Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 09.06.2021 – M 5 K 19.51345
Titel:

Versäumung der Klagefrist in einem Dublin-Verfahren

Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 2 S. 1, § 74 Abs. 1
VwGO § 81 Abs. 1
Leitsatz:
Maßgeblich für die Einhaltung der Klagefrist ist der rechtzeitige Eingang bei Gericht (vgl. allgemein § 81 Abs. 1 VwGO). Wann das den Rechtsbehelf auslösende Schriftstück abgesandt wurde, ist unbeachtlich. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dublin-Verfahren, Klagefrist, Unzulässigkeit der Klage
Fundstelle:
BeckRS 2021, 19919

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unzulässig abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Mit Bescheid vom … Dezember 2019 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asyl- und Schutzantrag des Klägers als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung in die Niederlande an (Nr. 3). Die Nr. 4 des Bescheids enthält die Befristungsentscheidung hinsichtlich des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen. Der Bescheid wurde dem Kläger am 16. Dezember 2019 übergeben.
2
Am 27. Dezember 2019 hat der Ausländer Klage erhoben und beantragt,
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … Dezember 2019 wird aufgehoben.
3
Weiter hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, mich als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise, subsidiären Schutz gemäß § 4 des Asylgesetzes (AsylG) zu gewähren, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorliegen.
4
Die Beklagte hat im Klageverfahren keinen Antrag gestellt.
5
Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss vom 13. Januar 2020 abgelehnt (M 5 S 19.51346), ebenso ein Antrag nach § 80 Abs. 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) mit Beschluss vom 11. Februar 2020 (M 5 S7 20.50079).
6
Die Beklagte teilte am 19. Januar 2021 mit, dass der streitgegenständliche Bescheid wegen Ablaufs der Überstellungsfrist aufgehoben werde.
7
Der Kläger wurde am 26. Januar 2021 aufgefordert, bis zum 26. Februar 2021 eine prozessbeendende Erklärung (Rücknahme- oder Erledigungserklärung) abzugeben. Der Kläger gab keine Erklärung ab.
8
Die Beteiligten wurden zu der Absicht des Gerichts gehört, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
9
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

10
Über die Verwaltungsstreitsache kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden. Denn die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt ist geklärt (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Die Klage ist offensichtlich unzulässig.
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a) Die Klage ist bereits verfristet. Die einwöchige Klagefrist (§§ 74 Abs. 1 Halbsatz 2, 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG) wurde nicht eingehalten.
13
Die Klage ging erst am 27. Dezember 2019 beim Verwaltungsgericht ein.
14
Der Bescheid des Bundesamtes vom … Dezember 2019 wurde dem Antragsteller am … Dezember 2019 ausgehändigt. Die einwöchige Frist zur Erhebung einer Klage (wie auch zur Stellung eines Eilantrags) endete daher am … Dezember 2019, 24:00 Uhr. Der … Dezember (Heiliger Abend) ist im Freistaat Bayern kein allgemeiner gesetzlicher Feiertag (Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Schutz der Sonn- und Feiertage/Feiertagsgesetz - FTG). Daher bedingt das Fristende am … Dezember 2019 nicht eine Verschiebung des Fristablaufs auf den nächsten Werktag.
15
Maßgeblich für die Einhaltung der Klagefrist ist der rechtzeitige Eingang bei Gericht (vgl. allgemein § 81 Abs. 1 VwGO). Wann das den Rechtsbehelf auslösende Schriftstück abgesandt wurde, ist unbeachtlich. Ausweislich des Eingangsstempels der Schriftstücke sind Klage wie Eilantrag erst am … Dezember 2019 und damit nach Ablauf der in §§ 74 Abs. 1 Halbsatz 2, 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG festgelegten Klagefrist von einer Woche bei Gericht eingegangen.
16
Gründe für eine unverschuldete Fristversäumnis (§ 60 VwGO) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Ergänzend wird auf den Beschluss vom 13. Januar 2020 (M 5 S 19.51346) verwiesen.
17
b) Der Klage fehlt auch das Rechtsschutzbedürfnis.
18
Durch die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom … Dezember 2019 durch die Behörde ist das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ist für das erstrebte Rechtsschutzziel nicht erforderlich. Auf eine ausdrückliche Aufforderung, eine verfahrensbeendende Erklärung abzugeben, hat die Klagepartei nicht reagiert.
19
c) Die Unzulässigkeit der Klage liegt auf der Hand. Es sind keine Gesichtspunkte denkbar, die gegen ein Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses nach Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids durch die beklagte Behörde während des laufenden Klageverfahrens sprechen könnten. Das gilt auch für den Umstand, dass die Klage erst nach Ablauf der einwöchigen Frist für Klage und Eilantrag - über die der Kläger ordnungsgemäß belehrt wurde - erhoben wurde. Daher ist die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
20
2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.