem Rehkitz und der Rehgeiß bezüglich Verwertung geschehen solle. Der Kläger habe geantwortet, dass er das verendete Rehkitz und die Rehgeiß zum Eigenverbrauch verwerten würde. Da diese Antwort falsch sei, habe der Prüfer eine Hilfestellung gegeben und die Thematik amtliche Fleischuntersuchung zur Aufgabe gestellt. Der Kläger habe eine amtliche Fleischuntersuchung für beide Tiere für nicht erforderlich gehalten. Das bei einem Verkehrsunfall verendete Wild sei in jedem Fall für den menschlichen Verzehr untauglich, unabhängig davon, ob es in den Verkehr gebracht oder im eigenen Haushalt des Jägers verwendet werden solle. Das bei einem Verkehrsunfall verletzte Wild, das vom Jäger noch lebend aufgefunden und erlegt werde, müsse aufgrund des damit verbundenen Vorliegens bedenklicher Merkmale immer einer amtlichen Fleischuntersuchung zugeführt werden, wenn es für den menschlichen Verzehr verwendet werden solle. Der Kläger habe mit seiner Antwort mehrere essenziell-eklatante Wissenslücken im Bereich der Lebensmittelhygiene aufgezeigt. Als angehender Jäger müsse der Kläger den erforderlichen hohen Wissens- und Kenntnisstand im Umgang mit der Verwertung von Wildbret haben, der dem Kläger schlicht fehle. Die Lebensmittelsicherheit sei ein hohes Gut und als „kundige Person“ hätten Jäger bei der Wildbretvermarktung Privilegien, die denen von Veterinären gleichgestellt seien. Aufgrund dieser Verantwortung seien die Prüfer von der Prüfungsbehörde angehalten, strenge Maßstäbe anzulegen. Die Wissenslücke des Klägers rechtfertige auch bei einer Gesamtbetrachtung der Prüfung in diesem Sachgebiet die Benotung mit „ungenügend“. Eine Nachprüfung nach § 13 Abs. 3 Satz 2 JFPO sei nur für den Fall vorgesehen, dass der Prüfer sich seiner Leistungsbewertung nicht einig sei. Vorliegend sei sich der Prüfer jedoch seiner Leistungsbewertung absolut sicher gewesen.
10
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 6. Juli 2020 zugestellt.
11
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 14. Juli 2020, eingegangen bei Gericht am 17. Juli 2020, ließ der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erheben und zuletzt beantragen,
1. Der Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 27. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2020 (Az.: 1.W) wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verpflichtet, die mündliche Jägerprüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten.
Hilfsweise: Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine erneute Wiederholung der mündlichen Prüfung im Sachgebiet 3 ohne Anrechnung auf die ihm offenstehenden Wiederholungsmöglichkeiten zu gestatten.
Hilfsweise: Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine erneute Wiederholung der mündlichen Prüfung ohne Anrechnung auf die ihm offenstehenden Wiederholungsmöglichkeiten zu gestatten.
3. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war erforderlich.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die Bewertung des mündlichen Teils der Jägerprüfung, insbesondere die Bewertung der Teilprüfung des Sachgebiets 3 (Jagdrecht) rechtswidrig sei und den Klägern in seinen Rechten verletze.
13
Während des mündlichen Teils der Jägerprüfung am 20. November 2019 hätten sich Prüfer und Prüfling an einem normalen Tisch, etwa einen Meter auseinander, gegenübergesessen. Der Prüfer im Sachgebiet 3 sei fortgeschrittenen Alters gewesen und habe nach Meinung des Klägers womöglich nicht mehr zu 100 Prozent gehört. Über die streitgegenständliche mündliche Prüfung existiere keine Niederschrift, daher würden die gestellten Fragen und Antworten sinngemäß so wiedergegeben, soweit sich der Kläger daran erinnere. Demnach habe der Prüfer im Sachgebiet 3 unter anderem einen Sachverhalt geschildert, wonach der Kläger von der Polizei zu einem Wildunfall gerufen werde, bei dem ein Kitz tot und ein Reh schwer verletzt sei. Nachdem der Kläger auf die Frage, was er mit dem Wild machen dürfe, erwidert habe, das Kitz müsse verworfen werden, das Reh dürfe er für sich verwenden und das Wildbret nicht an Dritte weitergeben, habe der Prüfer wissen wollen, ob an dem Wild, welches der Kläger für sich verwenden dürfe, eine amtliche Fleischbeschau durchgeführt werden müsse. Der Kläger sei der Meinung, die Frage zutreffend mit „ja“ beantwortet zu haben, der Prüfer hingegen sei davon überzeugt gewesen, dass der Kläger die Frage mit „nein“ und somit unzutreffend beantwortet habe. Für den Kläger seien beide Tiere nach dem Sachverhalt zunächst kein Fallwild gewesen. Auf erneute Nachfrage des Prüfers habe der Kläger geantwortet, dass er nach einer Fleischbeschau beide Stücke nur für den Eigenbedarf verwenden dürfe. Bei einem vom Auto angefahrenen Wild müsse es sich nicht zwingend um Fallwild handeln und der Prüfer habe dies auch nicht als solches benannt. Das erwachsene Stück habe der Kläger als lebend angesehen und hätte somit eine Lebendbeschau durchgeführt, denn wie lange ein Stück gelebt haben müsse, sei nirgends definiert. Nachdem der Kläger in sämtlichen Sachgebieten geprüft worden sei, sei ihm mitgeteilt worden, dass er die Prüfung im Prüfungsteil 3 nicht bestanden habe, weil er eine einzige Frage falsch beantwortet habe. Bei der Frage, ob das durch Fangschuss erlegte Wild, was durch einen Verkehrsunfall verletzt worden sei, einer amtlichen Fleischbeschau unterliege, habe es sich um eine sogenannte „K.O.“-Frage gehandelt, was zur Folge habe, dass das Sachgebiet 3 mit „ungenügend“ zu bewerten sei und der Kläger deshalb den mündlichen Teil der Jägerprüfung insgesamt nicht bestanden habe. Mit E-Mail vom 31. Januar 2020 habe der Vorsitzende des Prüfungsausschusses mitgeteilt, dass allen Prüfungsteilnehmern die gleichen Fragen gestellt worden seien und der Prüfer Hilfestellungen durch Nachfragen gegeben habe, die der Kläger nicht genutzt habe. Mit Ausnahme eines weiteren Teilnehmers hätten alle Schüler der vom Kläger besuchten Jagdschule die strittige Frage richtig beantwortet. Die Verwertung von überfahrenem Wild, auch zum Eigenverbrauch, stelle ohne Möglichkeit der Lebendbeschau eine große Gefahr dar, weshalb die Bewertung mit „ungenügend“ erfolgt sei. Gerade im Bereich des Hygienerechts sei man als Prüfer von der Prüfungsbehörde gehalten, sogenannte „K.O.“-Fragen in der Bewertung zu verwenden. Der Kläger habe den Rest der Prüfung bis auf Kleinigkeiten sicherlich gut gemeistert. Als Vorsitzender des Prüfungsausschusses habe er aber keine Veranlassung für eine Nachprüfung gesehen. Im Übrigen habe er sich davon überzeugt, dass der Prüfer über ein sehr gutes Gehör verfüge.
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Die Bewertung des Klägers im Rahmen der Teilprüfung des Sachgebiets 3 mit „ungenügend“, die ausweislich des § 13 Abs. 2 JFPO einer völlig unbrauchbaren Leistung entspreche, sei rechtswidrig. Dem Kläger seien in der Teilprüfung diverse Fragen gestellt worden, welche er größtenteils und im Wesentlichen zutreffend beantwortet habe. Nach mündlicher Mitteilung des Prüfers habe der Kläger die Prüfung nur deshalb nicht bestanden, weil er die Frage, ob bei dem Wild, das er für sich selbst verwenden dürfe, eine amtliche Fleischbeschau durchzuführen sei, mit „nein“ beantwortet habe. Die JFPO sehe derartige „K.O.“-Fragen jedoch nicht vor. Dass das Beantworten lediglich einer Frage mit einer unzutreffenden Antwort zwingend zum Nichtbestehen führen müsse, sei daher rechtswidrig. Selbst wenn der Kläger die Frage nach der zwingenden Durchführung einer amtlichen Fleischbeschau unzutreffend beantwortet haben sollte, falle diese eine Antwort im Gesamtzusammenhang aufgrund der Vielzahl der gestellten Fragen nicht so schwer ins Gewicht, dass dies die Bewertung mit „ungenügend“ rechtfertige, da keine völlig unbrauchbare Leistung vorliege. Bei einer solchen Gewichtung einer Frage würde die Bewertung aller anderen gestellten Fragen im Ergebnis irrelevant, denn es genüge damit, den Prüflingen eine einzige Frage zu stellen. Dies sei mit den allgemeinen Grundsätzen des Prüfungsrechts nicht zu vereinbaren, da es für solche Kardinalfragen, die für sich über Bestehen oder Nichtbestehen entschieden, im Bereich des Lebensmittelrechts keine Rechtsgrundlage gebe. Die Leistung des Klägers, der nahezu sämtliche Fragen zutreffend beantwortet habe, sei mindestens im Bereich von „mangelhaft“ zu bewerten, wodurch er die Prüfung bestanden hätte. Die Vorgabe von „K.O.“-Fragen durch die Prüfungsbehörde, die seitens der Prüfer offensichtlich als Weisung verstanden werde, greife zudem in unzulässiger Weise in den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum ein. Gerade bei mündlichen Prüfungen dürfe es keine starren Bewertungsschemata geben, da jede Prüfung einen individuellen Ablauf habe und die Note aus einer Gesamtschau der Leistung gebildet werde. Es stehe regelmäßig im Ermessen der Prüfer, wie sie die Gesamtnote letztlich ermittelten. Dieses Ermessen sei jedoch überschritten, wenn die Prüfer starre Vorgaben von der eigenen Prüfungsbehörde erhielten. Nach § 13 Abs. 3 Satz 2 JFPO solle der Vorsitzende des Prüfungsausschusses den Prüflingen in Zweifelsfällen erneut Gelegenheit geben, ihre Kenntnisse in den jeweiligen Sachgebieten erneut unter Beweis zu stellen, wobei diese Ermessensvorschrift regelmäßig als Verpflichtung zu sehen sei, den Prüflingen eine zweite Chance zu geben. Der Kläger habe durch die zutreffende Beantwortung diverser Fragen ein hinreichendes Basiswissen unter Beweis gestellt, sodass es rechtswidrig sei, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses von der Möglichkeit des § 13 Abs. 3 Satz 2 JFPO keinen Gebrauch gemacht habe. Da das Prüfungsverfahren von Sachlichkeit und Fairness bestimmt sein müsse, würden Verstöße gegen das Recht des Prüflings auf ein faires Verfahren eine Wiederholung der Prüfung erforderlich machen.
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Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2020 ließ der Kläger ergänzend vortragen, dass das verendete Rehkitz kein erlegtes Wild im Sinne des § 2b Abs. 1 Nr. 1 Tier-LMHV sei. Aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 Tier-LMHV könne zudem nicht gefolgert werden, dass das Kitz vom menschlichen Verzehr auszuschließen sei, da die Norm auf die „Abgabe kleiner Mengen“ abstelle, worunter eine - wie vom Kläger als Antwort gegeben - „Verwertung als Eigenverbrauch“, also zum privaten häuslichen Gebrauch oder im eigenen Haushalt, nicht falle, da dies weder eine Abgabe noch ein Inverkehrbringen darstelle. Ebenso sei nicht nachvollziehbar, dass bei der durch einen Wildunfall verletzten und fluchtunfähigen Rehgeiß auch beim Eigenverbrauch eine amtliche Fleischuntersuchung erforderlich sei. Bei einem durch einen Wildunfall verletzten Wild fehlten gerade bedenkliche Merkmale i.S.d. Nr. 1.3 der Anlage 4 zur Tier-LMHV, weil bei einem Wildunfall Anzeichen äußerer Gewalt vorausgesetzt werden könnten. Ein durch einen Unfall verendetes Wild sei kein Fallwild, weil bei einem Fallwild keine unmittelbar vorausgegangene Gewalteinwirkung als Todesursache feststellbar sei. Gehe man davon aus, dass die Rehgeiß in den Wildunfall verwickelt gewesen, dadurch äußerlich verletzt und mit einem Fangschuss getötet worden sei, sei die Geiß frei von bedenklichen Merkmalen, wenn der Jäger bei der Totenbeschau auch alle anderen Punkte der Liste des Nr. 1.3 der Anlage 4 zur Tier-LMHV ausschließen könne, sodass die Geiß ohne amtliche Fleischbeschau zum Verbrauch im eigenen Haushalt geeignet wäre. Hinzu komme, dass die Anlage 4 zur Tier-LMHV ebenfalls die „Abgabe kleiner Mengen“ voraussetze, was bei einer Verwertung als Eigenverbrauch nicht vorliege. Daraus folge, dass die mit einem Fangschuss erlegte Rehgeiß auch ohne amtliche Fleischuntersuchung zum häuslichen Verbrauch verwendet werden könne. Das bereits verendet aufgefundene Rehkitz gelte als nicht erlegt und dürfte als Lebensmittel nicht abgegeben, also in den Verkehr gebracht werden, gegen dessen Verwertung im privaten Haushalt des Jägers, beispielsweise als Hundefutter, bestünden allerdings grundsätzlich keine Bedenken.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 4. Dezember 2020 ließ der Kläger mitteilen, dass der Stellungnahme des prüfenden Herrn W.zu entnehmen sei, dass er die Begriffe „menschlicher Verzehr“ und den Begriff „Eigenverbrauch“ im selben Zusammenhang verwende. Offensichtlich sehe er hier keinen Unterschied, der jedoch existiere. Ein Eigenverbrauch im Haushalt des Jägers, so der Terminus in den lebensmittelrechtlichen Vorschriften bzw. die Formulierung „für den privaten häuslichen Gebrauch bestimmt, oder zur Verwertung im privaten Haushalt“ bedeute aber nicht zwingend einen menschlichen Verzehr, was Herr W.impliziere und dem Kandidaten unterstelle. Ein Prüfer sei gehalten, seine Fragen konkret und mit der richtigen Begrifflichkeit zu stellen. Es sei unter diesen Umständen geboten gewesen, beim Kläger nachzufragen, was er mit Eigenverbrauch meine. Der Prüfer hätte den Prüfling unter diesen Umständen auffordern müssen, seine Antwort zu präzisieren, oder der Prüfer hätte seine Fragestellung präzisieren müssen. Beides sei nicht geschehen. Dieses Prüfungsgebaren stehe nicht im Einklang mit dem Grundsatz eines fairen Prüfungsverfahrens. In einem solchen Fall dürfe die vom Kläger gegebene Antwort nicht als falsch bewertet werden und noch dazu führen, dass die gesamte Prüfung als nicht bestanden gewertet werde. In der Stellungnahme des Staatsministeriums werde die Schlussfolgerung gezogen, dass bei der Verwendung „Verbrauch im eigenen Haushalt“ davon ausgegangen werden könne und müsse, dass es sich um die Verwendung als Lebensmittel handele. Diese Begriffe seien vom Prüfer in seiner Fragestellung laut seines Protokolls gar nicht verwendet worden, er habe lediglich gefragt „Was machen Sie mit der Rehgeiß und dem Kitz?“. Der Kläger habe geantwortet „Ich verwende sie zum Eigenverbrauch (…)“. Der Prüfer sei gehalten gewesen, nachzufragen, was der Kläger unter „Eigenverbrauch“ verstehe, was er aber nicht getan habe. Ohne seine Frage zu konkretisieren, habe er dem Kandidaten unterstellt, dass er damit den menschlichen Verzehr meine. Es sei Aufgabe des Prüfers gewesen, sich Klarheit zu verschaffen, bevor er die Prüfungsleistung mit ungenügend bewerte. Die Behauptung des Staatsministeriums, dass bei einem Verkehrsunfall verletztes oder getötetes Wild bedenkliche Merkmale aufweise wie fehlendes oder reduziertes Fluchtverhalten und dies eine abnorme Verhaltensweise im Sinne der Anlage 4 Nr. 1.3.1 Tier-LMHV darstelle, sei als völlig abwegig zu bewerten. Ein totes Rehkitz sei nicht mehr in der Lage zu fliehen, ebenso wenig wie eine verletzte Rehgeiß.
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Die Regierung von Unterfranken in Prozessvertretung für das AELF Landshut beantragte für den Beklagten,
18
Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf die Begründung im Widerspruchsbescheid im Wesentlichen vorgetragen, dass dem Kläger grundlegendes Wissen zum Themenkomplex Lebensmittelsicherheit fehle. Die Frage nach der Verwertung von Rehkitz und Rehgeiß, bei der bewusst die Differenzierung zwischen verendetem und verletztem Tier angelegt gewesen sei, stelle genau betrachtet zwei Fragen dar, welche beide vom Kläger unzutreffend beantwortet worden seien, da in beiden Fällen eine Verwertung zum Eigengebrauch entgegen der Antwort des Klägers nicht ohne Weiteres zulässig sei. Das Kitz sei als verendetes Wild nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Tier-LMÜV i.V.m. Nr. 1c des V. Kapitels in Abschnitt II des Anhangs I zur Verordnung (EG) Nr. 854/2004 für genussuntauglich zu erklären und von menschlichem Verzehr ausgeschlossen. Bei der verletzten Geiß sei auch beim Eigenverbrauch eine amtliche Fleischuntersuchung erforderlich, da bedenkliche Merkmale nach § 2b Abs. 1 Nr. 1 Tier-LMHV i.V.m. Nr. 1.3 der Anlage 4 zur Tier-LMHV vorlägen. Auch nachdem dezidiert nach der amtlichen Fleischuntersuchung im Zusammenhang mit der Verwertung gefragt worden sei, habe der Kläger in beiden Fällen eine solche für nicht erforderlich gehalten. Damit habe der Kläger im Bereich des Lebensmittel- und Fleischhygienerechts eklatante Wissenslücken hinsichtlich der zentralen Begrifflichkeiten „erlegen“ und „bedenkliche Merkmale“ offenbart, welche für die Fragen der Verwertung von Fleisch von freilebendem Wild und deren sicheren Anwendung bei der praktischen Handhabung unabdingbar seien. Aufgrund dessen sei die Bewertung der Prüfung im Sachgebiet 3 als „ungenügend“ insgesamt nachvollziehbar. Eine mündliche Prüfung lasse sich zudem nur bedingt planen. Abgesehen von § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 JFPO habe der Verordnungsgeber den Prüfern daher die Entscheidung überlassen, ob die fehlerhafte Beantwortung einzelner Fragen ein derartiges Gewicht habe, dass auch vor dem Hintergrund zutreffender Antworten des Prüflings auf andere Fragen die erforderlichen Kenntnisse nicht vorhanden seien. Der somit den Prüfern eingeräumte Bewertungsspielraum stehe der Bewertung einzelner Fragen als Kardinalsfragen jedoch nicht entgegen. Gemäß § 1 Satz 1 JFPO obliege die Abnahme der Jägerprüfung der Zentralen Prüfungsbehörde. Die damit einhergehende Verantwortung für die mit der Prüfung verbundene Zielsetzung, nämlich die ausreichende Kenntnis der Prüflinge in den einzelnen Sachgebieten, ermögliche die Vorgabe einer angemessenen Berücksichtigung grundlegender Fragen durch „Kardinalfragen“. Auch die Bewertung des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, dass von keinem Zweifelsfall i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 2 JFPO auszugehen sei, sei aufgrund der dargelegten Gründe - Hilfestellungen und Nachfragen durch den Prüfer, eindeutige und zulässige Fragestellung, sowie unzweifelhaft unzutreffende Antwort - nachvollziehbar.
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Mit Schreiben vom 9. Oktober 2020 ergänzte der Beklagte seinen Vortrag und verwies auf eine Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz. Demnach verkenne die Gegenseite, dass bei einem Verkehrsunfall verletztes oder getötetes Wild regelmäßig andere bedenkliche Merkmale aufzeige. Fehlendes oder reduziertes Fluchtverhalten stelle eine abnorme Verhaltensweise im Sinne der Anlage 4 Nr. 1.2.1 Tier-LMHV dar. Normales Verhalten des Rehwildes sei es, bei Annäherung von Menschen zu flüchten. Ebenso sei bei noch lebendem Wild, dem nach einem Unfall ein Fangschuss angetragen werden könne, regelmäßig eine Störung des Allgemeinbefindens durch die Verletzungen vorhanden. Bei einem durch einen Verkehrsunfall getöteten Wild sei das Allgemeinbefinden sogar maximal gestört, da hier alle Lebensfunktionen eingestellt seien. In beiden Fällen lägen somit bedenkliche Merkmale vor. Entgegen der Annahme der Gegenseite sei auch für die amtliche Fleischuntersuchung beim eigenen häuslichen Verbrauch § 6 Abs. 1 Tier-LMÜV anzuwenden. Die Pflicht zur Fleischuntersuchung ergebe sich ausschließlich aus nationalem Recht. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach § 6 Abs. 1 Tier-LMÜV für die Beurteilung aufgrund der Ergebnisse der Fleischuntersuchung bei erlegtem Wild zum eigenen häuslichen Verbrauch oder bei der Abgabe kleiner Mengen an Endverbraucher oder örtlichen Einzelhandel zur direkten Abgabe an Endverbraucher Art. 28 Abs. 6, auch in Verbindung mit Art. 45 und Art. 31 der Durchführungsverordnung (EU) 2019/627 entsprechend gelte. Der nationale Verordnungsgeber habe sich die Beurteilungen zur Genusstauglichkeit des EU-Rechts zu eigen gemacht. Dies erfolge sowohl für die Abgabe kleiner Mengen Wild durch Jäger als auch für den Eigenverbrauch, da in jedem Fall die Gesundheit des Menschen im Mittelpunkt stehe und somit auch die gleichen Anforderungen an die Beurteilung von Fleisch gestellt würden. Der Verordnungsgeber wolle also ausdrücklich die Vorschriften der EU zur Beurteilung der Genusstauglichkeit auch für die nationalen Regelungen anwenden. Die Gegenseite führe an, dass ein Eigenverbrauch, also ein „Verbrauch im eigenen Haushalt“ nicht zwingend bedeuten würde, dass das Wild einem menschlichen Verzehr zugeführt werden solle. Das Lebensmittelrecht nenne in diesem Zusammenhang die Begriffe „privaten häuslichen Gebrauch“, „häuslichen privaten Verbrauch“ und „eigenen häuslichen Verbrauch“ im Zusammenhang mit Großwild in § 2b Abs. 1 Tier-LMHV. Im Rechtsbereich der tierischen Nebenprodukte kämen diese Begriffe nicht vor. Im Zusammenhang mit Futtermittel würden die Begriffe „Verfütterung“ oder „Füttern“ verwendet. Daraus ergebe sich, dass bei der Verwendung „Verbrauch im eigenen Haushalt“ davon ausgegangen werden könne und müsse, dass es sich um die Verwendung als Lebensmittel handele. Die Antworten des Klägers seien als falsch zu bewerten. Entgegen des Vortrags des Klägerbevollmächtigten könne allein mit dem Ausschluss des Vorliegens von Fallwild im Sinne von Nr. 1.3.2 der Anlage 4 zur Tier-LMHV das Vorhandensein von bedenklichen Merkmalen nicht insgesamt ausgeschlossen werden. Ausweislich der im Prüfungsgespräch verwendeten Begrifflichkeiten und des thematischen Kontextes der Verwendung sei die nachträgliche Interpretation des „Eigengebrauchs“ bzw. des „Verbrauchs im eigenen Haushalt“ in dem Sinne, dass damit die Verwendung als Hundefutter gemeint sein solle, nicht nachvollziehbar. Auch wenn die im Prüfungsgespräch verwendeten Begrifflichkeiten nicht eins zu eins der Terminologie des Lebensmittelrechts entsprächen, machten sie doch den Charakter der gestellten Fragen als solche des Lebensmittelrechts hinreichend deutlich. Die persönlichen Aufzeichnungen des Prüfers W.stellten keine Bestandteile der Prüfungsakte dar. Es handele sich dabei um bloße „Hilfsmittel“ des Prüfers zur Erstellung der Bewertung bzw. zur Abgabe entsprechender Stellungnahmen und somit um reine „Prüfungsinterna“. Es bestehe kein Anspruch auf Einsicht in solche Prüferaufzeichnungen. Das Prüfgeschehen könne durch die verfahrensmäßigen Vorkehrungen nachträglich hinreichend aufgeklärt werden.
20
In der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2021 erschien der Kläger mit seinem Bevollmächtigten. Das Verfahren wurde zur gemeinsamen Verhandlung mit dem Verfahren W 9 K 20.903 verbunden. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Durch Beschluss vom 19. Februar 2021 wurde über die Vorgänge bezüglich der Bewerber M.M.und C.B.im mündlichen Teil der Jägerprüfung 0*/19, Sachgebiet 3, am 20. November 2019 in der Forstschule Lohr a.Main Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen F.W.und E.K.Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
21
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten, sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorliegende Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
22
Die in Form der Bescheidungsklage erhobene Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg.
23
Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet. Die Hilfsanträge, über die aufgrund des Eintritts der zulässigen innerprozessualen Bedingung zu entscheiden war, sind jeweils unbegründet, der Hilfsantrag betreffend die Wiederholung der Prüfung im Sachgebiet 3 ist zudem bereits unzulässig.
24
Der Kläger hat weder Anspruch auf eine erneute Bewertung seiner im Rahmen der mündlichen Prüfung am 20. November 2019 erbrachten Prüfungsleistung im Sachgebiet 3, noch darauf, dass ihm eine Wiederholung der mündlichen Prüfung - insgesamt oder ausschließlich im Sachgebiet 3 - ohne Anrechnung auf die ihm offenstehenden Wiederholungsmöglichkeiten gestattet wird. Der Bescheid des AELF Landshut - Zentrale Jäger- und Falknerprüfungsbehörde - vom 27. November 2019 und der Widerspruchsbescheid dieser Behörde vom 1. Juli 2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
25
Der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf Neubewertung der mündlichen Jägerprüfung steht dem Kläger nicht zu.
26
Es kann offenbleiben, ob ein Anspruch auf Neubewertung bereits aufgrund des Zeitablaufs zwischen der mündlichen Jägerprüfung am 20. November 2019 und der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2021 ausscheidet.
27
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass aus Gründen der in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Chancengleichheit es nicht gestattet ist, im Wege der Neubewertung über die Prüfungsleistung einzelner Kandidaten zu entscheiden, wenn eine verlässliche Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Frage, ob die an eine erfolgreiche Prüfung zu stellenden Mindestanforderungen erfüllt sind, nicht mehr vorhanden ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.1996 - 6 B 13/96 - juris Rn. 9ff.). Nach welchem Zeitablauf eine solche verlässliche Entscheidungsgrundlage für eine Neubewertung entfällt, ist abhängig von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls, wie etwa, ob detaillierte Aufzeichnungen gefertigt und aufbewahrt wurden, die die Erinnerung des Prüfers stützen können (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.1996 - 6 B 13/96 - juris Rn. 12; U.v. 6.9.1995 - 6 C 18/93 - juris Rn. 43). Im vorliegenden Fall lag zwar im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die mündliche Jägerprüfung fast ein Jahr und drei Monate zurück. Bereits bei Klageerhebung am 17. Juli 2020 war ein Zeitraum von fast acht Monaten seit der mündlichen Prüfung vergangen. Der als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vernommene Prüfer im Sachgebiet 3, Herr W* …, verfügt jedoch offensichtlich noch über Aufzeichnungen. Der Zeuge äußerte selbst, dass er sich bei falschen Antworten in der Prüfung Notizen gemacht und diese, weil er wusste, dass der Kläger Widerspruch einlegen würde, im Nachhinein noch ergänzt habe. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte der Zeuge W.daher noch angeben, was der Kläger geantwortet habe. Hinzu kommt die Besonderheit, dass im vorliegenden Fall im Streit steht, ob die fehlerhafte Beantwortung lediglich einer Fragestellung zum Nichtbestehen der mündlichen Prüfung führen darf, was womöglich leichter zu rekonstruieren ist, als der Verlauf einer ganzen mündlichen Prüfung. Im Ergebnis kommt es jedoch nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Prüfungsneubewertung durch Zeitablauf erlöschen kann, da ein solcher im Falle des Klägers nie entstanden ist.
28
Das Gericht kann vorliegend keine Verpflichtung des Beklagten zur Neubewertung des mündlichen Teils der Jägerprüfung vom 20. November 2019 aussprechen, denn die von der Beklagten auf Grundlage von § 15 Abs. 5 BJagdG, Art. 28 Abs. 1 BayJG, § 13 der Verordnung über die Jäger- und Falknerprüfungsordnung (JFPO) vom 22.1.2007 durchgeführte Jägerprüfung weist keine Mängel im Rahmen des mündlichen Teils der Prüfung, insbesondere im Sachgebiet 3, auf.
29
Nach § 11 Abs. 1 JFPO besteht die Jägerprüfung aus dem schriftlichen Teil, dem mündlichen Teil und dem praktischen Teil. Der mündliche Teil der Prüfung ist in § 13 JFPO geregelt. Gemäß § 13 Abs. 2 JFPO sind die Leistungen der Bewerber in jedem einzelnen Sachgebiet wie folgt zu bewerten: ausreichend = eine Leistung, die mindestens durchschnittlichen Anforderungen entspricht oder besser ist, mangelhaft = eine an erheblichen Mängeln leidende, im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung, ungenügend = eine völlig unbrauchbare Leistung. Nach § 13 Abs. 3 JFPO hat der Bewerber den mündlichen Teil der Prüfung nicht bestanden, wenn die Leistungen des Bewerbers in einem oder mehreren Sachgebieten mit „ungenügend“ oder in zwei oder mehr Sachgebieten mit „mangelhaft“ bewertet worden sind. In Zweifelsfällen soll der Vorsitzende des Prüfungsausschusses dem Bewerber erneut Gelegenheit geben, seine Kenntnisse in den jeweiligen Sachgebieten vor dem Prüfungsausschuss unter Beweis zu stellen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 JFPO).
30
Formelle Fehler liegen nicht vor. Das Gericht ist dabei zu einer uneingeschränkten Überprüfung hinsichtlich des Vorliegens von Verfahrensmängeln befugt (vgl. Tausch in Schuck, BJagdG, 2. Auflage 2015, § 15 Rn. 52).
31
Sofern der Kläger vorträgt, dass das Verfahren mangelhaft sei, weil es an einer Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Prüfung fehle, ist darauf hinzuweisen, dass eine Protokollierung des Verlaufs der mündlichen Prüfung in der JFPO weder vorgesehen noch zwingend geboten ist (vgl. VG München, U. v. 17.9.1997 - M 7 K 96.3030 - juris Rn. 22, unter Verweis auf BVerwG, gemeint ist wohl BVerfG, U.v. 14.2.1996 - 1 BvR 961/94 - NVwZ 97, 263). Auch aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 GG, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Weder das Gebot wirksamen Rechtsschutzes noch das Rechtsstaatsprinzip geben vor, ob und in welcher Gestalt Niederschriften über die mündliche Jägerprüfung anzufertigen sind oder dass eine Protokollierung der Fragen und Antworten erforderlich ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.3.1988 - 7 B 39/88 - juris Rn. 3, unter Verweis auf BVerwGE 38, 105 [116 f.] und 38, 322 [324 ff.]).
32
Für die ferner gerügte Schwerhörigkeit des Zeugen W.bestehen aufgrund des über ihn in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks zur Überzeugung des Gerichts keinerlei Anhaltspunkte.
33
Auch materiell-rechtlich ist die Bewertung der Leistung des Klägers im Sachgebiet 3 mit „ungenügend“ gerichtlich nicht zu beanstanden.
34
Die Entscheidung des Prüfungsausschusses über das Prüfungsergebnis der mündlichen Prüfung nach § 13 Abs. 3 JFPO ist ein Verwaltungsakt (vgl. zu § 9 Abs. 5 JFPO a.F. VG München, U.v. 17.9.1997 - M 7 K 96.3030 - juris Rn. 18), der nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung wegen des den Prüfern eingeräumten höchstpersönlichen Beurteilungs- und Bewertungsspielraums gerichtlich nur in engen Grenzen inhaltlich überprüft werden darf. Bei der Jägerprüfung handelt es sich nach einhelliger Auffassung nicht um eine berufsbezogene bzw. -eröffnende Prüfung, mit der Folge, dass die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 12 Abs. 1 GG entwickelten strengen Maßstäbe gerichtlicher Kontrolldichte keine Anwendung finden (vgl. BVerwG B.v. 83.1998 - 6 B 13/99 - juris Rn. 5f.; BayVGH, B.v. 2.8.1999 - 19 ZB 99.1080 - juris Rn. 4; OVG NRW, B.v. 21.11.2011 - 14 A 1899/10 - juris. Rn. 10; VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 - W 6 K 99.19 - juris Rn. 24; VG Saarland, U.v. 19.1.2011 - 5 K 1527/09 - juris Rn. 24-28; VG Hamburg, U.v. 19.7.2001 - 14 VG 5199/99 - juris Rn. 19, das i.E. aber dennoch den Prüfungsmaßstab einer berufsgeprägten Prüfung anwenden will), weshalb die fachliche Beurteilung der Leistung durch den dazu berufenen Prüfer erfolgt und nicht durch ein Gericht aufgrund eigener Sachkunde oder mithilfe eines Sachverständigengutachtens ersetzt werden kann (vgl. VGH BW, B.v. 2.10 1998 - 5 S 1830/87 - juris Rn. 7; VG Magdeburg, U.v. 19.9.2013 - 3 A 107/13 - juris Rn. 17; VG Augsburg, U.v. 27.1.2004 - Au 9 K 03.198 - juris Rn. 21, 28).
35
Demnach ist die gerichtliche Kontrolle des Bewertungsvorgangs wegen des Grundsatzes der Chancengleichheit hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen eingeschränkt, da seitens des Prüfers ein Bewertungsspielraum besteht, der erst überschritten ist, wenn den Prüfungsbehörden Verfahrensfehler unterlaufen, sie anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen, sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt wurde (vgl. BVerwG, B.v. 28.6.2018 - 2 B 57.17 - juris Rn. 7 mwN; VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 - W 6 K 99.19 - juris Rn. 24). Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums sind etwa bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels (BVerwG, B.v. 28.6.2018 - 2 B 57.17 - juris Rn. 8). Die Einmaligkeit der Prüfungssituation und der Grundsatz der Chancengleichheit verbieten es, dass sich ein Prüfling durch Anstrengung eines verwaltungsgerichtlichen Prozesses eine vergleichsrahmenunabhängige Bewertung erschließt, weshalb die verwaltungsgerichtliche Überprüfung einer Prüfungsentscheidung in den prüfungsspezifischen Bezugs- und Vergleichsrahmen nicht eingreifen darf (vgl. VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 - W 6 K 99.19 - juris Rn. 24; VG Augsburg, U.v. 27.1.2004 - Au 9 K 03.198 - juris Rn. 21). Im Bereich prüfungsspezifischer Wertungen fungieren die Verwaltungsgerichte daher nicht als als „Superprüfungsinstanz“ (vgl. VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 - W 6 K 99.19 - juris Rn. 24), sondern sind in ihrer Überprüfungskompetenz daher darauf beschränkt, zu kontrollieren, ob die Grenzen des dem Prüfer zugewiesenen Bewertungsspielraums verletzt sind, ob also eine offensichtliche Fehleinschätzung vorliegt (VG Augsburg, U.v. 27.1.2004 - Au 9 K 03.198 - juris Rn. 28).
36
Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die vorliegend angegriffene Bewertung des Sachgebiets 3 als rechtmäßig.
37
Bei der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Vernehmung des Prüfers, der den vom Kläger beanstandeten Teil der mündlichen Jägerprüfung durchgeführt hat, sowie des Prüfungsvorsitzenden haben sich keine Bewertungsfehler ergeben, die die Bewertung des Sachgebiets 3 mit „ungenügend“ als unhaltbar oder willkürlich erscheinen lassen. Das Gericht konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung weder feststellen, dass der Zeuge W.als Prüfer bei seiner Bewertung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen oder allgemeine Bewertungsmaßstäbe missachtet hätte, noch, dass sachfremde Erwägungen angestellt wurden oder sonst willkürlich gehandelt wurde. Auch das Verhalten des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses begegnet keinen Bedenken.
38
Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass entsprechend den oben aufgezeigten Grundsätzen eine Richtigkeitsprüfung durch das Gericht nicht stattfindet, da allein dem Prüfungsausschuss im Rahmen des Beurteilungsspielraums die Entscheidung zusteht, ob eine Prüfungsaufgabe geeignet ist oder nicht, fehlerfrei beantwortet wurde oder nicht (vgl. Tausch in Schuck, BJagdG, 2. Aufl. 2015, § 15 Rn. 72). Auf den ohnehin erst im Klageverfahren nachgeschobenen Einwand, die Antwort des Klägers auf die Frage, was er mit dem Wildbret mache, sei gar nicht falsch gewesen, kommt es insoweit gar nicht an, da sich diese Wertung der gerichtlichen Überprüfungskompetenz entzieht.
39
Sofern der Kläger weiter vortragen lässt, für eine Bewertung als „ungenügend“ reiche es nicht aus, dass er nur eine Frage falsch beantwortet habe, weil solche sog. „K.O.“-Fragen von der Prüfungsordnung nicht vorgesehen seien, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen.
40
Den Prüfern ist es unbenommen, eine gewichtige Sicherheitsfrage besonders und ausschlaggebend zu gewichten, weil diesbezüglich die Folgen von Verstößen ganz gravierend sein können, sodass der Prüfer bei mündlichen Prüfungen eine ausschlaggebend negative Bewertung bereits dann geben kann, wenn auch nur eine Frage unzutreffend beantwortet ist, sofern er darlegt, dass Gründe dafürsprechen, dass diese Frage besonders gewichtig und geeignet ist, etwaig vorhandene brauchbare Ansätze zu entwerten, sodass es sich deshalb im Gesamtergebnis nach der Beurteilung des Prüfers nur um eine völlig unbrauchbare Leistung handelt (vgl. BayVGH, B.v. 14.7.1993 - 19 CE 93.1848 - beck; VG Augsburg, U.v. 27.1.2004 - Au 9 K 03.198 - juris Rn. 28, unter Verweis auf BayVGH, B.v.19.4.1999 - 7 ZB 99.440 und BayVGH, U.v. 10.7.1997 - 7 B 96.4211, bestätigt durch BVerwG, B.v. 2.6.1998 - 6 B 78.97). Eine analoge Anwendung der nach der Prüfungsordnung bestehenden Grenzen für das Bestehen des schriftlichen Teils (vgl. § 12 Abs. 2 JFPO) auf den mündlichen Teil der Jägerprüfung kommt nicht Betracht, da es insoweit schon an einer Regelungslücke fehlt, weil der Verordnungsgeber die Anwendung der Bewertungsmaßstäbe gerade nur für den schriftlichen Teil vorsieht, aber auch, weil sich die Fragen in mündlichen Prüfungen typischerweise nicht planen lassen und daher den Prüfern die Entscheidung zu überlassen ist, auf der Grundlage ihrer Einschätzungen und Erfahrungen zu dem Ergebnis zu kommen, dass die fehlerhafte Beantwortung einzelner Fragen in der mündlichen Prüfung ein derartiges Gewicht hat, dass auch vor dem Hintergrund richtiger Antworten des Prüflings die erforderlichen ausreichenden Kenntnisse im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BJagdG nicht vorhanden sind (vgl. zur jeweiligen landesrechtlichen Prüfungsordnung OVG NRW, B.v. 21.11.2011 - 14 A 1899/10 - juris Rn. 11ff.; VGH Mannheim, U.v. 7.1.1988 - 3 UE 2123/86 - juris Rn. 38).
41
Das Gericht hat daher die Einschätzung des Prüfers W.nicht zu beanstanden. In der mündlichen Verhandlung hat er als Zeuge für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass er Fragen zum Thema „Waffen“ und „Lebensmittelsicherheit“ einen höheren Stellenwert als anderen Fragen beimisst und diese daher entsprechend anders gewichtet. Die Gesundheit sei ein hohes Gut, das auch der Gesetzgeber durch hohe Anforderungen schütze. Der Kläger habe durch sein Vorgehen die Gesundheit aller gefährdet, die er am Essen beteilige. Er müsse sicher mit Lebensmitteln umgehen können, wenn er den Jagdschein erlange. Die Antwort des Klägers gehe absolut nicht. Zur Überzeugung des Gerichts hat der Zeuge W.damit hinreichend begründet, warum er der vom Kläger trotz Nachfrage weiter falsch beantworteten Frage einen besonderen Stellenwert zugewiesen hat. Diese Wertung ist gerichtlich nicht in Zweifel zu ziehen. Bereits der Gesetzgeber betont in § 15 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BJagdG, dass ein Prüfling in der Jägerprüfung ausreichende Kenntnisse über die Beurteilung der gesundheitlich unbedenklichen Beschaffenheit des Wildbrets, insbesondere auch hinsichtlich seiner Verwendung als Lebensmittel, nachweisen muss. Fragen zu diesem Themenkomplex haben daher schon von Gesetzes wegen einen herausgehobenen Stellenwert.
42
Auch die Tatsache, dass das AELF Landshut als Prüfungsbehörde vorgibt, dass bei Wissensmängeln in den Bereichen, die die Erfüllung eines Straftatbestands, die Gefährdung der Sicherheit von Personen, die Gefährdung der Gesundheit im Umgang mit Wildbret oder den Verlust der Zuverlässigkeit bedeuten können, die Prüfung nicht mehr bestanden werden dürfe, greift nach Auffassung des Gerichts nicht unzulässig in den Beurteilungsspielraum des Prüfers ein. Nach Auffassung des Gerichts ist weder gegen diese Vorgabe an sich noch gegen die Auswahl der genannten Kriterien, bei denen es sich durchweg um Sicherheitsbelange der Allgemeinheit von besonderem Gewicht handelt, etwas zu erinnern. Insbesondere die Aufnahme der Gefährdung der Gesundheit im Umgang mit Wildbret in den Kriterienkatalog der Prüfungsbehörde begegnet keinen Bedenken, nachdem - wie dargelegt - bereits die Regelung des § 15 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BJagdG das besondere Gewicht von ausreichenden Kenntnissen der Lebensmittelhygiene-Vorschriften dokumentiert.
43
Der Leiter der Prüfungsbehörde, Forstrat S.vom AELF Landshut, hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt, dass dieser Katalog an Bewertungskriterien von besonderem Gewicht auf einen langen Abstimmungsprozess zurückzuführen sei, bei dem Ausbilder, Prüfungsvorsitzende und die Prüfenden miteinbezogen worden seien und hinsichtlich dessen bei den Prüfern eine hohe Akzeptanz bestehe. Im Übrigen ist weder den Darlegungen des Leiters der Prüfungsbehörde noch der Aussage des Prüfers zu entnehmen, dass aus der Vorgabe der Prüfungsbehörde ein Automatismus folgt, dass bei erstmaliger Falschbeantwortung einer Frage von besonderem Gewicht die Prüfung direkt als „ungenügend“, mithin als nichtbestanden bewertet werden muss. Es ist nicht so, wie der Klägerbevollmächtigte wiederholt ausgeführt hat, dass es genügen würde, eine einzige sog. „K.O.“-Frage zu stellen, um über das Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung zu urteilen. Somit verbleibt dem jeweiligen Prüfer durch die individuelle Ausgestaltung der mündlichen Prüfung, beispielsweise durch Hilfestellungen und Nachfragen, auch weiterhin genügend Beurteilungsspielraum. Der Zeuge W.hat selbst ausgesagt, dass er dem Kläger durch Nachfragen zu einer richtigen Antwort und somit zum Bestehen der Prüfung verhelfen wollte, weil er die übrigen Ausführungen des Klägers im Sachgebiet 3 bis zum streitgegenständlichen Themenkomplex trotz kleinerer Mängel als brauchbar einschätzte. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es nach den Vorgaben der Prüfungsbehörde auch möglich ist, dass zwar eine Sicherheitsfrage von besonderem Gewicht richtig beantwortet wird, im Übrigen jedoch so viele andere Fragen fehlerhaft beantwortet werden, dass der Prüfling trotzdem eine ungenügende Leistung erbringt und die Prüfung nicht besteht, wie der Zeuge W.bestätigt hat. Eine unzulässige Einschränkung des Bewertungsspielraums des Prüfers ist folglich nicht ersichtlich. Zudem werden auch die Belange der Prüflinge durch einen solchen Katalog an Bewertungskriterien mit besonderem Gewicht nicht beeinträchtigt. Es liegt vielmehr gerade in ihrem durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützten Interesse, eine Vereinheitlichung der Maßstäbe auch im Rahmen der grundsätzlich schlechter vergleichbaren, da individuell verlaufenden mündlichen Prüfungen zu gewährleisten.
44
Eine andere Bewertung ergibt sich ebenso wenig im Hinblick auf den Einwand des Klägerbevollmächtigten, wenn der Verordnungsgeber die Prüfungsmaßstäbe verschärfen wolle, sei er gehalten, dies durch Anpassung der Verordnung zu tun. Es ist nicht zu beanstanden, dass die genannten Bewertungskriterien mit besonderem Gewicht nicht Eingang in ein materielles Gesetz gefunden haben. Die allgemeinen Prüfungsanforderungen sind in § 15 Abs. 5 BJagdG durch formelles Gesetz festgeschrieben. Eine weitere gesetzliche Konkretisierung war nicht geboten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Jägerprüfung - wie bereits ausgeführt - nicht um eine Berufszulassungsschranke handelt. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG, der daher durch die Prüfung nicht tangiert wird, musste der Inhalt der Prüfung somit nicht noch konkreter durch Rechtsverordnung umschrieben werden. Aus Art. 2 Abs. 1 GG und sonstigen allgemeine Verfassungsgrundsätzen wie des Rechtsstaats-, des Demokratieprinzips, des Bestimmtheitsgrundsatzes oder der sog. Wesentlichkeitstheorie folgt ebenfalls kein solches Erfordernis. Wie der Leiter der Prüfungsbehörde in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, war der Katalog an Bewertungskriterien mit besonderem Gewicht auf dem Landesjägertag 2019 vorgestellt und am 10. April 2019 an alle Ausbildungsleiter und Ausbildungsträger versandt worden. Der Kläger, der eine Jagdschule besucht hat, konnte sich mithin zumutbar Kenntnis über diese Kriterien verschaffen. Im Übrigen hätte es sich dem Kläger auch ohne Weiteres von selbst erschließen müssen, dass Themengebieten und Fachbereichen, in denen durch den Jagdschein besondere Privilegien verliehen werden oder die Eignung besteht, Dritte zu gefährden, nicht nur in der Prüfung eine entsprechend gesteigerte Bedeutung zukommt.
45
Schließlich erweisen sich der Bescheid des AELF Landshut vom 27. November 2019 und der Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2020 auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil dem Kläger keine Nachprüfung gem. § 13 Abs. 3 Satz 2 JFPO ermöglicht wurde.
46
Nach § 13 Abs. 3 Satz 2 JFPO soll der Vorsitzende des Prüfungsausschusses in Zweifelsfällen dem Bewerber erneut Gelegenheit geben, seine Kenntnisse in den jeweiligen Sachgebieten vor dem Prüfungsausschuss unter Beweis zu stellen. Auf tatbestandlicher Ebene ist die Frage, ob ein Zweifelsfall vorliegt, vom Entscheidungsspielraum der Prüfer umfasst (vgl. VG Augsburg, U.v. 17.2.2016 - AU 4 K 15.429 - Rn. 55). Auf Rechtsfolgeseite wird die gerichtliche Überprüfbarkeit zudem durch § 114 Satz 1 VwGO beschränkt, sodass erst bei einer „Ermessensreduzierung auf Null“ ein Nachprüfungsanspruch zu bejahen wäre (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 7. 3. 1997 - 3 L 2939/95 - juris Rn. 15 zur Frage der Wiederholungsmöglichkeit).
47
Es liegt jedoch bereits tatbestandlich kein Zweifelsfall vor. Wie bereits ausgeführt, war sich der Zeuge W.in seiner Bewertung des Sachgebiets 3 mit „ungenügend“ aufgrund der schwerwiegenden Falschbeantwortung einer Frage durch den Kläger sicher. Auch der als Zeuge vernommene Vorsitzende des Prüfungsausschusses, Herr K* …, gab für das Gericht nachvollziehbar an, dass die Prüfungsleistung des Klägers eindeutig als „ungenügend“ zu bewerten gewesen sei. Aussagen, die die Gesundheit eines Menschen gefährden könnten, seien mit „ungenügend“ zu bewerten.
48
Der Kläger kann auch mit seinen beiden Hilfsanträgen nicht durchdringen.
49
Hinsichtlich des ersten Hilfsantrags - dem Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung lediglich im Sachgebiet 3 - fehlt es bereits an der Zulässigkeit des Antrags. Der Kläger hat insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis. § 15 Satz 3 JFPO sieht vor, dass die jeweiligen Prüfungsteile im gesamten Umfang zu wiederholen sind. Eine Wiederholung nur von Teilgebieten eines Prüfungsabschnitts scheidet somit aus, denn die Prüfungskommission muss das Recht haben, die gesamten Leistungen des Klägers in der mündlichen Prüfung zu sehen und mit zu bewerten (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 7. 3. 1997 - 3 L 2939/95 - juris Rn. 16).
50
Bezüglich des zweiten Hilfsantrags - dem Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung insgesamt - besteht trotz der Möglichkeit, die Jägerprüfung an sich beliebig oft zu wiederholen, hingegen das für die Zulässigkeit dieses Antrags erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Aus § 15 Satz 1 JFPO ergibt sich, dass der Kläger zulässigerweise begehren darf, auch lediglich den mündlichen Prüfungsabschnitt unter Aufrechterhaltung der übrigen bereits bestandenen Abschnitte zu wiederholen (vgl. zur dortigen Prüfungsordnung VG Hamburg, U.v. 19.7.2001 - 14 VG 5199/99 - juris Rn. 15).
51
Im Übrigen sind beide Hilfsanträge unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederholung (eines Teils) der mündlichen Jägerprüfung ohne Anrechnung auf die nach dem Gesetz ohnehin offenstehenden Wiederholungsmöglichkeiten. Hinsichtlich der vom Kläger auch insoweit geltend gemachten Fehler im mündlichen Teil der Jägerprüfung kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Dementsprechend besteht kein Anspruch auf Zulassung einer außerordentlichen Wiederholungsmöglichkeit.
52
Nach alledem war die Klage abzuweisen, ohne dass es auf das sonstige, etwa unerörterte Vorbringen des Klägers ankam.
53
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.