Titel:
Absehen von Entfernung aus dem Beamtenverhältnis aufgrund von Milderungsgründen
Normenketten:
BayDG Art. 10, Art. 51 Abs. 1
StGB § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 4, § 266 Abs. 1, Abs. 2
Leitsatz:
Ein fremdnütziges Verhalten oder das Fehlen materiell-egoistischer Motive - hier: Handeln im Interesse der Hochschule - sind Gesichtspunkte, der bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme zugunsten des Beamten zu berücksichtigen sind und ein Absehen von der Höchstmaßnahme nahelegen. (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarverfahren, Nachtragsdisziplinarklage, Zweimalige Untreue in besonders schwerem Fall durch Gewährung eines Leistungsbezugs an den Präsidenten einer Hochschule und Nichteinschreiten gegen Lehrauftrag an diesen zu überhöhtem Stundensatz durch den Kanzler der Hochschule, Absehen von Entfernung aus dem Beamtenverhältnis aufgrund von Milderungsgründen, Zurückstufung, Rechtsmittelverzicht
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15808
Tenor
I. Gegen den Beklagten wird die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe in das Amt eines Oberregierungsrats (Besoldungsgruppe A14) ausgesprochen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt mit seiner Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
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1. Der am ... 1956 geborene Beklagte legte nach Abitur und Ausbildung zum Bankkaufmann 1985 die erste und 1988 die zweite juristische Staatsprüfung ab. 1990 wurde er promoviert.
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Nach beruflichen Tätigkeiten in der privaten Wirtschaft wurde er mit Wirkung vom 1. April 1997 zum ... (im folgenden: Hochschule) bestellt, wo er seine Tätigkeit zunächst im Angestelltenverhältnis begann. Mit Wirkung vom 3. Juni 1997 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Oberregierungsrat und mit Wirkung vom 3. Juni 1998 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Regierungsdirektor ernannt. Infolge des Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 7. Dezember 2004 (DVBl. S. 491) führt der Beklagte seit 1. Januar 2005 die Amtsbezeichnung „...“.
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In den dienstlichen Beurteilungen aus den Jahren 2001 und 2004 erhielt er jeweils 14 Punkte.
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Ihm wurde 2000 eine Leistungsstufe bei der Besoldung zuerkannt; zwischen 2001 und 2016 erhielt er mehrfach Leistungsprämien.
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Im März 2013 vollendete er eine Jubiläumsdienstzeit von 25 Jahren.
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Mit Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - (im folgenden: Landesanwaltschaft) vom 8. Februar 2019 wurde der Beklagte vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung von 50% der monatlichen Dienstbezüge angeordnet; mit Verfügung vom 20. März 2019 wurde der Einbehaltungssatz auf 10% der monatlichen Dienstbezüge reduziert.
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Der Beklagte ist verheiratet und hat zwei volljährige Töchter. Mit Ausnahme der verfahrensgegenständlichen Vorwürfe ist er straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.
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2. Das (damalige) Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (im folgenden: Staatsministerium) informierte die Landesanwaltschaft Ende 2016 über den Verdacht des Vorliegens eines Dienstvergehens durch den Beklagten und bat um Einleitung und Durchführung eines Disziplinarverfahrens. Die Landesanwaltschaft leitete mit Verfügung vom 13. Januar 2017 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und setzte ihn mit Schreiben vom selben Tag hiervon in Kenntnis. Mit Verfügung vom 25. Januar 2017 setze sie das Disziplinarverfahren bis zum Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aus. Mit Schreiben vom 31. Januar 2017 nahm der Beklagte zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung. Unter dem Datum des 20. Februar 2017 erstellte die Hochschule ein Persönlichkeitsbild für ihn. In den Folgemonaten übermittelte sie weitere Unterlagen. Nach Anhörung der Landesanwaltschaft stellte die Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wegen Untreue mit Verfügung vom 6. November 2017 nach § 153a Strafprozessordnung (StPO) vorläufig und nach Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 13.000 € mit Verfügung vom 4. Dezember 2017 endgültig ein. Die Landesanwaltschaft setzte das Disziplinarverfahren daraufhin mit Verfügung vom 2. Januar 2018 fort, dehnte es mit Verfügung vom 18. Januar 2018 auf weitere Vorwürfe aus und setzte den Beklagten mit Schreiben vom selben Tag hiervon in Kenntnis. Er äußerte sich mit Schreiben vom 15. Februar 2018. Auf Ersuchen der Landesanwaltschaft vom 24. Januar, 19. März und 6. April 2018 übermittelte der (neue) Präsident der Hochschule mit Schreiben vom 16. und 26. Februar sowie 3. und 16. April 2018 dienstliche Stellungnahmen. Am 19. April 2018 wurde der Beklagte bei der Landesanwaltschaft persönlich angehört. Unter dem Datum des 7. November 2018 fasste die Landesanwaltschaft das Ergebnis der Ermittlungen zusammen, beschränkte das Verfahren hinsichtlich einiger gegen ihn erhobenen Vorwürfe und gab ihm erneut Gelegenheit zur Äußerung, auch zu einer möglichen vorläufigen Dienstenthebung unter Einbehalt der Bezüge. Der Bevollmächtigte des Beklagten bestellte sich mit Schriftsatz vom 21. November 2018 und äußerte sich mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2018 zu den Vorwürfen. Mit Schreiben vom 10. Januar 2019 erfolgte eine erneute dienstliche Äußerung des Präsidenten der Hochschule.
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3. Am 24. Januar 2019 erhob die Landesanwaltschaft Disziplinarklage (M 19L DK 19.391) zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,
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den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Sie trug zur Begründung vor, der Disziplinarklage lägen folgende Sachverhalte zugrunde:
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1. Der Beklagte, der in seiner Funktion als ... kraft Gesetzes auch deren Beauftragter für den Haushalt sei (Art. 23 Abs. 3 Satz 1 Bayerisches Hochschulgesetz - BayHSchG - i.V.m. Art. 9 Bayerische Haushaltsordnung - BayHO), habe im November 2013 daran mitgewirkt, dass dem damaligen Präsidenten der Hochschule, Prof. Dr. M., eine Einmalzahlung in Höhe von 6000 € unter Bezugnahme auf Art. 71 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG) und § 4 Bayerische Hochschulleistungsbezügeverordnung (BayHLeistBV) gewährt worden sei, ohne dass die rechtlichen Voraussetzungen hierfür, insbesondere die nach § 6 Abs. 2 BayHLeistBV erforderliche Entscheidung des Staatsministeriums, vorgelegen hätten.
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Zwischen 17. und 24. September 2013 habe zwischen Herrn U., an der Hochschule zuständig für Rechtsangelegenheiten, und Herrn W., dem zuständigen Referatsleiter beim Staatsministerium, ein E-Mail-Verkehr stattgefunden zur Frage der Zuständigkeit für die Antragstellung beim Staatsministerium für einen Antrag auf Gewährung von besonderen Hochschulleistungsbezügen nach § 4 BayHLeistBV an den Präsidenten und zum Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen. Diesen E-Mail-Verkehr habe Herr U. am 24. September 2019 an Prof. Dr. M. und in Cc. an den Beklagten weitergeleitet.
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In der Sitzung der Hochschulleitung am 12. November 2013, an der neben weiteren Personen auch Prof. Dr. M. und der Beklagte teilgenommen hätten, habe der Beklagte Prof. Dr. M. gebeten, den für ihn vorgesehenen Leistungsbezug vom Staatsministerium beschließen zu lassen, was dieser jedoch nicht getan habe.
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Ebenfalls am 12. November 2013 habe Herr O., damaliger sachbearbeitender Beamter im Finanzbereich der Hochschule, dem Beklagten einen auf diesen Tag datierten Entwurf eines Schreibens an das Landesamt für Finanzen vorgelegt, nach dem Prof. Dr. M. eine Einmalzahlung in Höhe von 6000 € erhalte. Der Beklagte habe das Schreiben ungeachtet eines Hinweises von Herrn O., dass die erforderliche Entscheidung des Staatsministeriums zur Gewährung besonderer Leistungsbezüge an Prof. Dr. M. nicht vorliege, gemeinsam mit anderen Schreiben an das Landesamt für Finanzen unterschrieben. Herr O. habe handschriftlich auf diesem Entwurf vermerkt: „rechtlich nicht möglich -> auf Weisung …“. Dabei sei es dem Beklagten darum gegangen, dass die Auszahlung noch im Haushaltsjahr 2013 erfolgen könne. Ihm sei klar gewesen, dass zu diesem Zeitpunkt die erforderliche Entscheidung des Staatsministeriums nicht vorgelegen habe, auch wenn er davon ausgegangen sei und sich darauf verlassen habe, das Staatsministerium werde diese noch treffen. Das Landesamt für Finanzen habe daraufhin eine entsprechende Auszahlung an Prof. Dr. M. vorgenommen.
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Einen auf den 22. November 2013 datierten Entwurf des Gewährungsschreibens an Prof. Dr. M. habe der Beklagte nicht unterschreiben wollen. Herr O. habe dies auf dem Entwurf vermerkt mit dem Zusatz: „bitte noch einmal mit Unterschrift Präsi.“. Die zuständige Mitarbeiterin habe unter dem 22. November 2013 einen gleichlautenden Entwurf erstellt, jedoch zur Unterschrift von Prof. Dr. M., der das Schreiben unterzeichnet habe.
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Mit Bescheid vom 21. Dezember 2016 habe die Hochschule von Prof. Dr. M. den Betrag von 6000 € zurückgefordert.
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2. Der Beklagte habe es trotz seiner Funktion als … … … und deren Beauftragter für den Haushalt unterlassen, im Jahr 2014 zu verhindern, dass dem früheren Präsidenten der Hochschule, Prof. Dr. M., für das Wintersemester 2014/15 und das Sommersemester 2015 ein Lehrauftrag mit einem Stundensatz von 277,35 € erteilt und die erbrachten Stunden dementsprechend vergütet worden seien, obwohl dieser Stundensatz die in den Lehrvergütungsvorschriften für die staatlichen Hochschulen vorgesehene Höchstgrenze erheblich überschritten habe.
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Bei einer Sitzung der Hochschulleitung am 6. Mai 2014, die Prof. Dr. M. geleitet und an der neben weiteren Personen auch der Beklagte teilgenommen habe, habe sich die Hochschulleitung damit einverstanden gezeigt, dass Prof. Dr. M. ab seiner am 1. Oktober 2014 beginnenden Beurlaubung für die Tätigkeit als Rektor an die Universität … … bestimmte Tätigkeiten an der Hochschule (Seminar bzw. Vorlesung im Wechsel, Dissertandenseminar, Promotionsausschuss und Leitung des … … Instituts) mit einem Viertel-Deputat zu einem Viertel seines bisherigen Gehalts weiterführen wolle. Prof. Dr. M. habe in diesem Zusammenhang nicht den Raum verlassen und sich nicht der Stimme enthalten.
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Das Staatsministerium habe Prof. Dr. M. vor Beginn der Beurlaubung mitgeteilt, dass ein Verbleib als Professor in Teilzeit an der Hochschule rechtlich nicht möglich sei.
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Dem Beklagten seien die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Vergabe und Vergütung von Lehraufträgen, insbesondere die geltenden Höchstsätze, die hier erheblich überschritten worden seien, bekannt gewesen. Er habe weder in der Sitzung noch im Anschluss daran rechtliche Bedenken gegen eine Erteilung des Lehrauftrags zu den genannten Konditionen geltend gemacht.
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Prof. Dr. M. sei mit Schreiben des zwischenzeitlich bestellten neuen Präsidenten der Hochschule vom 30. Oktober und 10. November 2014 zum Lehrbeauftragten an der Hochschule mit drei Semesterwochenstunden und einem Vergütungssatz von 277,35 € bestellt worden.
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Für das Wintersemester 2014/2015 seien ihm 13.312,80 € und für das Sommersemester 2015 12.480,75 € ausbezahlt worden (insgesamt 25.793,55 €).
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Die Hochschule habe den genannten (und einen darüber hinaus gehenden) Betrag mit Bescheid vom 7. Juli 2016 zurückgefordert, dies unter Hinweis darauf, dass Prof. Dr. M. als Beteiligter an den Entscheidungen nicht hätte mitwirken dürfen.
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Das Fehlverhalten des Beklagten stelle ein innerdienstliches dar.
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Durch den unter 1. geschilderten Sachverhalt habe er gegen seine Verpflichtung zur Beachtung der Gesetze verstoßen (§ 33 Abs. 1 Satz 3 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG - i.V.m. § 266 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 Strafgesetzbuch - StGB). Wie die Staatsanwaltschaft München I in der Verfügung vom 6. November 2017 sehe auch die Landesanwaltschaft den Tatbestand der Untreue in einem besonders schweren Fall - als Amtsträger - objektiv und subjektiv als erfüllt an, weil der Beklagte als Beauftragter für den Haushalt die ihm durch Gesetz (Art. 23 Abs. 3 Satz 1 BayHSchG i.V.m. Art. 9 BayHO) eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder seine dementsprechend eingeräumte Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, bewusst und gewollt verletzt habe, und dadurch dem Freistaat Bayern, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen gehabt habe, einen Schaden in Höhe von 6000 € zugefügt habe. Dem Beklagten sei klar gewesen, dass bei Unterzeichnung des Schreibens an das Landesamt für Finanzen am 12. November 2013 eine Entscheidung des Staatsministeriums nicht vorgelegen habe. Eine Prüfung, ob die Voraussetzungen nach § 4 BayHLeistBV in Bezug auf Prof. Dr. M. im Jahr 2013 vorgelegen hätten, sei weder damals noch heute abschließend möglich. Darüber hinaus handele es sich bei der Gewährung besonderer Hochschulleistungsbezüge um eine Ermessensentscheidung, die seinerzeit nicht getroffen worden sei. Durch sein Verhalten habe der Beklagte weiter die Pflicht, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), im Hinblick auf § 6 Abs. 2 BayHLeistBV und Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), die Pflicht, die übertragenen Aufgaben nach bestem Gewissen wahrzunehmen (§ 34 Satz 2 BeamtStG) und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verletzt.
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Auch durch den unter 2. geschilderten Sachverhalt habe er gegen seine Verpflichtung zur Beachtung der Gesetze verstoßen (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. § 266 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB). Der Tatbestand sei subjektiv und objektiv durch Unterlassen erfüllt, weil der Beklagte als Beauftragter für den Haushalt der Hochschule die ihm durch Gesetz (Art. 23 Abs. 3 Satz 1 BayHSchG i.V.m. Art. 9 BayHO) eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, oder seine dementsprechend eingeräumte Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, bewusst und gewollt verletzt habe, indem er es unterlassen habe, der Erteilung eines Lehrauftrags zu einem weit überhöhten Stundensatz entgegenzuwirken, und dadurch dem Freistaat Bayern, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen gehabt habe, einen Schaden in Höhe von jedenfalls 15.563,55 € zugefügt habe. Gerade noch angemessen erscheine ein Stundensatz von 110 €. Dem Beklagten seien die Lehrauftrags- und Lehrvergütungsvorschriften für die staatlichen Hochschulen vom 3. November 2008 (LLHVV) bekannt gewesen. Bei der gewählten Vertragsgestaltung habe es sich um eine Umgehung der Ablehnung der Teilzeitbeurlaubung von Prof. Dr. M. gehandelt. Durch dieses Verhalten habe der Beklagte weiter die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) im Hinblick auf Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG und § 5 Abs. 4 Satz 2 LLHVV verletzt, außerdem die Pflicht, die übertragenen Aufgaben nach bestem Gewissen wahrzunehmen (§ 34 Satz 2 BeamtStG) und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG).
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Im Hinblick auf den hier eröffneten Strafrahmen einer Freiheitsstrafe von jeweils bis zu zehn Jahren reiche der Orientierungsrahmen für mögliche Disziplinarmaßnahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Vorliegend sei von einem schweren innerdienstlichen Dienstvergehen auszugehen, durch das der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren habe und das deshalb die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens erfordere. Nach der Rechtsprechung könne bei einem Gesamtschaden von über 5000 € die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ohne Hinzutreten weiterer Erschwerungsgründe gerechtfertigt sein. Hier sei zu berücksichtigen, dass der Gesamtschaden bei 21.500 € liege, ein zwei-maliges Fehlverhalten vorliege und der Beklagte im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt habe. Die Uneigennützigkeit stelle kein Kriterium dar, nach dem bei der Maßnahmebemessung differenziert werde.
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Milderungsgründe, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme nahelegen würden, lägen nicht vor. Insbesondere reichten insoweit die guten Beurteilungen, die fehlende straf- und disziplinarrechtliche Vorbelastung und das positive Persönlichkeitsbild nicht aus. Unerheblich sei ferner, dass der jetzige Dienstvorgesetzte nach seinem Schreiben vom 20. Februar 2017 keinen Anlass sehe, die Vertrauenswürdigkeit des Beklagten infrage zu stellen. In einer Gesamtschau stelle die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die angemessene und verhältnismäßige Disziplinarmaßnahme dar.
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Das Verwaltungsgericht München hat die Klage von Prof. Dr. M. gegen den Rückforderungsbescheid vom 21. Dezember 2016 für den Leistungsbezug in Höhe von 6000 € mit Urteil vom 6. Februar 2019 (M 5 K 17.2446) abgewiesen. Die Gewährung der Einmalzahlung durch ihn selbst stelle einen nichtigen Verwaltungsakt dar. Das Verwaltungsgericht München hat ferner mit Urteil vom 6. Februar 2019 (M 5 K 16.3469) seine Klage gegen den Rückforderungsbescheid vom 7. Juli 2016 insoweit abgewiesen, als die Rückforderung von 15.563,55 € für ihm gewährte Lehrvergütungen betroffen war. Als rechtswidrig sah das Gericht die Rückforderung eines Betrages von 10.230 € an, der sich unter Ansatz eines noch angemessenen Vergütungssatzes von 110 € für die geleisteten Stunden ergab. Auch die Bestellung zum Lehrbeauftragten und der zugleich festgesetzte Vergütungssatz im Fach Musikwissenschaften von 277,35 € sei nichtig gewesen. Nach Ablehnung der Anträge auf Zulassung der Berufung mit Beschlüssen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Juli 2020 (3 ZB 19.601 und 3 ZB 19.553) sind die vorgenannten Urteile rechtskräftig.
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Der Beklagte beantragte,
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auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.
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Er ließ vortragen, er habe sich mit der Gewährung des Leistungsbezugs für Prof. Dr. M. nicht weiter befasst. Er sei davon ausgegangen, die Angelegenheit werde durch Herrn U., die Personalabteilung und insbesondere durch Prof. Dr. M. unter Einholung einer Entscheidung des Staatsministeriums selbst geklärt. Er habe angenommen, der Leistungsbezug für Prof. Dr. M., der damals über jeden Zweifel erhaben gewesen sei, sei berechtigt und werde mit Sicherheit bewilligt. Die Voraussetzungen für eine Bewilligung durch das Staatsministerium hätten vorgelegen. Die vorgeworfene Zahlungsanweisung habe er neben 45 weiteren unterschrieben.
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Zusätzlich zur Vorlesung …geschichte mit drei Semesterwochenstunden habe Prof. Dr. M. weitere Aufgaben wie die Betreuung von Doktoranden, des Instituts für … als externer Berater und der Forschungsstellen … … und … … übernommen. Da er für diese Tätigkeiten bislang ein Viertel seiner Dienstzeit aufgewendet habe, habe er hierfür ein Viertel seines bisherigen Gehalts beansprucht. Die Honorierung sollte pauschal mit einem Lehrauftrag über drei Semesterwochenstunden zu 277,35 € (= 832,05 €) erfolgen; diesen Betrag habe die Personalabteilung errechnet und der Hochschulleitung vorgeschlagen. Aus heutiger Sicht wäre es angezeigt gewesen, mehrere Verträge abzuschließen (Lehrauftrag, Beratervertrag, zwei Dienstverträge). Es sei schwer gewesen, sich Prof. Dr. M. als durchsetzungsstarker Persönlichkeit zu widersetzen. Es sei davon auszugehen, dass das Ministerium wegen der hohen Reputation von Prof. Dr. M. auch einen Lehrauftrag mit einer höheren Dotierung als 110 € pro Stunde akzeptiert hätte.
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Dass die Sachverhalte den Tatbestand der Untreue erfüllten, werde in Abrede gestellt. Der Leistungsbezug wäre tatsächlich durch das Ministerium erfolgt. Das Zuwendungsschreiben an Prof. Dr. M. hätte auch durch den Vizepräsidenten unterzeichnet werden können. Durch sein Verhalten habe der Beklagte also lediglich einen formalen Verstoß verursacht.
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Auch hinsichtlich des mit 277,35 € dotierten Lehrauftrags liege lediglich ein formaler Verstoß vor. Insoweit werde auf das Schreiben der Hochschule vom 16. Februar 2018 verwiesen. Für den Lehrauftrag hätten dringende Bedürfnisse der Hochschule und die besondere Reputation von Prof. Dr. M. gesprochen.
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Ein endgültiger Vertrauensverlust liege nicht vor. Da bei beiden Vorwürfen andere Gestaltungsmöglichkeiten bestanden hätten, seien lediglich formale Verstöße gegeben. Dem Beklagten sei nunmehr klar, dass er im Hinblick auf seine Kontrollfunktion versagt habe. Dennoch wäre auch bei deren Ausübung die Zahlung erfolgt, dann aber durch das sachlich zuständige Staatsministerium bewilligt worden. Er habe nicht eigennützig gehandelt, sondern das Wohl der Hochschule im Blick gehabt, für die es gegolten habe, den Weggang von Prof. Dr. M. zu kompensieren. Er sei von der Rechtmäßigkeit seines Handelns ausgegangen. Bereits Strafverfahren und Disziplinarverfahren hätten Eindruck bei ihm hinterlassen; er werde sich zukünftig an seine Dienstpflichten halten.
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Mit Schriftsatz vom 1. April 2019, bei Gericht eingegangen am Folgetag, machte der Beklagte erhebliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens geltend. Er rügte Verstöße gegen die Aufklärungspflicht, weil nicht geklärt worden sei, ob ein Stundensatz von 277,35 € im Rahmen eines Dienstvertrags möglich gewesen wäre, ob ein Antrag an das Staatsministerium auf Leistungsbezug von Prof. Dr. M. vorgelegen habe und ob dieser den Leistungsbezug bekommen hätte.
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Die Landesanwaltschaft entgegnete mit Schreiben vom 11. Juni 2019, jedenfalls sei eine Genehmigung nach § 6 Abs. 2 BayHLeistBV nicht erteilt und die nicht nachholbare Ermessensentscheidung nicht getroffen worden. Ein Stundensatz von 277,35 € sei weit überhöht; das Verwaltungsgericht habe den entsprechenden Leistungsbescheid im Urteil vom 6. Februar 2019 (M 5 K 16.3469) als nichtig angesehen. Der Beklagte sei zum Einschreiten verpflichtet gewesen. Unabhängig von der Persönlichkeit von Prof. Dr. M. wäre von ihm die Bereitschaft zum Widerspruch auch gegenüber einem Vorgesetztem zu verlangen gewesen.
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4. Die Hochschule setzte die Landesanwaltschaft mit Schreiben vom 9. September 2019 unter Übersendung von Unterlagen von weiteren Vorwürfen gegen den Beklagten im Hinblick auf die unentgeltliche Überlassung von Räumen der Hochschule an Dritte in Kenntnis. Die Landesanwaltschaft hörte den Bevollmächtigten daraufhin mit Schreiben vom 11. September 2017 zur Erhebung einer Nachtragsdisziplinarklage an. Mit Telefax vom 16. September 2017 teilte die Hochschule der Landesanwaltschaft mit, dass gegen den Beklagten mit Schreiben vom 13. September 2020 Schadensersatzansprüche wegen der unentgeltlichen Raumüberlassung an den Lions Club International geltend gemacht würden. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2019 gab das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst auf Ersuchen des Verwaltungsgerichts eine dienstliche Stellungnahme zur Möglichkeit der Zurückstufung des Beklagten ab. Der Bevollmächtigte des Beklagten äußerte sich mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2019 zu den neuen Vorwürfen. Mit Verfügung vom 19. Mai 2020 stellte die Staatsanwaltschaft München I das wegen der neuen Vorwürfe gegen den Beklagten geführte Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Auf Anforderung der Landesanwaltschaft übersandte das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst im September/Oktober 2020 Unterlagen zur Handhabung der unentgeltlichen Überlassung von Hochschulräumen an Dritte. Ebenfalls auf Anforderung der Landesanwaltschaft erteilte die Hochschule mit Schreiben vom 13. und 16. Oktober 2020 schriftliche dienstliche Auskünfte. Mit Vermerk vom 26. Oktober 2020 fasste die Landesanwaltschaft das Ergebnis der Ermittlungen zusammen und sah von der weiteren Verfolgung von Vorwürfen der unentgeltlichen Überlassung von Hochschulräumen an zwei Vereinigungen ab. Mit Schreiben vom selben Tag teilte sie das Ermittlungsergebnis dem Bevollmächtigten des Beklagten mit, der sich mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2020 hierzu äußerte. Mit Vermerk vom 10. Dezember 2020 schied die Landesanwaltschaft den Vorwurf der unentgeltlichen Raumüberlassung an eine weitere Gesellschaft aus dem Nachtragsdisziplinarklageverfahren aus.
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Das Verwaltungsgericht setzte das Disziplinarklageverfahren M 19L DK 19.391 mit Beschluss vom 23. September 2019 aus und mit Beschluss vom 10. Juni 2020 unter dem Aktenzeichen M 19L DK 20.2500 fort.
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5. Unter Erhebung einer Nachtragsdisziplinarklage (M 19L DK 20.6526) am 10. Dezember 2020 verfolgte die Landesanwaltschaft das Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis weiter. Ihm werde zusätzlich die unentgeltliche Überlassung von Räumen der Hochschule an den … Club …, … … Bayern-Süd vorgeworfen. Er habe im Mai 2014 mit dem … Club vereinbart, dass dieser für Sitzungen … …-Crew, des Kabinetts sowie von Arbeits- und Schulungskreisen bis 30. Juni 2023 monatlich ca. zweimal einen Raum der Hochschule in der …straße 12 und auch die Parkplätze der Hochschule ohne Nutzungsentgelt nutzen könne. Mit Schreiben vom 2. Mai 2014 habe der … Club mitgeteilt, der Hochschule eine Spende über 5000 € im Monat August zukommen zu lassen. Diese Spende sei im August 2014 auf das Konto der Hochschule überwiesen worden. Der Beklagte habe dem … Club daraufhin unter dem Datum des 4. September 2014 eine Spendenbescheinigung ausgestellt. Der … Club habe im Zeitraum vom 25. Januar 2014 bis 8. Dezember 2018 nach dem Raumbuchungssystem der Hochschule verschiedene Räume in der …straße 12 in Anspruch genommen, ohne hierfür eine Zahlung zu erbringen. Auf die entsprechende Aufstellung in der Nachtragsdisziplinarklage (S. 8 f.) wird verwiesen. Insgesamt ergäben sich folgende Jahresbeträge an entgangenen Miet- und Nebenkosten:
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Miete
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Nebenkosten
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2014
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1361,32
|
933,48
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2015
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2265,55
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1553,52
|
2016
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182,70
|
125,28
|
2017
|
883,75
|
606
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2018
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637
|
436,80
|
44
Vorliegend handele es sich um ein innerdienstliches Dienstvergehen, weil der Beklagte in seiner Eigenschaft als Haushaltsbeauftragter gegen haushaltsrechtliche Vorschriften verstoßen habe. Die unentgeltliche Überlassung von Hochschulräumen verstoße gegen Art. 63 Abs. 5, Abs. 3 Satz 1 BayHO und sei auch nicht ausnahmsweise nach Nr. 1.7, 1.8 und 2 der VV zu Art. 63 zulässig. Durch das vorgeworfene Verhalten habe der Beklagte gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Dienstausübung nach § 34 Satz 1 BeamtStG und die Pflicht zur Beachtung der Gesetze nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, Art. 63 Abs. 5, Abs. 3 Satz 1 BayHO verstoßen. Er habe vorsätzlich gehandelt.
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Die einzelnen Pflichtverletzungen würden bereits ohne diesen Vorwurf so schwer wiegen, dass bei einer Gesamtbetrachtung von einem sehr schweren Dienstvergehen auszugehen sei, durch das der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Hinzu kämen die neuen Vorwürfe. Als Kanzler und Haushaltsbeauftragter habe er im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt. Es liege mehrmaliges Fehlverhalten, ja sogar jahrelange Praxis vor, weil der Vertrag mit dem … Club bis 2023 gelaufen wäre.
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Der Beklagte trat der Nachtragsdisziplinarklage mit Schriftsatz vom 2. Februar 2021 entgegen. Die Überlassung der Hochschulräume an den … Club habe im dienstlichen Interesse der Hochschule gestanden, die nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BayHSchG zur Finanzierung ihrer Aufgaben durch Einwerbung von Drittmitteln beitragen müsse. Hierfür sei ein Netzwerk von Multiplikatoren erforderlich; als solcher sei auch der … Club anzusehen. Die angedachte Nutzung von zwei Mal pro Monat sei nie erreicht worden. Zweifelhaft sei, ob der … Club überhaupt bereit gewesen wäre, einen regulären Mietzins zu entrichten.
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Die Berechnung des Mietzinses und des Schadens sei nicht nachvollziehbar. Die angesetzten Mietsätze entsprächen nicht der ortsüblichen Miete, zumal sich das Gebäude in der A. straße ... in einem desolaten Zustand befinde. Die Nebenkostenpauschale von 0,24 €/qm und Stunde seien nicht realistisch; anzusetzen wäre insoweit allenfalls die Hälfte.
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Jedenfalls werde die unentgeltliche Raumüberlassung durch Nr. 1.7.1, 1.8 und 2 Satz 1 der VV zu Art. 63 gedeckt. Auch für die Jahre 2014 und 2015 liege eine Überschreitung der Grenze von 1250 € bzw. 1750 € p.A. nicht vor. Ein Beleg dafür, dass Reservierung und tatsächliche Nutzung identisch seien, existiere nicht. Zudem hätten in den Jahren 2014 und 2015 mehrere Besprechungen mit dem … Club stattgefunden, die dienstlich veranlasst gewesen seien. Insgesamt habe der Beklagte durch die Raumüberlassung an den … Club ausschließlich zum Wohl der Hochschule gehandelt.
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Zu den bisherigen Vorwürfen sei hinzuzufügen, dass Prof. Dr. M. nur im Nebenamt Präsident der Hochschule, im Hauptamt Professor für historische …wissenschaften gewesen sei. Die Leistungen als Professor seien nach den in § 4 Abs. 4 BayHLeistBV genannten Kriterien zu beurteilen; insoweit bestehe eine Ermessensreduzierung auf Null für das Ministerium.
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5. In der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2021 erklärten sich die Parteien mit einer Zurückstufung um eine Stufe einverstanden. Weiter verzichteten sie nach Belehrung auf Rechtsmittel gegen das auf diesen Ausspruch lautende Urteil.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Disziplinarakte nebst Personalakte, die beigezogenen Strafakten (124 Js 127803/16 und 124 Js 105363/17) und die Gerichtsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Gegen den Beklagten wird die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe in das Amt eines Oberregierungsrats (Besoldungsgruppe A14) ausgesprochen (Art. 10 Bayerisches Disziplinargesetz - BayDG).
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1. Wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens (vgl. Art. 53 Abs. 1 BayDG) liegen nicht vor. Entgegen der Rüge des Beklagtenbevollmächtigten ist der Landesanwaltschaft kein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht vorzuwerfen. Die von ihm als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob ein Stundensatz in Höhe von 277,35 € im Rahmen eines Dienstvertrags möglich gewesen wäre, findet sich im Schreiben der Landesanwaltschaft vom 24. Januar 2018 an den neuen Präsidenten der Hochschule und wurde von diesem mit Schreiben vom 16. Februar 2018 beantwortet. Der von ihm ebenfalls als klärungsbedürftig angesehene Umstand, ob ein Antrag nach § 6 Abs. 2 BayHLeistBV an das Staatsministerium auf Gewährung eines Leistungsbezugs von Prof. Dr. M. gestellt wurde, erscheint nicht entscheidungserheblich, weil jedenfalls eine positive Entscheidung hierüber im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Schreibens des Beklagten an das Landesamt für Finanzen am 12. November 2013 nicht vorlag. Die weiter gerügte unterlassene Aufklärung der Frage, ob Prof. Dr. M. einen Leistungsbezug erhalten hätte können, die bei den Milderungsgründen eine Rolle spielen kann, begründet jedenfalls keinen entscheidungserheblichen Mangel, weil eine Aufklärung dieser Frage noch im gerichtlichen Disziplinarverfahren erfolgen konnte und damit ohne Einfluss auf dieses bleibt (vgl. BVerwG, B.v. 7.7.2016 - 2 B 1.16 - juris Rn. 10).
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2. Das Gericht geht in tatsächlicher Hinsicht von den in der Disziplinarklage vom 24. Januar 2019 gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfen aus. Er gesteht die Vorwürfe auch im Wesentlichen ein. Die Vorwürfe gegen ihn lauten daher:
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2.1. Der Beklagte hat am 12. November 2013 einen auf diesen Tag datierten Entwurf eines Schreibens an das Landesamt für Finanzen unterschrieben, nach dem Prof. Dr. M. eine Einmalzahlung in Höhe von 6000 € (Art. 71 BayBesG, § 4 BayHLeistBV) erhalten sollte, obwohl die nach § 6 Abs. 2 BayHLeistBV erforderliche Entscheidung des Staatsministeriums zur Gewährung eines besonderen Leistungsbezugs an Prof. Dr. M. nicht vorlag. Dies wusste der Beklagte zum einen aus der am Vormittag dieses Tages stattfindenden Sitzung der Hochschulleitung, bei der vereinbart worden war, dass Prof. Dr. M. einen entsprechenden Antrag an das Staatsministerium erst noch stellen werde, zum anderen aus dem eindeutigen diesbezüglichen Hinweis seines Mitarbeiters Herrn O.. Durch dieses Verhalten hat der Beklagte seinen Pflichten aus der Stellung als Beauftragter für den Haushalt, die mit seiner Funktion als … … … … … … … … verbunden war (vgl. Art. 23 Abs. 3 Satz 1 BayHSchG i.V.m. Art. 9 BayHO), zuwider gehandelt.
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2.2. Der Beklagte hat es im Jahr 2014 unterlassen, zu verhindern, dass dem früheren Präsidenten der Hochschule Prof. Dr. M. für das Wintersemester 2014/15 und das Sommersemester 2015 ein Lehrauftrag mit dem weit überhöhten Stundensatz von 277,35 € erteilt und die erbrachten Stunden dementsprechend vergütet wurden. Er ist diesem Vorgehen bei einer Sitzung der Hochschulleitung am 6. Mai 2014 unter der Leitung von Prof. Dr. M. nicht entgegengetreten. Hintergrund dieses überhöhten Stundensatzes war, dass Prof. Dr. M. trotz seiner Beurlaubung für die Tätigkeit als Rektor an die Universität … … einige seiner Tätigkeiten an der Hochschule (Seminar bzw. Vorlesung im Wechsel, Dissertandenseminar, Promotionsausschuss und Leitung des … … Instituts) mit einem Viertel-Deputat zu einem Viertel seines Gehalts weiterführen wollte. Eine Beurlaubung lediglich zu drei Vierteln wurde vom Staatsministerium jedoch nicht für möglich gehalten, woraufhin die Konstruktion eines Lehrauftrags mit einem überhöhten Stundensatz gewählt wurde. Dabei waren dem Beklagten die geltenden Höchstsätze für Lehraufträge bekannt. Prof. Dr. M. wurden für das Wintersemester 2014/2015 13.312,80 €, für das Sommersemester 2015 12.480,75 € ausbezahlt (insges. 25.793,55 €). Unter Anrechnung eines zulässigen Stundensatzes von 110 € verbleibt ein Schaden in Höhe von 15.563,55 € (vgl. VG München, U.v. 6.2.2019 - M 5 K 16.3469).
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2.3. Im Hinblick auf den Vorwurf aus der Nachtragsdisziplinarklage vom 10. Dezember 2020, der Beklagte habe entgegen Art. 63 Abs. 5, Abs. 3 Satz 1 BayHO im Mai 2014 mit dem … Club International eine Vereinbarung getroffen, nach der der Lions Club einen Raum der Hochschule in der A. straße ... und auch die Parkplätze der Hochschule bis 30. Juni 2023 monatlich ca. zweimal ohne Nutzungsentgelt nutzen könne, wird das Disziplinarverfahren nach Art. 54 Satz 1 BayDG beschränkt. Hinsichtlich dieses Vorwurfs bestehen bereits tatsächliche Unklarheiten. So ist offen, ob die im Raumbuchungssystem der Hochschule für den Zeitraum vom 25. Januar 2014 bis 8. Dezember 2018 aufgeführten Raumnutzungen tatsächlich stattgefunden haben, ob und in welchem Umfang Besprechungen gegebenenfalls aus dienstlichem Anlass durchgeführt wurden und ob die von der Landesanwaltschaft für die Raumüberlassung angesetzten Beträge für Miete und Nebenkosten in Höhe von insgesamt 8985,40 € zutreffen oder überhöht sind. Für letzteres sprechen die in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwendungen des Beklagten. Daneben war die unentgeltliche Raumüberlassung jedenfalls in den Jahren 2016 bis 2018 von Nr. 1.7.1, 1.8 und 2 Satz 1 der VV zu Art. 63 BayHO gedeckt, weil die in diesen Jahren als Schaden veranschlagten Beträge die dort genannten Wertgrenzen unterschreiten. Ungeachtet dieser Fragen fällt dieser Vorwurf aber auch für die Art und die Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht. Im Rahmen der Disziplinarmaßnahmezumessung ist insoweit zugunsten des Beklagten zu sehen, dass die Geschäftsbeziehung zum … Club als renommierter Vereinigung der Hochschule an anderer Stelle zum Vorteil gereichen konnte, etwa bei der Einwerbung von Drittmitteln (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BayHSchG) oder der Förderung von Promotionen, und im Hinblick auf die Zulässigkeit der Raumüberlassung an Dritte eine äußerst unübersichtliche Rechtslage bestand, wie sich an der Vielzahl der anfänglich erhobenen weiteren, dann aber eingestellten Vorwürfe und den nur schwer zugänglichen Rechtsgrundlagen zeigte. Dem Vorwurf kam daher wegen dieser Erwägungen nur geringes Gewicht zu.
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3. Durch die dargestellten Handlungen hat der Beklagte ein Dienstvergehen begangen. Er hat hierdurch die in der Disziplinarklage genannten Pflichten verletzt. Dieses Dienstvergehen hat er innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 11). Hierbei hat er jeweils vorsätzlich gehandelt, weil sein Vorgehen von Wissen und Wollen getragen war.
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4. Von dem dargestellten Sachverhalt ausgehend ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale). Zu berücksichtigen sind auch die unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BayVGH, U.v. 25.10.2016 - 16b D 14.2351 - juris Rn. 73).
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Das hier festgestellte Dienstvergehen wiegt schwer. Das Gericht kommt dennoch zu dem Ergebnis, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit nicht vollständig verloren hat und deshalb nicht die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszusprechen ist (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Auch wenn wegen des Strafrahmens von 10 Jahren für den Fall der schweren Untreue (vgl. § 266 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB) ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 1.7.2020 - 16a D 19.283 - juris Rn. 52), ist aufgrund der Vielzahl der für den Beklagten sprechenden Milderungsgründe lediglich die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe angezeigt. Die Zurückstufung ist auch rechtlich möglich, wie sich aus dem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 17. Oktober 2019 ergibt.
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Die disziplinarrechtliche Rechtsprechung hat umfangreiche Milderungsgründe zu den Zugriffsdelikten entwickelt. Diese anerkannten Milderungsgründe stellen jedoch keinen abschließenden Kanon der bei Dienstvergehen berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Zur Prognosebasis gehören vielmehr alle für die Entscheidung bedeutsamen be- und entlastenden Ermessensgesichtspunkte, die in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen sind. Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben (BayVGH, U.v. 29.6.2016 - 16b D 13.993 - juris Rn. 44 f.).
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Hier sprechen folgende Umstände zugunsten des Beklagten:
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4.1. Er ist straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.
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4.2. Er zeigte - wie sich aus den Beurteilungen aus den Jahren 2001 und 2004 sowie dem Persönlichkeitsbild vom 20. Februar 2017 und dem Schreiben des neuen Präsidenten der Hochschule vom 10. Januar 2019 ergibt - stets anerkennenswerte dienstliche Leistungen.
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4.3. Er war im Straf- und im Disziplinarverfahren vollumfänglich geständig.
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4.4. Zugunsten des Beklagten spricht weiter die mehr als 4-jährige Verfahrensdauer vom 13. Januar 2017 bis heute (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 50.13 - juris Rn. 44).
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4.5. Entscheidend zugunsten des Beklagten ist zu berücksichtigen, dass er aus den vorgeworfenen Untreuehandlungen keine finanziellen Vorteile gezogen hat. Sein Handeln erfolgte nicht aus materiell-egoistischen Motiven, sondern jedenfalls auch im Interesse der Hochschule. Die Gewährung eines Leistungsbezugs an Prof. Dr. M. beruhte aus damaliger Sicht, aus der dieser hohes Ansehen genoss, auch auf der Überzeugung, dass ihm aufgrund herausragender Leistungen ein Leistungsbezug zustehe und das Staatsministerium einen solchen auch bewilligen werde. Die Gewährung eines überhöhten Stundensatzes als Lehrvergütung war dem Interesse an der Weiterführung einzelner Aufgaben durch Prof. Dr. M. (insbes. Betreuung des Instituts für …wissenschaft sowie der Forschungsstellen „… …“ und „… …“) geschuldet. Nach der Wahl von Prof. Dr. M. zum Rektor der Universität … ging es darum, in kurzer Zeit eine Lehrstuhlvertretung mit Befristung auf ein Jahr sicherzustellen. Dabei war klar, dass eine Besetzung der Stelle bis zum Beginn des Wintersemesters 2014/2015 aus zeitlichen Gründen nicht möglich und es angesichts der angespannten Stellensituation sehr schwierig gewesen wäre, für die auf ein Jahr befristete Vertretungsstelle den benötigten, fachlich exzellenten Ersatz zu gewinnen (vgl. das Schreiben des neuen Präsidenten der Hochschule v. 16.2.2018, Disziplinarakte = DA S. 152, 155). Ein fremdnütziges Verhalten oder das Fehlen materiell-egoistischer Motive, wie es hier beim Beklagten vorlag, ist ein Gesichtspunkt, der bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme zugunsten des Beamten zu berücksichtigen ist (BVerwG, B.v. 2.5.2017 - 2 B 21.16 - juris Rn. 13) bzw. ein Absehen von der Höchstmaßnahme nahelegt (BayVGH, U.v. 13.3.2019 - 16a D 17.908 - juris Rn. 33; U.v. 30.1.2019 - 16a D 17.65 - juris Rn. 27).
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4.6. Weiter ist zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass - ungeachtet der tatsächlich gegebenen Rechtsverstöße - Anhaltspunkte vorliegen, die die beiden Vorwürfe in milderem Licht erscheinen lassen. Die Bewilligung eines Leistungsbezugs an Prof. Dr. M. durch das Staatsministerium erschien im Hinblick auf die Regelung in § 4 Abs. 4 BayHLeistBV, die mit einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe arbeitet, durchaus denkbar. Prof. Dr. M. genoss im Zeitpunkt der Anweisung an das Landesamt für Finanzen eine hohe Reputation; zudem war er nur im Nebenamt Präsident der Hochschule, im Hauptamt Professor für historische …wissenschaften (vgl. Art. 21 Abs. 5 BayHSchG), so dass die Gewährung eines Leistungsbezugs durchaus begründbar erschien. Im Hinblick auf den Lehrauftrag zu einem überhöhten Stundensatz ist zu beachten, dass die Zahlungen an Prof. Dr. M. selbst aus ex-post-Sicht wohl auch auf zulässigem Weg fließen hätten können. So führt der neue Präsident der Hochschule im Schreiben vom 16. Februar 2018 aus, es wäre aus Sicht der Personalabteilung der Hochschule möglich gewesen, einen Dienstvertrag mit Prof. Dr. M. im Umfang von 25% abzuschließen. Auch die über die Lehre hinausgehenden Aufgaben (Betreuung von Doktoranden, Beratung bei der Gründung von zwei Forschungsstellen etc.) hätten im Rahmen eines solchen Vertrags erfasst werden können. Eine Vergütung in ähnlicher Höhe wie der Lehrauftrag wäre möglich gewesen (vgl. DA S. 152, 155). Auch Herr Dr. W. als zuständiger Referatsleiter beim Staatsministerium erklärte bei seiner Zeugenvernehmung im Strafverfahren am 7. Juli 2017, es wäre in Teilbereichen möglich gewesen, entsprechende Dienstverträge aufzusetzen, etwa im Rahmen eines Beratungsvertrags (vgl. Strafakte 124 Js 127803/16, S. 367, 369).
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5. In der erforderlichen Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände ist die Zurückstufung um eine Stufe die angemessene und erforderliche Disziplinarmaßnahme. Die eingetretene Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit ist noch nicht als vollständig oder so schwerwiegend anzusehen, dass sie die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG erfordern würde. Vielmehr führen die vielen Milderungsgründe dazu, dass hiervon abzusehen ist. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass bereits das Disziplinarverfahren und die Strafverfahren dem Beklagten zur Pflichtenmahnung gereichen werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.
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Nach Rechtsmittelverzicht der Parteien in der mündlichen Verhandlung ist das Urteil rechtskräftig.