Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 22.01.2021 – W 9 K 19.1133
Titel:

Verbot des Besitzes und Erwerbs von erlaubnisfreien Waffen und Munition

Normenkette:
WaffG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Buchst. b, Abs. 2 Nr. 5, § 41 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Begriff der Zuverlässigkeit beurteilt sich im Bereich der erlaubnisfreien Waffen ebenso nach § 5 WaffG wie im Bereich der erlaubnispflichtigen Waffen, denn die Vorschrift konkretisiert den Begriff der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes, sodass Verstöße gegen Vorschriften, die in besonderer Weise erlaubnispflichtige Waffen betreffen, auch geeignet sind, die Unzuverlässigkeit im Hinblick auf erlaubnisfreie Waffen zu begründen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Prognose der Unzuverlässigkeit ist bei Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig Verhaltensweisen iSv § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen wird. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erwerbs- und Besitzverbot für erlaubnisfreie Waffen, Unzuverlässigkeit, gleiche Anforderungen an Unzuverlässigkeit wie bei erlaubnispflichtigen Waffen, Besitzverbot, Erwerbsverbot, erlaubnisfreie Waffen, Anforderungen, Zuverlässigkeit, Prognose, Ermessen
Rechtsmittelinstanzen:
VG Würzburg, Urteil vom 22.01.2021 – W 9 K 19.1131
VG Würzburg, Urteil vom 22.01.2021 – W 9 K 19.1132
VGH München, Beschluss vom 25.05.2021 – 24 ZB 21.943, 24 ZB 21.946, 24 ZB 21.947
Fundstelle:
BeckRS 2021, 16402

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen das Verbot des Besitzes und Erwerbs von erlaubnisfreien Waffen und Munition.
2
1. Mit Bescheid vom 22. Juli 2019 untersagte das Landratsamt S. (im Folgenden: Landratsamt) dem Kläger den Besitz und Erwerb von Waffen und Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedürfen (Ziffer 1 des Bescheids). Erlaubnisfreie Waffen im Besitz des Klägers seien drei Wochen nach Erhalt des Bescheids unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 wurde angeordnet (Ziffer 3). Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Ziffern 4 und 5). Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag ordnete das Landratsamt zudem den Widerruf der Waffenbesitzkarte sowie die Einziehung des Jagdscheins an.
3
Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf die am 23. März 2019 durchgeführte polizeiliche Hausdurchsuchung beim Kläger im Wesentlichen ausgeführt, dass der Tresorschlüssel durch dessen Aufbewahrung im Toilettenraum unterhalb des Waschbeckens für jedermann frei zugänglich gewesen sei. Auf Nachfrage habe der Kläger angegeben, dass dies der übliche Aufbewahrungsort des Schlüssels sei. Außerdem sei die Polizei im Zuge ihrer Ermittlungen auf einen Vorfall im Sommer 2018 gestoßen, bei dem der Kläger an zwei seiner Nachbarn vorbeigefahren sei, eine schwarze Pistole aus dem geöffneten Fahrerfenster seines Wagens gehalten und sinngemäß geäußert habe, er werde nun mal ein bisschen zum Rumballern gehen.
4
Der Kläger sei mit Schreiben vom 14. Juni 2019 zum beabsichtigten Waffenbesitzverbot angehört worden.
5
Gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WaffG könne die Behörde jemandem den Erwerb und Besitz von Waffen und Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, untersagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit geboten sei oder wenn Tatsachen bekannt würden, die die Annahme rechtfertigten, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen erforderliche Zuverlässigkeit fehle. § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG korrespondiere insoweit mit §§ 5, 6 WaffG und rechtfertige ein Waffenverbot, wenn das Verhalten des Betroffenen eine negative Persönlichkeitsstruktur erkennen lasse. Der leichtfertige Umgang mit Waffen und die nicht sorgsame Verwendung von Waffen könnten hier als Indizien herangezogen werden. Aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Aufbewahrung des Schlüssels sei beim Kläger die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben. Der Kläger habe den Schlüssel für den Waffenschrank frei zugänglich an einer Schraube unter dem Waschbecken in der Gäste-Toilette verwahrt und gegenüber der Polizei angegeben, dass dies der übliche Aufbewahrungsort für den Schlüssel sei. Dadurch habe der Kläger gegen § 36 Abs. 1 WaffG verstoßen, wonach eine Verwahrung des Tresorschlüssels dergestalt erfolgen müsse, dass kein unbefugter Dritter die Waffe an sich nehmen könne. Die offene Aufbewahrung des Schlüssels, auch in einem Versteck, sei hierfür in keinem Fall ausreichend. Somit liege ein gröblicher Verstoß gegen das Waffengesetz vor, weshalb von der Regelunzuverlässigkeit des Klägers auszugehen sei. Darüber hinaus ergebe sich die Unzuverlässigkeit des Klägers auch aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG. Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Sommer 2017 oder 2018 sei der Kläger mit erhobener Waffe an zwei Zeugen vorbeigefahren und habe mit dieser geprahlt. Dadurch lägen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger auch zukünftig Waffen und Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwende und/oder mit Waffen nicht vorsichtig und sachgemäß umgehe. Schließlich begründeten die beiden vorgenannten Vorfälle - die unsachgemäße Aufbewahrung des Tresorschlüssels und das Prahlen mit der Waffe - auch das Fehlen der persönlichen Eignung des Klägers nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG. Da der Kläger weder die waffenrechtliche Zuverlässigkeit noch die persönliche Eignung aufweise, könne nicht gewährleistet werden, dass er beim Umgang mit Waffen nicht die Allgemeinheit gefährde. Aus pflichtgemäßem Ermessen sei deshalb ein Waffenbesitzverbot zu erteilen, weil der generelle Umgang des Klägers mit Waffen ein großes Risiko für die Allgemeinheit berge und er deshalb vom Erwerb und Besitz erlaubnisfreier Waffen und Munition auszuschließen sei.
6
Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbestätigung am 24. Juli 2019 zugestellt.
7
2. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 20. August 2019, bei Gericht am selben Tage eingegangen, ließ der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg gegen die am 22. Juli 2019 gegen ihn ergangenen Bescheide des Landratsamts erheben. Die Verfahren wegen des Widerrufs der Waffenbesitzkarte und der Einziehung des Jagdscheins wurden mit Beschluss vom 26. August 2019 abgetrennt und werden unter den Aktenzeichen W 9 K 19.1131 und W 9 K 19.1132 geführt. Im hiesigen Verfahren wurde beantragt,
das mit Ziffer 1 des Bescheids des Landratsamts S. vom 22. Juli 2019, Az. 30-135-26/19, gegenüber dem Kläger ausgesprochene Waffenbesitzverbot, mit welchem diesem der Besitz und der Erwerb von Waffen und Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, untersagt wird, aufzuheben.
8
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Kläger sowohl die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit, als auch die erforderliche persönliche Eignung besitze. Daher sei auch die Ermessensentscheidung des Beklagten unverhältnismäßig und fehlerhaft. Der Bescheid sei folglich rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Bei der Hausdurchsuchung am 23. März 2019 habe der Kläger den bis dahin in seiner Hosentasche verwahrten Schlüssel zum Waffenschrank erstmals, spontan und einmalig in der Toilette deponiert, weil er mit der Situation überfordert gewesen sei. Der Kläger sei erschrocken gewesen und habe aus Reflex und nicht begründeter Nervosität den Schlüssel, den er stets bei sich trage, auf dem WC versteckt. Es handele sich dabei aber weder um eine öffentlich zugängliche Toilette noch um ein dauerhaftes oder zuvor verwendetes Versteck, von dem nahe Familienangehörige hätten Kenntnis haben können. Selbst die Polizisten hätten den Schlüssel trotz Durchsuchung des Anwesens nicht gefunden. Der Schlüssel sei daher nicht dem Zugriff unbefugter Dritter ausgesetzt gewesen, sodass der Kläger gegen keine Aufbewahrungspflicht verstoßen habe. Es existiere nämlich keine Rechtsgrundlage, die auch den Verschluss des Tresorschlüssels vorschreibe, denn § 36 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 13 AWaffV regelten nur die Aufbewahrung von Waffen und Munition selbst. Der Gesetzgeber selbst habe hinsichtlich der Aufbewahrung von Waffenschrankschlüsseln eine gewisse Sicherheitslücke akzeptiert, weil es nach aller Lebenserfahrung unmöglich sei, eine absolute, lückenlose Kontrolle über den Schlüssel sicherzustellen. Einem etwaigen verwaltungsinternen Rundschreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren, für Sport und Integration, wonach ein Schlüssel in einem sicheren Behältnis mit Zahlenschloss aufbewahrt werden müsse, fehle es bereits am erforderlichen Normcharakter. Der Gesetzgeber fordere somit nicht, dass der Schlüssel seinerseits in einem Schlüsselsafe aufbewahrt werde, sondern nur, dass dieser so aufbewahrt werde, dass er einem Dritten nicht zugänglich sei. Bei einem nur einmalig genutzten Versteck sei es sehr unwahrscheinlich, dass der Waffenschrankschlüssel entdeckt werde, sodass man davon ausgehen müsse, dass das Ansichnehmen einer Waffe möglichst verhindert sei. Es sei daher nicht anzunehmen, dass der Kläger die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Zudem sei der Vorwurf, der Kläger habe eine Schusswaffe in die Luft gehalten und geäußert, er werde zum „Rumballern“ fahren, nicht korrekt. Bei den diesbezüglichen Zeugenaussagen handele es sich nicht um Tatsachen, sondern um bloße tatsächliche Anhaltspunkte, was nicht ausreiche, um die behördliche Prognose der Unzuverlässigkeit zu tragen, zumal die Aussagen zum Geschehen hinsichtlich des Zeitraums erheblich auseinanderfallen würden. Die Aussagen seien von der Beklagten ungeprüft übernommen worden, eine Einordnung hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit und Vereinbarkeit mit den übrigen Anknüpfungstatsachen sei unterblieben. Es sei auch nicht anzunehmen, dass der Kläger die erforderliche persönliche Eignung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG nicht besitze. Außerdem basiere die fehlerhafte Ermessensentscheidung des Beklagten auf einem falschen Bezugsrahmen, weil die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit in Bezug auf solche Waffen oder Munition, deren Erwerb grundsätzlich nicht der Erlaubnis bedürfe, zu überprüfen sei. Soweit der Beklagte auf vermeintliche Verstöße bezüglich einer sorgsamen Aufbewahrung nach § 36 WaffG abstelle, verkenne er, dass diese nicht in gleicher Weise für erlaubnisfreie Waffen gelte. Zudem würden sachfremde Erwägungen angestellt, weil der Beklagte selbst ausführe, dass eine Gefahrenlage nicht bestehe, gleichwohl stelle er aber in seinen Ermessenserwägungen ein Risiko für die Allgemeinheit ein. Die Maßnahme sei zudem auch unverhältnismäßig, da sie jedenfalls nicht erforderlich sei. Eine Auflage hinsichtlich der Aufbewahrung des Schlüssels in einem gesicherten Behältnis genüge, soweit der Beklagte diesbezüglich Bedenken habe.
9
3. Das Landratsamt beantragte für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
10
Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf die Begründung im Bescheid im Wesentlichen vorgetragen, dass die Klage unbegründet sei, denn die nicht ordnungsgemäße Aufbewahrung des Tresorschlüssels sowie der unsachgemäße Umgang mit einer Waffe während einer Autofahrt stellten Verstöße gegen waffenrechtliche Bestimmungen dar, die die Unzuverlässigkeit des Klägers begründeten. Der Kläger sei bei der Durchsuchung am 23. März 2019 anfangs nicht anwesend gewesen, sondern erst eine halbe Stunde später hinzugekommen. Der Schlüssel sei also schon vor Eintreffen des Klägers und damit vor der Durchsuchung an der Befestigungsschraube des Waschbeckens im Gäste-WC deponiert gewesen. Die Zeugenaussagen hinsichtlich des Vorfalls, bei dem Kläger mit erhobener Waffe im Auto umhergefahren sein soll, wichen zwar im Hinblick auf den Zeitpunkt voneinander ab, die Zeugen seien sich im Übrigen aber unabhängig voneinander einig darüber, dass der Vorfall jedenfalls stattgefunden habe, sodass die zeitliche Divergenz dahinstehen könne.
11
4. In der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2021 erschien der Kläger mit seinem Bevollmächtigen. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Durch Beschlüsse vom 22. Januar 2021 wurde über die Wahrnehmungen im Sommer 2017 oder 2018 in der N. Straße 28, 9... G., Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen Herr A … P … und Herr B … S … Bezüglich des Inhalts der mündlichen Verhandlung und der Zeugeneinvernahmen wird auf das Protokoll verwiesen.
12
5. Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten, sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorliegende Behördenakte Bezug genommen. Die Akten in den Verfahren W 9 K 19.1131 und W 9 K 19.1132 wurden beigezogen.

Entscheidungsgründe

13
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die im hiesigen Verfahren angegriffene Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 22. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
14
1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Das Landratsamt S. war gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 WaffG, § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Ausführung des Waffen- und Beschussrechts (AVWaffBeschR), Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO sachlich und gemäß § 49 Abs. 1 WaffG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BayVwVfG örtlich zum Erlass des Bescheids zuständig. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 14. Juni 2019 nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ordnungsgemäß angehört.
15
2. Der Bescheid des Landratsamts vom 22. Juli 2019 ist in Ziffer 1 nach der Sach- und Rechtslage zum - hier aufgrund seines Charakters als Dauerverwaltungsakt maßgeblichen - Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auch materiell rechtmäßig. Gegen das verhängte Erwerbs- und Besitzverbot nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 WaffG für erlaubnisfreie Waffen sowie Munition bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Ermessensausübung ist im Rahmen des gerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) ebenfalls nicht zu beanstanden.
16
2.1 Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition u.a. untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Das Landratsamt stützt seine Feststellung, dass dem Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit fehlt, zutreffend auf die nicht widerlegliche Unzuverlässigkeitsvermutung der § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG, sowie auf die vorliegend nicht widerlegbare Regelunzulässigkeitsvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG i.V.m. § 36 WaffG. Der Begriff der Zuverlässigkeit beurteilt sich im Bereich der erlaubnisfreien Waffen ebenso nach § 5 WaffG wie im Bereich der erlaubnispflichtigen Waffen, denn die Vorschrift konkretisiert den Begriff der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes (vgl. BayVGH, B.v. 14.7.2020 - 24 ZB 19.1176 - juris Rn. 11 m.w.N.). Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen (BayVGH, B.v. 22.1.2014 - 21 ZB 13.1781 - juris Rn. 14). Somit sind Verstöße gegen Vorschriften, die in besonderer Weise erlaubnispflichtige Waffen betreffen, auch geeignet, die Unzuverlässigkeit im Hinblick auf erlaubnisfreie Waffen zu begründen, weil es dabei um das generelle Verhalten des Betroffenen in Bezug auf den Umgang mit gefährlichen Gegenständen geht und den Kriterien in den Unzuverlässigkeitstatbeständen des § 5 WaffG ohne Einschränkung auch für den Umgang mit erlaubnisfreien Waffen maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2014 - 21 ZB 13.1781 - juris Rn. 13 ff.). Die Prognose der Unzuverlässigkeit ist bei Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen wird (BVerwG, U.v. 28.1.2015 - 6 C 1.14 - juris Rn. 17).
17
Es kann daher insoweit auf das Urteil des Gerichts vom 22. Januar 2021 im Verfahren W 9 K 19.1131 verwiesen werden. Im dort verfahrensgegenständlichen Widerruf der Waffenbesitzkarte des Klägers wurde dessen fehlende waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Abs. 2 Nr. 5 WaffG wegen der Aufbewahrung des Waffenschrankschlüssels und des Hochhaltens einer Pistole festgestellt. Das Gericht macht sich diese Ausführungen im vorliegenden Verfahren zu eigen.
18
2.2 Die Ermessensausübung durch das Landratsamt ist im Rahmen des gerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Landratsamt hat das ihm bei der Entscheidung nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG zukommende Ermessen erkannt, es im Sinne von Art. 40 BayVwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten. Die Ausführungen des Landratsamts im streitgegenständlichen Bescheid sind zwar knapp, lassen aber die angestellten Erwägungen erkennen. In Anbetracht des Zwecks des Waffengesetzes, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren, ist es nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt das Erwerbs- und Besitzverbot mit der Gefahr und dem hohen Sicherheitsrisiko für die Allgemeinheit begründet, die beim Umgang des Klägers mit Waffen bestehen. In der mündlichen Verhandlung hat das Landratsamt zu seiner Ermessensentscheidung weiter ausgeführt, dass es das Waffenbesitzverbot nicht allein wegen des Vorfalls mit dem Tresorschlüssel erlassen hat, sondern der Vorfall mit der hochgehaltenen Waffe miteinbezogen wurde. Es hat folglich seine Ermessenserwägungen entscheidend auf die tatsächlichen Geschehnisse und nicht auf die rechtliche Wertung gestützt, dass der Kläger nicht nur waffenrechtlich unzuverlässig ist, sondern es ihm nach rechtsfehlerhafter Ansicht des Landratsamts auch an der persönlichen Eignung mangele. Nach Auffassung des Gerichts ist es daher unschädlich, dass die rechtliche Einordnung dieser beiden Vorfälle zum Teil fehlerhaft erfolgt ist. Das Waffenbesitzverbot genügt darüber hinaus insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet wäre, Gefahren zu begegnen, die auch von erlaubnisfreien Waffen im Besitz des Klägers ausgehen, ist nicht ersichtlich.
19
3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.