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VGH München, Beschluss v. 02.06.2021 – 20 NE 21.1382
Titel:

Kein vorbeugender Rechtsschutz gegen coronabedingte Betriebsuntersagung von Fitnessstudios

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
IfSG § 28b Abs. 1 Nr. 3
12. BayIfSMV § 10 Abs. 3, § 11 Abs. 5, § 27
Leitsätze:
1. § 11 Abs. 5 S. 2 12. BayIfSMV entfaltet neben § 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 IfSG, der unter anderem ab Überschreitung einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 bundesweit den Betrieb von Fitnessstudios untersagt, keine eigenständige Regelungswirkung. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Durch eine Regelung, die Betriebsschließungen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 vorsieht, droht bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 22,36 kein unmittelbar bevorstehender schwerer Nachteil. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Pandemie, Betriebsschließung eines Fitness-Studios, Überschreitung der Sieben-Tage-Inzidenz von 100
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15774

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 10 Abs. 3 12. BayIfSMV bleibt ohne Erfolg.
2
Er ist bereits unzulässig, weil die Betriebsschließung ihres Fitnessstudios, die die Antragstellerin bei einer Überschreitung des Schwellenwertes einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 befürchtet und im Wege eines einstweiligen Anordnungsverfahrens für die Zukunft abwehren will, nicht durch § 10 Abs. 3 12. BayIfSMV, sondern abschließend durch § 11 Abs. 5 Satz 2 12. BayIfSMV i.V.m. § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG geregelt wird.
3
Wie die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 31. Mai 2021 erklärt hat, richtet sich ihr Antrag vom 12. Mai 2021 im Wesentlichen gegen die Schließungsanordnung ihres Fitnessstudios bei einer Überschreitung der Sieben-Tage-Inzidenz von 100. Damit fehlt dem Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO gegenwärtig auch dann das Rechtsschutzbedürfnis, wenn er sich (auch) gegen § 11 Abs. 5 Satz 2 12. BayIfSMV richten sollte. Die angegriffene Verordnungsbestimmung des § 11 Abs. 5 Satz 2 12. BayIfSMV verweist auf den durch das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 (BGBl. I Seite 802) eingefügten § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG, der unter anderem ab Überschreitung einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 bundesweit den Betrieb von Fitnessstudios untersagt. Eine eigenständige Regelungswirkung entfaltet § 11 Abs. 5 Satz 2 12. BayIfSMV nicht, weshalb die Antragstellerin mit einer vorläufigen Außervollzugsetzung der Norm eine Verbesserung ihrer Rechtsposition nicht erreichen könnte.
4
Darüber hinaus fehlt der Antragstellerin aber auch die Antragsbefugnis. Sie macht nicht geltend, dass der Eintritt eines schweren Nachteils im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO unmittelbar bevorstünde (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 47 Rn. 107), der durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO abgewehrt werden könnte. Angesichts einer Sieben-Tage-Inzidenz von 22,36 in Kulmbach (Stand 1. Juni 2021) ist auch nicht davon auszugehen, dass die Betriebsschließung des Fitnessstudios unmittelbar bevorsteht.
5
Zur Frage der Rechtmäßigkeit von Betriebsschließungen von Fitnessstudios während der Corona-Pandemie wird ergänzend hingewiesen auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des Senats (zuletzt B.v. 8.4.2021 - 20 NE 21.478 - BeckRS 2021, 7565).
6
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 6. Juni 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Streitwerts für das Eilverfahren nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht angebracht erscheint.
7
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).