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SG München, Endurteil v. 25.05.2021 – S 1 U 5011/20
Titel:

Anspruch auf Betriebshilfe der verunfallten Ehefrau eines Landwirts

Normenketten:
SGB VII § 8, § 54
ALG § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1
SGB IV § 8 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Zweck der Betriebshilfe ist es, eine Weiterführung des landwirtschaftlichen Betriebes während der Erkrankung des Unternehmers und/oder Ehegatten zu ermöglichen, um auch mittelfristig die Erwerbsgrundlage zu schützen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Befreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG führt nicht zum Ausschluss von Leistungen nach § 54 SGB VII. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Arbeitet die Verunfallte im landwirtschaftlichen Betrieb des Ehemanns mit und ist zugleich als Minijobberin für Bürotätigkeiten im selben Betrieb bei ihm angestellt, genießt sie Unfallversicherungsschutz.  (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebshilfe, landwirtschaftliches Unternehmen, Minijob, Befreiung, Unfallversicherungsschutz
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15613

Tenor

I. Der Bescheid vom 18. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2020 wird aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 14. November bis 1. Dezember 2019 im Rahmen der Betriebshilfe die notwendigen Kosten für die gestellte Ersatzkraft zu erstatten.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand

1
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Frage, ob die Klägerin im Rahmen der Betriebshilfe dem Grunde nach Anspruch auf Erstattung der notwendigen Kosten für eine Ersatzkraft hat.
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Die 1967 geborene Klägerin erlitt bei ihrer Tätigkeit (Melkvorgang) im landwirtschaftlichen Unternehmen ihres Ehemannes (landwirtschaftlich bewirtschaftete Flächen: 60 ha, Viehbestand: rd. 200 Großvieh) am 8. November 2019 eine (Quetsch-)Verletzung des rechten Mittelfingers. Sie begab sich am 13. November 2019 in durchgangsärztliche Behandlung. Von dort wurde Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 1. Dezember 2019 bescheinigt. Am 14. November 2019 wurde von der Klägerin ein Antrag auf Gestellung einer Ersatzkraft eingereicht. Die Ersatzkraft rechnete 104 Arbeitsstunden für die Zeit vom 14. November bis 1. Dezember 2019 ab. Die grundsätzliche Notwendigkeit des Einsatzes einer Ersatzkraft sowie deren Umfang sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.
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Nach Angaben der Klägerin sowie den Ermittlungen der Beklagten war die Klägerin üblicherweise sieben bis neun Stunden täglich im landwirtschaftlichen Betrieb ihres Ehemanns tätig. Daneben ist die Klägerin seit Mai 2013 als „Minijobberin“ für Bürotätigkeiten mit einem monatlichen Entgelt von (jetzt) 410 Euro bei ihrem Ehemann angestellt (Arbeitsvertrag vom April 2013) und vor diesem Hintergrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) von der Versicherungspflicht befreit.
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Mit Bescheid vom 18. Dezember 2019 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen der Betriebshilfe ab. Aufgrund ihres Beschäftigungsverhältnisses zähle die Klägerin zum Kreise der Arbeitnehmer und gehöre daher in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis für die ergänzende Leistung der Betriebshilfe. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, die rentenversicherungspflichtige Minijob-Anstellung sei notwendig gewesen, um aus der früheren Tätigkeit als Sparkassenfachwirtin erworbene Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten. Die Betriebshilfe habe sie lediglich für die Tätigkeit als Landwirtin im Stall beantragt.
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Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2020 zurückgewiesen. Die Klägerin genieße aufgrund des Arbeitsvertrags arbeits- und steuerrechtliche Vorteile wie z.B. Ansprüche auf Lohnfortzahlung und die Zahlung von Verletztengeld aus der Arbeitnehmertätigkeit. Unabhängig von Umfang und Art des Beschäftigungsverhältnisses im landwirtschaftlichen Unternehmen des Ehegatten bestehe somit kein Anspruch auf Betriebshilfe nach § 54 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII), da die Klägerin versicherungsrechtlich als Arbeitnehmerin gelte.
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Mit der Klage verfolgt die Klägerin den Anspruch auf Gewährung von Betriebshilfe für die landwirtschaftliche Tätigkeit weiter. Mit dem Arbeitsvertrag (Umfang 12 Stunden pro Woche) sei ausschließlich die Tätigkeit im Rahmen von Buchhaltung und Büroarbeiten abgegolten. Die Bürotätigkeit sei auch räumlich klar getrennt, da sie im Wohnhaus der Familie ausgeübt werde, das sich nicht bei dem landwirtschaftlichen Anwesen befinde. Der Arbeitsvertrag sei vorrangig aus rentenversicherungsrechtlichen Gründen abgeschlossen worden, um (Erwerbsminderungs-)Rentenansprüche der Klägerin bei der DRV aufrecht zu erhalten. Die Beklagte habe zudem nicht berücksichtigt, dass die Klägerin ausdrücklich nur für die Tätigkeit auf dem Hof Betriebshilfe beantragt habe. Der Unfall habe sich gerade nicht bei der Bürotätigkeit ereignet, sondern im Rahmen der Mithilfe auf dem landwirtschaftlichen Hof. Der Schutzzweck der Betriebshilfe, als einkommenssichernde Leistung an die Stelle von Lohnersatzleistungen zu treten, werde umgangen, wenn man lediglich darauf abstelle, dass ein Arbeitsvertrag vorliege. Zudem gehe nach § 135 SGB VII die Versicherung der Klägerin als mitarbeitende Familienangehörige der Versicherung als Arbeitnehmerin vor.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 18. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2020 aufzuheben und die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 14. November bis 1. Dezember 2019 im Rahmen der Betriebshilfe die notwendigen Kosten für die gestellte Ersatzkraft zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zwar würden nach der Satzung mitarbeitende Ehegatten und Lebenspartner Betriebshilfe unter den gleichen Voraussetzungen erhalten wie landwirtschaftliche Unternehmer. Einer Kommentierung zu § 55a SGB VII könne aber entnommen werden, dass beim Vorliegen eines Arbeitsvertrages die Berechnung des Verletztengeldes nach § 47 SGB VII erfolge und die Konkurrenzregelung des § 135 SGB VII hier nicht ausschlaggebend sei, da der Arbeitnehmerstatus überwiege. Betriebshilfeleistungen für im landwirtschaftlichen Betrieb angestellte Personen habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die Klägerin habe sich bewusst für ein Beschäftigungsverhältnis im landwirtschaftlichen Betrieb ihres Ehegatten entschieden und damit auch alle versicherungsrechtlichen Auswirkungen in Kauf genommen.
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Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet, da die Beklagte eine Erstattung von Kosten für eine Ersatzkraft im Rahmen der Betriebshilfe zu Unrecht abgelehnt hat.
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Nach § 54 Abs. 1 SGB VII erhalten Betriebshilfe landwirtschaftliche Unternehmer mit einem Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 2 ALG während einer stationären Behandlung. Nach § 54 Abs. 3 SGB VII i.V.m. §§ 30, 31 der Satzung der Beklagten (Satzung) wird Betriebshilfe auch bei ärztlicher Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit und gleichermaßen an im Unternehmen mitarbeitende Ehegatten oder Lebenspartner erbracht. Nach § 32 der Satzung wird Betriebshilfe auf Unternehmen erstreckt, in denen Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder mitarbeitende Familienangehörige ständig beschäftigt werden, soweit ohne Einsatz einer Ersatzkraft die Weiterführung des Unternehmens nicht sichergestellt ist.
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Unstreitig ist die Klägerin Ehegattin eines Unternehmers mit Unternehmen nach § 1 Abs. 2 ALG (Bodenbewirtschaftung, Mindestgröße); sie hat einen Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII erlitten; die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit ist für die Zeit, für die Betriebshilfe begehrt wird, ärztlich festgestellt. Ebenso unstreitig hätte die Weiterführung des Unternehmens ohne den Einsatz des Betriebshelfers nicht anders sichergestellt werden können; andere Beschäftigte - neben der Klägerin - gab es im strittigen Zeitraum nicht.
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Entscheidungserheblich war vorliegend demnach die Frage, ob Betriebshilfe für die Klägerin aufgrund ihres Beschäftigungsverhältnisses nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) mit ihrem Ehemann ausscheidet. Das ist nicht der Fall, weshalb die Klägerin Anspruch auf Gewährung von Betriebshilfe hat. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten war folglich aufzuheben und die Beklagte entsprechend dem klägerischen Antrag nach § 130 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Gewährung von Betriebshilfe dem Grunde nach zu verurteilen.
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Die Befreiung der Klägerin nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG führt nicht zu einem Ausschluss von Leistungen nach § 54 SGB VII. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut des § 54 Abs. 1 SGB VII, wo zwischen Unternehmer und Unternehmen unterschieden wird. Durch die Bezugnahme auf § 1 Abs. 2 ALG soll grundsätzlich eine bestimmte Professionalität der landwirtschaftlichen Tätigkeit vorausgesetzt werden („ernsthafte Erwerbstätigkeit“, vgl. Feddern in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage (Stand 19. März 2021) Rz. 12). Eine solche wird durch den Abschluss eines Arbeitsvertrages gerade nicht reduziert, sondern im Zweifel eher betont - unabhängig davon, dass die Beklagte nach § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII i.V.m. § 32 der Satzung von einer Mindestgröße für die Gewährung von Betriebshilfe sogar absieht. Mit der von der Klägerin gewählten Befreiung nach § 3 ALG (Alterssicherung) ist auch keine generelle Abkehr vom SGB VII (Unfallversicherung) verbunden. Dies ergibt sich schon aus den unterschiedlichen Zwecken der Sozialversicherungszweige sowie den unterschiedlichen Finanzierungssystemen. Ein sog. „Rosinenpicken“ ist im Sozialgesetzbuch schon durch die vielfältigen, sich nach Versicherungszweigen und teilweise Art des Beschäftigungsverhältnisses unterscheidenden Befreiungstatbestände angelegt. Ein Fehlen einer Befreiung nach § 3 ALG wird in § 54 SGB VII nicht vorausgesetzt und wäre auch mit dem Zweck der Betriebshilfe schwer vereinbar.
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Zweck der Betriebshilfe ist es, eine Weiterführung des landwirtschaftlichen Betriebes während Erkrankung von Unternehmer und/oder Ehegatten/Lebenspartner zu ermöglichen, um auch mittelfristig die Erwerbsgrundlage zu schützen (vgl. BR-Drs. 597/07, S. 52, BT-Drs. 16/6520, S. 27). Diese Notwendigkeit bestand im vorliegenden Fall aufgrund der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin, die - neben der geringfügigen Beschäftigung für Bürotätigkeiten - üblicherweise zwischen sieben und neun Stunden täglich im landwirtschaftlichen Betrieb i.e.S. tätig war. Ihr Ausfall konnte ohne eine Ersatzkraft nicht kompensiert werden; der Einsatz einer Ersatzkraft war vorliegend unstreitig notwendig. Diese Notwendigkeit entfällt nicht durch den Minijob der Klägerin; ein solcher Wegfall wäre mit dem Schutzzweck der Norm nicht vereinbar.
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Erkennbar ging der Gesetzgeber davon aus, dass ein mitarbeitender Ehegatte gleichzeitig im landwirtschaftlichen Unternehmen beschäftigt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sein kann (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994, Az. 2 RU 29/93, Rz. 27 nach juris). Für den Unfallversicherungsschutz kommt es auf die Rechtsgrundlage der Zusammenarbeit nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 1994, Az. 2 RU 5/94, Rz. 29, 31 nach juris). Im vorliegenden Fall ist zudem zu beachten, dass die Klägerin den Arbeitsunfall unstreitig im Rahmen der Tätigkeit als mitarbeitende Ehegattin nach § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII erlitten hat und nicht im Rahmen des arbeitsvertraglich abgesicherten Büroarbeitsverhältnisses nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.
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Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass selbst wenn eine im Zeitpunkt des Unfalls ausgeübte Tätigkeit Merkmale mehrerer Versicherungstatbestände erfüllt, nach § 135 Abs. 4 SGB VII eine Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII gegenüber einer solchen aus dem Beschäftigtenverhältnis vorrangig wäre. Im landwirtschaftlichen Unternehmen mitarbeitende Ehegatten/Lebenspartner unterliegen der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII nebst den diesbezüglich zuzuordnenden Rechtsfolgen selbst dann, wenn ein Beschäftigungsverhältnis mit dem landwirtschaftlichen Unternehmer besteht (vgl. Lauterbach-Schwerdtfeger, § 135 SGB VII Rz. 2, 14). Zwar haben die Konkurrenzregelungen des § 135 SGB VII v.a. Bedeutung für Zuständigkeitsfragen. Im Bereich der mitarbeitenden Ehegatten/Lebenspartner handelt es sich jedoch um eine konstitutive Konkurrenzregelung mit den leistungsrechtlichen Konsequenzen z.B. einer Jahresarbeitsverdienstberechnung nach § 93 SGB VII (vgl. Kasseler Kommentar-Feddern, § 135 SGB VII Rz. 2, 8). Auch vor diesem Hintergrund wäre es nicht mit dem Willen des Gesetzgebers zu vereinbaren, wenn wegen eines - ggf. parallel - bestehenden Beschäftigtenverhältnisses die Gewährung von Betriebshilfe ausscheidet, sofern die dortigen Voraussetzungen erfüllt sind.
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Ein Wegfall der Betriebshilfe in Fällen wie dem vorliegenden würde zudem zu einer mit dem Schutzzweck der Betriebshilfe nicht vereinbarenden Ungleichbehandlung führen, wie sich aus einem Vergleich mit anderen Konstellationen ergibt. Hätte die Klägerin den Minijob bei einem gänzlich anderen Arbeitgeber, wäre dies unzweifelhaft unschädlich für die Gewährung von Betriebshilfe. Auch wenn die Klägerin die Bürotätigkeit nicht über ein Beschäftigungsverhältnis verrichten würde, wäre Betriebshilfe nicht ausgeschlossen. Ein rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung des vorliegenden mit den genannten Fällen ist zumal vor dem Hintergrund der eindeutigen Wertung des § 135 Abs. 4 SGB VII nicht ersichtlich.
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Aus der Kommentierung in Lauterbach u.a. ergibt sich nichts Abweichendes. Zwar ist nach Auffassung von Zindel (in Lauterbach § 54 SGB VII Rz. 9, 18) die Gewährung von Betriebs- und Haushaltshilfe bei Mitarbeit eines Ehegatten oder Lebenspartners im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses trotz § 32 der Satzung oft ausgeschlossen. Dies wird aber lediglich darauf bezogen, dass in solchen Fällen eine Fortführung des Betriebes auch ohne Betriebshilfe möglich sei. Diese Leistungseinschränkung, die sich neben dem letzten Halbsatz von § 32 der Satzung aus dem in § 54 Abs. 4 SGB VII wiederholten allgemeinen Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungserbringung ergibt, greift im vorliegenden Fall unstreitig nicht.
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Der von der Beklagten konkret in Bezug genommenen Kommentierung Lauterbach-Zindel § 55a SGB VII Rz. 9 ist zwar zu entnehmen, dass Ehegatten, die aufgrund Arbeitsvertrages mitarbeiten, nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten für Betriebs- und Haushaltshilfe gehören. Ergänzt wird dies jedoch durch den Hinweis, dass sich ein Anspruch aus der Satzungsregelung ergeben könne. Wenn der Ehegatte im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses einen Arbeitsunfall erleide, richte sich der Anspruch auf Verletztengeld ausschließlich nach §§ 45ff SGB VII (und nicht nach § 55a SGB VII). Unabhängig davon, dass es vorliegend nicht um die Frage des Verletztengeldes geht (§§ 45ff vs. § 55a SGB VII), hat die Klägerin den Arbeitsunfall gerade nicht im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses erlitten.
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Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob die Erläuterungen von Lauterbach-Zindel (§ 55a SGB VII Rz. 12) so zu verstehen sind, dass sich bei Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses die Berechnung des Verletztengeldes unabhängig von den Vorgaben des § 135 Abs. 4 SGB VII immer nach § 47 SGB VII richte. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass eine solche weite Auslegung im Widerspruch zur systematischen Stellung des § 55a SGB VII im Achten Unterabschnitt (§§ 54ff SGB VII) und nicht Sechsten Unterabschnitt (§§ 45ff SGB VII) des ersten Abschnittes des dritten Kapitels des SGB VII stünde. Zudem soll Verletztengeld nach § 55a SGB VII nach der Gesetzesbegründung nur ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn alle Voraussetzungen für die Gestellung einer Ersatzkraft oder eine Kostenerstattung erfüllt sind, diese Leistung aber nicht in Anspruch genommen wird (vgl. BR-Drs. 597/07 S. 54, BT-Drs. 16/6520 S. 28). Für solche Fälle bestimmt § 55a Abs. 3 SGB VII Näheres zur Ausgestaltung des Verletztengeldes (nicht: Anspruchsvoraussetzungen für Betriebshilfe, die ja gerade schon als gegeben vorausgesetzt werden) für mitarbeitende Familienangehörige, „soweit diese nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 versichert sind“. Ein allgemeiner Ausschluss von Leistungen der grundsätzlich vorrangigen Betriebshilfe für mitarbeitende Ehegatten (auch mit Arbeitsvertrag) kann aus dieser Formulierung jedenfalls nicht entnommen werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.