Titel:
Kein finanzieller Ausgleichsanspruch für über die regelmäßige Dienstzeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden in Abgrenzung zu angeordneter oder genehmigter Mehrarbeit eines Beamten im Justizvollzug
Normenketten:
BayBG Art. 87
BeamtStG § 45
BGB § 242, § 249
BayBesG Art. 61 Abs. 1
Leitsätze:
1. Vom Kläger geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden – selbst wenn sich diese aus dem Dienstplan (VG Bayreuth BeckRS 2016, 54188) in Kenntnis des Dienstherrn (VG Augsburg BeckRS 2019, 3986) ergeben – stellen keine angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit iSd Art. 87 BayBG dar, da sie über einen längeren Zeitraum ohne konkrete zeitliche Begrenzung und ohne einzelfallbezogene Entscheidung des Dienstherrn geleistet wurden. Eine nachträgliche Genehmigung eine über einen längeren Zeitraum (2017 bis 2018) geleisteten Zuvielarbeit ist nicht möglich (VGH München BeckRS 2019, 13659). (Rn. 46 – 52 und 51) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die analoge Anwendung von Art. 87 Abs. 2 S. 2, S. 3 BayBG auf längere, rechtswidrige Dienstverpflichtungen des Dienstherrn über die reguläre Arbeitszeit hinaus ist unzulässig (DÖV 2023, 1035), da eine vergleichbare Interessenlage fehlt. Die Regelung des Art. 87 Abs. 2 BayBG bezieht sich spezifisch auf kurzfristige und in Ausnahmefällen angeordnete Mehrarbeit. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch aus Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB iVm Art. 87 BayBG setzt voraus, dass eine (geduldete) Zuvielarbeit unabhängig von ihrer Rechtswidrigkeit schriftlich gerügt wird (BVerwG BeckRS 2019, 8546). Erst ab der auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgende rechtswidrige Zuvielarbeit wäre auszugleichen (BVerwG BeckRS 2019, 8546). (Rn. 54 – 66 und 58) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Kläger hat keinen finanziellen Ausgleichanspruch, da weder die Fürsorgepflicht des Dienstherrn § 45 BeamtStG, noch Schadensersatz §§ 249 ff. BGB , noch ein Folgenbeseitigungsanspruch oder ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch oder ein unionsrechtlicher Ausgleichsanspruch gegeben ist. (Rn. 67 – 72) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Geltendmachung eines finanziellen Ausgleichsanspruchs für über die regelmäßige Arbeitszeit erbrachte Dienststunden in einer Justizvollzugsanstalt, Mehrarbeit, Rügeobliegenheit, finanzieller Ausgleich, Beamter
Fundstelle:
BeckRS 2021, 17468
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollsteckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Vergütung von 176 Arbeitsstunden, die er im Zeitraum vom …2017 bis …2018 über die regelmäßige Dienstzeit hinaus geleistet hat.
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Der am …1960 geborene Kläger war nach seinem Vorbereitungsdienst seit 1983 als Beamter des Allgemeinen Vollzugsdienstes in der Justizvollzugsanstalt … im bayerischen Justizvollzug tätig. Zuletzt hatte er seit … 2012 das Amt des Inspektors im Justizvollzugsdienst in der Besoldungsgruppe A9 mit Amtszulage inne.
3
Am …2018 erlitt der Kläger in Ausführung seines Dienstes in der Justizvollzugsanstalt … einen Dienstunfall, der als solcher vom zuständigen Landesamt für Finanzen auch anerkannt worden ist. Der Kläger war an jenem Tag im sogenannten Frühdienst und überwachte gerade das Einrücken der Gefangenen. Dabei versetzte ein Gefangener dem Kläger zunächst einen Faustschlag an das rechte Auge, bevor er dem am Boden liegenden Kläger mittels einer Rasierklinge erhebliche Schnittverletzungen im Bereich der linken Schläfe, am linken Ohr, im unteren Wangen- und Halsbereich sowie am Nacken zufügte. Infolge des Dienstunfalls entwickelte der Kläger multiple gesundheitliche Beeinträchtigungen aus dem psychiatrischen Fachbereich und war dienstunfähig erkrankt.
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Mit Ablauf des Monats November 2019 erfolgte schließlich die Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.
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Mit Schreiben vom 27. November 2019, bei der Justizvollzugsanstalt … eingegangen am selben Tag, machte der Kläger sowohl die Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Urlaub für die Kalenderjahre 2018 und 2019 als auch die Abgeltung von Mehrarbeit geltend. Hinsichtlich der Abgeltung von Mehrarbeit bezog sich der Kläger auf sein Schreiben vom 18. Dezember 2018 mit dem Betreff „Antrag auf Auszahlung meiner Überstunden/Mehrarbeit“, auf welches er bislang keine Antwort erhalten habe.
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Mit Bescheid der Justizvollzugsanstalt … vom 2. Dezember 2019 wurde zwar ein Abgeltungsanspruch von 20 Urlaubstagen anerkannt, die Mehrarbeitsvergütung aber abgelehnt. Bezüglich der Mehrarbeitsvergütung wurde im Bescheid zunächst ausgeführt, dass der vom Kläger erwähnte entsprechende erstmalige Antrag vom 18. Dezember 2018 der Hauptgeschäftsstelle der Justizvollzugsanstalt … nicht vorliege und insofern bislang auch keine Beantwortung habe erfolgen können. Im Übrigen sei auszuführen, dass „Überstunden“ für Bedienstete grundsätzlich nicht zur Erledigung der regelmäßigen Pflichtaufgaben einer Justizvollzugsanstalt angeordnet werden dürften, sondern nur für zusätzliche Tätigkeiten, die beispielsweise anfielen, wenn eine überregionale Veranstaltung organisiert werde oder aufgrund einer besonderen Sicherheitslage über das normale Maß hinaus zusätzliches Personal bereit zu halten sei. Solche angeordneten Überstunden seien nach Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG vorrangig innerhalb eines Jahres durch eine entsprechende Dienstbefreiung auszugleichen. Nur wenn dies ausschließlich aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich sei, könne anstelle der Dienstbefreiung eine Vergütung erfolgen. Sofern ein geplanter Freizeitausgleich hingegen aufgrund persönlicher Gründe, beispielsweise bei einer plötzlich aufgetretenen Krankheit oder dem Eintritt in den Ruhestand, nicht ermöglicht werden könne, dürfe keine Mehrarbeitsvergütung gewährt werden (Nr. 61.1.1 ff. BayVwVBes).
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Anderen Mehrarbeitszeiten, die beispielsweise im Rahmen der Gleitzeit oder durch Einteilung in einen Dienstplan über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus vorweg erbracht würden, liege keine besondere dienstliche Genehmigung zugrunde. Sie erfüllten nicht die Voraussetzungen für eine Anerkennung als „Überstunden“ und könnten nur durch Dienstbefreiung ausgeglichen werden. Sie fielen nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 87 Abs. 2 BayBG und könnten daher auch nicht durch eine Mehrarbeitsvergütung abgegolten werden.
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Bei der vom Kläger geleisteten Mehrarbeit handele es sich nicht um Überstunden im Sinne des Art. 87 Abs. 2 BayBG, da solche ausdrücklich als Mehrarbeit anzuordnen seien und sich nur auf Tätigkeiten beziehen dürften, die über die regulären Pflichtaufgaben des Beamten hinausgingen. Es handele sich vielmehr um vorausgeleistete Arbeit im Rahmen einer dienstplanmäßigen Arbeitseinteilung, also um die Differenz zwischen der regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit für Beamte und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Diese vorausgeleistete Arbeitszeit könne nicht durch Vergütung ausgeglichen werden.
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Auch ein finanzieller Ausgleich der Überzeiten aufgrund der durch das Gesetz zum Neuen Dienstrecht in Bayern vom 5. August 2010 geschaffenen Neuregelung von Art. 62 BayBesG i.V.m. den Sonderregelungen der Bayerischen Ausgleichszahlungsverordnung (BayAusglZV) könne nicht erfolgen. Die BayAusglZV betreffe nur Arbeitszeitguthaben, die Beamte und Beamtinnen aus einer langfristig angelegten ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit erworben haben (§ 1 Satz 1 BayAusglZV). Eine langfristig ungleichmäßige Verteilung liege dann vor, wenn es sich um ein besonderes Teilzeitmodell nach Art. 87 Abs. 3 oder Art. 88 Abs. 4 BayBG oder ein Ansparmodell nach Art. 87 Abs. 3 und 4 BayBG handele. Dies sei beim Kläger nicht der Fall.
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Insoweit verbleibe leider keine Möglichkeit, die vom Kläger geleisteten Mehrarbeitszeiten zu vergüten oder anderweitig auszugleichen.
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Hiergegen ließ der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 30. Dezember 2019, bei der Justizvollzugsanstalt … eingegangen am 3. Januar 2020, Widerspruch erheben. Dieser wurde mit Schreiben vom 28. Juli 2020 im Wesentlichen damit begründet, dass dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung der Mehrarbeitsvergütung zustehe. Als Anspruchsgrundlage greife zunächst Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 BayBesG ein, jedenfalls in entsprechender Anwendung.
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Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BayAzV habe sich die regelmäßige Wochenarbeitszeit des Klägers auf durchschnittlich 40 Stunden belaufen. Es dürfte unstrittig sein, dass diese vorgeschriebene Wochenarbeitszeit in der Person des Klägers regelmäßig überschritten worden sei, was zu einer Anzahl von 176 „Überstunden“ bei Ausscheiden des Klägers aus dem aktiven Dienst geführt habe. Es werde insoweit davon ausgegangen, dass diese Anzahl an Überstunden unstrittig sei. Der Kläger habe diese Überstunden nicht freiwillig aufgebaut. Vielmehr würden diese einerseits dem latenten, dem Dienstherrn bekannten, Personalengpass hinsichtlich der Bediensteten bei der Justizvollzugsanstalt … entspringen. Andererseits seien diese Überstunden durch die zentrale Dienstplanung verursacht und seien zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs in der Justizvollzugsanstalt dringend erforderlich gewesen.
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Es liege bereits wegen der verbindlichen Einteilung des Klägers in den entsprechenden Dienstplänen eine dienstlich angeordnete Mehrarbeit im Sinne des Art. 87 Abs. 2 BayBG vor, weil für den Dienstherrn jederzeit ersichtlich gewesen sei, dass durch die den Personalengpass bedingte vermehrte Einteilung des Klägers in den Dienstplänen dauerhaft die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden überschritten werde und dies auch nicht mehr innerhalb eines Jahres abgebaut werden könne. Sollte man dem nicht folgen, so wäre Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG jedenfalls analog auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Zuzugestehen sei, dass der Kläger die Überstunden/Mehrarbeit nicht in eng begrenzten Ausnahmefällen im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Satz 1 BayBG habe ableisten müssen. Vielmehr hätten diese Überstunden und somit die Dienstleistung über die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden hinaus aufgrund des beschriebenen und bekannten Personalengpasses zum Alltag im Tätigkeitsbereich des Klägers gehört. Entgegen der Ausführungen im Bescheid der Justizvollzugsanstalt vom 2. Dezember 2019 handele sich bei diesen Überstunden/Mehrarbeit auch nicht um vorausgeleistete Arbeitszeit, die später hätte ausgeglichen werden sollen. Denn hierzu fehle es an einem fest vorgesehenen und vorgeplanten Ausgleich zu einem späteren Zeitpunkt. Auch der Umstand, wonach Mehrarbeit nur auf Ausnahmefälle beschränkt sein dürfe, könne nicht zulasten des Klägers ins Feld geführt werden. Die vom Dienstherrn an den Tag gelegte Praxis hätte sonst zur Folge, dass eine dauerhafte Umgehung der Vorschriften des Art. 87 Abs. 2 BayBG nachträglich gebilligt würde. Auch insofern sei die Vorschrift des Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG gegebenenfalls entsprechend anzuwenden, um Wertungswidersprüche zu vermeiden.
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Der Kläger falle unter die Gruppe der Beamten mit aufsteigenden Gehältern. Bedeutsam sei insoweit, dass es dem Kläger aus zwingenden dienstlichen Gründen von vornherein nicht mehr möglich gewesen sei, eine Dienstbefreiung für die Überstunden/Mehrarbeit gewährt zu erhalten. Der Kläger sei aufgrund eingetretener Dienstunfähigkeit mit Ablauf des Monats November 2019 in den Ruhestand versetzt worden.
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Es werde darauf hingewiesen, dass die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bei der Beurteilung der zwingenden dienstlichen Gründe für die Unmöglichkeit einer Dienstbefreiung im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG danach unterscheide, ob die Gründe für die eingetretene Unmöglichkeit in der Sphäre des Dienstherrn liegen oder der Risikosphäre des Beamten zuzurechnen sind. Hierbei werde eine private Erkrankung des Beamten regelmäßig als dessen Sphäre tangierend betrachtet (BayVGH, B.v. 10.5.2019 - 3 ZB 17.275 - Rn. 8; VG Bayreuth, U.v. 25.10.2016 - B 5 K 15.570, Gliederungspunkt 1. b der Entscheidungsgründe; VG München, U.v. 22.5.2014 - 5 K 12.4298, Gliederungspunkt 1. b der Entscheidungsgründe). Bekanntermaßen sei der Kläger vorliegend aber nicht privat erkrankt. Vielmehr beruhe der Vorfall vom …2018 auf einer völlig überraschenden, massiven und lebensbedrohlichen Attacke eines Gefangenen auf den Kläger. Dieser massive Angriff auf den Kläger habe unter psychisch-seelischen Gesichtspunkten unmittelbar den Eintritt der Dienstunfähigkeit bei dem Kläger zur Folge gehabt, was unter anderem in dem Gutachten des Klinikums … vom …2019 festgehalten worden sei. Somit rühre die in der Person des Klägers eingetretene Dienstunfähigkeit unmittelbar von einem dienstlichen Ereignis her, das zweifellos der Risikosphäre des Dienstherrn zuzuordnen sei und nicht etwa derjenigen des Klägers. Der Dienst des Klägers möge latent mit solch einem Bedrohungs- und Verletzungsrisiko behaftet gewesen sein; das ändere aber nichts daran, dass sich darin ein dienstliches Risiko verwirkliche, weswegen eine fristgerechte Dienstbefreiung hier aus dienstlichen Gründen nicht möglich gewesen sei. Der oben zitierten Rechtsprechung sei im Umkehrschluss zu entnehmen, dass die Dienstbefreiung dann aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, wenn - wie hier - die Gründe in der Sphäre des Dienstherrn gelegen hätten. Somit sei dem Kläger jedenfalls in analoger Anwendung des Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG Mehrarbeitsvergütung für 176 geleistete Überstunden zu gewähren.
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In jedem Fall stehe dem Kläger wegen der von ihm geleisteten Überstunden im Umfang von 176 Stunden aber ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch zu, der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB i.V.m. den Regelungen über den Ausgleich von Mehrarbeit hergeleitet werde (VG Düsseldorf, U.v. 4.5.2016 - 13 K 5760/15, Gliederungspunkt B. II. der Entscheidungsgründe). Als Grundvoraussetzung für diesen beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch existierten in Art. 62 BayBesG i.V.m. den Vorschriften der BayAusglZV überhaupt Regelungen zur Ausgleichszahlung zum Zwecke der Vergütung von Arbeitszeitguthaben. Jene Regelungen über die Ausgleichszahlung nach Art. 62 BayBesG bezögen sich an sich auf eine festgelegte langfristige und ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit; diese Voraussetzungen seien hier zwar nicht gegeben. Allerdings sei aus dem beamtenrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Freistaat Bayern unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 242 BGB als Nebenpflicht die geleistete Zuvielarbeit/Mehrarbeit finanziell auszugleichen. Dies gelte insbesondere in den Fällen, in denen die Vorschriften zur Mehrarbeitsvergütung nicht unmittelbar griffen - wenn man jedenfalls in der Festsetzung des Dienstplans noch keine Anordnung von Mehrarbeit seitens des Dienstherrn sehen wolle. In solchen Fällen sei wegen der rechtswidrigen Heranziehung der Beamten zu Überstunden eine ausdrückliche vorherige Rüge des Beamten gegenüber dem Dienstherrn entbehrlich (VG Düsseldorf, a.a.O., Gliederungspunkt B. II. 2. der Entscheidungsgründe). Wie oben dargelegt sei dem Kläger aufgrund der krankheitsbedingten vorzeitigen Zurruhesetzung die Inanspruchnahme eines vorrangigen Freizeitausgleichs für die Überstunden unstrittig nicht mehr möglich gewesen. Damit habe sich der grundsätzlich auf Freizeitausgleich gerichtete Anspruch des Klägers in einen finanziellen Ausgleichsanspruch gewandelt.
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Vorsorglich werde angemerkt, dass dem Kläger sicherlich kein Mitverschulden im Hinblick auf den massiven tätlichen Angriff des Gefangenen auf ihn vorgeworfen werden könne. Im Übrigen sei der finanzielle Ausgleichsanspruch auch nicht aus Gründen der Billigkeit ausgeschlossen; vielmehr verlangten diese Billigkeitserwägungen aufgrund der letztlich vorliegenden Aufopferung des Klägers aus dienstlichen Gründen nach einer finanziellen Kompensierung der vom Kläger geleisteten Überstunden, die aufgrund jenes tätlichen Angriffs nicht mehr in Freizeit ausgeglichen werden könnten. Auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben stehe dem Kläger somit ein finanzieller Ausgleichsanspruch in Bezug auf die geleisteten Überstunden zu.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2020 wies die Justizvollzugsanstalt … den Widerspruch zurück. Dies wurde damit begründet, dass die Ablehnung der Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung durch den Bescheid vom 2. Dezember 2019 rechtmäßig sei und den Kläger nicht in seinen Rechten verletze.
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Ein Rechtsanspruch auf Vergütung der Mehrarbeit gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 BayBesG bestehe nicht. Hierzu wurden die im Ausgangsbescheid vom 2. Dezember 2019 getroffenen Ausführungen weitestgehend wiederholt. Darüber hinaus wurde ausgeführt, dass nach Art. 87 Abs. 2 Satz 1 BayBG Beamte und Beamtinnen verpflichtet seien, ohne Entschädigung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erforderten und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränke. Für diese Verpflichtung würden Beamte gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG nur entschädigt, wenn sie durch dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht würden. Bezüglich der Art der Entschädigung sehe dabei Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG vor, dass innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit eine entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren sei. Nur wenn die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich sei, könnten Beamte an ihrer Stelle nach Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG eine Vergütung erhalten. Die Mehrarbeitsvergütung sei damit ein Surrogat für den ausschließlich aus dienstlichen Gründen nicht möglichen Freizeitausgleich.
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Ein Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeit aus dem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB bestehe nicht. Der auf den finanziellen Ausgleich gerichtete Billigkeitsanspruch setze voraus, dass der Beamte rechtswidrig zur Zuvielarbeit herangezogen worden sei und nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Beamte die Zuvielarbeit gegenüber dem Dienstherrn schriftlich geltend gemacht habe. Es könne offen bleiben, ob im streitgegenständlichen Zeitraum eine rechtswidrige Zuvielarbeit vorgelegen habe. Ein finanzieller Ausgleich von vorausgeleisteter Zuvielarbeit könne jedenfalls schon deshalb nicht erfolgen, weil der Kläger einen Ausgleichsanspruch nicht in Form einer schriftlichen Rüge geltend gemacht habe. Die Rügeobliegenheit diene dazu, eine Prüfung des Dienstherrn mit dem Ziel herbeizuführen, die Belange des Beamten zu berücksichtigen und die maßgeblichen Dienstpläne anzupassen. Die schriftliche Rüge sei wegen des vorgenannten Sinn und Zwecks im vorliegenden Fall auch nicht entbehrlich. Ein Herbeiführen oder Dulden von rechtswidriger Zuvielarbeit genüge gerade nicht, sondern der Verstoß gegen Treu und Glauben werde erst dadurch begründet, dass der Dienstherr nach einem Hinweis des Beamten auf den rechtswidrigen Zustand diesen nicht abgestellt habe (OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/2016).
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Das angeführte Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 4. Mai 2016 sei in dieser Form nicht rechtskräftig geworden. Die durch das Land Nordrhein-Westfalen eingelegte Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen habe Erfolg gehabt: mit Urteil vom 12. April 2018 sei das angefochtene Urteil dahingehend geändert worden, dass der Kläger gegen das beklagte Land weder aus den handelsrechtlichen Vorschriften zur Vergütung von Mehrarbeit noch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben noch aus anderen nationalen oder unionsrechtlichen Anspruchsgrundlagen einen Anspruch auf die Gewährung eines finanziellen Ausgleichs hat. Ein Anspruch auf Auszahlung von vorausgeleisteter Zuvielarbeit könne demnach nicht erfolgen, wenn der Beamte einen Ausgleichsanspruch nicht in Form einer schriftlichen Rüge geltend gemacht habe. Eine Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen sei für unzulässig erklärt worden. Eine gegen die Nichtzulassung gerichtete Beschwerde sei schließlich mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2019 (Az. 2 B 48/18) verworfen worden.
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Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 9. Dezember 2020, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen am 10. Dezember 2020, ließ der Kläger Klage erheben und mit Schriftsatz vom 28. Januar 2021 beantragen,
I. Der Bescheid der Justizvollzugsanstalt … vom 2.12.2019 - AZ: … in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Justizvollzugsanstalt … vom 26.11.2020 - AZ: … wird aufgehoben, soweit darin eine Mehrarbeitsvergütung bzw. ein Mehrarbeitsausgleich abgelehnt wird.
II. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag hin eine Entschädigung in Geld für die in den Kalenderjahren 2017 und 2018 zu viel geleistete Arbeit von insgesamt 176 Stunden zu zahlen in Höhe von 3.875,22 EUR.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte, wobei festgestellt wird, dass die Hinzuziehung der Unterfertigenden im Widerspruchsverfahren notwendig war.
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Zur Begründung wurde zunächst auf die Ausführungen in der Widerspruchsbegründung vom 28. Juli 2020 Bezug genommen und der dortige Vortrag zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht. Ergänzend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Entschädigung in Geld für die von ihm geleisteten 176 Überstunden/Mehrarbeit. Als Anspruchsgrundlagen dienten zunächst Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG in Verbindung mit Art. 61 Abs. 1 BayBesG. Nach Art. 87 Abs. 2 Satz 1 BayBG werde Mehrarbeit als diejenige Arbeitszeit bezeichnet, die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinausgehe, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse sie erforderten und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränke. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers im aktiven Dienst habe sich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BayAzV auf durchschnittlich 40 Stunden belaufen. In den Kalenderjahren 2017 und 2018 habe der Kläger aufgrund seiner Einteilung in den Dienstplänen 176 Überstunden an Mehrarbeit leisten müssen. Die Anzahl der angefallenen Mehrarbeitsstunden/Überstunden sei unstrittig. Die Einteilung des Klägers zum Dienst in den Dienstplänen der Justizvollzugsanstalt sei für ihn verbindlich gewesen. Aufgrund des bestehenden Personalengpasses bei der Justizvollzugsanstalt … habe der Dienstherr den Kläger über seine regelmäßige Arbeitszeit hinaus zum Dienst verpflichten müssen, um den Anstaltsbetrieb ordnungsgemäß aufrechterhalten zu können. In dieser verbindlichen Einteilung des Klägers zum Dienst in den Dienstplänen liege eine dienstliche Anordnung des Dienstherrn im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG. Zugleich liege auf der Hand, dass der Kläger bei insgesamt 176 angefallenen Mehrarbeitsstunden in nicht einmal 18 Monaten (Zeitraum: … 2017 bis …2018) jeweils im Durchschnitt mehr als fünf Stunden Mehrarbeit pro Monat im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG geleistet habe.
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Anders als vom Beklagten im Widerspruchsbescheid ausgeführt, habe es sich bei den Mehrarbeitsstunden eben nicht um eine schlicht „vorausgeleistete Arbeit“, die der Kläger hätte freiwillig erbringen können und die zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb Jahresfrist hätte ausgeglichen werden können, gehandelt. Sowohl dem Kläger als auch dem Dienstherrn und im Übrigen auch Kolleginnen und Kollegen des Klägers sei bewusst (gewesen), dass aufgrund des bestehenden Personalengpasses realistischerweise eben keine Möglichkeit zu einem Ausgleich der geleisteten Mehrarbeitsstunden innerhalb der Jahresfrist bestanden habe. Damit sei von einer angeordneten Mehrarbeit des Dienstherrn im Umfang von über fünf Stunden pro Monat im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG im fraglichen Zeitraum auszugehen.
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Wegen des Dienstunfalls des Klägers am …2018 liege es auf der Hand, dass der Kläger schon aus diesem Grund die Mehrarbeit nicht durch eine spätere Dienstbefreiung habe ausgleichen können - abgesehen von den eben beschriebenen tatsächlichen Schwierigkeiten beim Nehmen von Freizeitausgleich. Der grundsätzliche Vorrang eines Ausgleichs von Mehrarbeit durch eine Dienstbefreiung sei beim Kläger daher nicht mehr in Betracht gekommen.
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Bereits in der Widerspruchsbegründung sei darauf hingewiesen worden, dass der den Dienst des Klägers jäh beendende Dienstunfall vom …2018 als zwingender dienstlicher Grund für die Unmöglichkeit einer Dienstbefreiung gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG zu werten sei. In Abgrenzung zu einer beispielsweise eintretenden Arbeitsunfähigkeit und Dienstunfähigkeit eines Beamten wegen einer neutralen, privaten Erkrankung müsse hier konstatiert werden, dass der Dienstunfall/das den Kläger schädigende Ereignis zweifellos aus der Sphäre des Dienstes im Justizvollzugsdienst und damit aus der Sphäre des Dienstherrn stamme (BayVGH, B.v. 10.5.2019 - 3 ZB 17.275 Rn. 8; VG Bayreuth, U.v. 25.10.2016 - B 5 K 15.570, Gliederungspunkt 1.b der Entscheidungsgründe; VG München, U.v. 22.5.2014 - 5 K 12.4298, Gliederungspunkt 1.b der Entscheidungsgründe). Somit hätten zwingende dienstliche Gründe - nämlich der sich aufgrund des Dienstes ereignende Dienstunfall - vorgelegen, weshalb die Gewährung von Dienstbefreiung innerhalb Jahresfrist wegen eingetretener Dienstunfähigkeit unmöglich gewesen sei. Die Voraussetzungen für die Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG, Art. 61 Abs. 1 Satz 2 BayBesG hätten vorgelegen.
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Sollte das Gericht trotz der obigen Ausführungen die Voraussetzungen für eine förmliche Mehrarbeitsvergütung nicht als gegeben ansehen, stünde dem Kläger immer noch eine Entschädigung in Geld für die von ihm geleisteten 176 Überstunden/Mehrarbeitsstunden nach dem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch zu, der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB in Verbindung mit den Regelungen über den Ausgleich von Mehrarbeit hergeleitet werde. Im Widerspruchsverfahren habe man sich insoweit auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf gestützt (VG Düsseldorf, U.v. 4.5.2016 - 13 K 5760/15, Gliederungspunkt B 2. der Entscheidungsgründe). Die vom VG Düsseldorf geschilderten Voraussetzungen für eine Geltendmachung des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs seien in der Widerspruchsbegründung dargelegt worden. Insoweit werde konkret auf die Ausführungen in der Widerspruchsbegründung vom 28. Juli 2020 unter Ziffer 2. auf Seiten 5 und 6 Bezug genommen.
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Der Beklagte habe im Widerspruchsbescheid der Justizvollzugsanstalt … vom 26. November 2020 unter Ziffer 2. angegeben, dass das in Bezug genommene Urteil des VG Düsseldorf nicht rechtskräftig und vom OVG Münster aufgehoben worden sei; das Bundesverwaltungsgericht habe in der Revisionsinstanz die Nichtzulassungsbeschwerde des dortigen Klägers verworfen. Insoweit müsse jedoch angemerkt werden, dass das Bundesverwaltungsgericht sich in dem entsprechenden Beschluss vom 26. Juli 2019 (Az. 2 B 48/18) tatsächlich nicht mit dem Inhalt des Berufungsurteils des OVG Münster auseinandergesetzt habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe die dortige Nichtzulassungsbeschwerde nämlich als unzulässig verworfen, weil jene Beschwerde den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt habe.
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Wenn der Beklagte im Gegensatz zum VG Düsseldorf in Anlehnung an das von ihm zitierte Urteil des OVG Münster eine schriftliche Rüge des fraglichen Beamten fordere, um den beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch zu aktivieren, könne das nicht überzeugen. Nach den Ausführungen des Beklagten solle diese Rügeobliegenheit dazu dienen, beim Dienstherrn eine Überprüfung mit dem Ziel herbeizuführen, die Belange des Beamten zu berücksichtigen und die maßgeblichen Dienstpläne anzupassen. Dieser rechtstheoretische Gedanke versage aber in der Praxis des Vollzugsdienstes, zumal dem Dienstherrn bzw. den vorgesetzten Stellen der beschriebene Personalengpass unter anderem bei der Justizvollzugsanstalt … selbstredend bestens bekannt sei und der Dienstherr trotz dieses Wissens permanent durch die verbindliche Einteilung der Beamten und auch des Klägers in den Dienstplänen die Überstunden/Mehrarbeitsstunden anordne - schlicht aus der Not heraus, um den ordnungsgemäßen Anstaltsbetrieb überhaupt gewährleisten zu können. In einer solchen Situation, in der der Dienstherr sich der an sich rechtswidrigen Dienstanordnung per Dienstplan bewusst sei, jedoch wegen der Personalknappheit gar nicht in die Lage versetzt sei, „die maßgeblichen Dienstpläne anzupassen“, verkomme eine Rügeobliegenheit zur bloßen Förmelei.
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Zudem sei zu beachten, dass der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch an den zivilrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB anknüpfe, der im Übrigen die gesamte Rechtsordnung durchziehe. Es fänden deshalb vor allem und insbesondere die für das Zivilrecht entwickelten Fälle des Grundsatzes von Treu und Glauben Anwendung. Insoweit sei zugunsten des Klägers auf ein vertrauensbegründendes Verhalten des Dienstherrn abzustellen. Der Kläger habe sich darauf verlassen, dass der Beklagte als sein Dienstherr ihn nicht ohne Freizeitausgleich oder Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus arbeiten lassen werde. Der Kläger habe im Interesse des Dienstherrn seinen Beitrag dafür geleistet, dass die ordnungsgemäßen Abläufe in der Justizvollzugsanstalt … trotz der bekannten Personalknappheit hätten aufrechterhalten werden können. Unter dem Gesichtspunkt der dem Dienstherrn obliegenden beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des § 45 BeamtStG habe der Kläger darauf vertrauen können und dürfen, dass ihm durch die verbindliche Einteilung in den Dienstplänen mitsamt der dadurch ausgelösten Mehrarbeit keine Nachteile entstehen würden. Das Vertrauen des Klägers sei in diesem Sinne in jedem Fall schutzwürdig gewesen. Wenn der Dienstherr Mehrarbeit angeordnet und in Anspruch genommen habe, habe es aufgrund dieses vertrauensbegründenden Verhaltens somit am Beklagten gelegen, auch für einen Ausgleich zu sorgen (entsprechend Palandt, § 242 BGB, Rn. 56).
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Es könne nicht angehen, dass der Dienstherr wegen einer bestehenden Personalknappheit wie selbstverständlich verbindliche Dienstpläne unter Rückgriff auf Mehrarbeit für den Kläger habe anordnen können, sich im Falle der Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs durch den Kläger aber darauf zurückziehen wolle, dass der Kläger zuvor eine schriftliche Rüge hätte erteilen müssen. Diesen Gedanken zu Ende gedacht, handele es sich um ein typisches, und zwar unzulässiges, widersprüchliches Verhalten des Dienstherrn zulasten des Klägers im Sinne des § 242 BGB. Dies gelte umso mehr, als im vorliegenden Fall unstrittig zu Tage liege, dass wegen des vom Kläger erlittenen schweren Dienstunfalls ein Freizeitausgleich ohnehin auch theoretisch nicht mehr möglich sein würde. Es werde deshalb weiterhin jedenfalls ein Vergütungsanspruch auf der Grundlage des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs als gegeben angesehen.
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Mit Schriftsatz vom 6. April 2021 beantragte der Beklagte:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Rechtsanspruch auf Vergütung der Mehrarbeit gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG (i.V.m. Art. 61 Abs. 1 BayBesG) entgegen der Auffassung des Klägers nicht bestehe. Vorliegend fehle es bereits an einer dienstlich angeordneten oder genehmigten Mehrarbeit. Entgegen der Auffassung des Klägers liege allein in der Einteilung des Klägers zum Dienst in den Dienstplänen der Justizvollzugsanstalt keine dienstliche Anordnung im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG (so auch BVerwG, B.v. 28.5.2003 - 2 C 35/02; VG Bayreuth, U.v. 25.10.2016 - B 5 K 15.570; VG Würzburg, U.v. 5.3.2013 - W 1 K 12.455). Die Anordnung von Mehrarbeit bzw. ihre nachträgliche Genehmigung seien nur dann vergütungspflichtig und damit auch vergütungsfähig, wenn sie ausdrücklich als solche, also als Mehrarbeit, angeordnet werde (VG Bayreuth, U.v. 25.10.2016 - B 5 K 15.570 m.w.N.). Zudem handele es sich nach zutreffender Auffassung des VG Bayreuth „bei der Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit um einen Verwaltungsakt, der sich auf konkrete, zeitlich abgrenzbare Mehrarbeitstatbestände beziehen und von einem entsprechenden Willen des Dienstherrn getragen sein muss“. Für diese Auffassung spreche die Erwägung, dass es dem Dienstvorgesetzten im Rahmen der Entscheidung über die Anordnung bzw. Genehmigung von Mehrarbeit möglich sein müsse, zu prüfen, ob diese aus dienstlichen Gründen erforderlich sei und entweder den Umfang der entschädigungsfreien Mehrarbeit nach Art. 87 Abs. 2 Satz 1 BayBG nicht überschreite oder - im Falle einer Überschreitung nach Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG um mehr als fünf Stunden monatlich - innerhalb der Jahresfrist ein Ausgleich durch Dienstbefreiung möglich sei (VG Bayreuth, U.v. 25.10.2016 - B 5 K 15.570; VG Würzburg, U.v. 5.3.2013 - W 1 K 12.455 m.w.N.). Der Dienstherr müsse dabei auch prüfen können, welchem Beamten die Mehrarbeit übertragen werden soll (VG Bayreuth, U.v. 25.10.2016 - B 5 K 15.570). Eine derartige einzelfallbezogene Entscheidung habe der Beklagte nicht getroffen, da er keinen konkret bestimmbaren Willen geäußert habe, dass der Kläger Mehrarbeit leisten solle. Insbesondere genüge für die Anordnung von Mehrarbeit nicht schon die bloße Aufstellung eines Dienstplans, selbst wenn dieser wie bei dem Kläger zwingend zu einer Überschreitung der von ihm zu erbringenden regelmäßigen Wochenarbeitszeit und damit zu Mehrarbeit habe führen müssen (VG Bayreuth, U.v. 25.10.2016 - B 5 K 15.570; BVerwG, B.v. 28.5.2003 - 2 C 35/02). Allein die Kenntnis des Dienstherrn, dass ein Bediensteter erhebliche Überstunden über einen langen Zeitraum abgeleistet habe, begründe nicht das Vorliegen des hier maßgeblichen Tatbestandsmerkmals einer „dienstlich angeordneten oder genehmigten Mehrarbeit“ (BayVGH, B.v. 10.5.2019 - 3 ZB 17.275). Demzufolge erfüllten die geleisteten Arbeitsstunden nicht die Voraussetzungen für eine Anerkennung als „Überstunden“ und könnten nur durch Dienstbefreiung ausgeglichen werden. Sie fielen nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 87 Abs. 2 BayBG und könnten daher auch nicht durch eine Mehrarbeitsvergütung abgegolten werden.
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Dass es sich bei der Einteilung in den Dienstplänen nicht um eine dienstliche Anordnung handele, werde im Übrigen auch durch die Systematik des Art. 61 Abs. 1 BayBesG deutlich. Zunächst einmal setze nämlich Art. 61 Abs. 1 Satz 1 BayBesG explizit „angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit“ voraus, die sich zudem auf konkrete zeitlich abgrenzbare und messbare Dienste beziehen müsse. Diese „angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit“ sei gemäß Art. 61 Abs. 2 BayBesG wiederum nur dann vergütungsfähig, wenn sie im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes, Schichtdienstes oder allgemein geltenden besonderen Dienstplans geleistet werde. In besonderen Ausnahmefällen könnten daneben - angeordnete oder genehmigte - Mehrarbeitsstunden in Fällen von Sondereinsätzen vergütet werden.
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Art. 61 Abs. 2 Satz 3 BayBesG stelle klar, dass Mehrarbeitsstunden zur Erfüllung der den Beamten und Beamtinnen übertragenen fortlaufenden Verwaltungsaufgaben nicht zu vergüten seien. Demzufolge dürften „Überstunden“ für Bedienstete grundsätzlich nicht zur Erledigung der regelmäßigen Pflichtaufgaben einer Justizvollzugsanstalt angeordnet werden, sondern nur für zusätzliche Tätigkeiten, die beispielsweise anfielen, wenn eine überregionale Veranstaltung organisiert werde oder aufgrund einer besonderen Sicherheitslage über das normale Maß hinaus zusätzliches Personal bereit zu halten sei. Anderen Mehrarbeitszeiten, die beispielsweise im Rahmen der Gleitzeit oder durch Einteilung in einen Dienstplan über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus vorweg erbracht werden, liege keine besondere dienstliche Genehmigung zugrunde. Bei der vom Kläger geleisteten Mehrarbeit handele es sich demnach nicht um ausgleichsfähige Überstunden im Sinn des Art. 87 Abs. 2 BayBG, sondern um vorausgeleistete Arbeit im Rahmen einer dienstplanmäßigen Arbeitseinteilung, also um die Differenz zwischen der regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit für Beamte und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Diese vorausgeleistete Arbeitszeit könne nicht durch Vergütungen ausgeglichen werden. Der normalerweise unmittelbar darauffolgende Freizeitausgleich habe im konkreten Zeitraum beim Kläger nicht immer zeitnah stattfinden können, weil sein Vertreter zum einen wegen Krankheit nicht zum Dienst erschienen sei oder zum anderen selbst als Ersatz für ausgefallene Nachtdienste benötigt worden sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nur sehr erfahrene Bedienstete für die vom Kläger ausgeübte Position des Schichtdienstleiters infrage kämen.
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Doch selbst wenn es sich um angeordnete Überstunden im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG handeln würde, wäre vorliegend ein Anspruch auf Entschädigung ausgeschlossen. Angeordnete Überstunden seien nach Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG vorrangig innerhalb eines Jahres durch eine entsprechende Dienstbefreiung auszugleichen. Nur wenn die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich sei, könne nach Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG anstelle der Dienstbefreiung eine Vergütung erfolgen. Sofern ein geplanter Freizeitausgleich hingegen aufgrund persönlicher Gründe, beispielsweise bei einer plötzlich aufgetretenen Krankheit oder dem Eintritt in den Ruhestand, nicht ermöglicht werden könne, dürfe keine Mehrarbeitsvergütung gewährt werden (Nr. 61.1.1 ff BayVwVBes). Nach ständiger Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 10.5.2019 - 3 ZB 17.275 mit zahlreichen Verweisen auf die Rechtsprechung) bestehe der Anspruch auf Vergütung für Mehrarbeit spätestens nach dem Eintritt in den Ruhestand nicht mehr, da es sich bei einer Erkrankung mit anschließender Dienstunfähigkeit nicht um einen zwingenden dienstlichen Grund im Sinne des Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG handele. Die Argumentation des Klägers, dass seine Erkrankung aus der Sphäre des Dienstherrn stamme, vermöge letztlich nicht zu überzeugen. Wie bereits geschildert, sei eine Erkrankung nach ständiger Rechtsprechung der Sphäre des Erkrankten zuzurechnen. Auch die hier vorliegende Konstellation, dass die Erkrankung auf einem Dienstunfall beruhe, rechtfertige keine andere Beurteilung. Der Kläger sei zwar im Dienst geschädigt worden. Die Schädigung sei jedoch nicht durch den Dienstherrn, sondern durch einen Dritten erfolgt. Demzufolge wäre die Erkrankung allenfalls dann der Sphäre des Klägers (gemeint wohl: des Beklagten) zuzurechnen, wenn es der Dienstherr in Kenntnis der Gefahrenlage unterlassen hätte, den Kläger vor Angriffen durch Dritte zu schützen. Diese Bewertung sei auch nicht unbillig. So führe das VG Bayreuth in seinem Urteil vom 25.10.2016 - B 5 K 15.570 folgendes trefflich aus: „Sachliche Gründe rechtfertigen es, die Zahlung von Mehrarbeitsvergütung auf diejenigen Beamten zu beschränken, die sich tatsächlich im Dienst befinden. Bei der Mehrarbeitsvergütung handelt es sich nicht um eine Vergütung von Überstunden. Eine Abrechnung nach Arbeitsstunden, auch wenn sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus anfallen, wird nicht von der Leitvorstellung umfasst, wonach die Besoldung die vom Staat festgesetzte Gegenleistung dafür ist, dass sich ihm der Beamte mit seiner ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt und gemäß den jeweiligen Anforderungen seine Dienstpflichten nach Kräften erfüllt. Danach stehen Besoldung und Dienstleistung nicht in einem unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis. Vielmehr ist der Beamte prinzipiell verpflichtet, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen unentgeltlich über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu erbringen. Auch diese „Mehrleistung“ ist grundsätzlich mit den Dienstbezügen abgegolten. Vor diesem Hintergrund dient die Mehrarbeitsvergütung dazu, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass aus zwingenden dienstlichen Gründen - und nur aus diesen - die grundsätzlich vorgesehene Dienstbefreiung nicht erteilt werden kann. Die Mehrarbeitsvergütung tritt mit anderen Worten an die Stelle der primär geschuldeten Dienstbefreiung und nicht an die Stelle der geleisteten Mehrarbeit als solcher. Es besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Möglichkeit, vom Dienst befreit zu werden, und dem Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung. Der vorgenannte Zusammenhang ist unterbrochen, wenn der Beamte ohnehin keinen Dienst leistet. Da er naturgemäß keine Dienstbefreiung beanspruchen kann, besteht zugleich kein Anspruch auf das Surrogat in Form von Mehrarbeitsvergütung. Der Beamte befindet sich insofern in keiner anderen Lage als ein Beamter, der während seiner dienstfreien Tage oder aber während einer gewährten Dienstbefreiung erkrankt. Auch in diesen Fällen wird - ohne dass dies zu beanstanden wäre - kein weiterer Freizeitausgleich gewährt. Denn der Dienstherr, der den Beamten auch bei Dienstunfähigkeit fortwährend alimentiert und bereits damit besondere Rücksicht nimmt, ist nicht verpflichtet, jeden weiteren mit der Dienstunfähigkeit verbundenen, in der Sphäre des Beamten wurzelnden Nachteil auszugleichen (VG München, U.v. 25.6.2013 - M 5 K 11.4573).“ Da es sich schon um keine vergütungsfähige Mehrarbeit im Sinne des Art. 87 Abs. 2 BayBG handele, könne es letztlich jedoch dahinstehen, ob die Erkrankung des Klägers aus der Sphäre des Dienstherrn oder des Klägers stamme.
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Auch ein finanzieller Ausgleich der Überzeiten aufgrund der durch das Gesetz zum Neuen Dienstrecht in Bayern vom 5. August 2010 geschaffenen Neuregelung von Art. 62 BayBesG i.V.m. den Sonderregelungen der bayerischen Ausgleichsverordnung (BayAusglZV) könne nicht erfolgen. Die BayAusglZV betreffe nur Arbeitszeitguthaben, die Beamte und Beamtinnen aus einer langfristig angelegten ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit erworben hätten (§ 1 Satz 1 BayAusglZV). Eine langfristig ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit liege dann vor, wenn es sich um ein besonderes Teilzeitmodell nach Art. 87 Abs. 3 oder Art. 88 Abs. 4 BayBG oder ein Ansparmodell nach Art. 87 Abs. 3 und 4 BayBG handele. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
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Ebenso bestehe kein Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeit aus dem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Der zunächst auf Freizeitausgleich gerichtete Billigkeitsanspruch liege nur vor, wenn der Dienstherr den Beamten über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus zum Dienst heranziehe, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt seien. Dieser zunächst auf Freizeitausgleich gerichtete Billigkeitsanspruch komme nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 17.11.2016 - 2 C 23/15 m.w.N.; BVerwG, B.v. 2.4.2019 - 2 B 43/18) nur für rechtswidrige Zuvielarbeit in Betracht, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden sei. Der Beamte müsse darüber hinaus die rechtswidrige Zuvielarbeit rügen. Diese Geltendmachung durch den Beamten diene dazu, eine Prüfung des Dienstherrn mit dem Ziel herbeizuführen, die Belange des Beamten zu berücksichtigen und die Dienstpläne entsprechend anzupassen (BVerwG, U.v. 17.11.2016 - 2 C 23/15 m.w.N; BVerwG, B.v. 2.4.2019 - 2 B 43/18). Nichts anderes könne für den auf Vergütung gerichteten Billigkeitsanspruch als dessen Surrogat gelten. Demzufolge könne offen bleiben, ob im streitgegenständlichen Zeitraum eine rechtswidrige Zuvielarbeit vorgelegen habe. Ein finanzieller Ausgleich von vorausgeleisteter Zuvielarbeit könne jedenfalls schon deshalb nicht erfolgen, weil der Kläger einen Ausgleichsanspruch nicht in Form einer Rüge geltend gemacht habe. Entgegen der Auffassung des Klägers sei wegen der oben genannten Ratio die Rüge auch im vorliegenden Fall nicht entbehrlich. Die Rügeobliegenheit diene dazu, eine Prüfung des Dienstherrn mit dem Ziel herbeizuführen, die Belange des Beamten zu berücksichtigen und die maßgeblichen Dienstpläne anzupassen. Ein Herbeiführen oder Dulden von rechtswidriger Zuvielarbeit genüge gerade nicht, sondern der Verstoß gegen Treu und Glauben werde erst dadurch begründet, dass der Dienstherr nach einem Hinweis des Beamten auf den rechtswidrigen Zustand diesen nicht abgestellt habe (OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/2016). Die in der Klagebegründung bemühte Argumentation, dass es sich bei der Rügeobliegenheit um einen rechtstheoretischen Gedanken handele, der in der Praxis des Vollzugsdienstes versage und dass es wegen der Personalknappheit nicht möglich sei, die Dienstpläne anzupassen, sei nicht nachvollziehbar, zumal es in den letzten Jahren innerhalb des Personalkörpers des allgemeinen Vollzugsdienstes der Justizvollzugsanstalt … gelungen sei, die in den Vorjahren angefallenen Überstunden massiv abzubauen.
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Mit Schriftsatz vom 28. April 2021 führte der Klägerbevollmächtigte ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen aus: Wenn der Beklagte dem Anspruch des Klägers auf Vergütung der Mehrarbeit, der aus dem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch gemäß § 242 BGB hergeleitet werde, durch Verweis auf die Rügeobliegenheit entgegentreten wolle, sei dem zu widersprechen. Der Beklagte trage hierzu vor: „Die Rügeobliegenheit dient dazu, eine Prüfung des Dienstherrn mit dem Ziel herbeizuführen, die Belange des Beamten zu berücksichtigen und die maßgeblichen Dienstpläne anzupassen.“ Eine Rügeobliegenheit sei somit dann obsolet und nur noch überflüssiger rechtstheoretischer Natur, wenn dem Dienstherrn über einen langen Zeitraum hinweg die Personalknappheit deutlich vor Augen stehe und er gerade deshalb Dienstpläne aufstellen lasse, die notgedrungen von dem einzelnen Beamten regelmäßig monatlich sehr viel mehr als nur fünf Stunden Mehrarbeit verlangten. In einem solchen Fall habe der Dienstherr überhaupt keine Abhilfemöglichkeit im Falle einer Rüge, weil ohne die Berücksichtigung von Mehrarbeit/Zuvielarbeit in erheblichem Ausmaße in den Dienstplänen der ordnungsgemäße Betrieb der Justizvollzugsanstalt nicht mehr gewährleistet werden könnte. Genau dies seien aber die Rahmenbedingungen gewesen, unter denen die den Kläger erfassenden Dienstpläne der Justizvollzugsanstalt … aufgestellt worden seien. Es sei festzuhalten, dass den Verantwortlichen des Beklagten in den Jahren 2017 und 2018 und auch in den Jahren davor vor Augen gestanden habe und bewusst gewesen sei, dass aufgrund der zu geringen Personaldecke bei den Justizvollzugsbediensteten in der Justizvollzugsanstalt … in den Dienstplänen regelmäßig und selbstverständlich monatlich wesentlich mehr als fünf Mehrarbeits-/Zuvielarbeits-Stunden unter anderem auch für den Kläger haben ausgewiesen werden müssen, um den ordnungsgemäßen Betrieb der Justizvollzugsanstalt … zu gewährleisten. Desgleichen sei den Verantwortlichen des Beklagten aufgrund der zu geringen Personalstärke und der ständig monatlich neu auflaufenden Mehrarbeits-/Zuvielarbeits-Stunden bei Aufstellung der Dienstpläne bewusst gewesen, dass die darin enthaltenen Mehrarbeitsstunden nicht binnen Jahresfrist unter anderem vom Kläger würden ausgeglichen werden können. Wäre diese regelmäßige monatliche Einteilung zu zahlenmäßig erheblichen Mehrarbeits-/Zuvielarbeits-Stunden vom Kläger förmlich gerügt worden, so hätte dies in der Praxis nichts daran geändert, dass der Kläger gleichwohl gezwungenermaßen weiterhin in den Dienstplänen zur Ableistung von Mehrarbeit/Zuvielarbeit verpflichtet worden wäre. Die von dem Beklagten in der Klageerwiderung bemüßigte Rügeobliegenheit wäre somit im konkreten Fall schlicht leergelaufen. Somit könne es aber nicht angehen, wenn der Beklagte unter Hinweis auf ein solch obsoletes, rechtstheoretisches Institut Ansprüche des Klägers auf Mehrarbeitsvergütung gemäß dem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch bestreiten wolle. Dem Kläger stehe dieser Anspruch vielmehr zu.
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Davon abgesehen, folge der Vergütungsanspruch des Klägers aber auch bereits aus Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG. Zwar ist zuzugeben, dass es sich bei den Regelungen zur Mehrarbeitsvergütung um eine Ausnahme vom Alimentationsprinzip handele. Gleichwohl seien gerade bei Anwendung dieser Vorschriften unabdingbar Wertungsgesichtspunkte zu beachten. Wie oben ausgeführt und unter Beweis gestellt, sei der Kläger gerade in Anbetracht der zu geringen Personaldecke bei der Justizvollzugsanstalt … bei der Einteilung der Dienste in den Dienstplänen regelmäßig monatlich mit (meist weit) mehr als fünf Mehrarbeitsstunden bedacht worden, weil der Anstaltsbetrieb anderenfalls nicht hätte aufrechterhalten werden können. In einer solchen Ausgangslage könnten an die Voraussetzungen für die Annahme einer Mehrarbeitsvergütung keine hohen Hürden gestellt werden. Es sei deshalb hier von einer verbindlichen Anordnung der Mehrarbeit durch die Dienstplaneinteilung auszugehen. Gegebenenfalls seien die Vorschriften der Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 BayBesG jedenfalls entsprechend anzuwenden.
41
Weiter werde nochmals zu bedenken gegeben, dass eine schlichte, zur Arbeitsunfähigkeit und später zur Dienstunfähigkeit führende Erkrankung eines Beamten nicht mit einem Dienstunfall verglichen werden könne, bei dem der Kläger aufgrund eines lebensbedrohlichen Angriffs im Dienst arbeitsunfähig und später dienstunfähig geworden sei und deshalb von vorneherein keinen Freizeitausgleich in Bezug auf die Mehrarbeitsstunden mehr habe nehmen können. Ein solcher Dienstunfall stamme sehr wohl aus der Sphäre des Dienstherrn; eine Dienstbefreiung sei somit aus zwingenden dienstlichen Gründen gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG nicht möglich gewesen. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch des Klägers sei unverändert begründet.
42
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid der Justizvollzugsanstalt … vom 2. Dezember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids dieser Behörde vom 26. November 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Vergütung der im Zeitraum von …2017 bis …2018 über die regelmäßige Dienstzeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden.
45
Ein solcher ergibt sich weder aus Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 BayBesG (dazu I.) noch aus einer analogen Anwendung dieser Vorschriften (dazu II.). Ebenso wenig ergibt sich ein Anspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (dazu III.) oder aus einer anderen nationalen oder unionsrechtlichen Anspruchsgrundlage (dazu IV.).
46
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der über die regelmäßige Dienstzeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden aus Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 BayBesG.
47
Gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 1 BayBG sind Beamte und Beamtinnen verpflichtet, ohne Entschädigung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Werden sie durch dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren (Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG). Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, so können an ihrer Stelle Beamte und Beamtinnen in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern eine Vergütung erhalten (Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG).
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Gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 1 BayBesG setzt eine Vergütung nach Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG voraus, dass sich die angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit auf konkrete, zeitlich abgrenzbare und messbare Dienste bezieht.
49
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Mehrarbeit der Dienst, den der einer Arbeitszeitregelung unterliegende Beamte aufgrund dienstlicher Anordnung oder Genehmigung zur Wahrnehmung der Obliegenheiten des Hauptamts oder, soweit ihm ein Amt nicht verliehen ist, zur Erfüllung der einem Hauptamt entsprechenden Aufgaben über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus - d.h. nicht im Rahmen des normalen Arbeitsumfangs - verrichtet. Die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit unterliegt keinem Schriftformerfordernis, sie muss sich aber auf konkrete und zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen; nicht erforderlich ist, dass im Zeitpunkt der Anordnung oder Genehmigung die Anzahl der zu leistenden oder bereits geleisteten Mehrarbeitsstunden bekannt ist. Der Dienstherr entscheidet über die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit nach Ermessen. Dabei hat er insbesondere zu prüfen, ob nach dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll. Rechtmäßige Mehrarbeit darf nur verfügt oder erteilt werden, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Danach zeichnet sich Mehrarbeit - neben der Notwendigkeit einer (zwangsläufig) individuellen Ermessensentscheidung, ob überhaupt, und falls ja, von wem Mehrarbeit zu leisten ist - vor allem dadurch aus, dass sie auf Ausnahmefälle beschränkt ist und über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgeht (BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 2 C 40/17 - juris Rn. 13 f. m.w.N.).
50
Bei Zugrundelegung dieser Maßgaben handelt es sich bei den vom Kläger unstreitig im Zeitraum von …2017 bis …2018 über die regelmäßige Dienstzeit hinaus geleisteten 176 Arbeitsstunden nicht um angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit im Sinne des Art. 87 Abs. 2 BayBG.
51
Der Kläger hat vorliegend über einen längeren Zeitraum hinweg ohne konkrete zeitliche Begrenzung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst geleistet, was mit dem Ausnahmecharakter der Mehrarbeit nach Art. 87 Abs. 2 Satz 1 BayBG nicht zu vereinbaren ist. Eine für die Anordnung von Mehrarbeit erforderliche einzelfallbezogene Entscheidung im oben beschriebenen Sinne hat der Beklagte vorliegend nicht getroffen. Insbesondere ist in der bloßen Aufstellung eines Dienstplans keine Anordnung von Mehrarbeit zu sehen, selbst wenn dieser zwingend zu einer Überschreitung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit führen musste (VG Bayreuth, U.v. 25.10.2016 - B 5 K 15.570 - juris Rn. 32) und der höhere Dienstvorgesetzte Kenntnis von der Einteilung hat (VG Augsburg, B.v. 14.2.2019 - Au 2 K 18.961 - juris Rn. 33 m.w.N.). Dass die Einteilung in den Dienstplan für den Kläger zwingend und aufgrund des bestehenden Personalengpasses zur Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Betriebs der Justizvollzugsanstalt erforderlich gewesen sein mag, ändert daran nichts. Die Aufstellung eines Dienstplans stellt allenfalls eine innerdienstliche Weisung dar, überhaupt Dienst zu tun, nicht aber eine Anordnung, Mehrarbeit zu leisten (OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 44). Ebenso wenig begründet allein die Kenntnis des Dienstherrn, dass ein Beamter über einen langen Zeitraum hinweg erhebliche Überstunden geleistet hat, eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit (vgl. BayVGH, B.v. 10.5.2019 - 3 ZB 17.275 - juris Rn. 6). Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer nachträglichen Genehmigung der von ihm geleisteten Überstunden als Mehrarbeit (BayVGH, B.v. 10.5.2019 - 3 ZB 17.275 - juris Rn. 6 m.w.N.). Die vom Dienstherrn zu treffende Ermessensentscheidung kann nur in einem relativ engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den die Mehrarbeit rechtfertigenden Umständen sachgerecht getroffen werden, so dass eine über einen längeren Zeitraum hinweg anfallende ständige Zuvielarbeit nicht nachträglich als Mehrarbeit genehmigt werden kann (BayVGH, B.v. 10.5.2019 - 3 ZB 17.275 - juris Rn. 6).
52
Da somit bereits der Anwendungsbereich des Art. 87 BayBG im vorliegenden Fall nicht eröffnet ist, kommt es auf die Frage, ob die nach Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG vorrangige Dienstbefreiung im Fall des Klägers aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich war (Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG), nicht mehr an.
53
Eine analoge Anwendung von Art. 87 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayBG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 BayBesG auf Fälle, in denen der Dienstherr den Beamten über eine lange Zeitspanne hinweg rechtswidrig zum Dienst über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus heranzieht, scheidet aus (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2003 - 2 C 28/02 - juris Rn. 20 f. zu § 72 Abs. 2 und 3 BBG in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung; OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 52 zu § 61 LBG NRW). Es fehlt die für eine Analogie erforderliche vergleichbare Interessenlage. Die Regelung des Art. 87 Abs. 2 BayBG ist auf Mehrarbeit im oben beschriebenen Sinne zugeschnitten. Diese darf nur für kurze Zeit und nur in Ausnahmefällen angeordnet werden. Dementsprechend zeigt die Festlegung der Zeitspanne, innerhalb derer die Mehrarbeit auszugleichen ist, einerseits, dass der Gesetzgeber die Ansammlung von Freizeitausgleichsstunden in größerer Zahl im Interesse eines kontinuierlichen Dienstbetriebs vermieden wissen will. Andererseits ist der innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmende Ausgleich auch ein Hinweis darauf, dass die vorgesehene Kompensation mit dem Ausnahmecharakter der auszugleichenden Mehrarbeit zusammenhängt: Die alsbaldige Realisierung des Ausgleichs soll eine rasche Rückkehr zur Normalität des Dienstablaufs möglich machen (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2003 - 2 C 28/02 - juris Rn. 20 f. zu § 72 Abs. 2 und 3 BBG in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung). In den Fällen einer beständigen Zuvielarbeit, die keine angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit darstellt, ist der Beamte zumindest dem Grunde nach auch nicht rechtlos gestellt. In solchen Fällen kann - vorbehaltlich des Vorliegens der Voraussetzungen - ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch nach Treu und Glauben bestehen (dazu III.).
54
Ein Anspruch des Klägers auf finanziellen Ausgleich der über die regelmäßige Dienstzeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden ergibt sich auch nicht aus dem auf den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB gestützten beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch.
55
1. Zwar kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben. Zieht der Dienstherr Beamte über die regelmäßige Dienstzeit hinaus zum Dienst heran, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind, so ist diese Inanspruchnahme rechtswidrig. Die Beamten haben einen Anspruch darauf, dass sie unterbleibt. Das Gesetz enthält keine Regelung der Konsequenzen, die eintreten, wenn der Dienstherr diese Unterlassungsverpflichtung verletzt. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass die rechtswidrige Festlegung einer Arbeitszeit, die über die normativ zulässige Arbeitszeit hinausgeht, ohne Folgen bleibt. Eine ohne jeden Ausgleich bleibende Mehrbeanspruchung des Beamten über einen langen Zeitraum würde Grundwertungen widersprechen, die in den Vorschriften des beamtenrechtlichen Arbeitszeitrechts zum Ausdruck kommen. Ein Wertungswiderspruch bestünde insbesondere zu den Regelungen über die Mehrarbeit, die - wie Art. 87 Abs. 2 BayBG - bei einer über die Wochenarbeitszeit hinausgehenden Beanspruchung in der Form kurzzeitiger Mehrarbeit von mehr als fünf Stunden pro Monat einen Freizeitausgleich vorsehen.
56
Auch wenn Art. 87 BayBG auf Fälle einer rechtswidrigen Heranziehung zu Zuvielarbeit nicht entsprechend anwendbar ist, lässt die Vorschrift doch erkennen, dass Überschreitungen der regelmäßigen Arbeitszeit den Beamten nicht prinzipiell ohne jeglichen Ausgleich durch Dienstbefreiung zugemutet werden sollen. Eine kompensationslose Benachteiligung der mehrbeanspruchten Beamten wäre zudem mit dem sozialen Zweck der Arbeitszeitregelung einschließlich des Ausgleichs der Überbeanspruchung durch Dienstbefreiung schwerlich vereinbar. Art. 87 BayBG ist deshalb nach Treu und Glauben in einer Weise zu ergänzen, welche die beiderseitigen Interessen zu einem billigen Ausgleich bringt und dabei dem Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung gerecht wird. Dies bedeutet, dass Beamte, die Dienst mit einer rechtswidrig festgesetzten Wochenstundenzahl leisten mussten, Anspruch auf eine angemessene Dienstbefreiung haben (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2003 - 2 C 28/02 - juris Rn. 20 f. zu § 72 Abs. 2 und 3 BBG in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung; OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 52 zu § 61 LBG NRW).
57
2. Allerdings kann sich der Kläger vorliegend auf einen solchen beamtenrechtlichen Ausgleichanspruch nicht berufen. Denn unabhängig davon, ob die Zuvielarbeit rechtswidrig gewesen ist, hat der Kläger diese jedenfalls nicht schriftlich gerügt.
58
a) Voraussetzung für einen finanziellen Ausgleichsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass er vom Beamten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist demnach (nur) die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (st. Rspr., vgl. BVerwG, B.v. 2.4.2019 - 2 B 43/18 - juris Rn. 10; U.v. 20.7.2017 - 2 C 31/16 - juris Rn. 43; v. 17.11.2016 - 2 C 28/15 - juris Rn. 12; v. 17.9.2015 - 2 C 26/14 - juris Rn. 25; v. 26.7.2012 - 2 C 29/11 - juris Rn. 26; v. 29.9.2011 - 2 C 32/10 - juris Rn. 19).
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Hierzu führt das Bundesverwaltungsgericht aus: Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen einer vorherigen Geltendmachung. Denn hier ist eine vorgängige Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich. Für Ansprüche wegen rechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, U.v. 17.9.2015 - 2 C 26/14 - juris Rn. 27 f.). Insofern folgt die Rügeobliegenheit aus der allgemein bei Rechtsverletzungen geltenden Schadensminderungspflicht des Gläubigers. Sie ist zugleich Ausdruck des Grundsatzes, dass Beamte auf die finanziellen Belastungen des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung Rücksicht nehmen müssen (BVerwG, U.v. 26.7.2012 - 2 C 29/11 - juris Rn. 28). Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der schriftlichen Äußerung ergibt, dass der Beamte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, U.v. 17.9.2015 - 2 C 26/14 - juris Rn. 29).
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b) Unter diesen Maßgaben hat der Kläger keinen Anspruch auf finanziellen Ausgleich seiner zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden. Er hat die Zuvielarbeit nicht gerügt. Unabhängig davon, ob das Schreiben des Klägers vom 18. Dezember 2018 mit dem Betreff „Antrag auf Auszahlung meiner Überstunden/Mehrarbeit“ beim Beklagten eingegangen ist, stellt dieses jedenfalls keine rechtzeitige Rüge der geleisteten Zuvielarbeit im streitgegenständlichen Zeitraum dar. Denn wie oben ausgeführt, ist nur die Zuvielarbeit auszugleichen, die nach der schriftlichen Geltendmachung geleistet worden ist.
61
c) Die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte schriftliche Rüge war im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise entbehrlich (so aber das VG Düsseldorf in einem ähnlich gelagerten Fall, U.v. 4.5.2016 - 13 K 5760/15 - juris Rn. 53 ff.).
62
Soweit der Kläger vorträgt, dass dem Dienstherrn der Personalengpass und das deshalb erforderliche Ableisten von Überstunden bewusst gewesen sei, macht dies die Rüge nicht entbehrlich. Denn Sinn und Zweck der Rüge ist es nicht, den Dienstherrn über die Zuvielarbeit in Kenntnis zu setzen, sondern vielmehr diesen zur Prüfung einer Abhilfemöglichkeit zu veranlassen (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 - 2 C 26/14 - juris Rn. 28; OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 67). Der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt demnach nicht schon in dem Herbeiführen oder Dulden von Zuvielarbeit, sondern erst darin, dass der Dienstherr auf eine entsprechende Rüge hin weder den rechtswidrigen Zustand abstellt noch Freizeitausgleich gewährt (vgl. OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 66). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach dem Vortrag des Klägers der Dienstherr selbst die Dienstpläne unter Heranziehung von Überstunden aufgestellt hat, um den Personalengpass aufzufangen. Denn der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch nach Treu und Glauben setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (lediglich) eine rechtswidrige Zuvielarbeit und eine Rüge voraus, nicht hingegen eine weitere Abwägung. Es kommt daher auch nicht darauf an, wer für bestehende rechtswidrige Zustände (mit-)verantwortlich ist (OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 66).
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Ebenso wenig kann der Kläger mit dem Einwand durchdringen, dass der Dienstherr aufgrund der Personalsituation gar nicht in der Lage gewesen wäre, die Dienstpläne anzupassen, weswegen in einer solchen Situation die Rügeobliegenheit zur bloßen Förmelei verkomme. Die Rüge soll dem Dienstherrn gerade die Möglichkeit zur Prüfung geben, ob und inwieweit eine rechtswidrige Zuvielarbeit vermieden oder durch Dienstbefreiung ausgeglichen werden kann. Ob der Dienstherr tatsächlich eine solche Prüfung vornimmt bzw. zu welchem Ergebnis diese Prüfung führt, ist allein dem Dienstherrn vorbehalten. Erst wenn dieser den Beamten trotz Rüge (weiterhin) zur Zuvielarbeit heranzieht und keinen Freizeitausgleich gewährt, muss er einen Ausgleich in finanzieller Form leisten. In einem solchen Fall kann sich der Dienstherr dann nicht mehr darauf berufen, dass ein finanzieller Ausgleich nicht vorgesehen sei (OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 63). Ohne einen entsprechenden Hinweis muss der Dienstherr jedoch gerade nicht davon ausgehen, dass jeder Beamte die Überschreitung der Regelarbeitszeit beanstanden wird. Dies gilt umso mehr, als die betreffenden Beamten in der Regel durchaus ein Interesse daran haben, durch den Aufbau von Überstunden einen neben dem Urlaubsanspruch bestehenden Freizeitausgleich zu gewinnen. Hätte der Kläger die Zuvielarbeit rechtzeitig gerügt, hätte der Beklagte zumindest die Möglichkeit gehabt, nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, um einen Ausgleich für die Zuvielarbeit gewähren zu können. Ob ein Freizeitausgleich angesichts einer angespannten Personalsituation überhaupt möglich wäre, kann nicht im Voraus vom Beamten beurteilt werden, sondern unterliegt allein einer Prüfung des Dienstherrn, welche diesem durch die Rüge aber überhaupt erst ermöglicht werden muss. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es nach dem Vortrag des Beklagten in den letzten Jahren innerhalb der Justizvollzugsanstalt … durchaus gelungen ist, die in den Vorjahren angefallenen Überstunden abzubauen.
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Selbst wenn im vorliegenden Fall - wie der Kläger vorträgt - tatsächlich bereits bei der Aufstellung der Dienstpläne klar gewesen sein sollte, dass eine Dienstbefreiung nicht zeitnah gewährt werden kann, wäre eine Rüge des Klägers deshalb nicht entbehrlich, sondern vielmehr erst recht angezeigt gewesen. Ohne Rüge trägt der Beamte das Risiko, dass ein Freizeitausgleich aufgrund einer Erkrankung oder der Versetzung in den Ruhestand, mithin also aus persönlichen Gründen nicht mehr gewährt werden kann und ein finanzieller Ausgleich mangels Rüge ebenfalls ausscheidet. Unter diesem Blickwinkel besteht auch kein schützenswertes Vertrauen des Beamten dahingehend, dass der Dienstherr ihn nicht ohne Freizeitausgleich oder Vergütung zum Dienst heranziehen wird.
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Den bereits erörterten Sinn und Zweck der Rüge zugrunde gelegt, geht auch der Einwand des Klägers fehl, es handele sich um ein widersprüchliches Verhalten des Dienstherrn, wenn er wegen einer bestehenden Personalknappheit wie selbstverständlich verbindliche Dienstpläne unter Rückgriff auf eine Zuvielarbeit des Klägers anordne, sich im Fall der Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs aber darauf zurückziehen wolle, dass eine schriftliche Rüge des Beamten hätte erfolgen müssen. Wie bereits ausgeführt, muss der Dienstherr ohne eine Rüge nicht von einer Missbilligung der Zuvielarbeit durch jeden Beamten ausgehen. Insofern würde es vielmehr umgekehrt eine unzulässige Ausübung eines „dulde und liquidiere“ darstellen, wenn der Beamte einerseits eine rechtswidrige Zuvielarbeit über einen langen Zeitraum hinweg ohne Beanstandung hinnimmt und andererseits dann, wenn ein Freizeitausgleich nicht mehr gewährt werden kann, einen finanziellen Ausgleich begehrt (vgl. OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 61). Wie der Ausgleichsanspruch im Rahmen einer Mehrarbeit ist auch der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch zunächst nur auf eine Dienstbefreiung gerichtet. Nur wenn eine solche nicht möglich ist, kommt ein finanzieller Ausgleich in Betracht. Dem Beamten steht also gerade kein Wahlrecht zwischen dem Freizeitausgleich und einem Ausgleich in Geld zu (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 - 2 C 26/14 - juris Rn. 39; OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 61). Vor diesem Hintergrund ist ein widersprüchliches Verhalten des Beklagten nicht erkennbar.
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Im vorliegenden Fall kann auch nicht deshalb etwas anderes gelten, weil die eingetretene Dienstunfähigkeit des Klägers auf einem Dienstunfall beruht. Wie bereits ausgeführt, ist eine weitere Abwägung für den beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vorgesehen. Die Rügeobliegenheit besteht unabhängig davon, weshalb die Gewährung von Freizeitausgleich nicht (mehr) möglich war. Dies liegt darin begründet, dass im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit die Zuvielarbeit bereits vor ihrer Verrichtung beanstandet werden muss, um bei Nichtgewährung einer Dienstbefreiung einen finanziellen Ausgleichanspruch geltend machen zu können. Hat ein Beamter ohne vorherige Beanstandung Zuvielarbeit geleistet, kann es für die Frage, ob ein finanzieller Ausgleichanspruch besteht, demnach nicht darauf ankommen, aus welchen Gründen die Gewährung von Freizeitausgleich nicht möglich war. Unter diesem Blickwinkel können etwaige Billigkeitserwägungen trotz der dem Fall zugrunde liegenden Tragik des Einzelschicksals des Klägers keine Berücksichtigung finden.
67
Auch eine andere Rechtsgrundlage, aus der sich ein Anspruch des Klägers auf finanziellen Ausgleich ergeben könnte, ist nicht ersichtlich.
68
1. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 45 BeamtStG, da eine hierfür erforderliche Verletzung in ihrem Wesenskern durch eine unzumutbare Belastung des Klägers nicht ersichtlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2003 - 2 C 28/02 - juris Rn. 16; OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 71 f. m.w.N.)
69
2. Ein Schadensersatzanspruch scheidet ebenfalls aus, da es an einem zu ersetzenden Schaden im Sinne der §§ 249 ff. BGB fehlt. Der zur Leistung zusätzlichen Dienstes erbrachte zeitliche Aufwand und der damit verbundene Verlust von Freizeit stellt keinen durch Geld zu ersetzenden materiellen Schaden dar (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2003 - 2 C 28/02 - juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 10.5.2019 - 3 ZB 17.275 - juris Rn. 10; OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 73).
70
3. Auch im Wege eines Folgenbeseitigungsanspruchs kann der Kläger einen finanziellen Ausgleich nicht verlangen. Ein solcher ist lediglich auf die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands, nicht aber auf die Gewährung einer finanziellen Entschädigung gerichtet (vgl. OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 74 f. m.w.N).
71
4. Ebenso wenig ergibt sich ein Anspruch aus einem auf dem Bereicherungsrecht beruhenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Die zusätzliche Arbeitsleistung des Klägers stellt keine rechtsgrundlos erlangte Bereicherung des Dienstherrn dar, da die Besoldung nicht in einem unmittelbaren Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung steht (OVG Münster, U.v. 12.4.2018 - 6 A 1422/16 - juris Rn. 76 f. m.w.N.)
72
5. Ein unionsrechtlicher Ausgleichsanspruch wegen Zuvielarbeit scheidet jedenfalls wegen des Fehlens der - für diesen ebenfalls erforderlichen - Rüge des Klägers aus (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 - 2 C 26/14 - juris Rn. 25).
73
Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
74
Für eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO bestand daher kein Raum.
75
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
76
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.