Inhalt

VG München, Urteil v. 20.05.2021 – M 30 K 20.195
Titel:

Petition, Untätigkeit

Normenketten:
GG Art. 17
BV Art. 115
Schlagworte:
Petition, Untätigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15811

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Verbescheidung seiner Gegenvorstellung.
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Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 30. April, 3., 19. und 23 Juni, 19., 22. und 30. August 2018 sowie vom 25. Januar, 24. März, 14. Juni, 14. Juli, 1. September und 3. Oktober 2019 an den Beklagten. Gegenstand der Eingaben waren jeweils im Wesentlichen der Tod des klägerischen Sohnes und dessen Aufarbeitung durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden.
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Hierauf antwortete der Beklagte mit Schreiben vom 19. Juni, 8. August und 25. September 2018 sowie 24. April und 18. Oktober 2019.
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Mit Schreiben vom 31. Oktober 2019 erhob der Kläger gegen das Schreiben des Beklagten vom 18. Oktober 2019 eine Gegenvorstellung. Unter anderem führte er hierbei aus, dass die Ankündigung des Beklagten, weitere Eingaben seinerseits nicht mehr zu beantworten, durch keine Bestimmung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes gedeckt sei. Eine Beantwortung seiner Gegenvorstellung habe er sich für den 14. Dezember 2019 notiert. Nach Fristablauf behalte er sich eine Untätigkeitsklage vor.
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Gegen die Untätigkeit des Beklagten erhob der Kläger am 16. Januar 2020 vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage. Seine Gegenvorstellung sei ein form- und fristloser Rechtsbehelf, der mehrfach eingelegt werden könne und stets zu beantworten sei. Diese sei trotz Fristsetzung zum 14. Dezember 2019 vom Beklagten nicht beantwortet worden. Seine Klage sei daher geboten. Die Aufklärung des unnatürlichen Todes seines Sohnes zu betreiben, sei sein Begehr. Hierzu führt der Kläger ausführlich zu dem nunmehr abgeschlossenen Strafermittlungsverfahren betreffend den Tod seines Sohnes aus.
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Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, die Gegenvorstellung vom 31. Oktober 2019 im Zusammenhang mit dem unnatürlichen Tod seines Sohnes zu beantworten.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor, dass der Kläger mehrere inhaltlich vergleichbare Schreiben an diesem versandt habe und diese Schreiben vom Beklagten durch Weiterleitung an die zuständigen Behörden sowie durch mehrere Antwortschreiben in der Sache behandelt worden seien. Die Eingabe des Klägers vom 31. Oktober 2019 stelle eine wiederholende Petition dar. Eine solche sei, um eine Ausweitung des Petitionsrechts zu vermeiden, bereits unzulässig. Ein Anspruch auf Verbescheidung bestehe bei einer inhaltlich identischen weiteren Petition mangels Sachbescheidungsinteresse nicht. Der allgemeinen Leistungsklage fehle es daher bereits am Rechtsschutzbedürfnis. Diese sei unzulässig. Jedenfalls sei die Klage unbegründet, denn ein Anspruch des Klägers auf eine Beantwortung seiner Eingabe vom 31. Oktober 2019 bestehe nicht. Dieser habe auf seine Eingaben mehrfach Antwort erhalten. Zuletzt mit Schreiben vom 18. Oktober 2019. Das sich wiederholende Anliegen des Klägers sei ordnungsgemäß im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern bearbeitet worden. Zudem sei der Kläger auf die abschließende Sachbehandlung hingewiesen worden. Das Schreiben des Klägers vom 31. Oktober 2019 durfte daher unbeantwortet bleiben, hierzu werde auf § 17 Abs. 3 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern verwiesen.
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Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
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Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
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1. Das klägerische Begehren lässt sich mit einer allgemeinen Leistungsklage verfolgen. Eine Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, gerichtet auf eine Entscheidung des Beklagten, mit der der Eingabe des Klägers Rechnung getragen wird, ist schon nicht statthaft, da die Behandlung einer Eingabe mangels sachlichen Regelungsgehalts keine Verwaltungsaktqualität besitzt (BVerwG, U.v. 22.5.1980 - 7 C 73/78 - juris Rn. 21; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 79 Rn. 19). Statthaft ist vielmehr eine allgemeine Leistungsklage; der Antrag des Klägers ist entsprechend auszulegen (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO).
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2. Der Klage fehlt auch nicht das Rechtschutzbedürfnis. Einer allgemeinen Leistungsklage auf Beantwortung einer Petition mangelt es am Rechtsschutzbedürfnis, sofern bereits aufgrund des Vortrags der Beteiligten oder des Inhalts der vorgelegten Behördenakten erkennbar ist, dass der Petent eine (unmittelbare) Antwort auf seine Petition erhalten hat, jedoch mit dem Umfang oder der Entscheidung der Antwort nicht zufrieden ist. In diesem Fall kann der Kläger seine Rechtsstellung auch nicht durch eine Klage verbessern, da offensichtlich ist, dass sein Anspruch aus Art. 17 GG bzw. Art. 115 BV erfüllt worden ist und sich in dieser Fallkonstellation dieser Umstand auf die Zulässigkeit der Klage durchschlägt. Dagegen stellt die Frage, ob der Petent überhaupt eine Antwort auf seine Petition erhalten hat, eine Frage der Begründetheit dar. Steht zwischen den Beteiligten im Streit, ob die streitgegenständliche Eingabe des Petenten eine einheitliche oder bereits eine andere Petition darstellt und lässt sich diese Frage nicht ohne genauere Prüfung beantworten, so ist das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers zu bejahen. Vorliegend kommt der rechtlichen Einordnung des klägerischen Schreibens vom 31. Oktober 2019 als einheitliche Petition eine entscheidende Bedeutung zu. Der Kläger begehrt nicht (nur) eine bestimmte Entscheidung oder Begründungstiefe vom Beklagten, sondern macht diesbezüglich dessen Untätigkeit geltend. Dabei lässt er auch nicht erkennen, dass es ihm um eine „zweite Antwort“ zu einer bereits behandelten und beantworteten Petition geht (vgl. für diesen Fall VG München, U.v. 20.5.2021 - M 30 K 19.679 Rn. 18f. n.v.).
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3. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beantwortung seiner streitgegenständlichen Gegenvorstellung.
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Dem Kläger steht gemäß Art. 17 GG und Art. 115 Abs. 1 BV nur ein Anspruch auf Befassung und Entscheidung seiner Petition zu, weshalb im Petitionsbescheid für den Petenten erkennbar sein muss, dass über sein Anliegen entschieden wurde und in welcher Weise seine Petition behandelt worden ist (BVerfG, B.v. 15.5.1992 - 1 BvR 1553/90 - juris Rn. 21). Petitionen sind in den Grundzügen in Art. 17 GG bzw. in Art. 115 Bayerische Verfassung (BV) geregelt. Das Petitionsrecht gewährleistet lediglich, dass der Adressat der Petition sich mit der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sache befasst und ihm eine Antwort gibt, aus der sich die Tatsache der Behandlung und die Art der Erledigung ergeben (vgl. BVerfG, B.v. 15.5.1992 - 1 BvR 1553/90 - juris Rn. 21; BayVerfGH, E.v. 22.2.1996 - Vf. 39-VI-95 - juris Rn. 6). Darüber hinaus kann verfassungsrechtlich weder eine bestimmte Begründung und damit eine schriftliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen verlangt werden, noch ein bestimmtes Tätigwerden in der Sache (BayVerfGH, E.v. 22.2.1996 - Vf. 39-VI-95 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 30.7.1993 - 5 C 08.1993 - juris Rn. 2; VG München, U.v. 29. September 2016 - M 10 K 15.3610 - juris Rn. 14).
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Es ist nicht Sinn des Petitionsrechtes, dem Petenten neben dem durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsweg zu den Gerichten ein Verfahren zu eröffnen, das hinsichtlich der Art und Weise sowie des Umfanges der Sachaufklärung und der Vorbereitung der Entscheidung dem Verfahren nach den Prozessordnungen gleichkommt (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2008 - 5 C 08.1993 - juris Rn. 2; VG München, U.v. 5.12.2010 - M 18 K 10.4850 - juris Rn. 13).
16
Der klägerischen Rechtsansicht, seine Gegenvorstellung sei ein form- und fristloser Rechtsbehelf, der mehrfach eingelegt werden könne und stets zu beantworten sei, ist nicht zu folgen. Stellen mehrere Eingaben des Petenten eine einheitliche Petition dar, so führt dies nicht dazu, dass dem Petenten ein Anspruch zukommt auf jedes einzelne Schreiben eine Antwort zu erhalten, denn das Petitionsrecht gewährt dem Petenten gerade keinen Anspruch dahingehend, dass sich der Adressat der Eingabe dezidiert mit jedem neuen Einwurf des Petenten detailliert zu befassen und diesen zu beantworten hat. (VG München, Gb.v. 23.9.2020 - M 30 K 17.5975 - Rn. 14f. n.v.; Gb.v. 23.9.2020 - M 30 K 18.1132 - Rn. 14f. n.v.). Das Petitionsrecht dient nicht dazu, dem Petenten ein Mittel an die Hand zu geben, ein eigenständiges Verfahren mit umfassenden Ermittlungsarbeiten zu erzwingen; vielmehr kommt ihm im Kern eine Anstoßfunktion für eine sachgerechte Bearbeitung im jeweiligen Verwaltungsvorgang zu (VG München, ebd.). Daher genügt es dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Klägers, wenn die angerufene öffentliche Stelle sich mit seinem Gesamtbegehren auseinandergesetzt hat und dies hinreichend deutlich wird. Solange neue Eingaben des Petenten keine eigene, andere Petition darstellen, besteht für diesen kein Anspruch auf Beantwortung.
17
Ein Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten, erneut auf die klägerische Eingabe vom 31. Oktober 2019 zu antworten, bestand nicht. Der Beklagte hat sich mit der Petition des Klägers bereits hinreichend auseinandergesetzt.
18
Die als Gegenvorstellung bezeichnete Eingabe vom 31. Oktober 2019 bildet zu den vorherigen beklagtenseits insbesondere mit Schreiben vom 18. Oktober 2019 behandelten Eingaben eine einheitliche Petition. Die klägerischen Eingaben haben stets dasselbe Todesermittlungsverfahren seines Sohnes und dieselbe Zielrichtung, nämlich die Auseinandersetzung mit Ermittlungsfehlern im Rahmen dieses Todesermittlungsverfahrens, zum Gegenstand. Durch die Beantwortung der Petition zuletzt mit Schreiben vom 18. Oktober 2019 ist dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Klägers Genüge getan worden. Ein erneuter Anspruch auf Beantwortung der Petition auf Grundlage des Schreibens vom 31. Oktober 2019 bestand wegen des einheitlichen Charakters der Eingaben nicht. Ferner hat der Beklagte die Eingabe des Klägers vom 31. Oktober 2019 ausweislich der Behördenakte (vgl. Bl. 75 f. d. BA.) zur Kenntnis genommen und an das zuständige Staatsministerium der Justiz weitergeleitet - mithin sich mit der klägerischen Eingabe auseinandergesetzt.
II.
19
Die Kostenentscheidung beruht § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
20
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.