Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 04.05.2021 – M 5 K 20.6183
Titel:

Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand, Eintritt in den Ruhestand mit Wirkung zum 1. Dezember 2020, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis

Normenketten:
VwGO § 84
BayBG Art. 62
BayBG Art. 63 Abs. 2
BayBG Art. 143 Abs. 1
Schlagworte:
Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand, Eintritt in den Ruhestand mit Wirkung zum 1. Dezember 2020, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15814

Tatbestand

1
Der am … März 1955 geborene Kläger stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand mit Wirkung zum … Dezember 2020 als Oberregierungsrat (Besoldungsgruppe A 14) in Diensten des Beklagten; er war am Finanzamt F. tätig.
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Mit Schreiben vom 30. April 2020 beantragte der Kläger, die Dienstzeit durch Hinausschieben des Ruhestandes um ein Jahr bzw. bis zum regulären Dienstalter von 67 Jahren zu verlängern. Begründet wurde der Antrag u.a. damit, dass der Kläger einige finanzgerichtliche Großverfahren betreue und eine Einarbeitung in diese Materie für andere Personen sehr schwierig sei.
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Mit Bescheid vom … September 2020 lehnte das Bayerische Landesamt für Steuern den Antrag ab, da ein dienstliches Interesse am Hinausschieben des Ruhestandseintritts nicht bestehe.
4
Mit Schreiben vom 6. November 2020 legte der Kläger Widerspruch ein. Er rügte die Verletzung rechtlichen Gehörs und beantragte, die Personalvertretung zu beteiligen. Zur Begründung machte der Kläger geltend, dass noch mehr als 100 Urlaubstage offen seien, die er aus dienstlichen Gründen nicht habe einbringen können. Zudem herrsche am Finanzamt F. auf Sachgebietsleiterebene eine prekäre Personalsituation. Schließlich habe er ein Recht auf Einhaltung der Altersgrenze von 67 Jahren.
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Mit Widerspruchsbescheid vom … November 2020 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sei nicht gegeben. Eine Beteiligung der Personalvertretung sei im vorliegenden Fall nicht vorgesehen. Ein dienstliches Interesse sei nicht gegeben. Es liege schon kein hinreichender Personalbedarf vor; die Personallage am Finanzamt F. könne nicht als prekär bezeichnet werden. Kurzzeitige Ausfälle seien von Kollegen hinzunehmen. Die Betreuung finanzgerichtlicher Großverfahren könne von anderen Personen übernommen werden. Wegen des Abstellens auf rein dienstliche Interessen, würden andere Gründe wie der geplante Abbau von Überstunden oder noch nicht genommener Urlaub ausscheiden. Ein Anspruch auf Beendigung des Beamtenverhältnisses erst mit Erreichen des 67. Lebensjahres bestehe nicht. Die Altersgrenze von 67 Jahren sei für den Kläger nicht maßgeblich. Für Beamte des Geburtsjahres 1955 liege das für den Ruhestandseintritt maßgebliche Lebensalter bei 65 Jahren und 9 Monaten. Ein Verzicht auf diese Regelung sei nur nach Maßgabe des Art. 63 Abs. 2 BayBG möglich. Dessen Voraussetzungen würden nicht vorliegen. Die Ungleichbehandlung aufgrund des Alters gegenüber Beamten, für die die Altersgrenze von 67 Jahren gelte, sei aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.
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Am 24. November 2020 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht München den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt (M 5 E 20.6087). Mit Beschluss vom 30. November 2020 ist der Antrag abgelehnt worden.
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Mit Schriftsatz vom 27. November 2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
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1. Die Ablehnung meines Antrags vom 30. April 2020 durch den Verwaltungsakt des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom … November 2020 (richtig wohl: … September 2020) in Form der Widerspruchsentscheidung vom … November 2020, bekanntgegeben am … November 2020, wird aufgehoben.
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2. Der Beklagte wird verurteilt, wegen des Verzichts auf die Übergangsregelung des Art. 143 Abs. 1 Satz 2 BayBG durch den Kläger die Dienstzeit des Klägers gem. Art. 62 BayBG auf 67 Jahre festzusetzen.
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Hilfsweise:
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3. Der Beklagte wird verurteilt, die Dienstzeit des Klägers gem. Art. 63 Abs. 2 BayBesG um ein Jahr bis zum … November 2020 (richtig: 2021) zu verlängern.
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Wiederum hilfsweise:
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4. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Berücksichtigung der nunmehr ein dienstliches Interesse bejahenden Stellungnahme und der pandemiebedingten Personalsituation neu zu verbescheiden.
14
Zur Begründung nahm der Kläger Bezug auf sein Vorbringen im Verfahren M 5 E 20.6087. Weiterer Vortrag erfolgte nicht.
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Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2020 hat das Bayerische Landesamt für Steuern für den Beklagten beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Zur Begründung nahm der Beklagte Bezug auf sein Vorbringen im Verfahren M 5 E 20.6087 und wiederholte dieses im Wesentlichen. Die Klage sei unbegründet, da kein dienstliches Interesse am Hinausschieben des Ruhestandseintritts des Klägers bestehe.
18
Mit Ablauf des Monats November 2020 hat der Kläger die gesetzliche Altersgrenze für den Ruhestandseintritt erreicht und ist mit Wirkung zum … Dezember 2020 in den Ruhestand getreten.
19
Mit Beschluss vom 24. März 2021 ist der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen worden. Die Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheids erfolgte mit Schreiben vom 29. März 2021.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

21
Über die Verwaltungsstreitsache kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
22
1. Die Klage ist bereits wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
23
Nach allgemeiner Auffassung fehlt einer Klage, die auf gerichtlichen Rechtsschutz gerichtet ist, das Rechtsschutzinteresse dann, wenn der Kläger seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht verbessern kann und die Inanspruchnahme des Gerichts deshalb für ihn nutzlos erscheint. Dies ist hier der Fall. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung des Gerichts ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung.
24
Im vorliegenden Fall hat der Kläger mit Ablauf des … November 2020 die gesetzliche Altersgrenze für den Ruhestandseintritt nach Art. 62 i.V.m. Art. 143 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) erreicht (für den Geburtsjahrgang 1955: 65 Jahre und neun Monate) und ist mit Wirkung zum … Dezember 2020 in den Ruhestand getreten.
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Der Kläger hat daher kein Bedürfnis mehr nach der Inanspruchnahme von Rechtsschutz, da seinem Begehren auf Hinausschieben des Ruhestands nur stattgegeben werden kann, solange der Ruhestand noch nicht eingetreten ist (BayVGH, B.v. 25.9.2008 - 3 AE 08.2500 - juris Rn. 14; B.v. 30.8.2007 - 3 CE 07.2028 - juris Rn. 14; B.v. 9.8.2010 - 3 CE 10.928 - juris Rn. 24; VGH BW, B.v. 26.2.2018 - 4 S 484/18 - juris Rn. 9; VG München, U.v. 23.6.2020 - M 5 K 19.2836 - juris Rn. 28; B.v. 3.1.2011 - M 5 E 10.5852 - juris Rn. 10).
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Mit dem Eintritt des Klägers in den Ruhestand ist das Beamtenverhältnis zum Beklagten nach § 21 Nr. 4 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz - BeamStG) beendet. Der Kläger befindet sich daher nicht mehr in einem aktiven und damit bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen verlängerbaren Dienstverhältnis. Dem Begehren des Klägers auf Hinausschieben des Ruhestands kann daher nicht mehr stattgegeben werden. Mit Eintritt in den Ruhestand ist ein Hinausschieben rechtlich nicht mehr möglich (ständige Rechtsprechung, vgl. nur OVG Hamburg, B.v. 26.8.2011 - 1 Bs 104/11 - IÖD 2011, 246, juris Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 30.8.2007 - 3 CE 07.2028 - juris Rn. 14).
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Nach der Versetzung in den Ruhestand bedürfte es für die erneute Begründung eines (aktiven) Beamtenverhältnisses einer Ernennung, für die aber nach dem Erreichen der Altersgrenze keine Rechtsgrundlage ersichtlich ist. Vielmehr müsste ein Beamter, wenn er nach dem Erreichen der Altersgrenze berufen worden wäre, gem. § 23 Abs. 1 Nr. 5 BeamtStG sofort wieder entlassen werden (VG Gießen, U.v. 15.8.2012 - 5 K 127/12.Gi - juris Rn. 16; VG München, U.v. 13.11.2013 - M 5 K 12.2264). Eine Reaktivierung von Beamten, die die gesetzliche Altersgrenze für den Ruhestandseintritt erreicht haben, ist anders als bei Beamten, die einstweilig in Ruhestand oder wegen Dienstunfähigkeit in Ruhestand versetzt worden sind (Art. 65, 68 ff. BayBG), nicht vorgesehen.
28
2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 84 Abs. 1 Satz 3, § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).