Inhalt

VG München, Urteil v. 24.03.2021 – M 21a K 19.532
Titel:

Abgeltung von Resturlaub nach Eintritt in den Ruhestand

Normenketten:
EUrlV § 10, § 9, § 5
Arbeitszeit-RL Art. 7
BUrlG § 3, § 7 Abs. 4
Leitsätze:
1. Das Bundesurlaubsgesetz ist auf Beamte nicht anwendbar; angesichts der grundsätzlichen Strukturunterschiede zwischen Beamten- und Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst besteht auch kein Anspruch der Beamten, in der Frage der Urlaubsabgeltung mit den Tarifbeschäftigten gleichgestellt zu werden (Anschluss an VGH München BeckRS 2021, 2833). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 10 Abs. 1 EUrlV begrenzt den Abgeltungsanspruch ausdrücklich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage iRd Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 der Arbeitszeit-RL kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat (Anschluss an BVerwG BeckRS 2013, 47871 u.a.). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Mindesturlaub des laufenden Jahres können nicht die Urlaubstage sein, die Mindesturlaub des vorangegangenen Jahres sind (Anschluss an VG Regensburg BeckRS 2014, 59665). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Urlaubsabgeltung, unionsrechtlicher Mindesturlaub, "alter" Urlaub, finanzielle Vergütung, Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Wahrnehmung des Erholungsurlaubs, Urlaubsantrag, Verfallen von Urlaubsansprüchen, Hinweispflicht, RL 2003/88/EG
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15805

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Abgeltung von im Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand nicht abgewickeltem Erholungsurlaub aus dem Jahr 2018.
2
Er stand zuletzt als Fernmeldebetriebsinspektor im Dienst der Beklagten, bis er mit Bescheid der Beklagten vom … Mai 2018 antragsgemäß gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur beim Bundeseisenbahnvermögen und in den Postnachfolgeunternehmen mit Ablauf des Monats Juli 2018 in den Ruhestand versetzt wurde. Zum *. August 2016 war er von einer 5-Tage-Woche zu einer 4-Tage-Woche gewechselt.
3
Mit Schreiben vom 21. November 2018 bat der Kläger die Beklagte unter Bezugnahme auf vorangegangene Telefonate und Schreiben um Prüfung einer finanziellen Abgeltung seines Anspruchs auf Erholungsurlaub für das Jahr 2018. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 30. November 2018 unter Hinweis auf § 10 der Verordnung über den Erholungsurlaub der Beamtinnen, Beamten, Richterinnen und Richter des Bundes (Erholungsurlaubsverordnung - EUrlV) mit, dass die von ihm begehrte Zahlung nicht erfolgen könne, da bei ihm keine Dienstunfähigkeit vorgelegen habe und der Urlaub grundsätzlich vor dem „Ausscheiden aus dem Unternehmen“ in Freizeit abzuwickeln sei.
4
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2018 legte der Kläger Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung der Beklagten ein. Zur Begründung führte er aus, dass § 10 EUrlV nur im Sinne einer Regelung grundsätzlicher Abläufe und Möglichkeiten verstanden werden könne. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass die Beendigung seines Dienstverhältnisses nicht durch Erreichen der Altersgrenze, und damit langfristig planbar, sondern erst mit Genehmigung des gestellten Antrags, also wenige Wochen vor dem Eintritt in den Ruhestand, eingetreten sei. Zumindest zum Zeitpunkt der Genehmigung sei ein Hinweis des Dienstherrn zu dem noch offenen Urlaubsanspruch und dem Erfordernis des Nehmens von Urlaub notwendig gewesen, welcher nicht erfolgt sei. Hierzu werde auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 6. November 2018 - C-619/16 und C-684/16 - (juris) verwiesen, wonach der Urlaubsanspruch nur verfallen dürfe, wenn der Arbeitgeber nachweisen könne, dass er den Angestellten aufgeklärt und in die Lage versetzt habe, den Urlaub zu nehmen.
5
Mit Widerspruchsbescheid vom … Januar 2019 - dem Kläger zugestellt am 11. Januar 2019 - wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 10 EUrlV der Erholungsurlaub in Höhe des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruchs (Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung) abgegolten werde, wenn er vor der Beendigung des Beamtenverhältnisses wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen worden sei. Im Urlaubsjahr bereits genommener Erholungsurlaub oder Zusatzurlaub sei auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub anzurechnen, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch entstanden ist. Selbst zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids, mit welchem der Kläger in den Ruhestand versetzt worden sei, habe er noch zwei volle Monate zur Abwicklung seines Resturlaubs gehabt. Eine krankheitsbedingte Abwesenheit habe nicht vorgelegen.
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Hiergegen hat der Kläger am 6. Februar 2019 Klage erheben lassen.
7
Er beantragt zuletzt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom … November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom … Januar 2019 aufzuheben.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.495,36 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab … August 2018 zu zahlen;
hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.662,98 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab … August 2018 zu zahlen.
8
Zur Begründung bringt er unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren im Wesentlichen vor, dass ihm nach § 5 EUrlV im Jahr 2018, in welchem er an 4 Tagen wöchentlich beschäftigt gewesen sei, unter Berücksichtigung seines Eintritts in den Ruhestand mit Wirkung ab … August 2018 ein anteiliger Jahresurlaubsanspruch von 14 Tagen zugestanden habe. Bis zum Eintritt in den Ruhestand habe er den ihm zustehenden Urlaub für das Jahr 2018 noch nicht in Anspruch genommen. Vom Dienstherrn sei er nicht auf den noch offenen Urlaubsanspruch für das Jahr 2018 hingewiesen worden. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 EUrlV bemesse sich die Höhe des Abgeltungsbetrages nach dem Durchschnitt der Bruttobesoldung für die letzten drei Monate vor Beendigung des Beamtenverhältnisses. Demnach stehe ihm ein Abgeltungsbetrag in Höhe von 2.495,36 Euro zu (monatliches Entgelt i.H.v. 3.089,49 Euro brutto x 3 Monate / 13 Wochen eines Jahresquartals / 4 Arbeitstage die Woche x 14 Urlaubstage = 2.495,36 Euro). Die von ihm bereits im Verwaltungsverfahren in Bezug genommene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof sei auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Für den Fall, dass das Gericht eine Übertragbarkeit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. November 2018 - C-684/16 - bezweifeln oder gar in Abrede stellen sollte, müsse zur Klärung eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof erfolgen, welche angeregt und beantragt werde.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abgeltung von Erholungsurlaub nach § 10 Abs. 1 EUrlV voraussetze, dass der Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht habe genommen werden können, was hier nicht der Fall gewesen sei. Der Kläger weise im Jahr 2018 keine Krankentage auf. Sofern der Kläger der Auffassung sei, dass ihm nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. November 2018 - C-684/16 - ein Abgeltungsanspruch unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG zustehe, könne ihm auch insoweit nicht gefolgt werden. Der Europäische Gerichtshof habe in dieser Entscheidung ausgeführt, dass Art. 7 der RL 2003/88/EG dahin auszulegen sei, dass er einer nationalen Regelung wie § 9 EUrlV entgegenstehe, sofern sie dazu führe, dass ein Arbeitnehmer, der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Antrag auf Wahrnehmung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, die ihm nach dem Unionsrecht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für diesen nicht genommenen Urlaub verliert, und zwar automatisch und ohne vorherige Prüfung, ob er vom Arbeitgeber z.B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wahrzunehmen. Vorliegend habe der Kläger, dem aufgrund seiner 4-Tage-Woche im Jahr 2018 ein Mindesturlaub von 16 Tagen zugestanden habe, im Jahr 2018 im Zeitraum vom … März 2018 bis zum … April 2018 17 Tage Erholungsurlaub abgewickelt. Damit habe er den ihm zustehenden unionsrechtlichen Mindesturlaub für das Jahr 2018 bereits genommen. Es sei unerheblich, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch entstanden sei.
11
Mit Schriftsatz vom 4. Februar 2020 hat der Kläger hierauf erwidert, dass es zwar zutreffend sei, dass er von Ende März bis Ende April 2018 17 Urlaubstage genommen habe. Hierbei habe es sich aber ausschließlich um Resturlaub aus dem Jahr 2017 gehandelt, sodass sein Anspruch auf Abgeltung für nicht genommenen Urlaub aus dem Jahr 2018 hiervon unberührt bleibe.
12
Auf Aufforderung des Gerichts hat die Beklagte mit Schriftsätzen vom 18. Januar 2021 und vom 17. Februar 2021 ergänzend mitgeteilt, dass der Kläger die ihm in den Kalenderjahren 2016 und 2017 zur Verfügung gestandenen Urlaubstage vollständig abgewickelt habe. Vom Urlaubskontingent des Jahres 2018 habe er bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand keinen Tag genommen. Ferner wurde ausgeführt, dass die Beantragung von Erholungsurlaub über MyPortal, das zentrale Personalselbstverwaltungssystem der ... AG, erfolge. Über das Portal habe der Kläger auch seinen Urlaubsanspruch und das Urlaubskontingent einsehen können, sodass für ihn zu jedem Zeitpunkt erkennbar gewesen sei, über wie viel Resturlaub er noch verfügte.
13
Mit Schriftsatz vom 1. März 2021 teilte der Kläger mit, dass er noch über eine Zeitnachweisliste aus MyPortal verfüge, die den Stand zur Beendigung seiner Tätigkeit dokumentiere und einen Erholungsurlaub von 24 Tagen ausweise. Ferner führte der Kläger aus, dass er für den Sommerurlaub 2017 noch einen Freizeitanspruch für die Rufbereitschaft in Anspruch genommen habe, weshalb noch einiges an Resturlaub aus dem Jahr 2017 zur Verfügung gestanden habe. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte trotz ihres Vortrags die Daten aus MyPortal nicht vorlege, die sie aus Sicht des Klägers zehn Jahre aufzubewahren habe.
14
Unter dem 9. März 2021 legte die Beklagte daraufhin die Arbeitszeitnachweise des Klägers der Jahre 2016, 2017 und 2018 vor.
15
Mit Schriftsatz vom 19. März 2021 ließ der Kläger ergänzend ausführen, dass sein gesetzlicher Mindesturlaubsanspruch entsprechend der Regelung aus § 3 BUrlG 16 Tage betrage (24 Werktage / 6 Tage pro Woche x 4 Arbeitstage). Unter Berücksichtigung seines Ruhestandseintritts mit Wirkung ab 1. August 2018 errechne sich ein anteiliger Mindestjahresurlaubsanspruch von 9,33 Tagen und ein Urlaubsabgeltungsbetrag i.H.v. 1.662,98 Euro (monatliches Entgelt i.H.v. 3.089,49 Euro brutto x 3 Monate / 13 Wochen eines Jahresquartals / 4 Arbeitstage die Woche x 9,33 Urlaubstage = 1.662.98 Euro). Dass sich die offenen Urlaubstage aus den Zeitnachweisleisten aus MyPortal ersehen ließen, sei nicht ausreichend, um einen Verfall von Urlaubsansprüchen annehmen zu können. Vielmehr seien die Ansprüche des Klägers weder nach § 7 Abs. 3 BUrlG noch nach § 10 Abs. 2 EUrlV erloschen, weil es die Beklagte unterlassen habe, den Kläger aufzufordern, den Urlaub für 2018 zu nehmen und ihn darauf hinzuweisen, dass der Urlaub ansonsten im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand verfallen und auch nicht abgegolten werde. Diesbezüglich werde insbesondere auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 - (juris) verwiesen. Es könne auch nicht überzeugen, dass der im Urlaubsjahr genommene Erholungsurlaub auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub anzurechnen sei. Mit ihrer Rechtsmeinung könne sich die Beklagte weder auf die Regelung in § 10 Abs. 2 EUrlV noch auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berufen. Die Regelung in § 10 Abs. 2 EUrlV sei weder verfassungsgemäß noch stehe sie im Einklang mit Unionsrecht. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10/12 - (juris) ausgeführt, dass es bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG nach dem Zweck dieser Norm nur darauf ankomme, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen habe, wobei unerheblich sei, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub, gehandelt habe. Näher begründet habe das Bundesverwaltungsgericht seine Behauptung aber nicht, bei der es sich letztlich nur um eine sprachlich veränderte Fassung des Gesetzestextes des § 10 Abs. 2 EUrlV handele. Dabei verstoße § 10 Abs. 2 EUrlV auch gegen das Alimentationsprinzip und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, indem die Regelung die betroffenen Beamtinnen und Beamten einseitig benachteilige und ihnen einen bereits erworbenen Rechtsanspruch durch einen Federstrich aberkenne. Zudem stehe die Regelung auch nicht im Einklang mit der höherrangigen Gesetzesnorm des § 7 Abs. 4 BUrlG, welche keine entsprechende Einschränkung der Urlaubsabgeltung vorsehe. Der Erfolg der Klage hänge davon ab, ob Art. 7 RL 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union die Anrechnung von ins Urlaubsjahr übertragenem Erholungsurlaub aus einem Vorjahr auf den Mindesturlaubsanspruch des Urlaubsjahres erlaubten - wie dies in § 10 Abs. 2 EUrlV vorgesehen sei -, wenn der Dienstherr seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht erfüllt habe. Darüber könne das erkennende Gericht nicht befinden, ohne den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen, dem nach Art. 267 AEUV die Aufgabe der verbindlichen Auslegung des Unionsrechts zugewiesen sei. Es werde daher nochmals angeregt und beantragt, dass das erkennende Gericht einen Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof richte und das Verfahren bis zur Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof aussetze, wie dies das Bundesarbeitsgericht mit seinem Vorlagebeschluss vom 29. September 2020 - 9 AZR 266/20 - in einer bezüglich der unionsrechtlichen Voraussetzungen durchaus vergleichbaren Fallgestaltung getan habe. Die RL 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union regelten nicht, ob es zulässig sei, die Durchsetzung des Urlaubsabgeltungsanspruchs durch Anrechnungsregelungen zu verkürzen. Nach Auffassung des Klägers verwehre es das Unionsrecht dem Dienstherrn, den Urlaubsabgeltungsanspruch unter Berufung auf die Anrechnungsregelung des § 10 Abs. 2 EUrlV zu negieren, weil dieses Verhalten betroffenen Beamten und Beamtinnen jede Möglichkeit nehme, den Urlaubsabgeltungsanspruch durchzusetzen. Da der Kläger nach dem Bundesurlaubsgesetz gezwungen gewesen sei, den Resturlaubsanspruch aus dem Urlaubsjahr 2017 innerhalb des 1. Quartals 2018 in natura in Anspruch zu nehmen, habe er keine Möglichkeit gehabt, den Eintritt der Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 EUrlV zu verhindern, ohne den Verlust des einen Anspruchs (Urlaubsabgeltungsanspruch für den Mindesturlaub des Jahres 2018) durch den Verlust eines anderen Anspruchs (Inanspruchnahme Resturlaub des Jahres 2017) zu „ersetzen“.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Die Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, da die Beteiligten ihr Einverständnis erteilt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abgeltung seines bei Eintritt in den Ruhestand nicht abgewickelten Erholungsurlaubs aus dem Jahr 2018. Der Bescheid der Beklagten vom … November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
19
Nach § 10 Abs. 1 EUrlV wird der Erholungsurlaub in Höhe des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruchs (Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG) abgegolten, soweit er vor Beendigung des Beamtenverhältnisses wegen vorübergehender Dienstunfähigkeit nicht genommen worden ist. Im Urlaubsjahr bereits genommener Erholungsurlaub oder Zusatzurlaub ist auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch (Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG) anzurechnen, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch entstanden ist, § 10 Abs. 2 EUrlV. Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG sieht einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen vor (bei einer 4-Tage-Woche somit 16 Tage).
20
Auf den vom Kläger wiederholt zitierten § 3 BUrlG sowie den ebenfalls wiederholt zitierten und vom Kläger als höherrangige Gesetzesnorm im Vergleich zu § 10 Abs. 2 EUrlV bezeichneten § 7 Abs. 4 BUrlG kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht an. Denn das Bundesurlaubsgesetz ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen (vgl. auch BayVGH, B.v.16.2.2021 - 3 ZB 20.2862 - juris Rn. 9). Dementsprechend kann auch die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welches das Bundesurlaubsgesetz heranzieht, nicht ohne weiteres auf Beamte übertragen werden (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch BayVGH, B.v.16.2.2021 - 3 ZB 20.2862 - juris Rn. 9). Zudem besteht angesichts der grundsätzlichen Strukturunterschiede zwischen Beamten- und Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst auch kein Anspruch der Beamten, in der Frage der Urlaubsabgeltung mit den Tarifbeschäftigten gleichgestellt zu werden (vgl. BayVGH, B.v.16.2.2021 - 3 ZB 20.2862 - juris Rn. 9 m.w.N.).
21
Soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag eine Abgeltung des ihm nach § 5 EUrlV zustehenden, nicht genommenen Erholungsurlaubs begehrt, ist hierzu auszuführen, dass dies in der Erholungsurlaubsverordnung bereits nicht vorgesehen ist. Vielmehr begrenzt § 10 Abs. 1 EUrlV den Abgeltungsanspruch ausdrücklich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch (Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG). Dies ist auch nicht zu beanstanden. Die RL 2003/88/EG stellt Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung auf. Es steht den Mitgliedstaaten jedoch frei, in ihrem jeweiligen nationalen Recht Bestimmungen zu treffen, die dem Beamten zusätzlich zu dem Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren, ohne dass die Zahlung einer finanziellen Vergütung für den Fall vorgesehen wäre, dass dem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche nicht haben zugutekommen können (vgl. EuGH, U.v. 3.5.2012 - C-337/10 - juris Rn. 33 ff.).
22
Auch in seinem Urteil vom 19. November 2019 - C-609/17 und C-610/17 - (juris Rn. 35 ff.) führt der Europäische Gerichtshof aus, dass aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a, Art. 7 Abs. 1 und Art. 15 der RL 2003/88/EG ausdrücklich hervorgehe, dass die Richtlinie lediglich Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung enthalte und das Recht der Mitgliedstaaten unberührt bleibe, für den Schutz der Arbeitnehmer günstigere nationale Vorschriften anzuwenden. In solchen Fällen seien die Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, die über das in Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88 vorgesehene Mindestmaß hinausgehen, nicht durch die Richtlinie geregelt, sondern durch das nationale Recht, außerhalb der Regelung der Richtlinie. Wie der Generalanwalt in Nr. 58 seiner Schlussanträge ausgeführt habe, sei es daher Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob sie den Arbeitnehmern einen über die in Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88 garantierte Mindestdauer von vier Wochen hinausgehenden Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zuerkennen, und gegebenenfalls die Bedingungen für die Gewährung und das Erlöschen solcher zusätzlicher Urlaubstage festzulegen, ohne dass sie insoweit an die Schutzregeln gebunden seien, die der Gerichtshof in Bezug auf die Mindestdauer des bezahlten Jahresurlaubs herausgearbeitet hat.
23
Im Übrigen geht auch das Bundesarbeitsgericht, auf dessen Rechtsprechung der Kläger sich beruft, für den Bereich des Arbeitsrechts davon aus, dass die unionsrechtlichen Vorgaben grundsätzlich ausschließlich den gesetzlichen Urlaubsanspruch von vier Wochen betreffen, auch wenn sich abhängig von den Umständen des Einzelfalls und den dort jeweils getroffenen Vereinbarungen eine Anwendung der unionsrechtlichen Vorgaben auch auf den vereinbarten Mehrurlaub ergeben mag (vgl. etwa BAG, Vorlagebeschluss v. 29.9.2020 - 9 AZR 266/20 - juris - Rn. 26).
24
Der Kläger kann daher von vornherein allenfalls - wie im Hilfsantrag geschehen - eine Abgeltung des nicht abgewickelten unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs beanspruchen. Dabei handelt es sich bei dem mit Schriftsatz vom 19. März 2021 gestellten „Hilfsantrag“ um keinen echten Hilfsantrag, da er bereits als „minus“ im Hauptantrag bzw. im ursprünglichen Antrag enthalten ist.
25
Nach den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen und den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten hat der Kläger vor der Beendigung seines Beamtenverhältnisses im Jahr 2018 im Zeitraum vom … März 2018 bis zum … April 2018 17 Tage Urlaub abgewickelt, wobei es sich um Resturlaub aus dem Jahr 2017 handelte. Da das Beamtenverhältnis des Klägers mit Ablauf des Monats Juli 2018 endete und der Kläger im Jahr 2018 im Rahmen einer 4-Tage-Woche tätig war, betrug der ihm im Jahr 2018 unionsrechtlich gewährleistete Mindesturlaub 9 1/3 Tage (16 Urlaubstage x 12/7 = 9 1/3 Tage; vgl. zur Berechnung des (anteiligen) Urlaubsanspruchs BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 2 C 10/12 - juris Rn. 35). Demnach hat der Kläger den ihm im Jahr 2018 unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub vollständig abgewickelt, sodass er auch keine Abgeltung beanspruchen kann.
26
Unerheblich ist, dass es sich bei dem vom Kläger im Jahr 2018 genommenen Urlaub um Resturlaub aus dem Jahr 2017 gehandelt hat. Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 der RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 2 C 10/12 - juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 25.11.2015 - 6 ZB 15.2167 - juris Rn. 9).
27
Der Kläger geht fehl, soweit er geltend macht, dass es sich bei den vorstehenden Ausführungen lediglich um eine nicht näher begründete Behauptung des Bundesverwaltungsgerichts handele, welches dabei die Verfassungswidrigkeit und Unionrechtswidrigkeit einer derartigen Berechnungsweise übersehe. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 31. Januar 2013 - 2 C 10/12 - ausdrücklich auf den Zweck des Art. 7 Abs. 1 und 2 der RL 2003/88/EG abgestellt und damit sehr wohl eine Begründung für die vom Kläger beanstandete Berechnungsweise gegeben. Die entsprechenden Ausführungen werden vom Kläger selbst in seinem Schriftsatz vom 19. März 2021 wiedergegeben. Wenn der Europäische Gerichtshof in seinem - vorstehend bereits genannten - Urteil vom 19. November 2019 - C-609/17 und C-610/17 - (juris Rn. 39), welches sich mit der Festlegung von Bedingungen für die Gewährung und das Erlöschen zusätzlicher, über die in Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG garantierte Mindestdauer von vier Wochen hinausgehender Urlaubstage befasst, darauf abstellt, dass jedenfalls der bezahlte Jahresurlaub, den der Arbeitnehmer tatsächlich hat, während er nicht infolge Krankheit arbeitsunfähig ist, die genannte Mindestdauer von vier Wochen nicht unterschreiten darf, bekräftigt diese Wortwahl („Jahresurlaub, den der Arbeitnehmer tatsächlich hat“) ebenfalls die Berechnungsweise des Bundesverwaltungsgerichts, nach welcher es unter Berücksichtigung des Zwecks des Art. 7 Abs. 1 und 2 der RL 2003/88/EG nur darauf ankommt, ob und wie viel Urlaub der Beamte im konkreten Jahr genommen hat.
28
Soweit der Kläger weiter vorbringt, dass es sich bei der „Behauptung“ des Bundesverwaltungsgerichts lediglich um eine sprachlich veränderte Fassung des Gesetzestextes des § 10 Abs. 2 EUrlV handele, sind diese Ausführungen bereits nicht nachvollziehbar, da die entsprechende Regelung erst im Jahr 2015 mit dem Siebten Besoldungsänderungsgesetz vom 3. Dezember 2015 (BGBl I Nr. 49) - anlässlich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Mai 2012 - C-337/10 - (juris) und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2013 - 2 C 10/12 - (juris) - in die Erholungsurlaubsverordnung eingeführt worden ist.
29
Was die vom Kläger vorgebrachte Verfassungswidrigkeit der Berechnungsweise des Bundesverwaltungsgerichts anbelangt, so kann er hiermit ebenfalls nicht durchdringen. So hat jedenfalls das Bundesverfassungsgericht diese Berechnungsweise nicht beanstandet (vgl. Nichtannahmebeschluss v. 15.5.2014 - 2 BvR 324/14 - juris). In seinem Nichtannahmebeschluss vom 15. Mai 2014 - 2 BvR 324/14 - (juris) führt das Bundesverfassungsgericht zudem aus, dass insbesondere aus der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Neidel (U.v. 3.5.2012 - C-337/10 - juris) eindeutig hervorgehe, dass eine Abgeltungspflicht nur für den unionsrechtlichen Mindesturlaub bestehe, nicht aber in Bezug auf darüber hinausgehenden Urlaub, den das nationale Recht gewährt.
30
Vor diesem Hintergrund kann der Kläger auch mit seinem Vorbringen, dass die Regelung in § 10 Abs. 2 EUrlV gegen das Alimentationsprinzip und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verstoße, nicht durchdringen. Denn ihm wird nicht, wie er meint, ein erworbener Anspruch auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub aus dem Jahr 2018 von 9,33 Tagen abgesprochen. Vielmehr hat der Kläger den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub vollständig abgewickelt. Lediglich der ihm darüber hinaus nach dem nationalen Recht gewährte, aber bei Eintritt in den Ruhestand nicht abgewickelte Urlaub wird nicht finanziell abgegolten.
31
Von der Regel, dass es nicht auf den Rechtsgrund für die genommenen Urlaubstage ankommt, wurde in der Rechtsprechung allerdings insoweit eine Ausnahme gemacht, als Mindesturlaub des laufenden Jahres nicht die Urlaubstage sein können, die Mindesturlaub des vorangegangenen Jahres sind. Ohne dass es einer genauen Zuordnung zum laufenden oder vorangegangenen Urlaubsjahr bedürfe, sollen Urlaubstage noch dem Vorjahr zugeordnet werden können, wenn der Mindesturlaub des Vorjahres noch nicht eingebracht wurde (vgl. VG Regensburg, U.v. 10.10.2014 - RN 1 K 13.1973 - juris Rn. 52).
32
Selbst unter Berücksichtigung dieser Ausnahme ergibt sich allerdings vorliegend nichts anderes. Zwar hat der Kläger im Jahr 2017 nach den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen von dem ihm zustehenden Mindesturlaub von 16 Tagen nur 11 Tage im Jahr 2017 abgewickelt. Da der Kläger im Jahr 2018 bei einem Mindesturlaub von 9 1/3 Tagen aber 17 Tage Urlaub abgewickelt hat, hat er sowohl den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub aus 2018 als auch den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub aus 2017 vollständig abgewickelt.
33
Auf die weitere Argumentation der Beteiligten, insbesondere das Argument des Klägers zu sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergebenden Mitwirkungs- und Hinweispflichten des Dienstherrn und den Verweis auf entsprechende aktuelle Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts für den Bereich des Arbeitsrechts, kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an. Auch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof war vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen nicht veranlasst (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 25.11.2015 - 6 ZB 15.2167 - juris Rn. 9). Der vom Kläger angeführte Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 29. September 2020 - 9 AZR 266/20 - (juris) betrifft die Frage der Verjährung des Urlaubsanspruchs, wenn der Arbeitgeber seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht erfüllt hat, und damit eine andere Fragestellung.
34
Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
35
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.