Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 06.05.2021 – W 5 K 20.1466
Titel:

Erfolglose Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit versammlungsrechtlicher Beschränkungen

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
12. BayIfSMV § 7 Abs. 1 S. 3
GG Art. 8 Abs. 1
BayVwVfG Art. 35
Leitsätze:
1. Eine Wiederholungsgefahr setzt zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Veranstalter voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Wiederholungsgefahr besteht mit Blick auf eine behördlich angeordnete Maskenpflicht nicht, wenn diese nunmehr durch § 7 Abs. 1 S. 3 der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vorgegeben ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Textpassage in einem versammlungsrechtlichen Bescheid, wonach es ermöglicht werden soll, dass alle Teilnehmer ihre Teilnahme mit Name, Vorname, gegebenenfalls Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer erfassen können, stellt eine Empfehlung und keinen Verwaltungsakt dar. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
besonderes Feststellungsinteresse, Wiederholungsgefahr, Versammlung, Querdenken, Beschränkung, Maskenpflicht, Erfassung der Teilnehmer, Empfehlung, Feststellungsinteresse, Erfassung, Verwaltungsakt, Teilnehmer
Fundstelle:
BeckRS 2021, 16991

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit versammlungsrechtlicher Beschränkungen.
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1. Am 16. September 2020 wurde per E-Mail gegenüber der Beklagten die Durchführung einer öffentlichen Versammlung in A. am 27. September 2020 zu dem Thema „Querdenken - friedliche Versammlung für Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte“ mit einer Teilnehmerzahl von 1.500 Personen angezeigt. Geplant war eine Auftaktkundgebung auf dem Volksfestplatz in der Zeit von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr und ein anschließender Aufzug durch die Aschaffenburger Innenstadt bis ca. 18:00 Uhr. Am 22. September 2020 fand ein Kooperationsgespräch statt.
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2. Mit Bescheid vom 22. September 2020 legte die Beklagte auf Grundlage von Art. 15 BayVersG der Klägerin u.a. folgende Beschränkungen auf:
„9. Ergänzend sind folgende Infektionsschutzmaßnahmen einzuhalten:
a) Zwischen allen Teilnehmern muss durchgängig ein Mindestabstand von 1,5 m gewahrt und jeder Körperkontakt mit Versammlungsteilnehmern oder Dritten vermieden werden, wozu auch gehört, dass keine Flugblätter, Flyer oder sonstige Gegenstände verteilt werden.
b) Es soll ermöglicht werden, dass alle Teilnehmer [i]hre Teilnahme mit Name, Vorname, ggf. Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer erfassen können (z.B. Auslegen von Listen, Box für Visitenkarte / Zettel). Es ist aktiv auf die Erfassungs-/Eintragungsmöglichkeit hinzuweisen. Die Daten der Teilnehmer sind auf Anforderung dem Gesundheitsamt zur Verfügung zu stellen. Unabhängig davon sind die Daten nach 4 Wochen zu vernichten.
c) Es besteht während der gesamten Versammlung die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Sinn der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen (Maskenpflicht). Das Tragen von Masken vom Betreten bis zum Verlassen des Versammlungsortes auch außerhalb der Versammlung wird empfohlen. Während der stationären Versammlung sind Redner von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit, soweit sie einen Mindestabstand von 2 m zu den restlichen Versammlungsteilnehmern haben.“
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Zur Begründung wurde u.a. Folgendes ausgeführt: Für die Veranstaltung seien gemäß Art. 15 BayVersG die aufgeführten Beschränkungen zu erlassen gewesen. Gemäß § 7 Nr. 2 der 6. BayIfSMV habe die zuständige Behörde durch entsprechende Beschränkungen sicherzustellen, dass die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt blieben. Gemäß § 7 Nr. 1 der 6. BayIfSMV müsse bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes zwischen allen Teilnehmern ein Mindestabstand von 1,5 m gewahrt werden. Neben dem Schutz der Teilnehmer und Passanten vor einer Infektion mit dem Coronavirus sei es erforderlich, dass im Fall der Beteiligung eines mit dem Virus Infizierten mögliche Infektionsketten klein gehalten würden und die Infektionskette rasch unterbrochen werden könne. Es sei daher infektionsschutzrechtlich erforderlich und angemessen, das Auslegen einer Liste oder andere Möglichkeiten zur Erfassung der Teilnehmer zumindest zu empfehlen. Bei der Datenerhebung sei über den Verwendungszweck und den Datenschutz zu informieren. Das Recht auf anonyme Teilnahme an einer Versammlung sowie das Recht des Versammlungsleiters, Personen von der Teilnahme auszuschließen, bleibe unberührt. Jedenfalls ab einer Teilnehmerzahl von 200 Personen sei in der Regel Maskenpflicht anzuordnen. Es werde von Seiten der Versammlungsbehörden mit deutlich mehr als 200 Teilnehmern gerechnet. Bei großen Versammlungen sei immer wieder damit zu rechnen, dass die erforderlichen Mindestabstände nicht eingehalten werden könnten und es steige mit der Teilnehmerzahl das Risiko, dass Infektionsketten nicht oder nicht mehr zeitnah nachverfolgt werden könnten. Bei steigenden Infektionszahlen sei mit weiteren Einschränkungen für die Bevölkerung in der Stadt zu rechnen sowie mit einer zunehmenden Belastung des Gesundheitssystems. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit seien aber unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen infektionsschutzrechtlich vertretbar.
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3. Die Klägerin erhob am 24. September 2020 unter dem Az. W 5 K 20.1402 Klage gegen die unter Ziffer 9.b und c ausgesprochenen Bestimmungen und beantragte im Verfahren W 5 S 20.1403, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Zur Begründung führte sie insbesondere aus: Für die Erfassung von persönlichen Daten der Teilnehmer nach Maßgabe von Ziffer 9.b. der Beschränkungen fehle es in § 7 der 6. BayIfSMV an einer Rechtsgrundlage. Wie eine dem Datenschutz genügende Liste auf einer Versammlung so geführt und verwahrt werden könne, dass Dritte sie nicht einsehen könnten, lasse die Beklagte offen. Die in Ziffer 9.c der Beschränkungen angeordnete Maskenpflicht sei von der Rechtsgrundlage des § 7 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 der 6. BayIfSMV nicht gedeckt. Alle Interessen zum Schutz der Allgemeinheit, auch der Versammlungsteilnehmer selbst, seien gewahrt, weil die Abstandsgebote eingehalten würden. Der Bescheid enthalte keinen Passus für den Fall, dass nicht mehr als 200 Personen an der Versammlung teilnehmen würden. Selbst für Versammlungen von über 200 Personen sehe der Verordnungsgeber nur in der Regel eine Maskenpflicht vor. Hier gebiete es das der Behörde eröffnete Ermessen, konkrete Angaben zum Fall zu machen. Dieses Ermessen sei nicht ausgeübt worden. Die Erwägungen der Behörde zur erwarteten Teilnehmerzahl von 1.500 Personen seien nicht stichhaltig. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei durch Beachtung des Abstandsgebots Genüge getan. Zudem könne die Behörde angesichts der Größe des Volksfestplatzes eine noch größere Versammlungsfläche ausweisen. Für den Demonstrationszug durch die Stadt gelte ebenfalls die Maskenpflicht, obwohl die Menschen sich unter Wahrung des Abstandsgebots verteilen könnten.
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Mit Beschluss vom 25. September 2020 lehnte das Bayer. Verwaltungsgericht Würzburg den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (W 5 S 20.1403) ab. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss vom 25. September 2020 Bezug genommen.
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Nachdem die Parteien den Rechtsstreit im Verfahren W 5 K 20.1402 übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, stellte die Kammer mit Beschluss vom 6. Oktober 2020 das Verfahren ein.
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4. Am 30. September 2020 ließ die Klägerin Klage erheben mit dem  A n t r a g,
die Rechtswidrigkeit der Verfügungen und Beschränkungen zu Ziffern I.9.b und I.9.c des Bescheides der Beklagten vom 22. September 2020, Aktenzeichen 2/3220-hi festzustellen.
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Zur Begründung der Klage wurde auf die Ausführungen im Verfahren W 5 K 20.1402 verwiesen und vorgetragen, dass die im Beschluss des Gerichts vom 25. September 2020 im Verfahren W 5 S 20.1403 gemachten Ausführungen nicht überzeugen würden. In der Verfügung in Ziffer 9.b seien zwei Rechtsverhältnisse geregelt: dasjenige zwischen der Beklagten zu der Klägerin als Versammlungsleiterin und dasjenige der Versammlungsleiterin zu den Versammlungsteilnehmern. Das „Ermöglichen“, das „Soll“ beziehe sich auf das Verhältnis zwischen Versammlungsleiterin und -teilnehmern. Im Verhältnis Behörde/Versammlungsleiterin seien aber, sobald Daten kraft Empfehlung gesammelt seien, eindeutig Pflichten der Klägerin gegenüber der Beklagten geknüpft. Im Eilverfahren sei die Verfügung vom Gericht insgesamt als Empfehlung gesehen worden. Somit habe in der Folge von Satz 1 der Verfügung auch keine Verpflichtung aus den folgenden Sätzen 2 und 3 bestanden. Dies sei aber im Bescheid nicht klar definiert worden. Angaben zur Rechtmäßigkeit/Rechtswidrigkeit solcher Textpassagen auf Ebene der Begründetheit seien unentbehrlich. Wenn das Beispiel Schule mache, würden alle Versammlungsleiter dann aufgefordert oder es werde ihnen „empfohlen“, Daten zu erheben. Gleich zu Beginn der Versammlung sei der anwaltliche Beistand der Versammlungsleiterin vom Einsatzleiter der Polizei darauf hingewiesen worden, dass alle Personen, die ein maskenbefreiendes Attest ohne Diagnose hätten, angezeigt würden. In der Folge seien alle Atteste zur Beweissicherung abfotografiert worden. Es werde starr der Mindestabstand von 1,5 m gefordert, ebenso starr die Teilnehmerzahl von mehr als 200 Teilnehmern als Maßstab dafür angewandt, dass Masken zu tragen seien und nun ebenso starr festgelegt, dass ein Maskenattest eine Diagnose enthalte. Es werde jeweils das Maximum gefordert. Was dringend geklärt werden müsse, sei die Frage, ob wirklich an allen Stellen alle rechtlich möglichen Beschränkungen ausgeschöpft werden dürften. Wenn zwei oder drei Meter Abstand pro Versammlungsteilnehmer zur Verfügung stünden, greife nicht automatisch die Regel, ab 200 Versammlungsteilnehmern eine Maske zu tragen oder umgekehrt. Maximale Anforderungen in mehreren Bereichen ließen kein Ermessen erkennen.
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5. Demgegenüber beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung des Abweisungsantrags wurde vorgetragen: Die Klage möge zulässig sein, sie sei aber unbegründet, da die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Ziffern I.9.b und I.9.c des Bescheids vom 22. September 2020 gegeben sei. Zur erstgenannten Ziffer sei auszuführen, dass es Ziel der Namensliste sei, Infektionsketten klein zu halten. Mit dem Grundgesetz vereinbar sei das Gebot freiwilliger Angaben zur Identität. Hierfür sei es angemessen und erforderlich, dass die Versammlungsteilnehmer wissen, wo und wie sie sich erfassen lassen können und im Vorfeld ausreichend Vorbereitungen getroffen werden können, um sich rasch und unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben erfassen zu können. Es solle durch die Anordnung ermöglicht werden, dass alle Teilnehmer ihre Teilnahme mit Name, Vorname, ggf. Geburtsdatum, Adresse und Telefonnummer erfassen können. Es sei aktiv auf die Erfassungs-/Eintragungsmöglichkeit hinzuweisen. Nach der zum Zeitpunkt der Versammlung gültigen 6. BayIfSMV sei jedenfalls ab einer Teilnehmerzahl von 200 Personen in der Regel Maskenpflicht anzuordnen. Dies sei nicht alternativ zur Abstandsregelung zu sehen, sondern stelle einen komplementären Bestandteil eines einheitlichen Schutzkonzepts dar. Hinsichtlich der Kontrolle der Maskenpflicht sei darauf hinzuweisen, dass gerade bei Versammlungen gegen Corona-Maßnahmen zu befürchten sei, dass Versammlungsteilnehmer versuchten, sich der Maskenverpflichtung unberechtigt zu entziehen. Die Maßnahmen, mit denen Personen überzogen worden seien, die im Versammlungskontext keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen hätten, seien angemessen und erforderlich gewesen und hätten sich an der zum Einsatzzeitpunkt tatsächlichen und rechtlichen Lage orientiert.
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6. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unzulässig.
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1. Soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ziffer I.9.c. des Bescheids der Beklagten vom 22. September 2020 begehrt, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft. Die im Bescheid der Beklagten enthaltene, von der Klägerin angegriffene Regelung, wonach während der gesamten Versammlung die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Sinn der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen (Maskenpflicht) besteht, das Tragen von Masken vom Betreten bis zum Verlassen des Versammlungsortes auch außerhalb der Versammlung empfohlen wird und während der stationären Versammlung Redner von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit sind, soweit sie einen Mindestabstand von 2 m zu den restlichen Versammlungsteilnehmern haben, hat sich durch Zeitablauf erledigt, weshalb über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht durch Anfechtungsklage, sondern durch Fortsetzungsfeststellungsklage zu befinden ist.
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Die Klägerin ist als Veranstalterin der von ihr geplanten Versammlung am 27. September 2020 in Aschaffenburg klagebefugt. Zur Vermeidung von Popularklagen ist es bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage wie bei einer Feststellungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog erforderlich, dass der Kläger geltend macht, durch die Maßnahme in eigenen Rechten verletzt worden zu sein (BayVGH, U.v. 22.9.2015 - 10 B 14.2246 - juris; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 42 Rn. 62 m.w.N.). Dafür genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich erscheint. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn eine Verletzung eigener subjektiver Rechte nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (vgl. etwa BVerwG, U.v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; U.v. 10.7.2001 - 1 C 35/00 - juris Rn. 15 jeweils m.w.N.). Die Klägerin hat eine Verletzung ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) geltend gemacht. Es ist zumindest möglich, dass sie durch die Anordnung der Maskenpflicht im streitgegenständlichen Bescheid in diesem subjektiven Recht verletzt wurde.
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Allerdings steht der Klägerin kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit zur Seite. Im Einzelnen:
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Ein berechtigtes Interesse i.S. des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann jedes bei vernünftiger Erwägung nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwür-dige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein, wobei es Sache des Klägers ist, die Umstände darzulegen, aus denen sich das Feststellungsinteresse ergibt (BVerwG, U.v. 15.11.1991 - 3 C 49/87 - NVwZ 1991, 570). In der verwaltungsgerichtlichen Praxis haben sich hierzu drei Fallgestaltungen herausgebildet, bei deren Vorliegen regelmäßig ein be-rechtigtes Interesse im vg. Sinn anzuerkennen ist: die Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses (Präjudizinteresse), das sog. Rehabilitierungsintersse und schließlich die Wiederholungsgefahr (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 129 ff.; Schmidt in Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 86 ff.).
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Die Voraussetzungen der das besondere Feststellungsinteresse begründenden Wiederholungsgefahr liegen nicht vor. Die Feststellung der Voraussetzungen einer Wiederholungsgefahr erfolgt im Zuge der Amtsermittlung durch das Gericht, wobei die in diesem Zusammenhang an den Kläger zu stellenden Darlegungsanforderungen zu konkretisieren sind. Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Veranstalter nicht auf die Alternative zukünftig möglichen Eilrechtsschutzes verwiesen werden (BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris). Eine drohende Wiederholungsgefahr ist in versammlungsrechtlichen Streitigkeiten dann nicht mehr gegeben, wenn die konkret betroffene Behörde eindeutig hat erkennen lassen, in Zukunft von einer Wiederholung der betreffenden Beschränkung absehen zu wollen (BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 44; BayVGH, U.v. 22.5.2006 - 24 B 05.3099 - juris Rn. 58; OVG NRW, B.v. 1.6.2011 - 5 A 1374/10 - juris Rn. 4). Angesichts des verfassungsrechtlich geschützten Rechts des Veranstalters, über das Ziel sowie die Art und Weise der Durchführung einer Versammlung selbst zu bestimmen, darf für die Bejahung des Feststellungsinteresses nicht verlangt werden, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 42). Ausreichend ist vielmehr bereits der erkennbare Wille des Klägers, in Zukunft Versammlungen abzuhalten, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können.
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Auf Grundlage dieser Maßstäbe geht die Kammer nicht von einer Wiederholungsgefahr in Bezug auf die im Bescheid vom 22. September 2020 ausgesprochenen Maskenpflicht aus. So hat der Klägerbevollmächtigte im gerichtlichen Verfahren schon nicht das Geringste dafür vorgebracht, dass die Klägerin künftig vergleichbare Versammlungen, gegebenenfalls sogar erneut auf dem gleichen Platz der Beklagten, durchführen möchte. Es ist damit nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Klägerin erneut eine Veranstaltung initiieren wird, bei der die im hiesigen Verfahren relevanten Rechtsfragen eine relevante Rolle spielen könnten. Darüber hinaus wurde zwischenzeitlich die Frage der Maskenpflicht, die zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch keiner Regelung des Verordnungsgebers (im Rahmen der 6. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung) zugeführt worden war, durch den Verordnungsgeber geregelt. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung gilt für die Teilnehmer einer Versammlung im Sinne des Art. 8 GG unter freiem Himmel Maskenpflicht. Mithin bedarf es derzeit keiner Anordnung der Versammlungsbehörde mehr, um die Maskenpflicht verbindlich festzusetzen. Auch aus diesem Grund fehlt es an einer Wiederholungsgefahr.
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Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Präjudizialität des verwaltungsgerichtlichen Urteils ist ebenfalls nicht gegeben. Ein solches besteht insbesondere dann, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung nach Art. 34 GG, § 839 BGB erheblich ist, ein entsprechender (Zivil-)Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint. Von einer offenbaren Aussichtslosigkeit ist (nur) dann auszugehen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann. Ein berechtigtes Interesse an einer Feststellung unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität wird nach der neueren Rechtsprechung nur dann anerkannt, wenn die Erledigung des Verwaltungsakts erst nach Klageerhebung eingetreten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 136). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, insbesondere ist die Erledigung der strittigen Anordnung schon vor Klageerhebung eingetreten, so dass § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht unmittelbar anwendbar ist. Im Übrigen ist auch von der offenbaren Aussichtslosigkeit eines derartigen Zivilprozesses auszugehen, so schon deshalb, weil der Klägerin durch die Maßnahme überhaupt kein Schaden entstanden ist.
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Für ein Rehabilitationsinteresse ist nicht das Geringste vorgetragen oder sonst wie ersichtlich. Es ist aber Sache des Klägers, die Umstände darzulegen, aus denen sich ein Feststellungsinteresse ergibt (Schmidt in Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 85).
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Darüber hinaus wäre die Klage auch unbegründet. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird insoweit auf die ausführliche Begründung im Beschluss der Kammer vom 25. September 2020 im Verfahren W 5 S 20.1403, Bl. 7-11 des amtlichen Urteilsabdrucks verwiesen.
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2. Soweit die Klage darauf gerichtet ist, die Rechtswidrigkeit der Ziffer I.9.b des Bescheides der Beklagten vom 22. September 2020 festzustellen, ist sie unter jedem denkbaren rechtlichen Aspekt unzulässig.
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Als Fortsetzungsfeststellungsklage ist sie bereits unstatthaft, weil es sich bei der streitgegenständlichen Textpassage nicht um einen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG handelt. Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
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Maßgeblich für die Würdigung ist der objektive Sinngehalt der Erklärung oder des Verhaltens einer Behörde, der sich aus dem sogenannten Empfängerhorizont erschließt, also daraus, wie der Bürger diesen unter Berücksichtigung aller in Betracht zu ziehenden Umstände verstehen darf und muss, wobei z.B. äußere Form, Abfassung, Begründung, Beifügen einer Rechtsmittelbelehrungund vergleichbare Gesichtspunkte mögliche - freilich nicht je für sich zwingende - Anhaltspunkte bieten können, ferner aber auch alle sonstigen bekannten oder erkennbaren Begleitumstände, die mit dem Vorgang in einem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang stehen; Unklarheiten gehen dabei zu Lasten der Behörde (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1998 - 6 C 6/98 - juris, unter Bezugnahme auf U.v. 26.4.1968 - 6 C 113/67 - BVerwGE 29, 310, 312; U.v. 12.1.1973 - 7 C 3/71 - BVerwGE 41, 305; U.v. 9.6.1975 - 6 C 163/73 - BVerwGE 48, 279; U.v. 17.10.1975 - 4 C 66/72 - BVerwGE 49, 244; U.v. 18.6.1980 - 6 C 55/79 - BVerwGE 60, 223).
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Hiervon ausgehend ist nach der Gesamtheit aller konkreten Umstände vorliegend nicht von einem Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG auszugehen, da es der streitgegenständlichen Textpassage in Ziffer 9.b. des Bescheids vom 22. September 2020 an einer Regelungswirkung mangelt. Verwaltungsakte sind nur solche Maßnahmen einer Behörde, die eine „Regelung“ bezwecken. Das ist dann der Fall, wenn die Maßnahme nach ihrem Erklärungsgehalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu bewirken (vgl. von Alemann/Scheffczyk in Beck`scher OK VwVfG, 50. Ed. Stand 1.1.2021, § 35 Rn. 139). Wesentlich ist dabei, dass der Verwaltungsakt auf eine unmittelbare, für den Betroffenen verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten oder eines Rechtsstatus gerichtet ist, d.h. darauf, mit dem Anspruch unmittelbarer Verbindlichkeit und mit der Bestandskraft fähiger Wirkung unmittelbar subjektive Rechte der Betroffenen zu begründen, zu konkretisieren und zu individualisieren, aufzuheben, abzuändern oder verbindlich festzustellen oder aber darauf, die Begründung, Aufhebung, Abänderung oder Feststellung unmittelbar verbindlich abzulehnen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 35 Rn. 88). Keine Regelungen sind Erklärungen oder Handlungen einer Behörde, denen nach Inhalt, Zusammenhang oder näheren Umständen ein Regelungs- und Bindungswille fehlt, z.B. Empfehlungen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 35 Rn. 88; Alemann/Scheffczyk in Beck`scher OK VwVfG, § 35 Rn. 158; jeweils m.w.N. zur Rspr.).
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So lässt sich der fraglichen Textpassage unter Ziffer 9.b. des Bescheids vom 22. September 2020 schon kein verpflichtender Charakter entnehmen, wenn dort davon die Rede ist, dass es ermöglicht werden soll („Es soll ermöglicht werden“), dass alle Teilnehmer ihre Teilnahme mit Name, Vorname, ggf. Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer erfassen können. Darüber hinaus spricht auch die Begründung des Bescheids gegen eine verbindliche Regelung, wenn dort ausgeführt wird, dass es „infektionsschutzrechtlich erforderlich und angemessen [sei], das Auslegen einer Liste oder andere Möglichkeiten zur Erfassung der Teilnehmer zumindest zu empfehlen“ (vgl. Bescheid vom 22.9.2020, S. 6, Absatz 2). In der Zusammenschau der Textpassage unter Ziffer 9.b. und der hierzu erfolgten Begründung auf Seite 6 ist mithin für den Empfänger klar erkennbar, dass es sich hinsichtlich der Möglichkeit zur Erfassung bzw. Eintragung der Teilnehmerdaten nicht um eine verpflichtende Regelung, sondern lediglich um eine von der Versammlungsbehörde ausgesprochene Empfehlung handelt.
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Selbst wenn man mit der Klägerseite von einem Verwaltungsakt ausgehen würde, würde es an dem erforderlichen besonderen Feststellungsinteresse fehlen. Anhaltspunkte für ein Präjudizinteresse wie auch für ein Rehabilitationsinteresse sind nicht im Geringsten ersichtlich. Von Klägerseite wurde hierzu überhaupt nichts vorgetragen. Gleiches gilt für die Wiederholungsgefahr. Darüber hinaus hat die Beklagte mit Schreiben vom „05.10.2020“, per Telefax bei Gericht eingegangen am 6. Mai 2021, erklärt, dass sich seit der streitgegenständlichen Entscheidung sowohl die Rechtslage als auch die Rechtsprechung weiterentwickelt habe. Es habe sich bei den Versammlungen gezeigt, dass in der Regel nur ein zu geringer Teil der Versammlungsteilnehmer seine Daten erfassen lasse, zudem bei der Datenerfassung die Abstände nicht eingehalten oder die Stifte nicht gereinigt worden seien, so dass die Auflage infektionsschutzrechtlich eher kontraproduktiv gewesen sei. Nach allem werde von Seiten der Stadt Aschaffenburg aktuell die Bestimmung unter Ziffer 9.b. nicht mehr erteilt. Die Beklagte hat mithin deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Textpassagen in ihre versammlungsrechtlichen Bescheide mehr aufnimmt, mit denen Daten der Teilnehmer erfasst werden sollen. Unter Zugrundelegung der obigen Grundsätze würde es mithin an einer Wiederholungsgefahr fehlen.
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Einer Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO fehlt es sowohl an dem erforderlichen Rechtsverhältnis als auch an einem Feststellungsinteresse.
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3. Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.