Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 22.01.2021 – W 9 K 19.1132
Titel:

Ungültigerklärung und Einziehung eines Jagdscheins

Normenketten:
BJagdG § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 18 S. 1
WaffG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2
Leitsatz:
Eine Unzuverlässigkeit iSd § 5 WaffG führt nach § 17 Abs. 1 S. 2 BJagdG zwingend zur Versagung eines allgemeinen Jagdscheins und damit auch zur zwingenden Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins nach § 18 S. 1 BJagdG. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ungültigerklärung und Einziehung eines Jagdscheins, Bezugnahme auf waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Hausdurchsuchung, Tresorschlüssel, Aufbewahrung
Vorinstanzen:
VG Würzburg, Urteil vom 22.01.2021 – W 9 K 19.1131
VG Würzburg, Urteil vom 22.01.2021 – W 9 K 19.1133
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 25.05.2021 – 24 ZB 21.943, 24 ZB 21.946, 24 ZB 21.947
Fundstelle:
BeckRS 2021, 16400

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über die Ungültigerklärung und die Einziehung eines Jagdscheins.
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1. Mit Bescheid vom 22. Juli 2019 erklärte das Landratsamt S. (im Folgenden: Landratsamt) den Jagdschein Nr. …, ausgestellt am 31.Oktober 2016, verlängert am 1. April 2019 mit Gültigkeit bis 31. März 2022, für ungültig und zog ihn ein (Ziffer 1 des Bescheids). Der Jagdschein war innerhalb eines Monats nach Zustellung bzw. Unanfechtbarkeit des Bescheids zurückzugeben (Ziffer 3). Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 wurde angeordnet (Ziffer 6). Für den Fall des Verstoßes gegen Ziffer 3 wurde ein Zwangsgeld angedroht (Ziffer 7). Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Ziffern 8 und 9). Die Ziffern 2, 3, 4, 5, 6 und 7 ergingen im Vollzug des Waffenrechts, soweit hierin der Widerruf der Waffenbesitzkarten und Nebenentscheidungen angeordnet bzw. ein Zwangsgeld für die nicht fristgerechte Erfüllung der waffenrechtlichen Anordnungen angedroht wird, und in Ziffern 8 und 9, soweit diese die Kosten des Verfahrens hinsichtlich der waffenrechtlichen Anordnungen betreffen. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag ordnete das Landratsamt ein Waffenbesitzverbot gegenüber dem Kläger an.
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Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf die am 23. März 2019 durchgeführte polizeiliche Hausdurchsuchung beim Kläger im Wesentlichen ausgeführt, dass der Tresorschlüssel durch dessen Aufbewahrung im Toilettenraum unterhalb des Waschbeckens für jedermann frei zugänglich gewesen sei. Auf Nachfrage habe der Kläger angegeben, dass dies der übliche Aufbewahrungsort des Schlüssels sei. Außerdem sei die Polizei im Zuge ihrer Ermittlungen auf einen Vorfall im Sommer 2018 gestoßen, bei dem der Kläger an zwei seiner Nachbarn vorbeigefahren sei, eine schwarze Pistole aus dem geöffneten Fahrerfenster seines Wagens gehalten und sinngemäß geäußert habe, er werde nun mal ein bisschen zum Rumballern gehen.
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Der Kläger sei mit Schreiben vom 14. Juni 2019 zur beabsichtigten Ungültigerklärung seines Jagdscheins angehört worden.
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Gemäß § 18 Satz 1 BJagdG müsse die Behörde den Jagdschein für ungültig erklären und einziehen, wenn Tatsachen einträten, welche die Versagung des Jagdscheins begründeten. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG sei der Jagdschein Personen zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besäßen. Personen, denen die Zuverlässigkeit oder die persönliche Eignung im Sinne der §§ 5 und 6 WaffG fehle, dürfe lediglich ein sog. Falknerjagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG ohne den Umgang mit Schusswaffen erteilt werden. Aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Aufbewahrung des Schlüssels sei beim Kläger die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben. Der Kläger habe den Schlüssel für den Waffenschrank frei zugänglich an einer Schraube unter dem Waschbecken in der Gäste-Toilette verwahrt und gegenüber der Polizei angegeben, dass dies der übliche Aufbewahrungsort für den Schlüssel sei. Dadurch habe der Kläger gegen § 36 Abs. 1 WaffG verstoßen, wonach eine Verwahrung des Tresorschlüssels dergestalt erfolgen müsse, dass kein unbefugter Dritter die Waffe an sich nehmen könne. Die offene Aufbewahrung des Schlüssels, auch in einem Versteck, sei hierfür in keinem Fall ausreichend. Somit liege ein gröblicher Verstoß gegen das Waffengesetz vor, weshalb von der Regelunzuverlässigkeit des Klägers auszugehen sei. Darüber hinaus ergebe sich die Unzuverlässigkeit des Klägers auch aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG. Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Sommer 2017 oder 2018 sei der Kläger mit erhobener Waffe an zwei Zeugen vorbeigefahren und habe mit dieser geprahlt. Dadurch lägen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger auch zukünftig Waffen und Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwende und/oder mit Waffen nicht vorsichtig und sachgemäß umgehe. Aufgrund der jagd- und waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers sei die Ungültigerklärung seines Jagdscheins zwingend geboten. Schließlich begründeten die beiden vorgenannten Vorfälle - die unsachgemäße Aufbewahrung des Tresorschlüssels und das Prahlen mit der Waffe - auch das Fehlen der persönlichen Eignung des Klägers nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG.
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Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbestätigung am 23. Juli 2019 zugestellt.
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2. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 20. August 2019, bei Gericht am selben Tag eingegangen, ließ der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg gegen die am 22. Juli 2019 gegen ihn ergangenen Bescheide des Landratsamts erheben. Die Verfahren wegen des Widerrufs der Waffenbesitzkarte und des Waffenbesitzverbots wurden mit Beschluss vom 26. August 2019 abgetrennt und werden unter den Aktenzeichen W 9 K 19.1131 und W 9 K 19.1133 geführt. Im hiesigen Verfahren wurde beantragt,
die Ungültigkeitserklärung des Jagdscheins Nummer 1043/16, ausgestellt am 31. Oktober 2016 vom Landratsamt S., zuletzt verlängert am 1. April 2019 mit Gültigkeit bis 31. März 2022 in Ziffer 1 des Bescheids des Landratsamts S. vom 22. Juli 2019, Az. 30-135-26/19, aufzuheben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Kläger sowohl die erforderliche jagdrechtliche Zuverlässigkeit, als auch die erforderliche körperliche Eignung besitze und daher nach Erteilung des Jagdscheins keine Tatsachen eingetreten seien, welche dessen Versagung begründen könnten. Der Bescheid sei folglich rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Bei der Hausdurchsuchung am 23. März 2019 habe der Kläger den bis dahin in seiner Hosentasche verwahrten Schlüssel zum Waffenschrank erstmals, spontan und einmalig in der Toilette deponiert, weil er mit der Situation überfordert gewesen sei. Der Kläger sei erschrocken gewesen und habe aus Reflex und nicht begründeter Nervosität den Schlüssel, den er stets bei sich trage, auf dem WC versteckt. Es handele sich dabei aber weder um eine öffentlich zugängliche Toilette noch um ein dauerhaftes oder zuvor verwendetes Versteck, von dem nahe Familienangehörige hätten Kenntnis haben können. Selbst die Polizisten hätten den Schlüssel trotz Durchsuchung des Anwesens nicht gefunden. Der Schlüssel sei daher nicht dem Zugriff unbefugter Dritter ausgesetzt gewesen, sodass der Kläger gegen keine Aufbewahrungspflicht verstoßen habe. Es existiere nämlich keine Rechtsgrundlage, die auch den Verschluss des Tresorschlüssels vorschreibe, denn § 36 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 13 AWaffV, welche auch für § 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG maßgeblich seien, regelten nur die Aufbewahrung von Waffen und Munition selbst. Der Gesetzgeber selbst habe hinsichtlich der Aufbewahrung von Waffenschrankschlüsseln eine gewisse Sicherheitslücke akzeptiert, weil es nach aller Lebenserfahrung unmöglich sei, eine absolute, lückenlose Kontrolle über den Schlüssel sicherzustellen. Einem etwaigen verwaltungsinternen Rundschreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren, für Sport und Integration, wonach ein Schlüssel in einem sicheren Behältnis mit Zahlenschloss aufbewahrt werden müsse, fehle es bereits am erforderlichen Normcharakter. Der Gesetzgeber fordere somit nicht, dass der Schlüssel seinerseits in einem Schlüsselsafe aufbewahrt werde, sondern nur, dass dieser so aufbewahrt werde, dass er einem Dritten nicht zugänglich sei. Bei einem nur einmalig genutzten Versteck sei es sehr unwahrscheinlich, dass der Waffenschrankschlüssel entdeckt werde, sodass man davon ausgehen müsse, dass das Ansichnehmen einer Waffe möglichst verhindert sei. Es sei daher nicht anzunehmen, dass der Kläger die nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Zudem sei der Vorwurf, der Kläger habe eine Schusswaffe in die Luft gehalten und geäußert, er werde zum „Rumballern“ fahren, nicht korrekt. Bei den diesbezüglichen Zeugenaussagen handele es sich nicht um Tatsachen, sondern um bloße tatsächliche Anhaltspunkte, was nicht ausreiche, um die behördliche Prognose der Unzuverlässigkeit zu tragen, zumal die Aussagen zum Geschehen hinsichtlich des Zeitraums erheblich auseinanderfallen würden. Die Aussagen seien vom Beklagten ungeprüft übernommen worden, eine Einordnung hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit und Vereinbarkeit mit den übrigen Anknüpfungstatsachen sei unterblieben. Es seien somit keine Tatsachen nach § 17 Abs. 3 Nr. 1 BJagdG festgestellt worden, die die Annahme rechtfertigten, der Kläger würde Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden. Es sei auch nicht anzunehmen, dass der Kläger die erforderliche körperliche Eignung nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BJagdG nicht besitze, weil körperliche oder geistige Defizite des Klägers durch den Beklagten nicht festgestellt worden seien.
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3. Das Landratsamt beantragte für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf die Begründung im Bescheid im Wesentlichen vorgetragen, dass die Klage unbegründet sei, denn die nicht ordnungsgemäße Aufbewahrung des Tresorschlüssels sowie der unsachgemäße Umgang mit einer Waffe während einer Autofahrt stellten Verstöße gegen jagdrechtliche Bestimmungen dar, die die Unzuverlässigkeit des Klägers begründeten. Der Kläger sei bei der Durchsuchung am 23. März 2019 anfangs nicht anwesend gewesen, sondern erst eine halbe Stunde später hinzugekommen. Der Schlüssel sei also schon vor Eintreffen des Klägers und damit vor der Durchsuchung an der Befestigungsschraube des Waschbeckens im Gäste-WC deponiert gewesen. Die Zeugenaussagen hinsichtlich des Vorfalls, bei dem Kläger mit erhobener Waffe im Auto umhergefahren sein soll, wichen zwar im Hinblick auf den Zeitpunkt voneinander ab, die Zeugen seien sich im Übrigen aber unabhängig voneinander einig darüber, dass der Vorfall jedenfalls stattgefunden habe, sodass die zeitliche Divergenz dahinstehen könne. Aufgrund der festgestellten Verstöße gegen waffenrechtliche Bestimmungen, die bei der Ungültigkeitserklärung und dem Entzug des Jagdscheins zu berücksichtigen seien, fehle es an der zwingend erforderlichen Zuverlässigkeit des Klägers.
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4. Am 30. Juli 2019 gab der Kläger seinen Jagdschein an das Landratsamt zurück.
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5. In der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2021 erschien der Kläger mit seinem Bevollmächtigen. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Durch Beschlüsse vom 22. Januar 2021 wurde über die Wahrnehmungen im Sommer 2017 oder 2018 in der N H1.Straße 28, 9 … …, Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen Herr A … P … und Herr B … S … Bezüglich des Inhalts der mündlichen Verhandlung und der Zeugeneinvernahmen wird auf das Protokoll verwiesen.
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6. Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten, sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorliegende Behördenakte Bezug genommen. Die Akten in den Verfahren W 9 K 19.1131 und W 9 K 19.1133 wurden beigezogen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die im hiesigen Verfahren angefochtene Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 22. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Nach § 18 Satz 1 BJagdG ist der Jagdschein in den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG zwingend für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn nach der Erteilung Tatsachen eintreten, welche die Versagung des Jagdscheins begründen. Die Voraussetzungen des § 18 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i.V.m. §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG liegen vor. Bezüglich der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins ist hinsichtlich der Unzuverlässigkeit keine andere rechtliche Sichtweise angebracht als bei der Entziehung einer Waffenbesitzkarte (vgl. VG Würzburg, U.v. 31.7.2015 - W 5 K 14.755 - juris Rn. 32). Eine Unzuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG führt nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG zwingend zur Versagung eines allgemeinen Jagdscheins (vgl. VG Würzburg, B.v. 3.4.200 - W 5 S 09.163 - juris Rn. 14) und damit auch zur zwingenden Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins nach § 18 Abs. 1 BJagdG. Es kann daher insoweit auf das Urteil des Gerichts vom 22. Januar 2021 im Verfahren W 9 K 19.1131 verwiesen werden. Im dort verfahrensgegenständlichen Widerruf der Waffenbesitzkarte des Klägers wurde dessen fehlende waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Abs. 2 Nr. 5 WaffG wegen der Aufbewahrung des Waffenschrankschlüssels und des Hochhaltens einer Pistole festgestellt. Das Gericht macht sich diese Ausführungen im vorliegenden Verfahren zu eigen.
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2. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.