Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 11.01.2021 – Au 9 K 18.30936
Titel:

Erfolglose Klage in einem Asylverfahren

Normenketten:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsätze:
1. Bei den andauernden Konflikten im Osten bzw. Nordosten der Demokratischen Republik Kongo handelt es sich u.a. um komplexe soziale Auseinandersetzungen um regionale bzw. lokale Vorherrschaft, Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen, befeuert von inter-ethnischen Spannungen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein wegen der Corona-Pandemie erlassener „Lock down“ in der DR Kongo, der die Unterbringungs- und Beschäftigungssituation nachhaltig verschlechtert hat, begründet kein Abschiebungsverbot. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einem Gutachten zum Vorliegen einer psychischen Erkrankung ist nur dann zu folgen, wenn es schlüssig, nachvollziehbar und transparent hergeleitet ist und auf einer zutreffenden Grundlage beruht. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
DR Kongo, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (verneint), unglaubwürdiges Vorbringen, subsidiärer Schutz (verneint), Abschiebungsverbote (verneint), Anforderungen an ärztliche Atteste, PTBS
Fundstelle:
BeckRS 2021, 1789

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung subsidiären Schutzes bzw. hilfsweise die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten in die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) bzw. einen anderen aufnahmebereiten Staat.
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Der am * 1999 in * (DR Kongo) geborene Kläger ist kongolesischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit der Kwaka und christlichem Glauben.
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Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 23. Dezember 2013 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 19. Februar 2014 Asylerstantrag stellte. Eine Beschränkung des Asylantrags gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) erfolgte im Verfahren nicht.
4
Die persönliche Anhörung des Klägers beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 7. Juni 2017. Der Kläger trug hierbei u.a. vor, dass er bis zum Alter von etwa zehn Jahren im Dorf, ca. zwei Autostunden von * entfernt, gelebt habe. Bis zu seiner Ausreise im Jahr 2013 habe er sich an verschiedenen, ihm unbekannten Orten aufgehalten. Im Jahr 2010 habe ihn seine Mutter mitgenommen nach, damit er ihr beim Fischverkauf helfe. Danach seien sie gemeinsam mit dem Freund der Mutter nach * gegangen. Die Mutter des Klägers habe im Nachbardorf Diamanten gesucht, er selbst sei für die Dauer von etwa einem Monat bei der Mutter ihres Freundes geblieben. Terroristen hätten das Dorf überfallen und Kinder gefangen genommen. Er habe seiner Mutter bei der Rückkehr gesagt, es gebe Probleme und sie müssten die Region verlassen. Seine Mutter habe ihm entgegnet, das Geld reiche noch nicht für eine Rückkehr. Seine Mutter sei dann noch eine weitere Woche auf Diamantensuche gegangen, in der Zeit habe sie mit ihm zusammen bei ihrem Freund in * gewohnt. Zwei Tage nach dem Umzug sei das Dorf von Terroristen überfallen worden. Fünf oder sechs Terroristen hätten vor ihrer Haustür gestanden und den Kläger entführen wollen. Die Mutter habe ihn verstecken wollen. Da hätten die Männer seine Mutter zunächst vergewaltigt und als sie sich zur Wehr gesetzt habe, erschossen. Ebenso sei der Freund getötet worden, bei dem sie gewohnt hätten. Er selbst sei gefesselt und mitgenommen, in einen Wald verbracht worden, wo er schreckliche Dinge gesehen habe. Es habe dort viele bewaffnete Männer gegeben. Der Kläger habe fortan Munition transportieren müssen. Fast täglich seien Menschen getötet oder angegriffen worden, er sei stets dabei gewesen. Außerdem habe er auf den Feldern und Dörfern Lebensmittel und auch Wertsachen stehlen müssen. Eines Tages seien sie im Wald von uniformierten Männern angegriffen worden und alle Männer seien in verschiedene Richtungen geflohen. Der Kläger sei selbst durch einen Wald bis zu einer Straße gelaufen, wo ein Auto angehalten habe. Darin hätten eine weiße Frau, zwei weiße und zwei schwarze Männer gesessen. Der Kläger habe sich bei der Flucht durch den Wald Verletzungen zugezogen und sei von einer weißen Frau namens * in ein Krankenhaus verbracht worden. Sie habe ihn dann für zwei Monate bei sich aufgenommen und er habe erzählt, was passiert sei. Eines Tages sei * nach Hause gekommen und habe gesagt, dass man sie töten wolle und sie das Land verlassen müsse. Sie habe dann die gemeinsame Ausreise organisiert. Sie seien zwei Tage im Auto unterwegs gewesen, hätten in einem kleinen Hotel übernachtet und sie habe ihm Kleidung gekauft. Nachts hätten sie in einem Flugzeug das Land verlassen.
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Ergänzend zu seiner Anhörung legte der Kläger ein fachärztliches Attest der Praxis Dr. * (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie),, vom 21. Juli 2017 vor, auf welches verwiesen wird.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 8. Mai 2018 (Gz.: *) wurden die Anträge des Klägers auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt (Nrn. 1 und 2 des Bescheids). Nr. 3 des Bescheids bestimmt, dass dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegen nicht vor (Nr. 4). In Nr. 5 wird der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde dem Kläger die Abschiebung in die DR Kongo bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Nr. 6 setzt das gesetzliches Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung fest.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt aus, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen. Der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG. Der Kläger begründe seine Verfolgungsfurcht mit der Zwangsrekrutierung zum Kindersoldaten durch eine bewaffnete Rebellengruppe. Der Kläger habe angegeben, bis 2010 die Schule * in * besucht zu haben. Dies liege im Nordwesten des Landes in der Provinz, also nicht in einem Rebellengebiet, welches sich im Osten der DR Kongo befinde. Dass die Mutter des Klägers mit ihm von * nach * gefahren sei, um Fisch zu verkaufen, sei abwegig. Lediglich im Osten der DR Kongo gebe es eine Provinz *. Der Sachvortrag des Klägers sei detailarm und lückenhaft, in einigen Punkten unlogisch und nicht nachvollziehbar. Er sei insgesamt als unglaubhaft zu beurteilen. Aus dem Sachvortrag des Klägers sei keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung ersichtlich. Selbst bei Wahrunterstellung sei von einer positiven Rückkehrprognose auszugehen. Der Kläger sei mittlerweile erwachsen, eine Verfolgung durch Rebellen sei auszuschließen. In der DR Kongo gebe es keine Einwohnermeldepflicht, das Land habe geschätzt 81.331.050 Einwohner. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Insbesondere scheide eine Schutzfeststellung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG aus. Es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in das Herkunftsland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine individuelle Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohe. Zwar seien die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Osten des Landes insbesondere in den Provinzen Nord-Kivo, Süd-Kivo und Tanganyika ein unbewältigtes politisches Problem. Der Kläger stamme bereits nicht aus dieser Region. In der Herkunftsregion des Klägers im Nordwesten des Landes gebe es keine innerstaatlichen bewaffneten Konflikte. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Eine Abschiebung sei gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebe. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in der DR Kongo führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nicht beachtlich. Der Kläger sei jung, arbeitsfähig, gesund und habe keine eigenen Unterhaltsverpflichtungen. Dass er im Heimatland keinerlei Familienangehörige mehr habe, könne ihm nicht geglaubt werden. Auch die Verletzung anderer Menschenrechte oder Grundfreiheiten der EMRK kommen nicht in Betracht. Es drohe dem Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen. Zwar sei dem Kläger im Attest vom 21. Juli 2017 eine posttraumatische Belastungsstörung bescheinigt worden. Als Ursache sei auf eine „frühe Störung des Patienten durch Einsatz als Kindersoldat in seinem Heimatland“ verwiesen worden. Das Attest erfülle nicht die vom Bundesverwaltungsgericht gestellten Anforderungen. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist folge aus § 38 Abs. 1 AsylG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Der Kläger verfüge im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessungsprüfung zu berücksichtigen gewesen seien. Die Familie des sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltenden Onkels zähle nicht zur Kernfamilie.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Bundesamts vom 8. Mai 2018 wird ergänzend verwiesen.
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Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 16. Mai 2018 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
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Die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 8. Mai 2018, zugestellt am 14. Mai 2018, Az.:, zu verpflichten, festzustellen, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 3 AsylG vorliegen. Hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass in der Person des Klägers Abschiebungshindernisse gemäß § 4 AsylG vorliegen. Weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass in der Person des Klägers Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG vorliegen. Weiter hilfsweise, die Beklagte unter teilweise Aufhebung des Bescheids vom 8. Mai 2018 zu verpflichten, eine angemessene kürzere Befristung der Wirkungen der Abschiebung vorzunehmen.
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Zur Begründung der Klage ist mit Schriftsatz vom 5. September 2018 ausgeführt, dass der Kläger zumindest Anspruch auf subsidiären Abschiebungsschutz habe. Der Kläger habe detailliert und widerspruchsfrei seine Vorverfolgung geschildert. Die Ausführungen der Beklagten seien nicht geeignet, den Anspruch des Klägers in Frage zu stellen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei es sehr wohl möglich, dass die Mutter des Klägers in * Fische verkauft habe, auch wenn sie in einer anderen Region des Landes gewohnt habe. Es sei ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die Erwerbsmöglichkeiten in der Hauptstadt * am besten seien, zudem sei diese Reise in regelmäßigen Abständen unternommen worden. Auch gebe es in der DR Kongo einen Ort *. Der Kläger habe nie vorgetragen, dass dieser Ort in der Nähe von * gelegen sei. Es bestehe auch kein Widerspruch im Hinblick auf die zeitweilige Betreuung des Klägers durch eine Frau, die für das Rote Kreuz tätig gewesen sei. Der Kläger habe glaubhafte Umstände des „Zusammentreffens“ geschildert. Der Kläger habe nie vorgetragen, dass es sich um eine Frau des Deutschen Roten Kreuzes gehandelt habe. Das Rote Kreuz sei in der DR Kongo präsent.
12
Auf den weiteren Vortrag im Klagebegründungsschriftsatz vom 5. September 2018 wird ergänzend verwiesen.
13
Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.
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Mit Gerichtsbeschluss vom 14. Juli 2020 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Mit weiterem Gerichtsbeschluss vom 27. Juli 2020 wurde der vom Kläger gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
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Am 11. Januar 2021 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Über den Rechtsstreit konnte trotz Ausbleibens der Beklagten aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2021 entschieden werden. In der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung form- und fristgerecht geladen worden.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG), auf Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) bzw. auf Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der DR Kongo bzw. eines anderen aufnahmebereiten Staats. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 8. Mai 2018 (Gz.: *) ist auch hinsichtlich der erfolgten Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig, so dass die Klage auch insoweit ohne Erfolg bleibt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Der Bescheid des Bundesamtes vom 8. Mai 2018 ist, soweit er mit der Klage angegriffen ist, daher rechtmäßig. Es wird zunächst in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) Bezug genommen. Darüber hinaus wird das Folgende ausgeführt:
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1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG.
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Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 - Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
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Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag auf Grund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
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Wer bereits Verfolgung erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei der Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus (vgl. BVerfG, B.v. 12.2.2008 - 2 BvR 2141/06 - juris Rn. 20; VG Köln, U.v. 26.2.2014 - 23 K 5187/11.A - juris Rn. 26).
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Gemessen an diesen Maßstäben konnte der Kläger eine individuelle Verfolgung nicht glaubhaft machen. Das Gericht schenkt dem Kläger bereits in wesentlichen Punkten seines Vortrags keinen Glauben. Das Vorbringen des Klägers wirkt insgesamt konstruiert, inhaltsleer, detailarm und ohne inhaltliche Substanz. So erschließt sich für das Gericht bereits nicht, warum sich der Kläger, der nach seinen eigenen Angaben zusammen mit seiner Mutter bis zum Alter von etwa 10 Jahren in seinem Geburtsort * im Norden der DR Kongo aufgehalten hat, zusammen mit seiner Mutter zum Verkauf von Waren (Fische) nach * begeben hat. Die Distanz zwischen * und * beträgt immerhin etwa 3.400 km und die Reise dorthin dauert etwa 53 Stunden. Weiter ist völlig unschlüssig, warum sich die Mutter des Klägers mit diesem von * in das etwa 1.700 km entfernt im Osten der DR Kongo gelegene * begeben haben soll. Auch die behauptete Busreise von * nach * ist fernliegend. Für das Gericht macht das Vorbringen des Klägers den Eindruck, dass versucht werden soll, einen Aufenthalt des Klägers in dem von Rebellen beherrschten Gebiet im Osten der DR Kongo zu begründen. Schlüssig ist dieses Vorbringen jedoch nicht. Überdies fällt auf, dass der Kläger keinerlei Zeitangaben zu seinem Aufenthalt in * machen kann. Der Kläger ist nicht einmal in der Lage, zu sagen, wann er die DR Kongo verlassen hat. So erscheint letztlich auch der vom Kläger geschilderte Aufenthalt in einem „Wald“ in der Nähe von * und seine Funktion als Kindersoldat in sämtlichen Punkten unglaubwürdig. Das Gericht ist nach der persönlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2021 der Auffassung, dass der Kläger nicht von selbst Erlebtem berichtet, sondern sein Vorbringen frei erfunden ist. Völlig unglaubwürdig ist auch die vom Kläger geschilderte Flucht aus dem „Wald“, wo er für eine von ihm leider nicht zu benennende Zeit festgehalten worden ist. Der vom Kläger geschilderten Flucht mittels Hilfe einer Frau „*“ schenkt das Gericht ebenfalls keinen Glauben. Auch insoweit wirkt das Vorbringen des Klägers konstruiert und realitätsfern. Auffällig ist insoweit auch, dass der Kläger vorträgt, dass die von ihm als „*“ benannte Frau lediglich den Kläger aus dem Wald befreit und mitgenommen haben will. Das Vorbringen des Klägers erinnert in diesen Punkten an viele andere kongolesische Asylfälle, in denen jeweils mit Hilfe eines unbekannten Dritten die Flucht aus dem Land schließlich bewerkstelligt worden ist. Das Gericht ist der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass dieses Vorbringen des Klägers nicht den Tatsachen entspricht und frei erfunden ist.
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Das Vorbringen des Klägers ist daher nicht geeignet, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der §§ 3 ff. AsylG zu begründen.
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Darüber hinaus kommt nach Auffassung des Gerichts für den Kläger jedenfalls auch eine innerstaatliche Fluchtalternative i.S.d. § 3e AsylG in Betracht.
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Gemäß § 3e AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
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Dass der Kläger bei einer Rückkehr nach DR Kongo landesweit verfolgt wird, widerspricht jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit. Dies auch bereits aufgrund der Tatsache, dass der Kläger sein Heimatland bereits im Jahr 2013, d.h. vor mittlerweile mehr als sieben Jahren, dauerhaft verlassen hat.
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Dem Kläger ist es ausgehend vom Schutzzweck des Asylgesetzes möglich und zumutbar, sich in einem anderen Teil der DR Kongo aufzuhalten. Dass der Kläger aufgrund dieser Tatsache bei einer erneuten Einreise in die DR Kongo erneut politischer Verfolgung ausgesetzt wäre, widerspricht jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit. Dies insbesondere bereits aufgrund der weitgehenden Unglaubwürdigkeit des klägerischen Sachvortrags. Dem Kläger dürfte es daher bereits zumutbar sein, sich in der Großstadt Kinshasa niederzulassen. Ebenfalls ist es für den Kläger möglich, seinen Aufenthalt in weiteren größeren Städten im westlichen Teil der DR Kongo zu nehmen bzw. in seinen Geburtsort * zurückzukehren.
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Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative ist für den Kläger auch zumutbar. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung seiner zwischenzeitlichen Volljährigkeit, fehlender Unterhaltsverpflichtungen und ersten beruflichen Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland.
33
Nach allem war der Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf der Grundlage der §§ 3 ff. AsylG abzulehnen. Dem Kläger steht kein diesbezüglicher Anspruch zur Seite.
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2. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung von subsidiärem Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG.
35
Solcher ist einem Ausländer zuzuerkennen, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG durch einen Akteur im Sinne des § 3c i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 AsylG die Verhängung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die §§ 3c bis 3e AsylG gelten entsprechend (§ 4 Abs. 3 AsylG).
36
Der Kläger hat, wie oben dargelegt, keine Verfolgung hinreichend glaubhaft dargelegt. Auch ergeben sich im Hinblick auf die humanitäre Situation in der DR Kongo keine Hinweise darauf, dass ihm ein ernsthafter Schaden droht. Dies gilt zumindest in Bezug auf die Großstadt Kinshasa bzw. den westlichen Teil der DR Kongo.
37
Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
38
Unabhängig davon, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, liegt jedenfalls keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen Konflikts vor. Lediglich im Osten der Demokratischen Republik Kongo, insbesondere auch in den Provinzen Nord-Kivu und Süd-Kivu kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen (vgl. Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo des Auswärtigen Amts vom 17. Februar 2020, Stand: November 2019, S. 5). Bei den andauernden Konflikten im Osten bzw. Nordosten der Demokratischen Republik Kongo handelt es sich u.a. um komplexe soziale Auseinandersetzungen um regionale bzw. lokale Vorherrschaft, Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen, befeuert von inter-ethnischen Spannungen. Angesichts der Gesamteinwohnerzahl der Provinz Nord-Kivu mit etwa 6,6 Mio. Einwohner und Süd-Kivu von etwa 5,7 Mio. Einwohner hat der dem Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt aber kein so hohes Niveau, dass davon ausgegangen werden kann, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Im Übrigen handelt es sich nicht um einen landesweiten Konflikt. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst aus * im Norden der DR Kongo stammt. Bei der nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderlichen Gefahrenprognose im Falle eines - wie hier - regional begrenzten, nicht landesweiten Konflikts ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen (st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9.08 - juris Rn. 17). Dies zugrunde gelegt scheidet für den Kläger die Gewährung subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aus. Über dies ist im Rahmen der Gewährung subsidiären Schutzes ebenfalls zu berücksichtigen, dass gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend gelten. Insoweit muss sich der Kläger auch diesbezüglich auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Westen der DR Kongo verweisen lassen.
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3. Der Abschiebung des Klägers steht auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG entgegen.
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Ein solches liegt zu Gunsten des Klägers nicht vor. Eine Abschiebung ist gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt. Gemäß § 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 60 AufenthG Rn. 35 f.). Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder der ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. Dabei sind lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen.
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Diese Voraussetzungen liegen mangels glaubwürdiger Vorverfolgung des Klägers nicht vor.
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Eine unmenschliche Behandlung droht dem Kläger auch nicht aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen in der DR Kongo. Unzureichende wirtschaftliche Verhältnisse im Herkunftsland können nur in Ausnahmefällen, in denen die schlechten humanitären Verhältnisse eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Asylbewerbers darstellen, ein Abschiebungsverbot in diesem Sinn begründen. In ganz außergewöhnlichen Fällen können auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen eine Abschiebung „zwingend“ sind. Dies gilt in den Fällen, in denen die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut oder die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen, zurückzuführen sind. Wenn jedoch die Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führen, so ist zu berücksichtigen, ob es dem Betroffenen gelingt, die elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen (EGMR, U.v. 28.6.2011 - 8319/07 - NVwZ 2012, 681 ff.; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). Unter Berücksichtigung sämtlicher Gegebenheiten des Einzelfalles ist hierbei ein sehr hohes Niveau der Gefährdung zu verlangen (BayVGH, U.v. 21.10.2014 - 13a B 14.30285 - juris).
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Dies zugrunde gelegt ist hier davon auszugehen, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt durchaus durch eigene Arbeit bei einer Rückkehr in die DR Kongo sichern kann. Dies gilt insbesondere aufgrund des jungen Alters des kinderlosen, unverheirateten Klägers (21), dessen jedenfalls eingeschränktem Schulbesuch in der DR Kongo für die Dauer von etwa drei bis vier Jahren und fehlender Unterhaltsverpflichtungen. Dem Kläger ist es aufgrund seines Alters durchaus zumutbar, sich bei einer Rückkehr in die DR Kongo um entsprechende Arbeit und Unterkunft zu bemühen. Diesbezüglich kann überdies für den Kläger auch mit einer Unterstützung durch seine in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Verwandten gerechnet werden.
44
Dass es aufgrund der Corona-Pandemie zu einem zwischenzeitlichen „Lock down“ in der DR Kongo gekommen ist, der die Unterbringungs- und Beschäftigungssituation nachhaltig verschlechtert hat, begründet kein Abschiebungsverbot zugunsten des Klägers. Eine singuläre Situation bei einer Rückkehr, die von der überwiegenden kongolesischen Bevölkerung signifikant abweicht, ist für den Kläger nicht festzustellen.
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Der Abschiebung des Klägers steht schließlich auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG entgegen.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
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Der Kläger macht vorliegend ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geltend. Dieses liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn eine individuelle Erkrankung feststeht und der Betreffende in seinem Heimatland eine der Krankheit entsprechende Behandlung nicht erhalten kann, weil es diese dort nicht gibt, oder er sich bei Vorhandensein ausreichender medizinischer Versorgungsmöglichkeiten aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse seine Behandlung nicht finanzieren kann. Bei Behaupten einer psychischen Erkrankung, wie im vorliegenden Fall, die ihre Ursachen in Ereignissen oder Verhältnissen im Heimatland des Betreffenden haben soll, ist darüber hinaus zu prüfen, ob ihm eine Rückkehr in seine Heimat zuzumuten ist.
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Eine solche Gefahr kann sich auch aus einem Abschiebezielstaat zu erwartenden Verschlimmerung der Krankheit ergeben. Dabei setzt die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr voraus, dass sich der Gesundheitszustand des Betroffenen alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung infolge unzureichender Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, weil dort eine adäquate Behandlung wegen des geringen Versorgungsstandards nicht möglich ist oder der Betroffene insbesondere mangels finanzieller Mittel eine Behandlung nicht erlangen kann (vgl. BVerwG, U.v. 9.9.1997 - 9 C 48/96 - InfAuslR 1998, 125; U.v. 29.10.2002 - 1 C 1/02 - DVBl. 2003, 463).
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Nach diesen Grundsätzen liegt eine derartige extreme allgemeine Gefahrenlage aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bzw. einer depressiven Episode beim Kläger im Falle einer Rückkehr in die DR Kongo zur Überzeugung des Gerichts nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit vor. Die vom Kläger im behördlichen und gerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Atteste genügen dabei bereits nicht den in der Rechtsprechung verlangten Anforderungen an die Qualität eines Gutachtens zum Vorliegen einer psychischen Erkrankung.
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Zwar lassen sich die Anforderungen an die Qualität eines Gutachtens zum Vorliegen einer psychischen Erkrankung nicht abstrakt bestimmen. In erster Linie ist es dem Sachverständigen selbst überlassen, in welcher Art und Weise seine Stellungnahme abfasst und unterbreitet. Dabei ist auch zu bedenken, dass das Gericht bei den in diesem Zusammenhang entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen keine eigene, nicht durch entsprechende medizinischen Sachverstand vermittelte Sachkunde besitzt (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.2011 - 10 B 13/11 - juris Rn. 4). Dem Ergebnis eines Fachgutachtens ist jedoch nur dann zu folgen, wenn es schlüssig, nachvollziehbar und transparent hergeleitet ist und auf einer zutreffenden Grundlage beruht.
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Dies zugrunde gelegt ergibt sich aus den im behördlichen und gerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Attesten, insbesondere dem ärztlichen Attest vom 21. Oktober 2020 nicht, durch welche Ermittlungen bzw. zur Anwendung gebrachte diagnostische Verfahren der Facharzt Dr.,, zu seiner Einschätzung gelangt ist, dass der Kläger an einer depressiven Störung (ICD-10 F32.2), einer posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) sowie an einer Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung (ICD-10 F62.0) gelangt ist. Im ärztlichen Attest ist lediglich ausgeführt, dass die diagnostizierten Erkrankungen anamnestisch eruierbar gewesen seien. Auf welcher Grundlage dies erfolgt ist, erschließt sich den im Verfahren vorgelegten ärztlichen Attesten hingegen nicht.
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Hinzukommt, dass den vorgelegten ärztlichen Attesten zu entnehmen ist, dass die gestellte Diagnose an eine angenommene schwere Traumatisierung des Klägers durch Erleben der Ermordung von Mutter und Stiefvater sowie der Erfahrungen als Kindersoldat anknüpft. Dieses belastende Ereignis, dessen Nachweis bei der fachärztlichen Begutachtung weder zu erbringen, noch zu erbringen ist, muss vom Schutzsuchenden gegenüber dem Tatrichter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2017 - 9 ZB 13.30236 - juris Rn. 10; B.v. 17.10.2012 - 9 ZB 10.30390 - juris Rn. 8; B.v. 4.11.2016 - 9 ZB 16.30468 - juris Rn. 18). Dies ist dem Kläger hier nicht gelungen. Die Ereignisse, aus denen sich eine Traumatisierung des Klägers ergeben soll, werden diesem nicht geglaubt (siehe oben unter 1.).
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Schließlich fehlen den vorgelegten ärztlichen Attesten auch Aussagen zur Behandlungshäufigkeit des Klägers, der angewandten Diagnostik und auch eine Aussage zu der Frage, inwieweit sich ein Abbruch der begonnenen Behandlung auf den Kläger auswirken könnte. Aufgrund dieser Defizite der im Verfahren vorgelegten Atteste, kann hier letztlich auch offenbleiben, ob für eine depressive Episode dieselben Anforderungen an ein ärztliches Attest gestellt werden müssen, wie im Falle einer geltend gemachten PTBS .Fehlt es aber nach alledem an einem aussagekräftigen ärztlichen Attest, dass den Anforderungen der Rechtsprechung an solche genügt, besteht für das Gericht keine Veranlassung, den Sachverhalt von Amts wegen weiter zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen. Beweisanträge wurden überdies im Verfahren nicht gestellt. Der Kläger ist vielmehr den zu stellenden Anforderungen an die Substantiierung seines Vortrags nicht nachgekommen. Der Kläger hat an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken; dies gilt in besonderem Maße für Umstände, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8.07 - juris Rn. 15).
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Aus den dargestellten Gründen ist das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen und dem Kläger eine Rückkehr in die DR Kongo zumutbar.
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4. Die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtmäßig, da die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylG. Sofern die Abschiebungsandrohung derzeit aus sonstigen Gründen (Corona-Pandemie) nicht vollziehbar sein sollte, berührt dies die Rechtsmäßigkeit der Abschiebungsandrohung als solcher nicht. Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG gilt in Fällen, in denen die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, die Ausreisefrist lediglich unterbrochen wird und nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen beginnt. Die Rechtmäßigkeit im Übrigen wird hierdurch nicht berührt.
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Hinweise auf eine Fehlerhaftigkeit der Befristung der Einreise- und Aufenthaltsverbote nach § 11 AufenthG bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt ebenfalls nicht. Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und im Rahmen der gerichtlich gemäß § 114 Satz 2 VwGO beschränkten Prüfung ordnungsgemäß ausgeübt. Die erforderliche Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer kann in unionsrechtskonformer Auslegung des Aufenthaltsgesetzes auch in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG 2011 (§ 11 Abs. 2 AufenthG n.F.) gesehen werden (BVerwG, U.v. 21.8.2018 - 1 C 21.17 - juris).
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5. Die Klage war mithin mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
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6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.