Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 08.06.2021 – RN 6 K 20.2277
Titel:

Corona-Pflegebonus, ambulante Dialyse, Subventionen, Förderrichtlinien, Verwaltungspraxis, Substitutionsfunktion Pflegender

Normenketten:
Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR, 23, 44 BayHO
BayVwVfG Art. 48, 49a
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsatz:
Beschäftigte in ambulanten Dialyseeinrichtungen haben keinen Anspruch auf Gewährung des Corona-Pflegebonus.
Schlagworte:
Corona-Pflegebonus, ambulante Dialyse, Subventionen, Förderrichtlinien, Verwaltungspraxis, Substitutionsfunktion Pflegender
Fundstelle:
BeckRS 2021, 16847

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonus) abgelehnt wurde, und begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung des Corona-Pflegebonus in Höhe von 300 EUR.
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Am 25. Mai 2020 beantragte die Klägerin mittels Onlineformblättern unter Beifügung eines Identitätsnachweises und einer Arbeitgeberbescheinigung vom 7. Mai 2020 die Gewährung des Corona-Pflegebonus. Entsprechend der Arbeitgeberbescheinigung sei sie im … in … mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 25 Stunden als Krankenschwester beschäftigt.
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Mit Bescheid vom 26. August 2020 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung des Corona-Pflegebonus ab.
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Zur Begründung führte der Beklagte an, dass die Zuwendung in Ausübung billigen Ermessens als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erfolge. Dies sei in den Vorbemerkungen der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR) klargestellt. Die einschlägige Förderrichtlinie sei Grundlage für die behördliche Ermessensentscheidung und für die Ausübung der den Gleichheitssatz wahrenden Verwaltungspraxis maßgeblich. Nach Nr. 2 CoBoR seien Begünstigte im Sinne dieser Richtlinie Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten. Auch Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter und nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst seien Begünstigte. Ihren Antragsunterlagen zufolge sei die Antragstellerin nicht in einer in der Richtlinie genannten Einrichtung tätig gewesen, sodass der Antrag abzulehnen sei.
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Mit Schreiben vom 1. September 2020 legte die Klägerin „Einspruch“ gegen die Ablehnung ihres Antrags ein. Sie habe vom 2. April bis zum 28. Mai 2020 in einer eigens dafür eingerichteten Sonderschicht ausschließlich Patienten mit Covid 19 betreut. Darunter hätten sich auch stationäre Patienten der benachbarten Klinik befunden, die sie mitgepflegt habe. Dies bitte sie bei der erneuten Beurteilung ihres Antrags zu berücksichtigen.
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Mit Schriftsatz vom 18. September 2020 hat die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg erheben lassen.
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Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2020 wurde die Klage dahingehend begründet, dass der Bescheid rechtswidrig sei, da die Klägerin die Voraussetzungen der Corona-Pflegebonusrichtlinie erfülle. Unstreitig übe die Klägerin als Krankenschwester eine Tätigkeit entsprechend der Richtlinie aus. Sie arbeite im …, … in der …-Klinik … Dabei handele es sich um eine medizinische Einrichtung, in der chronisch nierenkranke Patienten mit allen Dialyseverfahren (Hämodialyse und Peritonealdialyse) behandelt würden. Somit sei sie in einer in Nr. 2 CoBoR genannten Einrichtung tätig. Der Beklagte habe die Bewilligung des Bonus zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, dass die Klägerin nicht in einer in Nr. 2 CoBoR genannten Einrichtung arbeite. Hierauf könne sich der Beklagte nicht berufen. Die Aufzählung sei kein abschließender Katalog. Gemäß Satz 2 seien ebenso tatsächlich in der Pflege Tätige begünstigt, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspreche und mit dieser vergleichbar sei. Seien auch andere Tätigkeiten in anderen Einrichtung mögliche begünstigte Tätigkeiten, sei zu prüfen, ob andere Tätigkeiten den Tätigkeiten in den aufgezeigten Einrichtungen entsprächen. Somit habe der Beklagte zur Ausübung eines sachgerechten Ermessens zumindest prüfen müssen, ob die Tätigkeit im … den Tätigkeiten in den aufgeführten Einrichtungen entspreche oder nicht. Dies sei nicht geschehen, sodass das Ermessen fehlerhaft nicht ausgeübt worden sei. Daher sei der Bescheid aufzuheben und über den Antrag neu zu entscheiden. Das Ermessen sei in diesem Fall auf Null reduziert und für die Tätigkeit als Krankenschwester so auszuüben, dass der Bonus zu gewähren sei.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 26. August 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin den Corona-Pflegebonus zu bewilligen,
hilfsweise den Antrag der Klägerin unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens neu zu verbescheiden.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt der Beklagte an, dass die Klägerin in einem ambulanten Dialysezentrum beschäftigt sei, welches nicht zu den begünstigten Einrichtungen im Sinne der CoBoR zähle. Anders als die begünstigten Berufsqualifikationen sei die Aufzählung der begünstigten Einrichtungen abschließend. Dies begründe sich darin, dass der Richtlinienverfasser bei der Festsetzung der begünstigten Einrichtungen im Unterschied zur Auflistung der Berufsqualifikationen diese Besonderheit sprachlich an keiner Stelle zum Ausdruck bringe. Die gewählte Formulierung weise diese Auflistung nicht als beispielhaft oder erweiterbar aus. Daraus folge, dass die Aufzählung der begünstigten Einrichtungen abschließend vorgenommen worden sei. Ambulante Dialysezentren fänden sich nicht darunter. Dabei sei es unerheblich, ob ein Kooperationsvertrag mit einem (angrenzenden) Krankenhaus bestehe und die Patienten des Krankenhauses in der ambulanten Dialyseeinrichtung behandelt würden oder ob Mitarbeiter der ambulanten Dialyseeinrichtungen auf der Intensivstation des Krankenhauses Patienten betreuten. Auch in letzterem Falle bleibe der Arbeitgeber das … als ambulante Praxis und nicht das Klinikum. Hinsichtlich der Gewährung des Corona-Pflegebonus bestehe kein Unterschied, ob eine ambulante Dialyseeinrichtungen räumlich in oder neben einem Krankenhaus untergebracht sei. Einrichtungen der ambulanten Dialyse seien oftmals räumlich in oder neben dem kooperierenden Krankenhaus untergebracht. Es handle sich aber dennoch um selbstständige Einrichtungen der ambulanten Dialyse und nicht um stationäre Einrichtungen des Krankenhauses. Auch die Einordnung einer ambulanten Dialyseeinrichtung als ambulante Pflegeeinrichtung sei wegen ihrer unterschiedlichen Zweckrichtung unzutreffend. Es könne der Klägerseite auch nicht der auf Nr. 2 Satz 2 CoBoR gestützten Auffassung gefolgt werden, wonach es unabhängig von der konkreten Tätigkeitsstätte lediglich auf eine der Pflege entsprechende und mit dieser vergleichbare, berufliche Tätigkeit ankomme. Nr. 2 Satz 1 CoBoR beinhalte eine abschließende Aufzählung von begünstigten Einrichtungen. Auf diese Aufzählung beziehe sich auch Nr. 2 Satz 2 CoBoR („Ebenso begünstigt sind …“), wonach in besagten Einrichtungen nicht nur klassische Pflegeberufe, sondern alle tatsächlich in der Pflege Tätigen begünstigt seien. Käme es unabhängig von der konkreten Tätigkeitsstätte lediglich auf eine der Pflege entsprechende und mit dieser vergleichbaren Tätigkeit an, so käme Nr. 2 Satz 1 CoBoR und der Aufzählung von Einrichtungen in den Anlagen keinerlei Bedeutung mehr zu. Dass es sehr wohl auf die konkrete Tätigkeitsstätte ankomme, zeige sich auch dadurch, dass der Kreis der begünstigten Berufsgruppen unabhängig von der jeweiligen Einrichtung unterschiedlich weit gezogen worden sei. Da die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum in einer ambulanten Dialyseeinrichtung und damit in einer nicht begünstigten Einrichtung beschäftigt gewesen sei, sei sie nicht anspruchsberechtigt.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, auf die vorgelegte Behördenakte und auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Landesamtes für Pflege vom 26. August 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Bewilligung des Corona-Pflegebonus, weil sie die Voraussetzungen der einschlägigen Richtlinie in der vom Beklagten ausgeübten Verwaltungspraxis nicht erfüllt.
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1. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Bewilligung des Corona-Pflegebonus und maßgeblich für die Prüfung der Zuwendungsvoraussetzungen ist die Corona-Pflegebonusrichtlinie (CoBoR) vom 30. April 2020, geändert durch Bekanntmachung vom 15. Mai 2020.
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Bei der vorliegend begehrten Zuwendung handelt es sich um eine freiwillige Leistung, die der Freistaat Bayern auf der Grundlage von und im Einklang mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 23 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO) und den einschlägigen Förderrichtlinien gewährt. Nach der Vorbemerkung der CoBoR wird ausdrücklich klargestellt, dass der Corona-Pflegebonus eine freiwillige Leistung ist und nach Maßgabe der Richtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Freistaates Bayern als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird.
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Sind die Fördervoraussetzungen - wie hier - zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt wurde oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht - wie Gesetze oder Rechtsverordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, einem dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2008 - 7 B 38.08 - juris, Rn. 9; BayVGH, B.v. 7.4.2020 - 6 ZB 19.1647 - BeckRS 2020, 9635; U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.1840 - juris, Rn. 26).
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Ein Anspruch auf die Zuwendung kann im Einzelfall aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und dem Gleichheitssatz hergeleitet werden, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden. Die rechtliche Prüfung im vorliegenden Fall hat demnach nicht daran anzusetzen, wie die für die Zuwendungen maßgeblichen Förderrichtlinien auszulegen wären, sondern daran, welche Förderpraxis des Beklagten dem Zuwendungsbescheid zugrunde lag (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris, Rn. 27). Sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben, müssen sich Zuwendungen aber gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen. Dem Norm- und Richtliniengeber stehen jedoch sachbezogene Gesichtspunkte zur Differenzierung in sehr weitem Umfang zu; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (VG München, U.v. 17.2.2021 - 31 K 20.4309 - BeckRS 2021, 3585 mit Verweis auf stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 - 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 - juris, Rn. 61; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3, Rn. 255).
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2. Nach den dargelegten Grundsätzen steht der Klägerin kein Anspruch auf Gewährung des Corona-Pflegebonus zu. Weder die Richtlinie selbst noch ihr hier zur Ablehnung führender Vollzug sind vorliegend zu beanstanden.
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a) Die Abgrenzung des zuwendungsberechtigten Personenkreises in der durch die CoBoR vorgenommenen Art und Weise, namentlich durch eine Beschränkung auf bestimmte Einrichtungen einerseits und eine tätigkeitsbezogene Komponente andererseits, begegnet grundsätzlich keinen Bedenken, sondern erscheint vielmehr sachgerecht. Der Kreis der durch die Corona-Pflegebonusrichtlinie begünstigten Personen ist in Nr. 2 der Richtlinie näher beschrieben. Begünstigte im Sinne der Richtlinie sind danach Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten. Ebenso begünstigt sind tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist. In stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sind alle Beschäftigten begünstigt, die körperlich eng an und mit Menschen mit Behinderung arbeiten. Auch Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter und nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst sind Begünstigte. Eine beispielhafte Auflistung der Begünstigten, orientiert an den jeweiligen Einrichtungen, findet sich in den Anlagen 1, 2 und 3 zur Richtlinie.
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Bei der Festlegung des begünstigten Personenkreises verfolgte der Richtliniengeber den legitimen Zweck, welcher in der Richtlinie in Nr. 1 Sätze 2 bis 7 der CoBoR niedergelegt ist und zum Ziel hat, dass mit der Gewährung des Corona-Pflegebonus das überdurchschnittliche Engagement der in Bayern in der professionellen Pflege und im Rettungsdienst und in den stationären Einrichtung der Behindertenhilfe Tätigen auch im Hinblick auf die aktuelle Corona-Pandemie auch für die Zukunft besonders gewürdigt und anerkannt werde. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege als Richtliniengeber hat dies weitergehend wie folgt präzisiert und ergänzt: „Der Corona-Pflegebonus erkennt das Engagement der Pflegekräfte an, die in besonderer Weise dauerhaft und intensiv mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie konfrontiert waren. Die Pflegekräfte mussten hierbei insbesondere versuchen, die Präsenz von Angehörigen zu ersetzen, die wegen Besuchsverboten in den begünstigten Einrichtungen nicht emotional und sozial für die Betroffenen sorgen konnten. Vor allem auch dieses besondere menschliche Engagement sollte mit dem Bonus des Freistaates gewürdigt werden“ (Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege auf eine Schriftliche Anfrage des Abg. Krahl, LT-Drs. 18/11079 vom 15.1.2021, S. 2).
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Es steht im Einklang mit dieser Zielsetzung, dass der Richtliniengeber den Kreis der Begünstigten anhand bestimmter Einrichtungen und näher umrissener Qualifikationen bzw. Berufsbilder entsprechend den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgrenzt, die er mit Blick auf die beschriebene Zielsetzung für besonders relevant erachten durfte. Bei den nach der Richtlinie begünstigten stationären Einrichtungen, namentlich Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-‍, Pflege- und Behinderteneinrichtungen handelt es sich sämtlich um solche, in denen der vorgenannte Grundgedanke einer Substitution der Präsenz naher Angehöriger in der Zeit pandemiebedingter, umfassender Besuchseinschränkungen ohne weiteres greift. Es ist ferner eine von sachlichen Gründen getragene Wertung des Richtliniengebers, dass er in den Kreis der Einrichtungen, in denen eine Begünstigung der Pflegenden in Betracht kommt, auch die ambulanten Pflegedienste einbezieht. Nach der Corona-Pflegebonusrichtlinie relevant sind ansonsten - vom Rettungsdienstwesen abgesehen - lediglich stationäre Einrichtungen. Die durch den Pflegebonus verfolgte Zielsetzung, besonders den „Ersatz“ persönlicher Kontakte zu würdigen, ist indessen auch im Fall ambulanter Pflegedienste gegeben. Auch insoweit handelt es sich um eine Situation, in der die Pflegekräfte häufig die wesentlichen oder sogar einzigen Ansprechpartner gerade solcher Pflegebedürftiger waren, die altersbedingt einer Risikogruppe angehören und daher von Kontaktbeschränkungen besonders betroffen waren.
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Dass der Richtliniengeber damit die ansonsten in der Richtlinie verfolgte Beschränkung auf stationäre Einrichtungen durchbricht, zeigt, dass bei der Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nicht schematisch, sondern nach sachbezogenen Kriterien vorgegangen wird. Das hier insbesondere relevante, ergänzende Kriterium, wonach tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist, ebenso begünstigt sind (Nr. 2 Satz 2 CoBoR), zeugt ebenso von einer sachgerechten und in Grenzen auch der Einzelfallgerechtigkeit verpflichteten Festlegung des begünstigten Personenkreises. Insgesamt ist daher der sehr weite Spielraum des Richtliniengebers, den Kreis der Begünstigten der finanziellen Zuwendung nach sachlichen Gesichtspunkten abzugrenzen, nicht überschritten. Der Richtliniengeber und mit ihm die Vollzugsbehörde sind daher insbesondere auch befugt, die mit der Zuwendung in besonderer Weise zu würdigende soziale Substitutionsfunktion der Pflegenden gerade auch typisierend-einrichtungsbezogen und weiterhin an bestimmten Qualifikationen orientiert zu erfassen und darauf in ihrer Abgrenzung der Zuwendungsberechtigten abzustellen (zu Vorstehendem: VG München, U.v. 17.2.2021 - 31 K 20.4309 - BeckRS 2021, 3585). Für die Begünstigung kommt es damit nicht auf ein erhöhtes Infektionsrisiko oder die Erschwernisse bzw. Herausforderungen, welchen sich Pflegende oder sonstige in den entsprechenden Einrichtungen Tätige aufgrund der pandemiebedingten Situation gegenübersahen, wie etwa erhöhte Vorsichts- oder Hygienemaßnahmen, sondern vielmehr auf die zusätzlich zu leistende Substitution sozialer Kontakte im stationären Bereich der Pflege an. Die Entscheidung des Richtliniengebers, Beschäftigte in stationären Dialyseeinrichtung im Gegensatz zu ambulanten Dialyseeinrichtungen zu fördern, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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b) Auch die Förderpraxis des Beklagten auf Grundlage der Richtlinie begegnet keinen Bedenken. Dies gilt insbesondere auch für die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises aufgrund dessen Beschäftigung in vom Richtliniengeber konkret benannten Einrichtungen (Nr. 2 Satz 1 CoBoR). Dies führt hier letztlich dazu, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Zuerkennung und Auszahlung des Pflegebonus geltend machen kann.
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Nach der schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung dargelegten Förderpraxis des Beklagten ergibt sich eine Begünstigung nach der CoBoR bei Vorliegen von zwei kumulativ zu erfüllenden Kriterien: In einem ersten Schritt müssen pflegende Personen für eine Begünstigung in bestimmten abschließend aufgezählten Einrichtungen tätig sein (Nr. 2 Satz 1 CoBoR). Ist dies der Fall müssen bestimmte tätigkeitsbezogene Merkmale erfüllt werden, d.h. die Personen müssen - differenziert nach Einrichtungstyp - eine bestimmte Qualifikation aufweisen oder jedenfalls in einem bestimmten Berufsbild konkret tätig sein (Nr. 2 Satz 3 bis 5, Anlagen 1 bis 3 CoBoR). Ergänzend sind in dieser Stufe gemäß Nr. 2 Satz 2 CoBoR tatsächlich in der Pflege Tätige ebenso begünstigt, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist.
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Nach dem Vorbringen des Beklagten und auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerseite wurden nach Überzeugung des Gerichts in der Förderpraxis ambulante Dialyseeinrichtungen als solche bewusst und der CoBoR folgend gerade im Hinblick auf die oben dargestellte, typisierend-einrichtungsbezogene besondere Substitutionsfunktion Pflegender gerade in stationären Einrichtungen nicht mit dem Corona-Pflegebonus bedacht (vgl. auch HessVGH, B.v. 4.2.2021 - 10 B 2762/20 - juris, Rn. 11 und 14 zu einer Corona-Soforthilfe).
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Der Umstand, dass in einzelnen Fällen offenbar Mitarbeiter in ambulanten Dialyseeinrichtungen im Widerspruch zur Richtlinie und zur gängigen Förderpraxis gleichwohl den Corona-Pflegebonus erhalten haben, begründet keine andere Förderpraxis. Denn es ist nicht erkennbar, dass der Urheber der CoBoR eine solche richtlinienwidrige Abweichung gebilligt oder geduldet hätte. Die Verwaltungsvorschriften antizipieren die Verwaltungspraxis insoweit, als sie eine generalisierende Willenserklärung der die Richtlinien erlassenden Behörde enthalten, eine unbestimmte Vielzahl künftiger Fälle in einer bestimmten Weise zu behandeln. Weichen die Behörden in Einzelfällen ohne rechtfertigenden Grund von einer Richtlinie ab, könnte eine stillschweigende Aufgabe oder eine Änderung der Verwaltungspraxis nur angenommen werden, wenn dies von der für die Richtlinie verantwortlichen Stelle - hier dem zuständigen Ministerium (Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) - in seinem Willen aufgenommen und von diesem bewusst gebilligt und geduldet worden wäre (NdsOVG, U.v. 3.2.2021 - 10 LC 149/20 - juris, Rn. 44). Hierfür ist nichts ersichtlich oder vorgetragen.
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Vielmehr hat der Beklagte auf Vorhalt des Gerichts nachvollziehbar in der mündlichen Verhandlung dargestellt, dass zur Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis zunächst nur eindeutige Fallkonstellationen verbeschieden wurden und Sachbearbeiter angewiesen waren, nicht zentral geklärte Fallgruppen zurückzustellen. Erst nach interner Klärung seien entsprechende Handlungsanweisungen erstellt und die Mitarbeiter diesbezüglich geschult worden. Warum es dennoch zu richtlinienwidrigen Bewilligungen gekommen sei, könne nachträglich nicht mehr aufgeklärt werden. Maßgeblich seien die in der Antragsmaske getätigten Angaben. Bei einem Masseverfahren von über 350.000 Anträgen könnten Fehler nicht ganz vermieden werden.
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Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden und lässt jedenfalls nicht die Schlussfolgerung zu, dass sich eine richtlinienabweichende Verwaltungspraxis herausgebildet hätte. Der Beklagte hat die Möglichkeit, in solchen Fällen von den Aufhebungsvorschriften der Art. 48 ff. BayVwVfG, namentlich der Rücknahmebefugnis des Art. 48 BayVwVfG, Gebrauch zu machen, damit rechtswidrige Bewilligungen des Corona-Pflegebonus rückgängig zu machen und entsprechende Auszahlungen zurückzufordern (Art. 49a BayVwVfG). Dass er diese Möglichkeit erkannt hat und auch tatsächlich in Erwägung zieht, hat er im Übrigen in der mündlichen Verhandlung hinreichend bekundet.
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Dem Gericht ist über die festgestellte Verwaltungspraxis hinaus eine erweiternde Auslegung der Richtlinie versagt. Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob es zu der festgestellten Verwaltungspraxis Alternativen gäbe und auch die Tätigkeit in ambulanten Dialysezentren hätte gefördert werden können. Bildet - wie hier - die Willkürgrenze den gerichtlichen Prüfungsmaßstab, kommt es nicht darauf an, ob es zu der festgestellten Verwaltungspraxis Alternativen gibt. Willkür ist aber bereits dann zu verneinen, wenn sich der Beklagte bei der Festlegung der Förderfälle von sachlichen Erwägungen hat leiten lassen. Dies ist wie ausgeführt hier der Fall, weil die Unterscheidung zwischen grundsätzlich zu fördernden stationären und grundsätzlich nicht zu fördernden ambulanten Einrichtungen vertretbar und angesichts des Förderzwecks nachvollziehbar ist (vgl. etwa VG München, U.v. 17.2.2021 - M 31 K 20.4944 - juris, Rn. 39; M 31 K 20.4504 - juris, Rn. 34; M 31 K 20.5587 - juris, Rn. 33, vgl. auch schon VG Würzburg, U.v. 8.2.2021 - W 8 K 20.1567 - BeckRS 2021, 2886). Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinien bestehen unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten keine triftigen Anhaltspunkte. Die Nichtförderung der Klägerin mangels Einsatzes in einem stationären Dialysezentrum ist gemessen an den Vorgaben der CoBoR nicht sachwidrig.
29
Gerade unter Heranziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verbietet sich vorliegend sogar die Gewährung des Corona-Pflegebonus zu Gunsten der Klägerin.
30
Der Beklagte hat nämlich durch die regelmäßige Wiederholung dieser Förderentscheidung eine bestimmte Förderpraxis entwickelt und vergleichbare Anträge, die aufgrund der Arbeitgeberbescheinigung lediglich eine Tätigkeit in einem ambulanten Dialysezentrum nachweisen konnten, ebenfalls negativ verbeschieden. Diese Praxis bindet ihn bei vergleichbaren Entscheidungen auch in Parallelverfahren und ist Maßstab für deren gerichtliche Kontrolle. Dabei kann das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG eben auch zu Lasten von Zuwendungsempfängern Anwendung finden. Versagt eine Behörde - wie hier regelmäßig - die Bewilligung bei einer nicht von der Richtlinie umfassten Tätigkeit, so verletzt sie das Gleichbehandlungsgebot in seiner objektiv-rechtlichen Funktion, wenn sie sich im Einzelfall über diese Praxis hinwegsetzt und trotz Fehlens der ansonsten geforderten Voraussetzungen die Leistung gewährt, so dass in einem solchen Fall die Entscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig wäre (BVerwG, U.v. 23.4.2003 - 3 C 25/02 - NVwZ 2003, 1384).
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Damit liegen bei der Klägerin die in der CoBoR dargelegten Zuwendungsvoraussetzungen, wie sie vom Beklagten in ständiger Verwaltungspraxis vollzogen werden, nicht vor.
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Nach alledem war die Klage im Haupt- und Hilfsantrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.