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VGH München, Urteil v. 21.06.2021 – 1 N 19.1031
Titel:

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei Normenkontrolle gegen vorhabenbezogenen Bebauungsplan

Normenkette:
VwGO § 47
Leitsatz:
Bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan fehlt regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis für eine Normprüfung, wenn das Vorhaben mit der bestandskräftigen Baugenehmigung umgesetzt und im Wesentlichen verwirklicht ist. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorhabenbezogener Bebauungsplan, Bestandskräftige Baugenehmigung, Fortgeschrittene Bauphase, Rechtsschutzinteresse
Fundstelle:
BeckRS 2021, 16286

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Antragstellerin wendet sich gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. .... „Wohn- und Geschäftshaus mit Parken an der E.straße“, den die Antragsgegnerin am 24. April 2018 als Satzung beschlossen und am 24. Mai 2018 bekannt gemacht hat.
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Das Vorhabengrundstück liegt im Zentrum von G. zwischen A.weg und E.straße am nördlichen Rand des K.-Platzes. Es war mit einer älteren, viergeschossigen Wohnbebauung bebaut. Für das Plangebiet und einen weiteren Umgriff galt der Bebauungsplan Nr. … „K.-Platz“, der derzeit neu aufgestellt wird. Der streitgegenständliche Bebauungsplan und weitere Bebauungspläne, die im Zuge der Zentrumsentwicklung des K.-Platzes entstehen (Bebauungsplan Nr. … ., BP Nr. … ., BP Nr. … .), ersetzen Teile des alten Bebauungsplans. Städtebauliches Ziel der Antragsgegnerin ist die Stärkung des Bereichs des K.-Platzes. Mit dem vorliegenden Bebauungsplan soll durch die Realisierung von großflächigen Einzelhandelsflächen im Erdgeschoss bei gleichzeitiger Schaffung von zentralen Wohnflächen ein Beitrag zur Belebung und Stärkung des Stadtzentrums von G. geleistet werden. Als Art der Nutzung wird ein Sondergebiet „großflächiger Einzelhandel, Gastronomie, Wohnen“ festgesetzt. Es ist eine maximal zulässige Grundfläche von 4.500 m² vorgesehen. Die geplante Tiefgarage mit maximal 9.250 m² ist Teil eines verketteten Tiefgaragenkonzepts, das bis zur B … reicht und an die Tiefgaragenplanung eines anderen Bauvorhabens anschließt. Sie ermöglicht die Bereitstellung der notwendigen Stellplätze für Handel und Wohnen, über den Bedarf hinausgehende Stellplätze können als Parkgarage genutzt oder Dritten zur Verfügung gestellt werden. Zwei Ein- und Ausfahrtsbereiche der Tiefgarage liegen auf der neu gestalteten E.straße.
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Der Bebauungsplan wurde als Bebauungsplan der Innenentwicklung im beschleunigten Verfahren aufgestellt. Die Antragsgegnerin hat die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB als erfüllt angesehen. Eine Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB hat für die Neuaufstellung des Bebauungsplans „K.-Platz“ stattgefunden.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung G., das an das Plangebiet angrenzt und im Geltungsbereich des noch gültigen Bebauungsplans Nr. … „K.-Platz“ liegt. Auf dem Grundstück wird ein Kaufhaus betrieben. Die im Vorhaben- und Erschließungsplan im öffentlichen Straßengrund vorgesehene südöstliche Tiefgaragenzufahrt befindet sich vor dem Grundstück. Die Antragstellerin hat im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB Einwendungen erhoben und gemäß § 215 Abs. 1 BauGB die Verletzung von Verfahrensvorschriften und Abwägungsmängeln geltend gemacht.
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Die Baugenehmigung für den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses mit einer Schank- und Speisewirtschaft, fünf Einzelhandelsbetrieben, 95 Wohneinheiten und einer Tiefgarage, mit der der Bebauungsplan vollständig umgesetzt wurde, wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. Februar 2019 erteilt.
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Am 23. Mai 2019 stellte die Antragstellerin den Normenkontrollantrag und beantragt,
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Der am 24. Mai 2018 bekannt gemachte vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. ... . „Wohn- und Geschäftshaus mit Parken an der E.straße“ ist unwirksam.
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Sie werde insbesondere durch die verkehrlichen Auswirkungen der Festsetzung einer Quartierstiefgarage mit einer Zu- und Abfahrt unmittelbar vor ihrem Grundstück sowie daraus resultierenden Folgen für die Neugestaltung des Kreuzungsbereichs E.straße/F.weg in eigenen abwägungserheblichen Belangen nachteilig berührt. Außerdem werde ihr verfassungsrechtlich geschützter Anliegergebrauch aufgrund der durch den Bau der Quartierstiefgarage zu erwartenden langandauernden Baumaßnahmen im öffentlichen Straßengrund nachteilig berührt. Der Bebauungsplan weise formelle Fehler auf. Das von der Antragsgegnerin zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans gewählte beschleunigte Verfahren als Bebauungsplan der Innenentwicklung nach § 13a BauGB sei unzulässig gewesen. Keine der beiden Alternativen des § 13a BauGB sei anwendbar. Weiter sei die Verkürzung der Auslegungsfrist im Rahmen der erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung mit 14 Tagen unangemessen kurz gewesen. Die Entscheidung zur verkürzten Auslegung sei auch nicht durch den Ausschuss selbst gefasst worden, die Wahl des Verfahrens (vollständige erneute Auslegung nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB oder beschränkte Auslegung nach § 4a Abs. 3 Satz 2 BauGB mit Fristverkürzung nach § 4a Abs. 3 Satz 3 BauGB) stelle keine Angelegenheit der laufenden Verwaltung dar. Der Bebauungsplan sei auch materiell unwirksam. Völlig unberücksichtigt geblieben seien bei der Abwägung die durch die geplante Quartierstiefgarage ausgelösten Beeinträchtigungen während der Bauphase. Durch die nach derzeitiger Planung zu erwartende Bauzeit von 2 ½ bis 3 Jahren werde ihr Grundstück, das aufgrund der dort stattfindenden Kaufhausnutzung auf die Erreichbarkeit und bestehende Parkmöglichkeiten auch im öffentlichen Raum angewiesen sei, spürbar und erheblich in seiner Nutzung eingeschränkt. Diese durch die Bauleitplanung bedingten Auswirkungen würden im Rahmen der Abwägung erwähnt, aber nicht ausreichend mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt. Der während der Bauphase entstehende Konflikt dürfe nicht auf die Ausführungsplanung verschoben werden. Die Planung verursache darüber hinaus auch dauerhafte Nachteile und Beeinträchtigungen durch die unmittelbar vor ihrem Grundstück festgesetzte südöstliche Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage. Zwar seien die schallschutztechnischen Auswirkungen der Planung durch das Gutachten des Ingenieurbüros Greiner untersucht worden. Es wären aber auch die durch die Tiefgaragenzufahrt zu befürchtenden Luftschadstoffe immissionsschutztechnisch zu untersuchen gewesen. Die Planung führe auch zu einer zwangsläufigen Verengung der Gehwege auf einer Länge von ca. 60 Metern. Im Kreuzungsbereich E.straße/F.weg und damit ebenfalls unmittelbar im Bereich vor ihrem Grundstück solle nach dem Verkehrsgutachten ein Kreisverkehr installiert werden. Dieser Kreisverkehr werde durch die unmittelbar nach diesem Kreuzungsbereich beginnende Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage notwendig. Der unmittelbar vor ihrem Grundstück erforderliche Kreisverkehr verenge die Gehwege vor allem an der östlichen Ecke des Grundstücks. An der verengten Stelle befinde sich gleichzeitig die Einfahrt des Kundenparkplatzes des Kaufhauses und die Anlieferungszone. Die dadurch entstehenden Konflikte seien im Aufstellungsverfahren nicht untersucht worden, ein Leistungsfähigkeitsnachweis für den Kreisverkehr sei nicht erbracht worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die konkrete Straßenplanung aus dem Bebauungsplanverfahren ausgelagert worden sei; der Bebauungsplan enthalte die Planung des Kreisverkehrs nicht.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Normenkontrollantrag abzulehnen.
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Der Antragstellerin fehle für das Normenkontrollverfahren bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Die erteilte Baugenehmigung sei bestandskräftig geworden, nachdem auch eine Anfechtung durch die Antragstellerin nicht erfolgt sei. Durch die bestandskräftige Baugenehmigung werde der Inhalt des angegriffenen Bebauungsplans vollständig ausgeschöpft. Aufgrund der bereits begonnenen Bauarbeiten an der Tiefgarage sei auch mit einer Verwirklichung des genehmigten Vorhabens sicher zu rechnen. Mit dem Verfahren der Normenkontrolle könne die Rechtsstellung der Antragstellerin damit nicht mehr verbessert werden. Der angegriffene Bebauungsplan sei auch nicht mit beachtlichen formellen oder materiellen Fehlern behaftet. Das beschleunigte Verfahren nach § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB sei zulässigerweise angewandt worden. Im Rahmen der erneuten Auslegung gemäß § 4a Abs. 3 BauGB sei die Dauer der Auslegung angemessen verkürzt worden. Die Grundkonzeption sei durch die Änderungen nicht berührt gewesen, in den Auslegungszeitraum seien keine Feiertage und Schulferien gefallen und die Änderungen seien in der Bekanntmachung und den Auslegungsunterlagen deutlich hervorgehoben worden. Soweit die Zuständigkeit der Stadtverwaltung für die Festlegung der Verfahrensmodalitäten beanstandet werde, wirke sich ein eventueller kommunalrechtlicher Verstoß nicht auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans aus, da ein ordnungsgemäßer Beschluss über das erneute Beteiligungsverfahren keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Bebauungsplan sei. Abwägungsfehler lägen nicht vor. Bei den zu erwartenden Bauarbeiten an der Tiefgarage handle es sich um die üblichen Begleiterscheinungen einer Bauleitplanung, die das Eigentumsrecht bzw. das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht in unzumutbarer Weise beschränkten und damit auch wegen deren zeitlicher Befristung hinzunehmen seien. Im Rahmen der Abwägung sei zudem berücksichtigt worden, dass durch ein Baustellenmanagement hinreichende Vorkehrungen zur Berücksichtigung der Interessen auch der Antragstellerin getroffen würden. Die von der Antragstellerin dargelegten möglichen dauerhaften Beeinträchtigungen durch die südöstlich gelegene Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage seien in abwägungsfehlerfreier Weise berücksichtigt worden. Die Tiefgarage solle einem größeren Quartier zur Nutzung dienen. Aus diesem Grund sei die Lage der Ein- und Ausfahrten im Bereich der E.straße festgesetzt worden, um eine zusätzliche oberirdische Verkehrsberuhigung zu erreichen und den neuen Zentrumsbereich zu markieren. Eine vermeintlich einseitige Bevorzugung der Vorhabenträgerin zu Lasten bestehender Nutzungen sei nicht ersichtlich. Es bestehe kein bauplanungsrechtlicher Grundsatz, bestehende Verkehrsflächen für Fußgänger oder Radfahrer dauerhaft unverändert in ihrem Bestand zu erhalten. Die aktuelle Entwurfsplanung der Erschließungsplanung sehe Gehwegbreiten von 2,5 bis 4,5 m vor. Diese Breite entspreche in allen Bereichen den Anforderungen an eine barrierefreie Gestaltung und erweitere die Gehwegflächen in fast allen Bereichen deutlich. Eventuelle punktuelle Einschränkungen der Gehwegbreiten würden durch das großzügige Angebot im gesamten Straßenraum mehr als kompensiert.
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Die Landesanwaltschaft Bayern legte mit Schreiben vom 14. November 2019 die Bauakten vor und wies darauf hin, dass gegen die Baugenehmigung vom 20. Februar 2019, die den Nachbarn mit öffentlicher Bekanntmachung im Amtsblatt vom 7. März 2019 zugestellt wurde, keine Rechtsmittel eingelegt wurden.
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Die Antragstellerin machte mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2019 geltend, dass ihr trotz Bestandskraft der erteilten Baugenehmigung das für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht fehle. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass das genehmigte Bauvorhaben bisher noch nicht verwirklicht worden sei. Zum anderen sei zu beachten, dass sie sich im Wesentlichen gegen die abwägungsfehlerhafte Berücksichtigung der sie unmittelbar betreffenden verkehrlichen Belange durch die vor ihrem Grundstück situierte Tiefgaragenzufahrt sowie die fehlenden planerischen Festsetzungen und Aussagen zur Wege- und Verkehrsführung wende. Es sei nicht ausgeschlossen, dass für den Fall der Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans in diesem Teil Nachbesserungen am planerischen Konzept stattfinden würden, durch die ihre Eigentümerbelange in einen rechtsfehlerfreien Ausgleich mit den öffentlichen Belangen und den Belangen der Vorhabenträgerin gebracht werden könnten. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass mit dem Normenkontrollantrag mögliche Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche gegen die Vorhabenträgerin und ggf. die Antragsgegnerin vorbereitet und abgesichert werden sollten. Sie befürchte insbesondere aufgrund der Zufahrt zur Quartiersgarage und den damit zusammenhängenden verkehrlichen Auswirkungen sowohl vorübergehend während der Bauphase als auch dauerhaft danach erhebliche Mieteinnahmeausfälle, begründet durch Umsatzeinbußen für die Betreiberin des Kaufhauses. Zudem habe sich die Antragsgegnerin treuwidrig verhalten, sie habe die Anlieger über den Stand des Baugenehmigungsverfahrens im Unklaren gelassen. So sei einem Anlieger von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin am 28. Februar 2019 bei einem Gespräch mitgeteilt worden, dass noch keine Baugenehmigung erteilt worden sei.
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Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden. Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2021 legte die Antragsgegnerin eine Fotodokumentation zum aktuellen Stand der Bauarbeiten vor.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakte und die Normaufstellungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Mit Einverständnis der Beteiligten konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.
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Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Die Antragstellerin muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Wer sich als außerhalb des Bebauungsplangebiets wohnender Grundstückseigentümer gegen einen Bebauungsplan wendet, muss aufzeigen, dass sein aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) folgendes Recht verletzt sein kann (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2013 - 4 BN 13.13 - ZfBR 2014, 159). Das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung beachtlich sind. Es verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass diese Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend abgearbeitet werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41; U.v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215). Wird wie vorliegend mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan ein Bebauungsplan geändert, in dessen Geltungsbereich sich auch das Grundstück der Antragstellerin befindet, ist deren Interesse am Fortbestehen des Bebauungsplans in seiner früheren Fassung grundsätzlich zu berücksichtigen. Die ortsrechtlichen Festsetzungen begründen regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen eines Bebauungsplans, die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden. Abweichendes ergibt sich bei (objektiv) geringfügigen Änderungen oder bei solchen Änderungen, die sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirken können (vgl. BVerwG, B.v. 28.5.2019 - 4 BN 44.18 - ZfBR 2019, 689; B.v. 20.8.1992 - 4 NB 3.92 - NVwZ 1993, 468; BayVGH, U.v. 6.12.2019 - 15 N 18.636 - juris Rn. 18). Die Antragstellerin kann daher geltend machen, dass sie durch die verkehrlichen Auswirkungen der geänderten Planung auf dem Vorhabengrundstück, die eine massivere Bebauung zulässt und eine Tiefgarage als Teil eines städtebaulichen Gesamtkonzepts vorsieht, in abwägungserheblichen Belangen betroffen ist.
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Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht aber kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses als Prozessvoraussetzung ist von Amts wegen in jeder Lage des Prozesses zu prüfen, so dass das Rechtsschutzbedürfnis auch während des Prozesses entfallen kann. Maßgebend für das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Vor diesem Hintergrund kann es zur Wahrung des Rechtsschutzbedürfnisses für einen Normenkontrollantrag erforderlich sein, im Wege des verwaltungsprozessualen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen vorzugehen, die - bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag - zur vollständigen oder nahezu vollständigen Umsetzung des angefochtenen Bebauungsplans führen können (vgl. BVerwG, B.v. 29.1.2019 - 4 BN 15.18 - juris Rn. 5).
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Das Erfordernis eines Rechtschutzbedürfnisses soll verhindern, dass Gerichte in eine Normprüfung eintreten, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist, weil es seine Rechtsstellung nicht verbessern kann (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.2020 - 4 CN 4.19 - NVwZ 2020, 1758; B.v. 4.6.2008 - 4 BN 13.08 - BauR 2008, 2031). Ist der Bebauungsplan oder die mit dem Antrag bekämpfte einzelne Festsetzung durch genehmigte (oder genehmigungsfreie) Maßnahmen vollständig verwirklicht, wird der Antragsteller in der Regel seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen Angriff auf den Bebauungsplan nicht mehr aktuell verbessern können. An den Wegfall des Bebauungsplans oder einzelner Festsetzungen anknüpfende Ansprüche in Folgeverfahren liegen bei Beachtung des Vertrauensschutzes des Bauherrn regelmäßig fern (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.1999 - 4 CN 5.99 - ZfBR 2000, 53; BayVGH, U.v. 1.6.2015 - 2 N 13.2220 - BayVBl 2015, 864). Insofern kommt eine das Rechtsschutzbedürfnis ausschließende Verwirklichung einer angegriffenen Festsetzung in Betracht, wenn die Festsetzung im Baugebiet räumlich vollständig verwirklicht ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.2020 - 4 CN 5.18 - BVerwGE 169, 29; B.v. 29.1.2019 - 4 BN 15.18 - juris Rn. 5). Bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan fehlt regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis für eine Normprüfung, wenn das Vorhaben mit der bestandskräftigen Baugenehmigung umgesetzt und im Wesentlichen verwirklicht ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.8.2016 - 9 N 15.528 - BayVBl 2017, 609; U.v. 1.6.2015 - 2 N 13.2220 - BayVBl 2015, 864). Ungeachtet dessen richtet es sich nach den jeweiligen Interessen im Einzelfall, ob das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (vgl. BVerwG, B.v. 29.9.2015 - 4 BN 25.15 - NVwZ-RR 2016, 86).
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Nach diesen Maßgaben fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den Normenkontrollantrag. Für das Bauvorhaben liegt eine bestandskräftige Baugenehmigung vor, mit der die Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans vollständig umgesetzt werden. Die Bauphase ist bereits erheblich fortgeschritten, vor allem sind die Baumaßnahmen für die Tiefgarage bereits durchgeführt. Soweit die Antragstellerin neben der Situierung der Tiefgaragenzufahrt das Verkehrskonzept der Antragsgegnerin bemängelt, insbesondere die Schaffung eines Kreisverkehrs im Kreuzungsbereich E.straße/F.weg, kann die Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans zu keiner Verbesserung der Erschließungssituation führen, weil hierzu weder Festsetzungen noch verbindliche Festlegungen getroffen werden (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2008 - 2 N 08.448 - juris Rn. 12). Zwar genügt es, wenn - im Sinne einer tatsächlichen Prognose - zu erwarten ist, dass die Gemeinde einen neuen Bebauungsplan mit möglicherweise für den Antragsteller günstigeren Festsetzungen aufstellen wird (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2002 - 4 CN 3.01 - NVwZ 2002, 1126; B.v. 17.12.1992 - 4 N 2.91 - BayVBl 1993, 247). Es wird aber bereits nicht ausgeführt, welche Festsetzungen hier zum Schutz der Antragstellerin getroffen werden sollten, sondern nur auf die genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen und allgemein ausgeführt, dass es nicht von vorneherein ausgeschlossen sei, dass im Falle der Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans aus diesem Grund Änderungen am Planungskonzept möglich seien. Konkrete Maßnahmen bzw. Festsetzungen werden nicht genannt. Die bloße Hoffnung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin könne mit einem Bebauungsplan weitere Festsetzungen zu der öffentlichen Erschließungsfläche treffen, genügt nicht, da es für deren Erfüllung keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt (vgl. OVG NW, U.v. 6.1.2020 - 10 D 11/18.NE - juris Rn. 31). Die innere Gliederung der festgesetzten Verkehrsflächen obliegt unabhängig davon, dass hier die Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 BauGB nicht abschließend sind (§ 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB), regelmäßig der Ausbauplanung; auch bodenrechtsfremde Regelungen zur Widmung, Verkehrssicherung oder Verkehrslenkung gehören nicht in die Bauleitplanung (vgl. zu § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB OVG NRW, B.v. 3.2.2014 - 11 B 1040/13 - juris Rn. 3; OVG Rh-Pf, U.v. 23.2.2011 - 8 C 10696/10 - juris Rn. 81). Soweit vorgetragen wird, dass mit dem Verfahren mögliche Schadensersatzansprüche gegen die Vorhabenträgerin vorbereitet werden sollen, ist weder dargelegt noch ersichtlich, inwiefern hier Ansprüche gegeben sein sollten, da die Vorhabenträgerin ihr Vorhaben mit einer bestandskräftigen Baugenehmigung errichtet hat. Es werden im Hinblick auf einen möglichen Schaden auch nur Befürchtungen geäußert, konkrete Angaben, auch zu einer Rechtsgrundlage für Schadensersatzforderungen, fehlen.
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Die Antragsgegnerin verhält sich auch nicht treuwidrig, indem sie auf das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses hinweist. Zwar können im Einzelfall die Grundsätze von Treu und Glauben der prozessualen Geltendmachung von Rechten entgegengehalten werden. So wurde entschieden, dass in die Prüfung eines Normenkontrollantrags nicht mehr eingetreten werden kann, wenn der Antragsteller dadurch, dass er zur Durchsetzung eines geltend gemachten Rechts das Gericht anruft, sich zu seinem eigenen früheren Verhalten in einen mit Treu und Glauben unvereinbaren Widerspruch setzt. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Rechtsschutzsuchende zunächst die ihm günstigen Festsetzungen eines Bebauungsplans ausnützt und sich erst später gegen die für ihn ungünstigen Festsetzungen wendet (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2019 - 4 B 28.18 - juris Rn. 6 ff.; B.v. 19.12.2018 - 4 B 6.18 - ZfBR 2019, 275; B.v. 14.11.2000 - 4 BN 54.00 - juris Rn. 4; B.v. 23.1.1992 - 4 NB 2.90 - NVwZ 1992, 974). Eine vergleichbare prozessuale Lage liegt hier jedoch nicht vor. Ob das Rechtsschutzbedürfnis vorliegt, ist von Amts wegen zu prüfen, es handelt sich um keinen Antrag oder keine Einwendung, die der Antragsgegnerin aufgrund früheren Verhaltens versagt sein können. Im Übrigen liegt auch kein (Mit-)Verschulden der Antragsgegnerin vor, dass die Antragstellerin die Klagefrist gegen die Baugenehmigung für das Vorhaben versäumt hat. Die Antragstellerin wusste, dass der Bauantrag für das Vorhaben gestellt war, war anwaltlich vertreten und musste bei der Größe des Vorhabens damit rechnen, dass die Baugenehmigung mit öffentlicher Bekanntmachung zugestellt wird. Auch hat die Antragsgegnerin zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Sachstandsanfrage an das Landratsamt hätte gestellt werden müssen, da dieses die Baugenehmigung erteilt.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.