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VG München, Urteil v. 28.04.2021 – M 25 K 18.2692
Titel:

Erlöschen der Niederlassungserlaubnis eines Assoziationsberechtigten bei langjähriger Ausreise

Normenketten:
AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 S. 1
ARB 1/80 Art. 13
Leitsätze:
1. Wesentlich für das Vorliegen einer Ausreise aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG ist auch die Dauer der Abwesenheit: Je länger sie währt und je deutlicher sie über einen bloßen Besuchs- und Erholungsaufenthalt im Ausland hinausgeht, desto mehr spricht dafür, dass der Auslandsaufenthalt nicht nur vorübergehender Natur ist (Anschluss an VGH München BeckRS 2018, 32944 Rn. 11). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich für die nach § 51 Abs. 2 S. 1 AufenthG zu treffende Prognoseentscheidung, ob der Lebensunterhalt des Ausländers für den Fall seiner zukünftigen Wiedereinreise auf Dauer oder zumindest auf absehbare Zeit gesichert ist, ist der Zeitpunkt des Eintritts der Erlöschensvoraussetzungen. Dabei ist eine positive Prognose erforderlich, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel gesichert ist (Anschluss an BVerwG BeckRS 2017, 110081 Rn. 15). (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei einer Ausreise für 5,5 Jahre besteht auch kein Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80. (Rn. 27 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Türkischer Staatsangehöriger, Erlöschen der Niederlassungserlaubnis, Sicherung des Lebensunterhalts, Erwerbsunfähigkeit, Schwerbehinderung, Niederlassungserlaubnis, Erlöschen, Lebensunterhalt, vorübergehender Grund, positive Prognose, Assoziationsrecht
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 25.08.2021 – 10 ZB 21.1582
Fundstelle:
BeckRS 2021, 16932

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.     
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung, dass seine Niederlassungserlaubnis erloschen ist.
2
Der Kläger ist türkischer Staatsbürger. Er wurde am … … 1965 in A …Türkei geboren und zog, zusammen mit seinem Vater und Geschwistern, am 15. Juli 1970 im Rahmen des Familiennachzugs zu seiner in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Mutter. Am 20. Januar 1982 erteilte das damals zuständige Landratsamt dem Kläger erstmals eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seit 1. Januar 2005 galt die erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis als Niederlassungserlaubnis fort.
3
Der Kläger ist gelernter Maler und Lackierer, aber seit Juni 1995 keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nachgegangen. Seit Februar 2004 befindet er sich in psychiatrischer Behandlung wegen einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Im selben Jahr wurde bei dem Kläger eine Schwerbehinderung mit GdB (Grad der Behinderung) von 70 festgestellt. Von August 2005 erhielt der Kläger öffentliche Leistungen nach dem SGB XII in Form der Grundsicherung wegen Erwerbsminderung.
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Am 31. Dezember 2011 reiste der Kläger in die Türkei aus. Vor seiner Ausreise befand er sich in stationärer Behandlung im Hinblick auf seine psychische Erkrankung. Spätestens seit dem Jahr 2013 setzte der Kläger seine Behandlung in einer Klinik in M …Türkei fort. Am 27. November 2013 beantragte der Kläger einen Schwerbehindertenausweis bei den zuständigen türkischen Behörden, welche einen GdB von 45 feststellten.
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Am 25. Juli 2017 kehrte der Kläger nach Deutschland zurück. Im Februar 2018 wurde vom sozialmedizinischen Dienst der Agentur für Arbeit festgestellt, dass der Kläger für einen voraussichtlichen Zeitraum von mehr als 6 Monaten, aber nicht auf Dauer, nicht erwerbsfähig gemäß § 8 Abs. 2 SGB II sei und mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in naher Zukunft nicht zu rechnen sei. Über einen erneuten Antrag auf Feststellung des Grads der Behinderung wurde bisher nicht entschieden.
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Mit Schreiben vom 29. Januar 2018 informierte die Beklagte den Kläger, dass sein Aufenthaltstitel sowie eventuelle Ansprüche aus dem ARB 1/80 durch seinen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt in der Türkei erloschen seien und sie beabsichtige, ihm eine Frist zur Ausreise zu setzen und für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise ihn in die Türkei abzuschieben. Die Beklagte gab dem Kläger Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Aufenthaltsbeendigung zu äußern, welche der Kläger durch seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt mit Stellungnahme vom 5. März 2018 wahrnahm. In dieser trug der Bevollmächtigte vor, dass der Kläger auf Grund seines mehr als 15jährigen rechtmäßigen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 51 Abs. 2 AufenthG privilegiert und seine Niederlassungserlaubnis dementsprechend nicht erloschen sei. Auf Grund der psychischen Erkrankung, der Schwerbehinderung und der damit verbundenen fehlenden Arbeitsfähigkeit des Klägers sei von dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes abzusehen. Ein Festhalten an diesem Erfordernis würde zu einer Benachteiligung des Klägers auf Grund seiner Behinderung führen.
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Mit Bescheid vom 16. Mai 2018 stellte die Beklagte fest, dass die Niederlassungserlaubnis des Klägers erloschen sei (Ziffer 1), forderte den Kläger auf, das Bundesgebiet innerhalb von zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheides zu verlassen und drohte, bei Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung des Klägers in die Türkei oder einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten oder bereiten Staat an (Ziffer 2).
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Zur Begründung führte die Beklagte an, dass durch die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet am 31. Dezember 2011 seine Niederlassungserlaubnis gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen sei, da sein Aufenthalt in der Türkei nicht nur vorübergehender Natur war, sondern er seinen Lebensmittelpunkt auf Dauer in die Türkei verlegt habe. Dem Erlöschen des Aufenthaltstitels stehe auch nicht § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG entgegen. Zwar habe sich der Kläger 15 Jahre lang rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und keinen relevanten Ausweisungsgrund verwirklicht, jedoch sei sein Lebensunterhalt nicht gesichert. Das Vorliegen einer festgestellten Erwerbsminderung und einer Schwerbehinderung sei unerheblich. Ein Aufenthaltsrecht des Klägers nach ARB 1/80 bestehe ebenfalls nicht mehr. In der Folge sei der Kläger gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig.
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Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 5. Juni 2018 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte,
I. Den Bescheid vom 16. Mai 2018 aufzuheben;
II. Festzustellen, dass die dem Kläger am 20. Januar 1982 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis, fortgeltend als Niedererlassungserlaubnis ab 1. Januar 2005 des Klägers nicht durch die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet am 31. Dezember 2011 erloschen ist.
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Zur Begründung der Klage verwies der Bevollmächtigte des Klägers auf seine Stellungnahme im Verwaltungsverfahren vom 5. März 2018.
11
Mit Schreiben vom 9. August 2018 legte die Beklagte die Akten vor und beantragte,
die Klage abzuweisen.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13
Die Klage ist teilweise unzulässig und, soweit sie zulässig ist, unbegründet.
14
I) Insoweit der Kläger Klage auf Feststellung, dass die Niederlassungserlaubnis nicht erloschen ist, erhoben hat, ist die Klage unzulässig. Gegen die in Form eines Verwaltungsakts getroffene Feststellung des Erlöschens der Niederlassungserlaubnis ist die Anfechtungsklage statthaft. Mit der Entscheidung über die Anfechtungsklage wird der Streit zwischen den Beteiligten beigelegt, ob die Niederlassungserlaubnis kraft Gesetzes erloschen ist; einer zusätzlichen Feststellungsklage, dass dieser Aufenthaltstitel fortbesteht, bedarf es nicht (vgl. VGH Mannheim, U.v. 9.11.2015 - 11 S 714/15, BeckRS 2016, 40012, Rn. 25, m.w.N.).
15
II) Insoweit der Kläger Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2018 erhoben hat, ist die Klage zulässig, aber nicht begründet. Die Feststellung des Erlöschens der Niederlassungserlaubnis des Klägers ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind rechtmäßig ergangen.
16
Die Niederlassungserlaubnis des Klägers ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG aufgrund des langjährigen Auslandsaufenthalts erloschen; auf einen Privilegierungstatbestand nach § 51 Abs. 2 AufenthG kann sich der Kläger nicht berufen. Auch ein Aufenthaltsrecht des Klägers nach ARB 1/80 ist wegen des jahrelangen Auslandsaufenthalts erloschen.
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1. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erlischt ein Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund ausreist. Ein vorübergehender Grund in dem Sinne liegt dann vor, wenn der Auslandsaufenthalt nach seinem Zweck typischerweise zeitlich begrenzt ist und keine wesentliche Änderung der gewöhnlichen Lebensumstände in Deutschland mit sich bringt. Fehlt es an einem dieser Merkmale, liegt ein seiner Natur nach nicht nur vorübergehender Grund im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG vor. Neben der Dauer und dem Zweck des Auslandsaufenthalts sind bei der Prüfung, ob die Ausreise aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund erfolgt ist, alle objektiven Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, während es auf den inneren Willen des Ausländers und insbesondere seine Planung der späteren Rückkehr nach Deutschland nicht allein ankommen kann. Wesentlich ist auch die Dauer der Abwesenheit: Je länger sie währt und je deutlicher sie über einen bloßen Besuchs- und Erholungsaufenthalt im Ausland hinausgeht, desto mehr spricht dafür, dass der Auslandsaufenthalt nicht nur vorübergehender Natur ist (BayVGH, U.v. 27.11.2018 - 19 CE 17.550 - juris Rn. 11).
18
Nach diesen Maßstäben ist der Kläger nicht nur aus einem der Natur nach vorübergehenden Grunde ausgereist. Der Kläger ist am 31. Dezember 2011 in die Türkei ausgereist, da er (krankheitsbedingt) das Gefühl hatte zu sterben und in der Türkei sterben wollte. Eine Rückkehr war dementsprechend nicht vorgesehen. Der Aufenthalt des Klägers war auch nicht nur vorübergehender Natur, aufgrund seiner medizinischen Weiterbehandlung in der Türkei. Zum einen hat sich der Kläger nicht umgehend in medizinische Behandlung gegeben, sondern erst im Jahre 2013, und zum anderen war die Behandlung zum Zeitpunkt der Ausreise auch nicht geplant. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Kläger sich erst nach längerem Aufenthalt in der Türkei zu einer Rückkehr nach Deutschland entschlossen hat. Nach seinen eigenen Angaben waren Änderungen der familiären und finanziellen Situation in der Türkei ausschlaggebend hierfür. Für einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt spricht auch die Dauer des Aufenthalts von über 5,5 Jahren.
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2. Dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis steht auch nicht § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG entgegen, da der Lebensunterhalt des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt nicht gesichert war.
20
Nach § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (i.d.F. gültig bis 31. Juli 2015) erlosch die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 AufenthG, wenn dessen Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsgrund bestand. Maßgeblich für die nach § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu treffende Prognoseentscheidung, ob der Lebensunterhalt des Ausländers für den Fall seiner zukünftigen Wiedereinreise auf Dauer oder zumindest auf absehbare Zeit gesichert ist, ist der Zeitpunkt des Eintritts der Erlöschensvoraussetzungen (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.2017 - 1 C 14.16 - juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 27.11.2018 - 19 CE 17.550 - juris Rn. 20).
21
Es ist eine positive Prognose gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erforderlich, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel gesichert ist. Zweifel gehen dabei zu Lasten des ausreisenden Ausländers. Je unsicherer der Zeitpunkt einer möglichen Wiedereinreise ist, umso schwieriger ist es, eine positive Prognose zu stellen, es sei denn, der Betreffende verfügt über feste wiederkehrende Einkünfte, etwa in Gestalt einer Altersrente, oder über ein ausreichendes, auch im Bestand gesichertes Vermögen (BVerwG, U.v. 23.3.2017 - 1 C 14/16 - juris Rn. 15).
22
Der Lebensunterhalt ist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gesichert, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann.
23
Eine positive Prognose bezüglich der Sicherung des Lebensunterhalts des Klägers konnte zum Zeitpunkt der Ausreise nicht gestellt werden.
24
Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt eine Erwerbsminderungsrente bezogen. Aufgrund der beschränkten Erwerbstätigkeit in den Jahren vor 2005 hätte eine derartige Rente auch nicht zu dauerhaften Sicherung seines Lebensunterhaltes ausgereicht und wird dies vorrausichtlich auch nicht nach Eintritt ins Rentenalter tun. Es war nicht zu erwarten, dass der Kläger bei einer Rückkehr seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit finanzieren können würde, da im August 2005 festgestellt wurde, dass der Kläger nicht erwerbsfähig ist. Der Bestand eines gesicherten Vermögens zur Sicherung wurde nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Dass andere Personen im Dezember 2011 bereit gewesen wären, dauerhaft für den Lebensunterhalt des Klägers zu sorgen, ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat zum Zeitpunkt seiner Ausreise bereits seit mehreren Jahren Leistungen nach dem SGB XII in Form der Grundsicherung wegen Erwerbsminderung bezogen. Die von einem Freund monatlich gezahlten 170 EUR während des Aufenthalts des Klägers in der Türkei hätten für eine Lebensunterhaltsicherung nicht ausgereicht. Unter Berücksichtigung des Vorangegangenen lag keine positive Prognose vor, dass der Lebensunterhalt des Klägers ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert wäre.
25
Der Ablehnung der Privilegierung des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG steht nicht die Erwerbsunfähigkeit/Schwerbehinderung des Klägers entgegen. Der Gesetzgeber hat eine Möglichkeit von der Sicherung des Lebensunterhaltes in atypischen Fällen abzusehen - wie z.B. in § 9 Abs. 2 Satz 6 AufenthG - nicht vorgesehen. Aufgrund des weiten Spielraums des Gesetzgebers in der Gewährung von Vergünstigungen, bewegt sich die Regelung jedoch im Rahmen des zulässigen Gestaltungsspielraums (VGH Mannheim, U.v. 9.11.2015 - 11 S 714/15, BeckRS 2016, 40012, Rn. 25). Ein Anspruch auf Behalt der Niederlassungserlaubnis ergibt sich nicht (direkt oder indirekt) aus Art. 3 GG oder Art. 18 UN-Behindertenrechtskonvention. In die in Art. 18 UN-Behindertenrechtskonvention beispielhaft aufgezählten Rechte wird nicht eingegriffen.
26
Die Anwendung von § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG verstößt auch nicht wegen des gleichzeitigen Verlusts des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts (s.u.) gegen Unionsrecht bzw. Assoziationsrecht, insbesondere nicht gegen die Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BayVGH, U.v. 27.11.2018 - 19 CE 17.550 - juris Rn. 15 ff.).
27
3. Dem Kläger steht auch kein Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 zu, da sein früheres Aufenthaltsrecht ebenfalls erloschen ist.
28
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlischt ein Aufenthaltsrecht nur dann, wenn es gemäß Art. 14 ARB 1/80 rechtmäßig aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit beschränkt wurde oder wenn der Rechtsinhaber das Gebiet des aufnehmenden EU-Mitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum und ohne berechtigte Gründe verlässt (vgl. EuGH, U.v. 16.3.2000 - Ergat, Rs. C-329/97 - juris Rn. 45 ff.; EuGH, U.v. 8.12.2011 - Ziebell, C-371/08 - juris Rn. 49). Ob ein türkischer Staatsangehöriger das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen und dadurch sein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verloren hat, richtet sich danach, ob er seinen Lebensmittelpunkt aus Deutschland wegverlagert hat. Je länger der Auslandsaufenthalt des Betroffenen andauert, desto eher kann von der Aufgabe seines Lebensmittelpunktes in Deutschland ausgegangen werden. Ab einem Auslandsaufenthalt von ungefähr einem Jahr müssen gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sein Lebensmittelpunkt noch im Bundesgebiet ist. Eine Dauer von mehr als zwei Jahren Auslandsaufenthalt ist geeignet, die Integration eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet grundlegend infrage zu stellen, selbst wenn dieser hier geboren wurde und seine Sozialisation erfahren hat, ohne vor der Ausreise längere Zeiträume im Ausland zugebracht zu haben (BayVGH, U.v. 27.11.2018 - 19 CE 17.550 - juris Rn. 24, 25, m.w.N.).
29
Der Kläger war mehr als 5,5 Jahre in der Türkei wohnhaft, hat soweit ersichtlich Deutschland in dieser Zeit nicht besucht und hatte seinen Lebensmittelpunkt von Deutschland in die Türkei verlegt. Ein berechtigter Grund für das Verlassen des Bundesgebiets bestand nicht (s.o.).
30
4. Die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtmäßig. Der Kläger ist ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG), da sein Aufenthaltstitel erloschen ist. Die Ausreisepflicht ist auch vollziehbar (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Der Kläger ist im Juli 2017 ohne Visum unerlaubt eingereist (§§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2, 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG).
31
III) Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
32
IV) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.