Titel:
Fehlendes Rechtsschutzinteresse für ein Klageverfahren gegen den angefochtenen Ursprungsbescheid
Normenketten:
BayVwVfG Art. 43 Abs. 2
ZPO § 256
Leitsätze:
1. Auf andere Weise erledigt ist ein Verwaltungsakt, der seine regelnde Wirkung verliert, was unter anderem auch bei einer inhaltlichen „Überholung“ des früheren Verwaltungsakts durch eine neue Sachentscheidung der Fall ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Prozessrecht führt nicht dazu, dass der Ersetzungsbescheid seine Wirkungen nur auflösend bedingt entfaltet. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Ersetzungsbescheid
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 18.02.2016 – W 5 K 15.585
Fundstelle:
BeckRS 2021, 16328
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Von den Kosten des für die Berufungsverfahren 9 B 17.1240 bis 9 B 17.1245 gemeinsam eingeholten Sachverständigengutachtens vom 14. August 2019 trägt der Kläger ein Sechstel als Gesamtschuldner.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich als Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks FlNr. … Gemarkung H. gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Umbau und zur Sanierung des (Fußball-)Stadions (F.-Arena) mit einer Zuschauerkapazität von 10.006 Personen auf den Grundstücken FlNr. … … und … Gemarkung H. (Baugrundstück).
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Das Grundstück des Klägers befindet sich im Geltungsbereich des „Baulinien-Auflageplans für den Westl. Teil des verlängerten Mittleren D.-Weges Südl. der K.-Straße“ vom 25. Juli 1956 mit Deckblatt vom 22. Mai 1957, festgesetzt mit Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 30. April 1958. Dieser setzt als Art der Nutzung ein reines Wohngebiet fest. Das Fußballstadion des Beigeladenen liegt ca. 110 m südöstlich des Wohngebäudes des Klägers, das nach seinen Angaben im Jahr 1933 genehmigt und plankonform errichtet wurde. Das Stadion unterfällt dem Bebauungsplan „Sportplatz am D.“ der Beklagten vom 27. Oktober 1965 und 23. Februar 1966, genehmigt mit Regierungserlass vom 19. August 1966 mit der festgesetzten Nutzung „öffentliche Grünflächen: Sportplatz“. Hieran schließt sich in nördlicher bzw. nordöstlicher Richtung ein Großparkplatz und weiter Richtung Norden jenseits der K.-Straße das D.bad an. In östlicher Richtung wird das Stadion durch die Bundesstraße . begrenzt. Richtung Süden schließt sich der Botanische Garten an und Richtung Westen bzw. Nordwesten Wohnbebauung (einschließlich des Grundstücks des Klägers).
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Das Fußballstadion der „FC W. K.s“ am D. wurde aufgrund der Baugenehmigung der Beklagten vom 20. Dezember 1966 für den „Neubau des Sportplatzes, des Sportheims, der Spiel- und Turnhalle, der Tribünenüberdachung und Ölheizung (Kellertank 45.000 l) D.“ errichtet. Eine konkrete Zahl der vorhandenen Zuschauerplätze lässt sich den damaligen Bauunterlagen nicht entnehmen. Nach den Angaben des Beigeladenen betrug die Zuschauerkapazität nach Fertigstellung des Stadions ca. 14.500 Personen. Der Inhalt der Auflage Nr. 2.10 zu einer von der Beklagten mit Bescheid vom 19. September 1978 für das Spieljahr 1978/79 erteilten (sicherheitsrechtlichen) Erlaubnis zur Veranstaltung von Vergnügungen nach Art. 19 Abs. 3 LStVG 1974 deutet auf ein Fassungsvermögen in dieser Saison von wenigstens 17.465 Personen hin. Mit rechtskräftigem Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2013 wurde auf Antrag des Beigeladenen die Baugenehmigung für verschiedene bauliche Maßnahmen am Stadion (u.a. den Bau eines Gästeblocks mit 2 Toren) erteilt und festgestellt, dass die mit diesem Bescheid erteilte Genehmigung antragsgemäß für Veranstaltungen mit einer Besucherzahl von maximal 4.999 Personen gilt.
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Um den Vorgaben des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) beim geplanten Aufstieg der ersten Mannschaft in die 3. Liga zu genügen (u.a. Zuschauerkapazität von 10.000 Besuchern und fernsehtaugliche Flutlichtanlage) stellte der Beigeladene am 23. Juli 2014 den Bauantrag für die Baumaßnahme „F.-Arena“, der unter anderem den Umbau und die Erweiterung der sicherheitstechnischen Anlagen, nämlich die Neuaufteilung der Zuschauerblöcke, die Abtrennung des Gästeblocks und die Neuordnung der Fluchtwege für 12.300 Personen sowie den Neubau einer Flutlichtanlage zum Gegenstand hatte. Mit Bescheid vom 1. Oktober 2014 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die Teilbaugenehmigung für die Errichtung der Flutlichtanlage zum Bauvorhaben auf Erweiterung der Zuschauerkapazität des Stadions auf 12.300 Personen mit verschiedenen baulichen Ertüchtigungen und Ergänzungen nach den Plänen vom 9. September 2014 und den Systemzeichnungen für die Flutlichtanlage vom 10. August 2014 unter Nebenbestimmungen.
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Nachdem im noch anhängigen Teil des Baugenehmigungsverfahrens durch den Beigeladenen verschiedene Planänderungen sowie Änderungen in der Kapazität des Stadions vorgenommen worden waren, erteilte die Beklagte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 22. Mai 2015 die Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Umbau und Sanierung des Stadions für 10.504 Personen mit Zuschauerblöcken, Wellenbrechern, Überwachungsraum, sicherheitstechnischen Anlagen und separatem Spielerzugang sowie Sanitäranlagen und einer weiteren Treppe zur F.-Arena“ nach den Plänen vom 28. Januar 2015, geändert am 20. Mai 2015, unter Abweichungen und Nebenbestimmungen. Eine Abweichung wurde insbesondere von der erforderlichen Zahl der Pkw- und Motorradstellplätze zugelassen. Der Bescheid enthält zudem eine Vielzahl von brandschutztechnischen, immissionsschutzfachlichen und sicherheitstechnischen Auflagen. Gemäß Nr. 1 der immissionsschutzfachlichen Auflage 2031 wurde die Zahl der Abendspiele pro Kalenderjahr auf maximal 10 Spiele beschränkt. Die Baugenehmigung wurde zudem auf Grundlage des Sicherheitskonzepts vom 21. Mai 2015 und des Verkehrskonzepts mit einführendem Parkleitkonzept vom 21. Mai 2015 erteilt, die aufgrund der Anforderungen an den Betrieb des Stadions in der vierthöchsten deutschen Spielklasse erstellt wurden.
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Auf Antrag des Beigeladenen vom 22. Juli 2015 erließ die Beklagte am 27. Juli 2015 einen Ergänzungsbescheid, mit dem der Baugenehmigungsbescheid vom 22. Mai 2015 „ergänzt und teilweise ersetzt“ wurde. Danach wurde unter anderem die zulässige Personenzahl auf 10.006 Besucherplätze festgelegt (Auflage Nr. 1.050) und als Teil eines neuen Sicherheitskonzepts vom 20. Juli 2015 dort als Anlage A 5 ein Lärmschutzkonzept zur Durchführung von Fußballspielen in der F.-Arena W., Stand 10. Juli 2015, aufgenommen (Auflage Nr. 2.041a). Dort wurde zudem bestimmt, dass die Konzepte bei wesentlichen Änderungen, insbesondere einem Wechsel des nutzenden Vereins in eine andere Spielklasse rechtzeitig vor Saisonbeginn in Abstimmung mit der Fachabteilung Fachaufsicht und den beteiligten Sicherheitsbehörden zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen sind.
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Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 18. Februar 2016 abgewiesen. Die angefochtene Baugenehmigung vom 22. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 27. Juli 2015 und insbesondere die Auflage Nr. 2031a verstießen nicht gegen das Gebot hinreichender Bestimmtheit. Aus dem von Satz 2 dieser Nebenbestimmung in Bezug genommenen Schreiben der W. GmbH vom 11. Mai 2015, das als Anlage Bestandteil der Baugenehmigung sei, ließen sich die Maße und Abschirmwerte der geforderten Lärmschutzwand hinreichend bestimmt entnehmen. Das Bauvorhaben unterfalle dem Bebauungsplan „Sportplatz D.“ der Beklagten mit der festgesetzten Art der Nutzung „öffentliche Grünfläche: Sportplatz“, der es nicht widerspreche. Es ergäben sich auch keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass dieser Bebauungsplan unwirksam sein könnte. Abgesehen davon wären eventuelle Abwägungsmängel mittlerweile unbeachtlich geworden. Da das Grundstück des Klägers außerhalb des Geltungsbereichs dieses Bebauungsplans liege, stehe ihnen insoweit ein Gebietserhaltungsanspruch nicht zu.
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Das Bauvorhaben verstoße hinsichtlich der von ihm ausgehenden Lärmeinwirkungen auf das Grundstück des Klägers auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der Kläger könnte hier unter Berücksichtigung der Regelungen und Wertungen der 18. BImSchV grundsätzlich nur den Schutzstatus eines Zwischenwerts von 58 dB(A) tags außerhalb der Ruhezeit, von 53 dB(A) tags innerhalb der Ruhezeit und von 43 dB(A) nachts zwischen einem WA-Gebiet und einem MI-Gebiet verlangen, weil die Sportanlage des Beigeladenen und das klägerische Wohnhaus seit ca. 50 Jahren nebeneinander existieren würden. Unter Zugrundelegung der im Baugenehmigungsverfahren erstellten Immissionsprognose und der im gerichtlichen Verfahren „gewonnenen Messwerte“ sei aber davon auszugehen, dass diese Zwischenwerte am klägerischen Grundstück bei dem Szenario „Spielbetrieb tags in der Ruhezeit“ und beim Szenario „Sonderereignis“ tags innerhalb und außerhalb der Ruhezeit überschritten würden. Die erhöhten Werte für seltene Ereignisse im Sinn des § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV seien allerdings mit Ausnahme des Werts für kurzzeitige Geräuschspitzen eingehalten. Auch ohne Heranziehung dieser Regelung seien die zu erwartenden Lärmeinwirkungen für das Wohngrundstück des Klägers nicht als unzumutbar anzusehen, weil hier eine atypische Konfliktsituation vorliege. Es liege keine Stadionerweiterung vor; vielmehr solle das Stadion im wesentlichen nur sicherheitstechnisch an die aktuelle Rechtslage angepasst werden. Die zulässige Zuschauerzahl halte sich mit 10.006 Personen deutlich unter der nach dem Bau im Jahr 1967 zulässigen bzw. möglichen Zuschauerzahl von über 14.000 Personen. Des Weiteren könne die Wertung des § 5 Abs. 4 der 18. BImSchV (Altanlagenbonus) herangezogen werden. Von wesentlicher Bedeutung sei schließlich, dass es sich hier um eine sehr geringe Anzahl von Überschreitungen der Immissionsrichtwerte handle, die auf wenige Stunden und lediglich fünf Tage im Jahr beschränkt seien und dass ansonsten das Immissionsniveau für die fragliche Wohnbebauung deutlich unterhalb der Werte des § 2 Abs. 2 der 18. BImSchV liege. Überschreitungen der Spitzenpegel zur Tagzeit, die aus dem bei Fußballspielen zwangsläufig anfallenden Torjubel herrühren würden, seien unvermeidlich und aufgrund der kurzzeitigen Einwirkung im Sinne der gegenseitigen Rücksichtnahme hinzunehmen. Schließlich sei eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch die zugelassene Abweichung von den gemäß Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBO in Verbindung mit der Stellplatzsatzung der Beklagten vom 25. März 2014 erforderlichen Stellplatzanzahl nicht zu erkennen.
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Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat der Senat ein Sachverständigengutachten des Ingenieurbüros A. GmbH vom 14. August 2019 über die auf das Wohnanwesen des Klägers einwirkenden Geräusche durch den Gesamtbetrieb der Sportanlagen der Beigeladenen am D., wie sie auf Grundlage der zuletzt erteilten Baugenehmigung vom 22. Mai 2015 mit Ergänzungsbescheid vom 27. Juli 2015 zu erwarten sind bzw. auftreten, eingeholt.
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Mit Bescheid vom 6. Juni 2018 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die Baugenehmigung für die „Erweiterung der Stadionkapazität für eine Besucherzahl von 13.090 Personen“ unter Zusammenführung mehrerer Bauanträge des Beigeladenen. Von dieser Genehmigung sind unter anderem der Neubau einer Stahltribüne als Bauwerk mit Prüfung sowie der Neubau einer Schallschutzwand (Bauantrag Nr. 1) und die Ertüchtigung sowie Überdachung der bestehenden Tribüne für 232 Sitzplätze, Block Z (Bauantrag Nr. 2) erfasst. Die Genehmigung enthält eine Vielzahl von immissionsschutzrechtlichen Betriebsauflagen (Nr. 2040), bauteilbezogenen Auflagen (Nrn. 2044 und 2045), brandschutztechnischen Auflagen (Nr. 2070) und aufgrund der Lage im Wasserschutzgebiet wasserwirtschaftlichen Auflagen (Nr. 2055). Mit der immissionsschutzrechtlichen Betriebsauflage wurden insbesondere vor dem Hintergrund des hier angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts neue Betriebsbeschränkungen für den Stadionbetrieb festgelegt. Nach Nr. 1 dieser Auflage ist die Nutzung des Stadionareals für Spielbetrieb bis maximal 22:00 Uhr zulässig; eine Nutzung zur Nachtzeit (22:00 bis 6:00 Uhr) ist ausgeschlossen. Die spätest mögliche Anstoßzeit im Freundschafts- und Ligaspielbetrieb wurde auf 19:30 Uhr festgesetzt; für Spiele mit der Möglichkeit einer vergleichsweise längeren Spieldauer als im Ligaspielbetrieb auf 18:30 Uhr (Nr. 2). Für Spiele innerhalb der sonn- und feiertäglichen Mittagsruhezeit (13:00 bis 15:00 Uhr) beträgt die zulässige Kapazität bei Anstoß nach 13:44 Uhr 13.090 Besucher, bei Anstoß vor 13:45 Uhr 10.000 Besucher (Nr. 3). Die zulässige Anzahl an Spielen mit Spielanteilen innerhalb der mittäglichen und abendlichen Ruhezeit wurde auf 10 Spiele im Kalenderjahr beschränkt (Nr. 4).
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In der dieser Genehmigung zugrundeliegenden Bau-/Betriebsbeschreibung vom 15. Januar 2018 des Beigeladenen wird darauf hingewiesen, dass durch den Aufstieg in die 2. Bundesliga im Jahr 2016 erneut weitreichende Sanierungs- und Umbaumaßnahmen nötig seien, um die Vorgaben der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zu erfüllen. Es müsse ein Kapazitätsnachweis von mindestens 15.000 Besucherplätzen erbracht werden. Zudem seien einige Auflagen im Zusammenhang mit Medienarbeitsplätzen und -stellflächen zu erfüllen. Des Weiteren ergäben sich durch den Aufstieg gestiegene Anforderungen in Bezug auf die Hospitality(VIP)-Einrichtungen. Die geforderte Gesamtkapazität nach DFL-Regularien sei zunächst ausgesetzt worden. Durch den Abstieg in die 3. Liga sei eine weitere Anhebung der Kapazität nicht gefordert. Dementsprechend betrage die Gesamtkapazität 13.090 Besucherplätze. Auf der Gegengerade werde hierfür über die Bestandstribüne eine Stahlrohrtribüne errichtet, die eine Gesamtkapazität in Höhe von 6.928 Stellplätzen aufweise. Die bestehende Schallschutzwand werde in Richtung Gaststätte erweitert. Zusätzlich würden auf dem Dach der Gaststätte sowieso der Boxhalle weitere Schallschutzwände auf der kompletten Länge der Gebäude errichtet. Der freie Bereich zwischen VIP-Zelt und Gaststättengebäude werde ebenfalls mit einer Lärmschutzwand geschlossen. Dieses doppelstöckige Zelt solle neben dem Behördenhof (Stellfläche für Polizei/Rettungsdienst) zur Bewirtung der Zuschauer mit einer maximalen Kapazität von 500 Personen errichtet und nur im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen in der F.-Arena genutzt werden. Der bislang aus Statikgründen gesperrte Block Z (angrenzend an Block A) werde ertüchtigt und biete zukünftig Platz für 237 Sitzplätze. Dieser Zuschauerabschnitt erhalte des Weiteren ein Dach, welches analog zur bereits bestehenden Konstruktion ausgebildet werde. Der Kläger hat diese Baugenehmigung vor dem Verwaltungsgericht angefochten. Das Verfahren ruht derzeit.
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Der Kläger verfolgt im Berufungsverfahren sein Begehren aus erster Instanz voll umfänglich weiter und führt zusammengefasst aus: Die angefochtene Baugenehmigung vom 22. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 27. Juli 2015 stehe im Widerspruch zu den Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplans. Der Bau eines Fußballstadions samt umfangreichen Nebenanlagen und -einrichtungen sei von der Festsetzung „öffentliche Grünfläche: Sportplatz“ nicht mehr gedeckt. Das Fußballstadion könne sich nur im Umfang der Baugenehmigung vom 26. Februar 2013 auf Bestandsschutz berufen. Mit dieser Genehmigung sei unter anderem eine Festschreibung der maximalen Besucherzahl auf 4.999 Zuschauer erfolgt. Ein wie auch immer gearteter Bestandsschutz für eine höhere Zuschauerkapazität sei damit endgültig entfallen. Die tatsächliche Nutzung des Stadions seit 1967 habe mit Ausnahme der Saison 1976/1977, in welcher dem FC W.er K.s der Einzug in die damalige 2. Bundesliga Süd gelungen sei, deutlich unter der Kapazität von 4.999 Zuschauer gelegen.
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Die angefochtene Baugenehmigung stelle nicht sicher, dass am Wohnanwesen des Klägers die maßgeblichen Immissionsrichtwerte der 18. BImSchV eingehalten würden. Wie das Gutachten des Büros A. GmbH vom 14. August 2019 zeige, würden die maßgeblichen Immissionsrichtwerte am Anwesen des Klägers in allen vom Gutachter untersuchten Szenarien mit Ausnahme des Szenarios P 1 überschritten. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Zwischenwertbildung für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit des klägerischen Anwesens sei fehlerhaft erfolgt. Es erscheine zwar denkbar, hier von einer immissionsschutzrechtlichen Gemengelage auszugehen. Der Bildung von Zwischenwerten in einer solchen Gemengelage seien aber erhebliche Grenzen gesetzt. Abgesehen davon, dass hier schon das Prioritätsprinzip einer Zwischenwertbildung entgegenstehe, sei eine solche auf den Randbereich des schutzwürdigen Gebiets (hier eines reinen Wohngebiets) beschränkt. Selbst wenn für das Anwesen des Klägers die Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet heranzuziehen wären, würden diese in den Szenarien L 2, L 3, L 4 und P 3 deutlich überschritten werden. Gleiches gelte hier für die Spitzenpegel in allen untersuchten Varianten. Es könne zudem nicht davon ausgegangen werden, dass bei einem Fußballstadion, welches dem Spielbetrieb für eine Profifußballmannschaft der 2. Fußballbundesliga oder der 3. Liga dienen solle, die Spiele im Rahmen des Ligabetriebs als seltene Ereignisse im Sinn des § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV angesehen werden könnten. Der „Altanlagenbonus“ nach § 5 Abs. 4 der 18. BImSchV sei schon deshalb nicht anwendbar, weil Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigung die Erhöhung der Besucherkapazität von vormals 4.999 auf nunmehr 10.006 Zuschauer sei. Er sei durch diese „wesentliche Änderung“ entfallen.
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Wie sich aus einem Vergleich der Genehmigungsgegenstände der „alten“ Baugenehmigung vom 22. Mai 2015 in der Fassung des Bescheids vom 27. Juli 2015 (Ursprungsbescheid) und der „neuen“ Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 ergebe, hätten beide Genehmigungen einen eigenständigen Genehmigungsinhalt, der wechselseitig unabhängig sei. Dass auch teilweise Überschneidungen gegeben seien, ändere daran nichts. Bei der „neuen“ Baugenehmigung handle es sich daher nicht lediglich um eine modifizierende Baugenehmigung in Bezug auf den Ursprungsbescheid. Sie habe deshalb nicht zu einer Erledigung dieses Ursprungsbescheids, und zwar auch nicht im Hinblick auf dessen Umsetzung geführt. Vielmehr „überlagere“ die „neue“ Baugenehmigung lediglich teilweise den hier angefochtenen Ursprungsbescheid. Bei Erfolg der Klage gegen die „neue“ Baugenehmigung, würde der Ursprungsbescheid wieder alleinige Grundlage für den Stadionbetrieb bleiben. Dem Kläger stehe daher auch uneingeschränkt ein Rechtsschutzbedürfnis im Hinblick auf diesen Ursprungsbescheid zur Seite.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 18. Februar 2016 aufzuheben und den Baugenehmigungsbescheid der Beklagten vom 22. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 27. Juli 2015 aufzuheben.
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festzustellen, dass die Genehmigung vom 22. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 27. Juli 2015 inhaltlich überholt ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Bei den Baugenehmigungen vom 22. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 27. Juli 2015 (Ursprungsbescheid) und vom 6. Juni 2018 handle es sich um zwei unterschiedliche, jeweils selbständige Baugenehmigungen und nicht um eine zusammengesetzte Genehmigung. Die Genehmigungen hätten für sich gesehen jeweils einen anderen Inhalt. Während der Ursprungsbescheid weitestgehend den seit den ausgehenden 1960er Jahren bestehenden baulichen (Beton-)Bestand des D.-Stadions nutze und die Kapazität auf 10.006 Besucher regle, werde mit der neuen Genehmigung der Ausbau des Stadions auf 13.090 Besucher - und damit bereits eine wesentlich andere Kapazität - ermöglicht; dies unter wesentlicher Änderung des baulichen Bestands, in dem etwa auf der Gegengerade ein Stahltribünenbau errichtet, der Umlauf deutlich erweitert und mit Versorgungsständen versehen, die Überdachung der Haupttribüne ergänzt und wesentliche Nebenanlagen umfangreich geändert worden seien.
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Dem Berufungsvorbringen des Klägers könne entnommen werden, dass einzig die zulässige Kapazität des Stadions, die mit der neuen Genehmigung zuletzt mit 13.090 Besuchern geregelt worden sei, Inhalt ihrer rechtlichen Interessen sei. Damit sei die im Ursprungsbescheid zugelassene Kapazität von 10.006 Besuchern „überholt“ und dürfte das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer gerichtlichen Entscheidung über den Fortbestand des Ursprungsbescheids nicht mehr bestehen. Wie der weitere Bauantrag der Beigeladenen, der der neuen Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 zugrunde liege, gezeigt habe, habe die Beigeladene augenscheinlich kein Interesse am Fortbestand oder einer Neuerteilung des Ursprungsbescheids mit einer Kapazität von 10.006 Besuchern. Der Versuch einer Rückführung der auf der Grundlage der neuen Genehmigung vom 6. Juni 2018 errichteten Baulichkeiten im Falle eines Erfolgs der Klage des Klägers gegen diese Genehmigung, käme einem Neubau gleich, für den aber aus Sicht der Beklagten die Stellung eines neuen Bauantrags erforderlich wäre.
23
Hinsichtlich der Frage der Schutzwürdigkeit des klägerischen Grundstücks sei die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Zwischenwertbildung aus Sicht der Beklagten folgerichtig, schlüssig und rechtlich nicht zu beanstanden, um dem Nachbarschutz angemessen Rechnung zu tragen. Hier liege eine atypische Konfliktsituation mit gesteigerten gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten vor. Das Stadionrund bestehe - was sein Zuschauerfassungsvermögen anbelange - im Kern seit den 1960er Jahren nahezu unverändert und sei insoweit auch für die Nachbarbebauung prägend. Die höhere Lärmbelastung sei nicht der baugenehmigungsrechtlichen Situation, sondern der sportlichen Entwicklung des Beigeladenen in den letzten Jahren geschuldet. Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Baugenehmigung vom 26. Februar 2013 auf eine legale Vorbelastung mit einer auf 4.999 Besucher begrenzten Zuschauerzahl abstellen würde, werde verkannt, dass die damit erfolgte Reduzierung aus sicherheitsrechtlichen Gründen erfolgt sei, und bleibe die bestandskräftige Baugenehmigung vom 28. Juli 2015 für die Errichtung einer Hintertortribüne im Gästebereich mit einer Kapazität für 1.800 Besucher völlig außer Betracht.
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Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er gehe mit der Beklagten davon aus, dass die hier angefochtene Baugenehmigung durch die neue Baugenehmigung aus dem Jahr 2018 überholt und damit erledigt sei. Hinsichtlich der Frage der Schutzwürdigkeit des klägerischen Grundstücks habe das Verwaltungsgericht zu Recht die Vorbelastung des Klägers durch den Botanischen Garten, das D.bad, die Bundesstraße und vor allem das „Bestandsstadion“ berücksichtigt. Entgegen des Vorbringens des Klägers sei eine Beschränkung auf 4.999 Zuschauer nicht Teil der Baugenehmigung vom 26. Februar 2013 gewesen. Die Angabe dieser Zuschauerzahl im Bauantrag des Beigeladenen habe lediglich eine Zustandsbeschreibung derart dargestellt, dass eine höhere Besucherzahl zum damaligen Zeitpunkt aus sicherheitsrechtlichen - und nicht etwa aus baurechtlichen - Gründen nicht möglich gewesen sei. Aus dem Gutachten des Büros A. GmbH vom 14. August 2019 ergebe sich, dass ein Lärmwert von 60 dB(A) bei den Klägern außerhalb der Ruhezeit eingehalten werde, wozu auch Spiele am Sonntag zählen würden, die um 14:00 Uhr beginnen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Werte unter Einschluss des D.bads ermittelt worden seien, obwohl Spielbetrieb und Schwimmbadbetrieb an maximal 6 Spieltagen zusammentreffen würden. Da dieses Bad nach dem Schwerpunkt seines Gesamtbildes als eine Freizeitanlage und nicht als eine Sportanlage anzusehen sei, scheide eine Addition der Beeinträchtigungen durch Schwimmbad und Stadion aus Rechtsgründen aus. Schließlich sei bei den Spielen des Beigeladenen im Profifußball im Stadion von seltenen Ereignissen im Sinne des § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV auszugehen. Hier gehe es um den Umbau eines bestehenden Stadions, das in eine größere Sportanlage eingebettet sei. Diese Sportanlage werde gerade nicht bestimmungsgemäß weit überwiegend oder in der Hauptsache für den Profifußball genutzt, sondern der Kunstrasenplatz nahezu täglich und ausschließlich für den Breitensport. Die Kabinen und sanitären Einrichtungen des Stadions würden an maximal 20 Tagen im Jahr für den Profisport genutzt, aber an mindestens 300 Tagen für den Breitensport.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten einschließlich der Parallelverfahren und die vorgelegten Behördenakten sowie die beigezogenen Akten der Verfahren vor dem Verwaltungsgericht W 5 K 18.862 u.a. verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Hauptantrags als auch hinsichtlich des Hilfsantrags unzulässig.
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1. Der Hauptantrag kann nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Bescheids der Beklagten vom 22. Mai 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 27. Juli 2015 („Ursprungsbescheid“) führen, weil die vom Kläger dagegen erhobene Anfechtungsklage durch den Erlass des späteren Bescheids vom 6. Juni 2018 mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig (geworden) ist.
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a) Das Rechtsschutzinteresse des Klägers für die Anfechtung des Ursprungsbescheids ist hier allerdings nicht schon deshalb entfallen, weil dieser Bescheid durch den späteren Bescheid vom 6. Juni 2018 lediglich modifiziert worden wäre und der spätere Bescheid mit dem Ursprungsbescheid eine untrennbare Einheit bilden würde, so dass der Ursprungsbescheid keinen eigenständigen Regelungsgehalt mehr besitzen würde (vgl. OVG RhPf, B.v. 26.7.2017 - 8 B 11235/17 - juris Rn. 33; BayVGH, U.v. 22.3.1984 - 2 B 82 A. 301 - BayVBl 1984, 596/597; NdsOVG, B.v. 14.9.2017 - 12 LA 15/16 - juris Rn. 9). Der spätere Bescheid stellt insbesondere mit einer Erweiterung der Stadionkapazität auf eine Besucherzahl von 13.090 Personen gegenüber dem Ursprungsbescheid mit einer dort festgelegten zulässigen Personenzahl von 10.006 Besucherplätzen nicht nur eine Genehmigung für eine geringfügige oder kleinere, das Gesamtvorhaben in seinen Grundzügen nur unwesentlich berührende Änderung („Tekturgenehmigung“) dar (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 23.10.2019 - 15 ZB 18.1275 - juris Rn. 12 m.w.N.). Er bezieht sich vielmehr auf ein Vorhaben, das sich von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien wesentlich unterscheidet („aliud“). Dies gilt hier insbesondere im Hinblick darauf, dass durch die Erhöhung der Zuschauerkapazität von 10.006 auf 13.090 Besucherplätze neuerlich Belange in nachbarrelevanter Weise so erheblich berührt werden, dass sich die Frage der baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens insgesamt neu stellt (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2019 a.a.O. Rn. 12 m.w.N.; VGH BW, B.v. 16.2.2016 - 3 S 2303/15 - juris Rn. 19; OVG NRW, B.v. 13.12.2012 - 2 B 1250/12 - juris Rn. 15 m.w.N.).
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b) Dem Kläger fehlt aber das Rechtsschutzinteresse für das Klageverfahren gegen den hier angefochtenen Ursprungsbescheid, weil sich dieser Bescheid mit Erlass des Bescheids vom 6. Juni 2018 auf andere Weise im Sinn des Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG erledigt hat und damit das Rechtsschutzinteresse für die erhobene Anfechtungsklage entfallen ist (vgl. BayVGH, U.v. 20.12.2019 - 9 B 12.940 - juris Rn. 20 m.w.N.).
32
aa) Gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Auf andere Weise erledigt ist ein Verwaltungsakt, der seine regelnde Wirkung verliert, was unter anderem auch bei einer inhaltlichen „Überholung“ des früheren Verwaltungsakts durch eine neue Sachentscheidung der Fall ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2011 - 6 C 3.10 - juris Rn. 13; U.v. 9.5.2012 - 6 C 3.11 - juris Rn. 21; BayVGH, U.v. 20.12.2019 - 9 B 12.940 - juris Rn. 21). So liegt der Fall hier. Aus dem Gesamtkontext des Bescheids vom 6. Juni 2018 ergibt sich bei verständiger Würdigung seines Regelungsgehalts, wie ihn der Beigeladene als Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte, dass es sich hierbei um eine neue Sachentscheidung handelt, durch die ein neuer Verfahrensgegenstand entstanden und der Ursprungsbescheid „überholt“ worden ist.
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aaa) Der Bescheid betrifft nach seinem Betreff das Bauvorhaben „Erweiterung der Stadionkapazität für eine Besucherzahl von 13.090 Personen“, unter dem vier verschiedene Bauanträge des Beigeladenen zusammengeführt werden. Neben dem Neubau einer Stahltribüne als Bauwerk mit Prüfbuch, dem Neubau einer Schallschutzwand, der Erweiterung der Alarmierungsanlage, der Containerstellung (WC, Gastro, Polizei), der Befestigung des Besprechungsplatzes und der Errichtung eines zusätzlichen Rettungsstegs in Block 1 (Antrag Nr. 1, Az. 1889 - 2016), werden von der Baugenehmigung die Ertüchtigung und Überdachung der bestehenden Tribüne für 232 Sitzplätze in Block Z (Antrag Nr. 2, Az. 1913 - 2016), die Umnutzung des bestehenden Nebenplatzes in einen Behandlungsplatz (Antrag Nr. 3, Az. 1924 - 2016) sowie die Nutzungsänderung und der Umbau des Geschäftsstellengebäudes, die Errichtung eines Löschwassertanks mit 200 m³, die Errichtung von Containern für Feuerwehr und BRK, die Erweiterung der Schiedsrichterkabine, die Ertüchtigung des Brandschutzes und die Errichtung von Schallschutzwänden (Antrag Nr. 4, Az. 2184 - 2016) umfasst. Die Baugenehmigung enthält eine Vielzahl von unter anderem bauteilbezogenen, technischen und wasserwirtschaftlichen Nebenbestimmungen.
34
In der immissionsschutzrechtlichen Betriebsauflage Nr. 2040 werden verschiedene Betriebsbeschränkungen für den Stadionbetrieb festgelegt. Neben einem Ausschluss der Nutzung des Stadionareals für den Spielbetrieb zur Nachtzeit (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) wird die spätest mögliche Anstoßzeit im Freundschafts- und Ligaspielbetrieb auf 19:30 Uhr festgesetzt; für Spiele mit der Möglichkeit einer vergleichsweise längeren Spieldauer als im Ligaspielbetrieb auf 18:30 Uhr. Für Spiele innerhalb der sonn- und feiertäglichen Mittagsruhezeit (13:00 Uhr bis 15:00 Uhr) beträgt die zulässige Kapazität bei Anstoß nach 13:44 Uhr 13.090 Besucher, bei Anstoß vor 13:45 Uhr 10.000 Besucher. Die zulässige Anzahl von Spielanteilen innerhalb der mittäglichen und abendlichen Ruhezeiten wird auf 10 Spiele im Kalenderjahr beschränkt. In dieser Auflage wird zusätzlich darauf verwiesen, dass für den Stadionbetrieb das Schallgutachten der Firma W. … GmbH vom 22. März 2018 zugrunde gelegt wird, das Bezug nimmt auf die vom Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Verfahren gegen den hier angefochtenen Ursprungsbescheid für gebietsverträglich erachtete Mittelwerte. Soweit für Spiele mit Spielanteilen innerhalb der mittäglichen und abendlichen Ruhezeiten nach den gutachterlichen Ausführungen die Mittelwerte des Verwaltungsgerichts zum Teil überschritten würden, seien die um 10 dB(A) erhöhten Grenzwerte für seltene Ereignisse gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 1 in Verbindung mit Anhang 1 Ziffer 1.5 der 18. BImSchV eingehalten.
35
Nach der brandschutztechnischen Auflage Nr. 2070 ist der Brandschutznachweis des Ingenieurbüros M. vom 15. Januar 2018 Bestandteil dieser Baugenehmigung und zu beachten. Dieses Brandschutzkonzept soll den Nachweis des vorbeugenden Brandschutzes für die Sanierung und den Ausbau des Stadions am D. für eine Zuschauerkapazität von 13.090 Personen führen (Nrn. 1.1 und 1.2 Abs. 1 des Konzepts). Der Nachweis befasst sich hierbei mit der Gesamtanlage und dem eigentlichen Geschäftsstellengebäude mit integrierter Vereinsgaststätte, der Mixed-Zone und der Presseflächen in Verbindung mit der angrenzenden Boxhalle der W.er K.s am Mittleren D.weg in W. (Nr. 1.2 Abs. 2 des Konzepts).
36
Nach der weiteren Auflage Nr. 2035 ist beim Betrieb des Stadions das Sicherheitskonzept vom 18. Januar 2018 und in Folge in der jeweils gültigen Fassung zu beachten. Dieses Sicherheitskonzept zur Durchführung von Fußballspielen in der F.-Arena W. enthält neben den Anlagen SIKO 1-3 siebzehn weitere im Inhaltsverzeichnis aufgeführte gesonderte Anlagen, u.a. eine Stadionordnung (A 1), ein Verkehrs- und Parkkonzept (A 6) und einen Stadionplan (A 7), die Teil dieses Sicherheitskonzepts sind. Sein Geltungsbereich erstreckt sich nach Nr. 2 des Konzepts auf alle Fußballspiele des FC W.er K.s (AG und e.V.) in der vereinseigenen F.- Arena (ehemaliges K.s-Stadion am D.*). Das Konzept geht „vorbehaltlich des positiven Bescheids des laufenden Genehmigungsverfahrens“ von einem Fassungsvermögen von 13.900 Besuchern aus und enthält eine genaue Verteilung dieser Besucher auf die Haupttribüne und die Blöcke 1, 2, 3a, 3b, 4a, 4b, 5 und 6.
37
Eine Aussage zum Verhältnis dieser Baugenehmigung zum hier angefochtenen Ursprungsbescheid enthält der Bescheid vom 6. Juni 2018 nicht. Im Gegensatz dazu war der Bescheid vom 27. Juli 2015 ausdrücklich als Ergänzungsbescheid zum Baugenehmigungsbescheid vom 22. Mai 2015 bezeichnet worden, der diesen um bestimmte Pläne vom 21. Juli 2015 ergänzt und teilweise ersetzt. Im Bescheid vom 6. Juni 2018 findet sich lediglich der Hinweis, dass bis zur plangemäßen, voll umfänglichen Fertigstellung der beantragten Schallschutzwände für die Nutzung des Stadions die bauaufsichtliche Anordnung der Beklagten vom 28. Juli 2017 in der jeweils geltenden Fassung zu beachten ist und diese bauaufsichtliche Anordnung durch die Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 nicht ersetzt wird.
38
Wie sich dem späteren Bescheid vom 6. Juni 2018 damit eindeutig entnehmen lässt, hat die Beklagte auf der Grundlage der vom Beigeladenen eingereichten neuen Bauvorlagen, die sich - wie oben bereits ausgeführt wurde - auf das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt beziehen und damit in der Sache einen neuen Bauantrag darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2019 - 15 ZB 18.1275 - juris Rn. 14 m.w.N.), dieses Gesamtvorhaben auf seine bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit im Ganzen geprüft und nicht nur im Hinblick auf die geänderten Bestandteile des Stadions einschließlich dessen Besucherkapazität. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, warum insbesondere auf das Schallgutachten, das Sicherheitskonzept und den Brandschutznachweis ohne jegliche Einschränkungen Bezug genommen wird und diese zum Bestandteil der Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 erklärt werden. Auch hinsichtlich der zugelassenen Abweichung von der nach § 2 der Stellplatzsatzung der Beklagten vom 25. März 2014 geforderten Anzahl der Stellplätze für Pkw, Motorräder und Fahrräder stellt der Bescheid im Ergebnis auf den rechnerischen Bedarf für das Gesamtvorhaben und nicht nur für die beantragte Mehrung der Besucherplätze ab (vgl. Abweichung Nr. 2030). Lediglich die Anzahl der (zusätzlich) erforderlichen Toilettenräume wird nach der beantragten Mehrung der Besucherplätze berechnet (vgl. Nebenbestimmung Nr. 2032). Der Regelungsgehalt dieses Bescheids bezieht sich im Vergleich zum Regelungsgehalt des Ursprungsbescheids auf ein neues, selbständiges Vorhaben und stellt damit eine neue rechtlich unabhängige Baugenehmigung dar („aliud“).
39
bbb) Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 als Alternativbaugenehmigung neben den hier angefochtenen Ursprungsbescheid treten und diesem weiterhin ein eigenständiger Regelungsinhalt zukommen soll. Bei verständiger objektiver Würdigung ihres Regelungsgehalts kann die Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 vielmehr nur dahingehend verstanden werden, dass sie den Ursprungsbescheid nachträglich ersetzt und insgesamt an seine Stelle tritt. In der Bau-/Betriebsbeschreibung des Beigeladenen vom 15. Januar 2018, die der Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 zugrunde liegt, wird die historische Entwicklung des Stadions des Beigeladenen am D. skizziert. Danach war es durch den Aufstieg der W.er K.s in die 3. Liga im Jahr 2015 notwendig, dem DFB gegenüber eine Gesamtkapazität von über 10.000 Zuschauern nachzuweisen. Deswegen wurden im Jahr 2015 diverse Sanierungs-, Umbau- und Neubaumaßnahmen in die Wege geleitet, welche zum einen die Gesamtkapazität des Stadions auf 10.006 Besucher erhöhten und zum anderen in punkto Stadionsicherheit die gesetzlichen und verbandsrechtlichen Vorgaben umsetzten. Diese Maßnahmen sind Regelungsgehalt des hier angefochtenen Ursprungsbescheids. Durch den Aufstieg in die 2. Bundesliga sind nach dieser Betriebsbeschreibung erneut weitreichende Sanierungs- und Umbaumaßnahmen nötig geworden, um die Vorgaben der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zu erfüllen. Es musste ein Kapazitätsnachweis von mindestens 15.000 Besucherplätzen erbracht werden, zudem waren einige Auflagen im Zusammenhang mit Medienarbeitsplätzen- und Stellflächen zu erfüllen. Wie sich den behördlichen Aktenzeichen der Beklagten zu den vier Bauanträgen entnehmen lässt, die von der Beklagten im Bescheid vom 6. Juni 2018 zusammengeführt wurden und die alle aus dem Jahr 2016 stammen, wollte der Beigeladene damit wohl diesen zusätzlichen Anforderungen der DFL Rechnung tragen.
40
Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass sich diese Bauanträge allein auf die Nutzung des Stadions für den Spielbetrieb in der 2. Bundesliga beziehen sollten. Wie sich vielmehr der Bau-/Betriebsbeschreibung vom 15. Januar 2018, die letztlich der Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 von der Beklagten zugrunde gelegt wurde, in Ermangelung einer diesbezüglichen Einschränkung entnehmen lässt, wurde die geforderte Gesamtkapazität nach DFL-Regularien zunächst ausgesetzt und war nach dem zwischenzeitlich erfolgten Abstieg in die 3. Liga eine weitere Anhebung der Kapazität zunächst nicht gefordert. Dessen ungeachtet hat der Beigeladene mit seinem zuletzt gestellten Bauantrag vom 15. Januar 2018 - zum Zeitpunkt seiner Zugehörigkeit zur 3. Liga - eine Gesamtkapazität von 13.090 Besucherplätzen beantragt. Dies spricht dafür, dass er damit den Kapazitätsanforderungen der DFL - unabhängig von seiner Zugehörigkeit zur 2. Bundesliga oder 3. Liga - soweit als bautechnisch möglich nachkommen wollte, weil er die F.-Arena auch weiterhin uneingeschränkt für seinen Spielbetrieb nutzen wollte und mit einem jederzeit möglichen Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga rechnete, was ihm im Jahr 2020 auch tatsächlich gelang. Die Beklagte und der Beigeladene haben zudem im Erörterungstermin vor dem Senat vom 29. Januar 2020 erklärt, dass eine weitere bauliche Erweiterung der derzeit vorhandenen Anlage F.-Arena derzeit nicht denkbar sei. Wie sich der Beigeladene zur Frage der Fortgeltung des Ursprungsbescheids neben der Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 später geäußert hat, ist demgegenüber unerheblich.
41
Ob der Beigeladene mit dieser neuen Antragstellung auf den hier angefochtenen Ursprungsbescheid mit einer festgelegten zulässigen Kapazität von 10.006 Besucherplätzen womöglich (konkludent) verzichtet hat (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2019 - 15 ZB 18.1275 - juris Rn. 14 m.w.N.) kann dahinstehen. Jedenfalls lassen sich daraus keine Anhaltspunkte dafür ableiten, dass er den Ursprungsbescheid alternativ neben dem späteren Bescheid bestehen lassen wollte, um etwa zu einem späteren Zeitpunkt von einem Wahlrecht zwischen diesen Genehmigungen Gebrauch machen zu können. Ebenso wenig ist erkennbar, dass er die spätere Genehmigung nur vorsorglich für den Fall einholen wollte, dass der Ursprungsbescheid sich im hier anhängigen Verfahren nicht als von Bestand erweisen sollte. Gegen ein Bestehen von zwei Alternativbaugenehmigungen spricht zudem, dass die bereits erfolgte Umsetzung des späteren Bescheids mit baulichen Änderungen am vorhandenen und genehmigten Baubestand verbunden war, die nicht ohne weiteres rückgängig zu machen sind, und eine Nutzung dieses Neubestands unter Berufung allein auf den Ursprungsbescheid nicht genehmigungskonform mit diesem Bescheid wäre. Schließlich enthält die Baugenehmigung vom 6. Juni 2018 für Spiele innerhalb der sonn- und feiertäglichen Mittagsruhezeit (13:00 Uhr bis 15:00 Uhr) eine Beschränkung der zulässigen Kapazität, die unter der mit dem Ursprungsbescheid genehmigten Kapazität liegt (vgl. immissionsschutzrechtliche Betriebsauflagen Nr. 2040, Nr. 3). Wenn die Beklagte vom Fortbestand des Ursprungsbescheids ausgegangen wäre, hätte insoweit eine Aussage im späteren Bescheid nahegelegen, ob oder warum diese Beschränkung nicht auf den Ursprungsbescheid übertragen werden kann. Dies gilt umso mehr im Hinblick darauf, dass im Schallgutachten der Firma W. … GmbH vom 22. März 2018 darauf hingewiesen wird, dass bei einem Spielbetrieb mit 10.006 Zuschauern im bisherigen Ausbauzustand die vom Verwaltungsgericht für zulässig erachteten und dem Bescheid vom 6. Juni 2018 zugrunde gelegten Mittelwerte für einige Immissionsorte auch dann innerhalb der Ruhezeit überschritten werden, wenn die Regelung über seltene Ereignisse gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Nr. 1.5 der Anlage zur 18. BImSchV zugrunde gelegt wird. Um in dem mit dem Ursprungsbescheid genehmigten Ausbauzustand auch an diesen Immissionsorten die Richtwerte für selten Ereignisse einhalten zu können, ist nach Einschätzung dieses Gutachtens eine maximale Zuschauerzahl von 7.400 Zuschauern erforderlich (vgl. S. 31 des Gutachtens).
42
Für die rechtliche Einordnung des späteren Bescheids vom 6. Juni 2018 als Alternativbaugenehmigung spricht schließlich auch nicht, dass sich in diesem Bescheid keine Ausführungen über eine Rücknahme oder einen Widerruf des Ursprungsbescheids finden. Solche Ausführungen waren vielmehr dann nicht veranlasst, wenn die Beklagte davon ausgegangen ist, dass der Ursprungsbescheid durch den „überholenden“ späteren Bescheid gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG erledigt worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2011 - 6 C 3.10 - juris Rn. 13).
43
bb) Mit der nachträglichen Ersetzung des Ursprungsbescheids durch den späteren Bescheid vom 6. Juni 2018 hat der Ursprungsbescheid seine Wirksamkeit verloren (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG). Diese Folge tritt zugleich mit dem Erlass des Ersetzungsbescheids ein und nicht erst dann, wenn er bestandskräftig wird. Unerheblich ist deshalb, dass der Kläger den Ersetzungsbescheid ebenfalls angefochten haben. Das Prozessrecht führt nicht dazu, dass der Ersetzungsbescheid seine Wirkungen nur auflösend bedingt entfaltet (vgl. BVerwG, U.v. 21.6.2007 - 3 C 11.06 - juris Rn. 19). Die Klage gegen den Ursprungsbescheid kann auch nicht unter der Bedingung fortgeführt werden, dass die ursprüngliche Regelung wieder in Geltung tritt. Bedingte Klagen sind unzulässig (vgl. BVerwG, B.v. 9.9.2008 - 3 B 37.08 - juris Rn. 3).
44
Der Einwand des Klägers, sein Rechtsschutzinteresse bleibe bestehen, weil der Ursprungsbescheid wiederaufleben könne, verfängt nicht. Ob mit der etwaigen Aufhebung des Ersetzungsbescheids die Wirksamkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts wieder auflebt, bestimmt sich nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2011 - 6 C 3.10 - juris Rn. 18; U.v. 19.4.2011 - 1 C 2.10 - juris Rn. 17 und U.v. 21.6.2007 - 3 C 11.06 - juris Rn. 18 f.). Nur dies führt zu sachgerechten Ergebnissen, weil der häufig im jeweiligen Fachrecht verortete Grund der Erledigung und die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets berücksichtigt werden können (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2011 a.a.O. Rn. 17). Ist Erledigung eingetreten, kommt hinsichtlich der Wiederherstellung der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts mangels besonderer Regelungen nur der Neuerlass eines entsprechenden Verwaltungsakts in Frage (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 190).
45
Das einschlägige materielle Bauordnungsrecht ist hier dadurch gekennzeichnet, dass die Bauaufsichtsbehörde gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen hat, dass die öffentlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Dieses bauordnungsrechtliche Grundanliegen des Bauordnungsrechts schließt die Annahme aus, eine frühere Baugenehmigung, die durch eine spätere Genehmigung überholt ist, könnte im Falle deren nachträglicher Aufhebung gewissermaßen automatisch wiederaufleben und erneut Grundlage für die weitere Nutzung einer baulichen Anlage sein. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Beigeladene die vom späteren Bescheid vom 6. Juni 2018 umfassten Änderungsmaßnahmen für die F.-Arena bereits vollständig umgesetzt hat und ein Rückbau dieser Änderungsmaßnahmen nicht ohne weiteres erfolgen kann, weil diese Maßnahmen in unmittelbarem bautechnischen Zusammenhang mit dem durch den Ursprungsbescheid genehmigten baulichen Bestand des Stadions stehen und nicht ohne Eingriffe in diese bauliche Substanz rückgängig gemacht werden können. Die weitere Nutzung des Fußballstadions unter Einbeziehung dieser Änderungsmaßnahmen allein auf der Grundlage des „wiederaufgelebten“ Ursprungsbescheids würde damit aber zwingend zur Folge haben, dass die bauliche Anlage formell illegal genutzt und der Erlass einer Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO gerechtfertigt wäre. Die Beklagte als Bauaufsichtsbehörde könnte auch nach Art. 76 Satz 3 BayBO verlangen, dass ein Bauantrag gestellt wird. Der Kläger wäre in diesem Fall auch nicht rechtlos gestellt. Denn bei einer Untätigkeit der Beklagten käme die Geltendmachung eines Anspruchs des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten gegen diese formell illegale Nutzung in Betracht.
46
2. Die mit dem Hilfsantrag erhobene Feststellungsklage ist ebenfalls unzulässig.
47
a) Mit seinem Begehren festzustellen, dass die Genehmigung vom 22. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 27. Juli 2015 inhaltlich überholt sei, hat der Kläger seinen Klageantrag im Berufungsverfahren abgeändert. Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine solche Klageänderung zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Hier ist davon auszugehen, dass die übrigen Beteiligten der Klageänderung durch rügeloses Einlassen auf die geänderte Klage zugestimmt haben (§ 91 Abs. 2 VwGO).
48
b) Bei dieser Feststellungsklage handelt es sich der Sache nach um eine Zwischenfeststellungsklage (§ 173 VwGO i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO). Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde. Zweck der Zwischenfeststellungsklage ist die Ausdehnung der Rechtskraft auf das dem Anspruch zugrundeliegende Rechtsverhältnis, das sonst von der Rechtskraftwirkung nicht erfasst würde. Sie ist ein Ersatz dafür, dass die Elemente der Entscheidung zum Grund der Klage nicht in Rechtskraft erwachsen. Voraussetzung ist daher, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Bestehen des Rechtsverhältnisses abhängt (vgl. BVerwG, U.v. 12.1.2012 - 7 C 5.11 - juris Rn. 12 m.w.N.). Dieser Feststellungsantrag kann auch hilfsweise für den Fall der Abweisung des Hauptantrags erhoben werden (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 6 m.w.N.).
49
Hier fehlt es aber am allgemeinen Rechtsschutzinteresse für diese Klage, weil sich die begehrte Feststellung auf einen Gegenstand bezieht, der nicht über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht (vgl. BVerwG, U.v. 12.1.2012 - 7 C 511 - juris Rn. 14 m.w.N.). Zwar erfasst die materielle Rechtskraft von Prozessurteilen nur diejenigen Sachurteilsvoraussetzugen, auf die das Gericht die Abweisung der Klage als unzulässig gestützt hat (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.1998 - 8 B 218.98 - juris Rn. 5 m.w.N.). Wie sich obigen Ausführungen zum Hauptantrag des Klägers entnehmen lässt, ergibt sich die Unzulässigkeit dieser Klage aus deren fehlendem Rechtsschutzinteresse, weil sich die hier angefochtene Baugenehmigung vom 22. Mai 2015 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 27. Juli 2015 durch den Erlass des Bescheids vom 6. Juni 2018 auf andere Weise im Sinn des Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG erledigt hat. Damit wird von der Rechtskraft dieses Urteils auch erfasst, dass der Ursprungsbescheid durch den späteren Bescheid inhaltlich „überholt“ worden ist und damit seine Wirksamkeit verloren hat (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.1968 - IV C 160.65 - juris Rn. 15; Kilian/Hissnauer in Sodan/Zichow, VwGO, 5. Aufl. 2018 - § 121 Rn. 69).
50
Soweit der Hilfsantrag dahingehend verstanden werden kann (§ 88 VwGO), dass er sich darauf bezieht, festzustellen, dass ein künftiges Wiederaufleben des Ursprungsbescheids nicht in Betracht kommt, ist er auf die Feststellung eines zukünftigen Rechtsverhältnisses gerichtet, das aufgrund eines in der Zukunft möglicherweise eintretenden Sachverhalts eintreten kann. Zum jetzigen Zeitpunkt fehlt damit ein aktueller Sachverhalt als Tatsachenbasis für Rechte und Pflichten. Hierauf bezogene - positive wie negative - Feststellungsklagen sind Formen vorbeugenden Rechtsschutzes (vgl. Wysk in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 43 Rn. 16). Wie sich obigen Ausführungen entnehmen lässt, fehlt es hier an der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass der behauptete normausfüllende Sachverhalt - das „Wiederaufleben“ des Ursprungsbescheids bei Erfolg der Anfechtungsklage gegen den späteren Bescheid vom 6. Juni 2018 - Realität gewinnen wird, das heißt bereits „überschaubar“ ist (vgl. Wysk a.a.O. Rn. 17).
51
Im Übrigen unterliegen solche - nur ausnahmsweise zulässigen - vorbeugenden negativen Feststellungsklagen dem Erfordernis eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses, wie es bei einer begründeten Besorgnis für die Rechtsstellung des Klägers gegeben ist. Daran fehlt es, wenn es dem Betroffenen zuzumuten ist, die befürchteten Maßnahmen der Beklagten abzuwarten und er unter dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf einen als ausreichend anzusehenden nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2016 - 2 C 18.15 - juris Rn. 19, Wysk in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 43 Rn. 58 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 32 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, warum es dem Kläger hier nicht zumutbar sein sollte, sich gegen das von ihm befürchtete „Wiederaufleben“ des Ursprungsbescheids mit einem nachträglichen Rechtsschutz zur Wehr zu setzen, lassen sich seinem Vorbringen nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
52
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
53
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.