Titel:
Nachträgliche Klage gegen polizeiliche Gefährderansprache
Normenketten:
BayPAG Art. 11
VwGO § 43 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei einer Gefährderansprache handelt es sich um schlicht-hoheitliches Handeln und somit nicht um einen Verwaltungsakt gem Art. 35 S. 1 BayVwVfG, da es ihr an dem Charakter einer auf unmittelbare Rechtswirkung gerichteten Maßnahme fehlt. Denn die polizeiliche Gefährderansprache enthält im Allgemeinen keine über eine Warnung und Hinweise hinausgehende Wirkung. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Gefährderansprache hat folglich zum Ziel, auf die Willensentschließung des Betroffenen einzuwirken. Ein bestimmtes Verhalten gibt sie diesem aber nicht auf und sie enthält folglich keine verbindliche Regelung. Die von der Polizei beabsichtigte Wirkung einer Gefährderansprache ist, dass der Betroffene vernünftigerweise keinen anderen Entschluss mehr treffen kann, als der Empfehlung Folge zu leisten. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Gefährderansprache kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein, da mit ihr zwischen den Beteiligten eine Rechtsbeziehung entstanden ist, die ein konkretes und streitiges, mithin feststellungsfähiges Rechtsverhältnis bildet. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ist ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt der betreffenden Maßnahme, so kann ein Feststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gefährderansprache, auffordernder Charakter, Verwaltungsakt, schlicht-hoheitliches Handeln, Feststellungsklage, Feststellungsinteresse, Wiederholungsgefahr
Fundstelle:
BeckRS 2021, 16933
Tenor
I. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren klarstellend eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich nachträglich gegen eine ihm gegenüber erfolgte polizeiliche Gefährderansprache.
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Anlässlich einer für den 20. Dezember 2018 gegenüber dem Kläger angekündigten Pfändungsmaßnahme wandte sich der Kläger mit E-Mail vom 21. Dezember 2018 an den Obergerichtsvollzieher M. mit unter anderem folgendem Wortlaut: „Sie dürfen sich weder mir noch meiner Wohnung nähern. Falls es erforderlich ist, werden Sie getötet. Sie scheinen geistig behindert zu sein.“
3
Am 28. Dezember 2018 führte die Polizei an der Wohnanschrift des Klägers daraufhin eine Gefährderansprache durch. Hierzu trafen die Polizeibeamten den Kläger beim Verlassen der Wohnung an. Nach Abgleich der Personalien baten die Polizeibeamten den Kläger zu deren in der Nähe der Wohnanschrift geparkten Polizeifahrzeug. Hierbei kam es ausweislich Polizeivermerk (Bl. 7) zu keinen Unterbrechungen durch einen Kontakt Dritter. Die Polizeibeamten überreichten dem Kläger ein mit „Polizeiliche Hinweise zur Gefährderansprache“ überschriebenes und auf den 28. Dezember 2018 datiertes Formblatt.
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Am 29. Dezember 2018 erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit den zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 31. März 2021 wörtlichen gestellten Anträgen
I. Der Beklagte wird verurteilt, das Schreiben vom 28. Dezember 2018 aufzuheben,
II. hilfsweise wird festgestellt, dass das Schreiben vom 28. Dezember 2018 rechtswidrig ist
III. hilfsweise: Das Schreiben vom 28. Dezember 2018 ist nichtig.
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Die mit Klageerhebung darüberhinausgehend gestellten weiteren Anträge auf Verpflichtung zur Fortsetzung eines Verfahren vor dem Oberlandesgericht München (M 12 UF 236/18, Az. 533 F 250/18), auf Nichtigerklärung eines Strafbefehls des Amtsgerichts München vom 23. August 2018 (Az. 247 Js 106475/18) und auf Aufhebung eines Strafbefehls des Amtsgerichts München vom 23. August 2018 (Az. 247 Js 106475/18) hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 31. März 2021 zurückgenommen.
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Im Hinblick auf die angegriffene Gefährderansprache führte der Kläger im Wesentlichen aus, er hätte sich mit den Polizeibeamten zur Vermeidung einer Rufschädigung zu deren an der Straße geparkten Fahrzeug begeben. Das Gespräch habe zehn bis fünfzehn Minuten gedauert und in der Übergabe eines Schreibens mit der Überschrift „Polizeiliche Hinweise zur Gefährderansprache“ gemündet. Sinngemäß beruft sich der Kläger im Hinblick auf seine E-Mail vom 21. Dezember 2018 auf ein Notwehrrecht, was er auch gegenüber den Polizeibeamten erklärt habe. So habe nämlich der Obergerichtsvollzieher M. in Kenntnis der Nichtigkeit des Vollstreckungstitels die Zwangsvollstreckungsmaßnahme durchgeführt bzw. durchzuführen versucht.
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Der Beklagte trat der Klage schriftsätzlich am 28. März 2019 entgegen mit dem Antrag,
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Die gegen die Gefährderansprache gerichtete Klage sei bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Weder sei die Gefährderansprache einem Dritten bekannt geworden noch sei diese mit einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff verbunden gewesen. Auch eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben, nachdem der handelnde Polizeibeamte nach erfolgter Gefährderansprache selbst die Ernsthaftigkeit der Drohung hinterfragt habe. Im Übrigen sei die auf Art. 11 PAG zu stützende Maßnahme rechtmäßig, da der Kläger mit seiner E-Mail vom 21. Dezember 2018 eine Anscheinsgefahr begründet habe.
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Replizierend führte der Kläger in weiteren Schriftsätzen aus: Ein Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass der Vorgang in den Akten vermerkt sei. Auch sei das Ansehen des Klägers geschädigt, nachdem die Gefährderansprache in der Öffentlichkeit stattgefunden habe. In der Sache sei seine E-Mail vom 21. Dezember 2018 als Verweis auf sein Notwehrrecht und damit auf die Rechtslage zu verstehen. Eine Drohung sei mit der E-Mail nicht einhergegangen. Auf seine weiteren Äußerungen, mit denen er im Wesentlichen auf die bei anderen Gerichten und der Staatsanwaltschaft geführten Verfahren eingeht, wird Bezug genommen.
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In der mündlichen Verhandlung am 31. März 2021 hat das Gericht den Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens ebenso durch Beschluss abgelehnt wie zwei Zeugenbeweisanträge. Nach hierauf erfolgtem Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit wurde das Verfahren unter Verweis auf § 173 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 2 ZPO fortgesetzt. Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
11
Mit Beschluss vom 13. April 2021 hat die 12. Kammer die Ablehnungsgesuche abgelehnt. Am 14. April 2021 hat die Kammer das Urteil verkündet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO deklaratorisch einzustellen.
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Die damit noch gegen die Gefährderansprache gerichtete Klage hat keinen Erfolg.
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Soweit der Kläger mit seinen zuletzt gestellten Anträgen die „Aufhebung des Schreibens vom 28. Dezember 2018“ bzw. die „Feststellung der Rechtswidrigkeit“ und „Nichtigkeit“ begehrt, ist die Klage des anwaltlich nicht vertretenen Klägers sachgerecht dahingehend auszulegen (§ 88 VwGO), dass sich die Klage gegen die - lediglich in dem Schreiben vom 28. Dezember 2018 amtlich dokumentierte - Gefährderansprache als solche richtet.
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Die somit auf Aufhebung, auf hilfsweise Feststellung der Rechtswidrigkeit und weiter auf hilfsweise Feststellung der Nichtigkeit der Gefährderansprache gerichtete Klage ist indes insgesamt unzulässig.
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1. Statthafte Klageart kann vorliegend ausschließlich die im ersten Hilfsantrag erhobene Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO sein. Mangels Qualifikation als Verwaltungsakt kann - unabhängig von weiteren Voraussetzungen - hingegen nicht die vom Kläger im Wege einer Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO begehrte Aufhebung bzw. im Wege des § 43 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO hilfsweise begehrte Feststellung der Nichtigkeit in zulässiger Weise zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden.
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Mit einer Feststellungsklage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
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Bei einer Gefährderansprache handelt es sich um schlicht-hoheitliches Handeln und somit nicht um einen Verwaltungsakt gem. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, da es ihr an dem Charakter einer auf unmittelbare Rechtswirkung gerichtete Maßnahme fehlt. Denn die polizeiliche Gefährderansprache enthält im Allgemeinen keine über eine Warnung und Hinweise hinausgehende Wirkung (VGH BW, U.v. 7.12.2017 - 1 S 2526/16 - juris Rn. 32; VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 12.9.2019 - B 1 K 17.850 - juris Rn. 17). Eine Gefährderansprache hat folglich zum Ziel, auf die Willensentschließung des Betroffenen einzuwirken. Ein bestimmtes Verhalten gibt sie diesem aber nicht auf und sie enthält folglich keine verbindliche Regelung. Die von der Polizei beabsichtigte Wirkung einer Gefährderansprache ist, dass der Betroffene vernünftigerweise keinen anderen Entschluss mehr treffen kann, als der Empfehlung Folge zu leisten. Dieser auffordernde Charakter entspricht der Intention der Ansprache; sie soll gerade so nachdrücklich hervortreten, dass das gewünschte Ergebnis in der Form eintritt, dass eine von der Polizei als potentiell gefährlich beurteilte Handlung unterlassen wird. Der mit der Ansprache verbundene Einschüchterungs- und Abschreckungseffekt soll dazu genutzt werden, auf die Entschließungsfreiheit einzuwirken (vgl. VGH BW, U.v. 7.12.2017 - 1 S 2526/16 - juris Rn. 33 m.w.N.). Dabei ist auch davon auszugehen, dass sich die Maßnahme mit ihrer Durchführung erledigt hat (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 25.10.2018 - 18 K 2340/18 - juris Rn. 21).
20
Auch vorliegend liegen keine Anhaltspunkte vor, die aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers auf ein von ihm hoheitlich und mit rechtlicher Verbindlichkeit verlangtes Handeln schließen ließen. Vielmehr legt das vom Kläger unterzeichnete Formblatt „Polizeiliche Hinweise zur Gefährderansprache“ bereits vom Wortlaut als auch vom Inhalt nahe, dass die Gefährderansprache über ein hinweisendes Aufklärungsgespräch nicht hinausgeht. Somit ist die streitgegenständliche Gefährderansprache auch hier als schlicht-hoheitliches Handeln zu qualifizieren (VG München, U.v. 18.2.2020 - M 7 K 18.5065 - juris Rn. 10 m.w.N.). Dieses kann jedoch Gegenstand einer Feststellungsklage sein, da mit der Gefährderansprache zwischen dem Kläger und dem Beklagten eine Rechtsbeziehung entstanden ist, die ein konkretes und streitiges, mithin feststellungsfähiges Rechtsverhältnis bildet (VGH BW, U.v. 7.12.2017 - 1 S 2526/16 - juris Rn. 33).
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2. Für die damit gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthafte Feststellungsklage fehlt es jedoch am schutzwürdigen rechtlichen Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Gefährderansprache.
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Für ein berechtigtes Interesse im Sinn eines Feststellungsinteresses ist grundsätzlich jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art ausreichend (vgl. BVerwG, U.v. 12.9.1989 - 1 C 40.88 - juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 11.11.2009 - 6 B 22.09 - juris Rn. 4). Nach der Rechtsprechung kann sich ein solches Interesse insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 - 2 C 27.15 - juris Rn. 3; U.v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 7.3.2018 - 3 BV 16.2040 - juris Rn. 28). Dabei obliegt es dem jeweiligen Kläger, die Umstände darzulegen, aus denen sich sein Feststellungsinteresse ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.1991 - 1 C 42.90 - juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 12.5.2015 - 10 ZB 13.632 - juris).
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a. Vorliegend beruft sich der Kläger maßgeblich auf das Vorliegen eines Rehabilitierungsinteresses, welches im konkreten Fall jedoch als maßgeblicher Gesichtspunkt für die Annahme eines schutzwürdigen Feststellungsinteresses nicht ausreicht.
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Ein hinreichendes Feststellungsinteresse ist nur dann anzunehmen, wenn ein Rehabilitierungsinteresse bei vernünftiger Würdigung der Umstände des Einzelfalls als schutzwürdig zu erachten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 113 Rn. 142). Dies ist der Fall, wenn die begehrte Feststellung, dass das hoheitliche Handeln rechtswidrig war, als „Genugtuung“ und/oder zur Rehabilitierung erforderlich ist, weil das schlicht-hoheitliche Handeln bzw. ein Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihm eine objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergeben hat (vgl. BVerwG, B.v. 4.10.2006 - 6 B 64.06 - juris Rn. 10). Die objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss dabei geeignet sein, das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit oder in seinem sozialen Umfeld herabzusetzen und muss in der Gegenwart noch fortbestehen (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2015 - 10 ZB 13.629 - juris Rn. 13 m.w.N.). Ein Rehabilitierungsinteresse besteht nur dann, wenn der Kläger durch behördliches Handeln, seine Begründung oder die Umstände seines Zustandekommens noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in seiner Menschenwürde, in seinem Persönlichkeitsrecht oder in seinen beruflichen oder gesellschaftlichen Ansehen objektiv erheblich beeinträchtigt ist und die abträglichen Nachwirkungen des erledigten schlicht-hoheitlichen Handelns bzw. Verwaltungsakts nur durch eine gerichtliche Sachentscheidung ausgeglichen werden können (vgl. BayVGH, U.v. 10.7.2018 - 10 BV 17.2405 - juris Rn. 28 m.w.N.). Ein bloß ideelles Interesse an der endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit eines erledigten Verwaltungshandelns ohne Rücksicht darauf, ob abträgliche Nachwirkungen dieses Handelns fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Sachentscheidung wirksam begegnet werden könnte, reicht demgegenüber für die Annahme eines schutzwürdigen Rehabilitierungsinteresses nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.1992 - 5 C 44.87 - juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 10.10.2012 - 10 ZB 12.1445 - juris Rn. 6). Allein das Interesse, nachträglich eine Bestätigung der eigenen Rechtsansicht zu erlangen, das beeinträchtigte Rechtsgefühl und der Wunsch nach Genugtuung rechtfertigen demnach ein solches Interesse nicht (vgl. BayVGH, U.v. 10.7.2018 - 10 BV 17.2405 - juris Rn. 28 m.w.N.).
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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist im Fall des Klägers ein anerkennenswertes Rehabilitierungsinteresse nicht anzunehmen. Denn auch wenn die Gefährderansprache vorliegend im öffentlichen Verkehrsraum und damit grundsätzlich mit Öffentlichkeitsbezug erfolgt ist, vermag deren vorliegend zu beurteilende Durchführung einen Ansehensverlust des Klägers nicht zu begründen, denn aus dem Vortrag beider Beteiligter ist ersichtlich, dass die Gefährderansprache zur Vermeidung einer Rufschädigung abseits der Wohnung durchgeführt wurde.
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Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Gefährderansprache noch in einem der klägerischen Wohnung örtlich zurechenbarem Nahbereich erfolgt sein sollte, ist weder dargelegt noch erkennbar, dass Dritte tatsächlich das Zusammentreffen des Klägers mit den handelnden Polizeibeamten, oder gar den Grund, hierfür geschweige denn das inhaltlich Gesprochene wahrgenommen haben. Im Übrigen wohnt dem auf öffentlicher Straße zwischen Polizeibeamten und einem Bürger beobachteten Zusammentreffen bzw. Gespräch ohne hinzutretende besondere - und vorliegend vom Kläger darzulegenden, hier aber nicht ersichtlichen - Umstände objektiv keine negative Anhaftung bei.
27
Soweit der Kläger meint, ein Rehabilitationsinteresse ergebe sich daraus, dass der Vorgang in den Akten behördlich vermerkt sei, handelt es sich nicht um einen der Öffentlichkeit oder gar dem sozialen Umfeld des Klägers zugehörenden Erkenntniskreis.
28
b. Ein schützenswertes Feststellungsinteresse folgt hier auch nicht aus der Fallgruppe der Wiederholungsgefahr, auf die sich der Kläger im Übrigen auch selbst nicht beruft.
29
Erforderlich ist hierfür eine hinreichend bestimmte Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen wird. Ist ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt der betreffenden Maßnahme, so kann ein Feststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2015 - 10 ZB 13.629 - juris Rn. 8 m.w.N.).
30
Eine solch hinreichend bestimmte Gefahr ist im konkreten Fall jedoch nicht ersichtlich. Hierbei sind zum einen die Einlassungen des Klägers zum Nichtbestehen einer von ihm ausgehenden Gefahr zu berücksichtigen, zum anderen der lange Zeitablauf. Im Übrigen ist auch dem polizeilichen Abschlussvermerk vom 30. Januar 2019 eindeutig zu entnehmen, dass eine Gefährlichkeit des Klägers nach erfolgter Gefährderansprache nicht zu erkennen war. Im Übrigen läge bei einer erneuten gefahrenträchtigen Handlung eine veränderte und im konkreten Einzelfall gesondert zu würdigende Sachlage vor.
31
c. Das erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse ergibt sich hier auch nicht deshalb, weil die Gefährderansprache mit einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff im Sinne der Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 38.12 - juris Rn. 18 ff.; BayVGH, B.v. 13.3.2017 - 10 ZB 16.965 - juris Rn. 8 ff.) verbunden gewesen wäre. Von besonderem Gewicht sind insbesondere Grundrechtseingriffe, die das Grundgesetz selbst unter Richtervorbehalt gestellt hat (z.B. BVerfG, B.v. 5.7.2013 - 2 BvR 370/13 - juris Rn. 19: Wohnungsdurchsuchung) oder die besonders sensiblen Rechtsgüter - wie die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) oder die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; BVerfG, B.v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99 - juris: Abschiebungshaft) - tangieren.
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Eine vergleichbare Grundrechtsbetroffenheit ist im vorliegenden Fall jedoch deutlich nicht gegeben. So wurde mit der vorliegend zu beurteilenden Gefährderansprache allenfalls in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen.
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d. Ein begründetes Feststellungsinteresse folgt schließlich auch nicht aus der Fallgruppe der Präjudizialität. Nach dieser Fallgruppe besteht ein solches Interesse, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung nach Art. 34 GG, § 839 BGB oder von sonstigen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen erheblich und ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten und nicht offensichtlich aussichtslos wäre (vgl. BVerwG, U.v. 28.8.1987 - 4 C 31.86 - juris Rn. 13 m.w.N.). Hierfür bestehen jedoch vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte und wurden solche von Seiten des Klägers auch nicht vorgebracht.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO - hinsichtlich der teilweisen Klagerücknahme nach § 155 Abs. 2 VwGO - und unter Ausspruch deren vorläufigen Vollstreckbarkeit der § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO abzuweisen.