Inhalt

VG München, Urteil v. 19.03.2021 – M 9 K 20.688
Titel:

Nutzungsuntersagung - gewerbliche Bettenvermietung im Wochenendhausgebiet

Normenketten:
BayBO Art. 76
BauNVO § 10
Leitsatz:
Ebensowenig wie eine Nutzung zum Dauerwohnen ist eine gewerbliche Bettenvermietung mit der Genehmigung als Wochenendhaus und mit dem Bebauungsplan eines Wochenendhausgebietes vereinbar. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nutzungsuntersagung, Wochenendhausgebiet, Gewerbliche Zimmervermietung, illegale Ausbauten und Erweiterungen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 17256

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen die Nutzungsuntersagung für ein entgegen der Baugenehmigung und entgegen dem Bebauungsplan ausgebautes Wochenendhaus auf FlNr. … (Gemarkung …).
2
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks. Das Haus wurde mit Baugenehmigung vom 22. Juni 1995 und 17. Juli 1997 als Wochenendhaus mit angebauter Garage, unterkellert, Dachgeschoß nicht ausgebaut, genehmigt. Das Grundstück der Kläger befindet sich im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplans Nr. 3 „… …str.“ vom 19. Dezember 1976, der ein Wochenendhausgebiet nach § 10 BauNVO 1968 vorsieht. Als Maß der baulichen Nutzung ist im Bebauungsplan eine überbaubare Grundfläche von maximal 90 m² zuzüglich einer mit dem Haus verbundenen Garage festgesetzt, § 3. Dachgeschosse dürfen nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 nicht ausgebaut werden. Die Baugenehmigung vom 26.6.1995 enthält unter Nr. 4 die Auflage, dass der Bebauungsplan Nr. 3 „… …“ mit seinen Festsetzungen bei der Bauausführung zu beachten und einzuhalten ist, sowie den Hinweis, dass der Bebauungsplan für das Gebiet ein „Wochenendhausgebiet“ erfasst, das nicht zum dauernden Wohnen, sondern nur zum zeitweiligen Aufenthalt dient.
3
Nach dem mit Bescheid vom 29.4.1997 die Bauarbeiten zur Errichtung eines Wochenendhauses wegen planabweichender Bauausführungen zunächst eingestellt wurden, genehmigte das Landratsamt mit Bescheid vom 22.7.1997 den eingereichten Tekturantrag für die Überdachung zwischen Wochenendhaus und Garage. Nach den genehmigten Plänen waren Dachgeschoss und Keller nicht zur Wohnnutzung ausgebaut.
4
Mit Kaufvertrag vom 9. Juni 2009 erwarben die Kläger das Grundstück. Mit Schreiben vom 21. Januar 2010 wies das Landratsamt die Kläger darauf hin, dass das erworbene Objekt in einem Gebiet liege, für das der rechtsverbindliche Bebauungsplan Nr. 3 „… …“ ein Wochenendhausgebiet festsetze; wesentlicher Gebietscharakter sei hier, dass Wohnen nur am Wochenende oder zu Ferienzwecken zulässig sei, d.h. der Aufenthalt dürfe nur zeitlich begrenzt und nicht dauernd sein.
5
Mittlerweile ist das Haus ausgebaut und war Gegenstand mehrerer Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München, u.a. wegen einer Betretensanordnung. Ausweislich der Akten, der darin befindlichen Fotografien und der durchgeführten Ortseinsicht (Blatt 498 Behördenakte) befinden sich im Dachgeschoss des Hauses und der Garage zwei Bäder und mehrere Zimmer. Im Kellergeschoss befinden sich zwei Wohneinheiten mit jeweils zwei Räumen, möbliert, mit jeweils drei Übernachtungsmöglichkeiten. Im Erdgeschoss wurde die Garage ebenfalls zu einer Wohneinheit mit zwei Betten, einem Waschraum mit Waschmaschinen und einer rudimentären Küche ausgebaut.
6
Ausweislich der Akten (Blatt 478 Behördenakte) hat die Klägerin unter der Adresse Monteurzimmer für eine bis maximal 25 Personen zu 18 Euro täglich annonciert. Die Annonce stammt nach dem Datum des Ausdrucks vom September 2018.
7
Mit Bescheid vom 14.1.2020 untersagte der Beklagte gegenüber dem Kläger unter Ziffer 1.1 die Nutzung des Hauses und des Dachgeschosses der Garage zu Wohnzwecken zu nutzen oder nutzen zu lassen. Unter Ziffer 1.2 wurde untersagt, die beiden Appartements im Keller abweichend von der Genehmigung zu nutzen oder nutzen zu lassen. Unter Ziffer 1.3 wurde die Nutzung der Garage zu Wohnzwecken untersagt. Als Frist wurden jeweils drei Wochen ab Bestandskraft eingeräumt. Unter Ziffer 2 wurde die Klägerin zur Duldung verpflichtet und unter Ziffer 3 und 4 Zwangsgelder in Höhe von je 1500 Euro angedroht. Die Nutzung verstoße gegen den Bebauungsplan und die Baugenehmigung. Die Ortseinsicht habe ergeben, dass das Wochenendhaus umfangreich ausgebaut wurde. Es stehe auch bereits aufgrund eines früheren Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht München (M 9 K 14.1887) außer Zweifel, dass der tatsächliche Nutzungsumfang deutlich von der Baugenehmigung abweiche. Eine Kontrolle von außen und eine Begehung am 17.9.2019 hätten dies bestätigt. Formelle Rechtswidrigkeit liege vor und genüge grundsätzlich für die angeordnete Nutzungsuntersagung. Die Nutzungsuntersagung entspräche pflichtgemäßem Ermessen und sei geeignet sowie das mildeste Mittel, um die rechtswidrige Nutzung zu untersagen. Die Kläger seien Störer nach Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 LStVG. Der Kläger sei sowohl Eigentümer des Grundstücks als auch Bauherr und die Klägerin als Miteigentümerin zur Duldung verpflichtet. Das Ehepaar besitze mehrere Anwesen in diesem Wochenendhausgebiet und habe in fast allen Fällen zusätzliche Wohnräume und Wohnungen ohne Genehmigungen eingebaut und vermietet.
8
Die Bevollmächtigte der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 17. Februar 2020 Klage und beantragte,
9
Aufhebung der Ziffern 1, 1.1, 1.2 sowie Ziffer 2 und Ziffern 4 bis 6 des Bescheids vom 14.1.2020.
10
Die Kläger würden sich auf Vertrauens- und Bestandsschutz berufen, da der konkrete bauliche Zustand des Anwesens so übernommen wurde und folglich seit Mitte der 90er-Jahre bestehe. Gegenständlich sei daher eine jahrzehntelange Duldung. Deshalb sei der Bescheid rechtswidrig und aufzuheben.
11
Der Beklagte beantragte,
12
Klageabweisung.
13
Bei einer Baukontrolle abends gegen 19.00 Uhr habe ein Bewohner geöffnet und bestätigt, dass sich im Haus 21 Personen befänden, die alle bei derselben Firma arbeiteten und von dieser dort untergebracht worden seien. Die Besichtigung habe am 15.3.2018 stattgefunden.
14
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
15
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte sowie auf die Entscheidungen vom selben Tage sowie die Akten in den Verfahren M 9 K 19.3059, M 9 K 19.3060 und M 9 K 19.3062 verwiesen; ergänzend wird Bezug genommen auf frühere Verfahren der Kläger wegen des Hauses auf dieser FlNr. … (* …*) M 9 K 13.5329, M 9 K 14.1887, M 9 K 16.2327 sowie die zahlreichen Parallelverfahren.

Entscheidungsgründe

16
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
17
Der Bescheid vom 14.1.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Die Nutzungsuntersagung und die Duldungsanordnung sind rechtmäßig.
18
Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung von baulichen Anlagen untersagt werden, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Im vorliegenden Fall wird das umfangreich ausgebaute Wochenendhaus zu anderen als den genehmigten Zwecken genutzt. Die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO liegen nach der hier maßgeblichen Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Gründe des Bescheids vom 14. Januar 2020 Bezug genommen. Ergänzend gilt folgendes:
19
Aufgrund der früheren Gerichtsverfahren mit Beweiserhebung durch Augenschein sind der Kammer die baulichen Veränderungen im Vergleich zur ursprünglichen Baugenehmigung bekannt. Auch die Bilder in den Bauakten zeigen den fortlaufenden Ausbauzustand. Zweifel am Ergebnis der Feststellungen bei der Begehung durch die Bevollmächtigte der Kläger und Vertreter des Landratsamts bestehen daher keine. Nach der hier gegebenen Sachlage hat das Gericht auch keine Zweifel daran, dass aktuell kein genehmigtes Haus auf dem Grundstück steht, da als Folge der illegalen Ausbauten und Erweiterungen die ursprüngliche Baugenehmigung keine Genehmigungswirkung mehr hat.
20
Die Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung, Art. 76 S.2 BayBO liegen vor. Unter Heranziehung des Ausbauzustandes mit mehreren Wohneinheiten und unter Berücksichtigung der Annonce als Monteurunterkunft für bis zu 21 Personen ist die Nutzung durch die Kläger bereits deshalb baurechtswidrig, weil es sich um eine gewerbliche Nutzung handelt. Unter Berücksichtigung der Zahl der Zimmer und der Größe des Hauses einschließlich der ausgebauten Garage ist die Unterbringung von 21 Personen keine Wohnnutzung mehr, da die Enge keine Wohnstatt im Alltag mit Rückzugsmöglichkeit ermöglicht. Ebensowenig wie eine Nutzung zum Dauerwohnen ist eine gewerbliche Bettenvermietung mit der Genehmigung als Wochenendhaus und mit dem Bebauungsplan eines Wochenendhausgebietes vereinbar. Die durch die Kläger vorgenommene Nutzungsänderung ist daher nicht nur formell, sondern auch materiell rechtlich rechtswidrig und baurechtlich in einem als Wochenendhausgebiet festgesetzten Sondergebiet, § 10 BauNVO 68 unzulässig. Anhaltspunkte dafür, dass die Nutzung als Monteurunterkunft genehmigungsfähig ist, bestehen auch vor dem Hintergrund der umfangreichen Ausbaumaßnahmen keine. Ermessensfehler sind ebenfalls keine erkennbar, § 114 VwGO.
21
Der Vortrag der Bevollmächtigten der Kläger, diese könnten sich auf Vertrauens- und Bestandsschutz berufen, verkennt die Sach- und Rechtslage. Den Klägern wurde bereits kurz nach Erwerb des Grundstücks mitgeteilt, dass es sich um ein Wochenendhaus handelt und welche Konsequenzen dies für die Nutzung hat. Im Übrigen wurde nach dem Ergebnis der Augenscheine in früheren Verfahren und nach Aktenlage ein weiterer Ausbau durch Einbau weiterer Wohneinheiten vorgenommen. Auch die aktuelle Nutzung ist in Kenntnis dessen, dass es sich um ein Wochenendhaus handelt, erfolgt. Der Ausbau und die zimmerweise Vermietung werden geschäftsmäßig betrieben, wie eine Vielzahl paralleler Verfahren zeigt.
22
Die Klägerin zu 2) war zur Duldung zu verpflichten, da sie Miteigentümerin ist und nach Aktenlage in die gewerbliche Bettenvermietung mit eingebunden war, Art. 76 S.2 BayBO. Im Rahmen der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle von Ermessensentscheidungen, § 114 VwGO, ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Klägerin nur zur Duldung verpflichtet wurde da dies im Vergleich zur Nutzungsuntersagung als Zustandsstörer ein geringerer Eingriff ist. Gegen die Inanspruchnahme des Klägers zu 1) als Handlungs- und Zustandsstörer bestehen vor dem Hintergrund, dass dieser in der Vergangenheit gegenüber der Behörde als Handelnder allein aufgetreten ist, keine.
23
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich damit auch in kein Kostenrisiko begeben. Es entspricht damit der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selber trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.