Titel:
Witwenrente - Mindestehedauer
Normenketten:
BGB § 307 Abs. 1
AGG § 7 Abs. 2, § 10
Leitsätze:
1. Die Beschränkung einer Witwenrente in einer betrieblichen Altersversorgung auf den Ehepartner, "mit dem der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Todes mindestens 12 Monate verheiratet war, es sei denn, er ist an den Folgen eines nach der Eheschließung erlittenen Unfalls oder an einer Krankheit gestorben, die erst nach der Eheschließung eingetreten ist", benachteiligt den unmittelbar Versorgungsberechtigten nicht unangemessen iSd § 307 Abs. 1 BGB. (Rn. 30, 35 – 36 und 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine solche Beschränkung der Witwenrente ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 1 AGG nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. (Rn. 47, 49 und 53) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Witwenrente, Mindestehedauer, Versorgungsehe, Vermutung, Widerlegung
Vorinstanz:
ArbG München, Endurteil vom 30.07.2020 – 22 Ca 14000/19
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt, Urteil vom 02.12.2021 – 3 AZR 254/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15525
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.07.2020, Az.: 22 Ca 14000/19, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente.
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Die Klägerin ist die Witwe des am 10.11.1943 geborenen Herrn E., der vom 01.01.1972 bis 30.11.2006 bei der Beklagten beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin, der F., in DStadt beschäftigt und mit dem am 15.12.1992 ein Pensionsvertrag geschlossen worden war, der am 01.01.1993 in Kraft trat.
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Im Vertrag, hinsichtlich dessen auf Anlage K 1 zur Klage vom 16.12.2019 (Bl. 8 ff. d.A.) Bezug genommen wird, heißt es unter § 4 „Witwen-/Witwerrente“:
1. Stirbt der Mitarbeiter, so erhält der Ehepartner, mit dem er zum Zeitpunkt seines Todes in gültiger Ehe verheiratet war, bis an sein Lebensende die Witwen-/Witwerrente.
2. Ein Anspruch besteht nicht, wenn der Mitarbeiter die Ehe geschlossen hat
a) später als 5 Jahre vor Beginn der Altersrente oder
b) nach Einsetzen der Berufsunfähigkeitsrente oder
c) in den letzten 12 Monaten vor seinem Tode, es sei denn, er ist an den Folgen eines nach der Eheschließung erlittenen Unfalls oder an einer Krankheit gestorben, die erst nach der Eheschließung eingetreten ist.
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Herr E. erhielt auf der Grundlage des Pensionsvertrags eine Betriebsrente von zuletzt € 799,17.
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Die Ehe der Klägerin und Herrn E. wurde am 05.01.2018 geschlossen. Am 01.05.2018 verstarb der Ehemann. Die Witwe erhält von der Deutschen Rentenversicherung eine große Witwenrente. Die Beklagte hingegen lehnte die Leistung einer Hinterbliebenenrente aus dem Pensionsvertrag ab.
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Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin die Zahlung von Witwenrente weiter.
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Erstinstanzlich hat sie sich darauf gestützt, § 4 Nr. 2 des Pensionsvertrags stehe dem nicht entgegen: lit a) sei unwirksam, weil die Regelung wegen Alters diskriminiere und nicht angemessen i.S.d. § 10 S. 2 AGG sei, indem sie hinsichtlich des ausschließenden Zeitpunkts nicht an ein betriebsrentenrechtliches Strukturprinzip anknüpfe.
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§ 4 Ziff. 2 lit. c) des Vertrags sei wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Die Regelung weiche hinsichtlich der Möglichkeit, eine Versorgerehe zu widerlegen, in unzulässiger Weise von § 46 Abs. 2a SGB VI ab. In ihrem Fall komme diese Divergenz zum Tragen: Die Ehe mit Herrn E. sei nicht aufgrund der Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung, sondern im Moment ihrer Besserung geschlossen worden.
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Die Klägerin hat daher vor dem Arbeitsgericht beantragt,
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständige Hinterbliebenenrente für die Monate Juni 2019 bis Dezember 2019 in Höhe von insgesamt 3.556,51 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin bis zum Zeitpunkt ihres Todes eine monatliche Hinterbliebenenrente in Höhe von 479,50 € brutto spätestens am Ende eines Kalendermonats, beginnend ab dem 01.01.2020, zu zahlen.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständige Hinterbliebenenrente für die Monate Juni 2018 bis Mai 2019 in Höhe von insgesamt 5.754,02 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Klageabweisung beantragt.
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Sie hat einen Anspruch der Klägerin durch § 4 Nr. 2 des Pensionsvertrags ausgeschlossen gesehen. Die Regelungen hat sie für wirksam gehalten.
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Mit Endurteil vom 30.07.2020, auf das hinsichtlich seiner tatbestandlichen wie rechtlichen Ausführungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht München unter dem Aktenzeichen 22 Ca 14000/19 die Klage abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin sei durch § 4 Nr. 2 lit. c) des Pensionsvertrags VO ausgeschlossen. Ihre Ehe mit dem Renteninhaber habe weniger als 12 Monate gedauert. Ausnahmeumstände im Sinne der Regelung habe die Klägerin nicht vorgetragen. Die Regelung sei wirksam: Eine Benachteiligung wegen Alters liege nicht vor, weil § 1 AGG den Tatbestand der Mindestehedauer nicht anspreche. Auch im Hinblick auf ihren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung sei sie nicht zu beanstanden, namentlich nicht unangemessen, weil sie einem legitimen Interesse des Arbeitgebers an der Ausgrenzung reiner Versorgerehen aus seiner Verpflichtung genüge tue und dazu mit 12 Monaten eine vom Gesetz wie vom Bundesarbeitsgericht als zulässig bezeichnete Dauer festgelegt habe. Es sei nicht notwendig, dass sie der gesetzlichen Regelung nachgebildet sei, die zudem nach dem Pensionsvertrag entstanden ist.
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Gegen diese ihrem Prozessvertreter am 10.08.2020 zugegangene Entscheidung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.09.2020, der am 07.09.2020 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen ist, Berufung eingelegt, die sie mit solchem vom 12.10.2020, der am selben Tag, einem Montag, eingegangen ist, begründet hat.
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Sie rügt Rechtsfehler der Entscheidung.
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Durch § 4 Ziff. 2 lit.c) des Pensionsvertrags sei der Anspruch nicht ausgeschlossen. Vielmehr sei die Regelung als Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, weil keine weite Widerlegungsmöglichkeit wie in § 46 Abs. 2a SGB VI bestehe, die im übrigen den bereits vor dem Pensionsvertrag bestehenden § 19 BeamtVG und § 38 Abs. 2 BVG entspräche. Durch Beweislastregeln sei dem Interesse des Arbeitgebers an einer Typisierung genügt.
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Fehlerhaft habe das Arbeitsgericht außerdem einen Verstoß gegen das AGG verneint. Tatsächlich handle es sich um eine mittelbare Benachteiligung wegen Alters, weil Ehen von Versorgungsempfänger von ihr eher betroffen seien als andere, eine Rechtfertigung aber mangels Widerlegungsmöglichkeit ausscheide.
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Schließlich verstoße auch § 4 Ziff. 2 lit. a) des Pensionsvertrags gegen AGG: Für eine Mindestehedauerklausel sei die Dauer von fünf Jahren zu lang, für eine Spätehenklausel fehle es an der Anknüpfung an ein rentenrechtliches Strukturprinzip.
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Die Klägerin beantragt daher:
Unter Abänderung des am 30.07.2020 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts München (Aktenzeichen 22 Ca 14000/19) wird die Beklagte verurteilt
1. an die Klägerin rückständige Hinterbliebenenrente für die Monate Juni 2018 bis Mai 2019 in Höhe von insgesamt 5.754,02 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. an die Klägerin rückständige Hinterbliebenenrente für die Monate Juni 2019 bis Dezember 2019 in Höhe von insgesamt 3.556,51 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. an die Klägerin bis zum Zeitpunkt ihres Todes eine monatliche Hinterbliebenenrente in Höhe von 479,50 € brutto spätestens am Ende eines Kalendermonats, beginnend ab dem 01.01.2020 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, die zutreffend den Anspruch aufgrund des § 4 Ziff. 2 lit. c) des Pensionsvertrags verneint habe. Das Bundesarbeitsgericht habe für die Beurteilung der Angemessenheit derartiger Regelungen, die Versorgungsehen von der Hinterbliebenenversorgung ausschlössen, allein auf die geforderte Dauer der Ehe abgestellt; die Möglichkeit der Widerlegung habe es optional erwähnt.
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Vorliegend sei eine solche Widerlegungsmöglichkeit eingeräumt; wenn sie auf objektivierbare Kriterien abstelle, entspreche dies dem Interesse des Arbeitgebers, nicht die privaten Verhältnisse des rentenberechtigten Arbeitnehmers durchleuchten zu müssen oder andernfalls Auseinandersetzungen zu riskieren. Dazu komme, dass eine Wartezeit vor Eintritt einer Berechtigung durchaus üblich sei. Die geforderte Mindestehedauer entspreche schließlich der Regelung für EU-Beamten, wie sie der EuGH (in C-460/18) für wirksam erachtet habe.
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Auch § 4 Ziff. 2 lit. a) des Pensionsvertrags sieht sie als wirksam an und zitiert dazu Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und des LAG Niedersachsen (3 AZR 43/17 bzw. 4 Sa 956/16).
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und ihrer Rechtsauffassungen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, namentlich die der Klägerin vom 16.12.2019 (Bl. 1 ff.d.A.) und 07.04.2020 (Bl. 90 ff.d.A.) vor dem Arbeits- und vom 04.09.2020 (Bl. 133 ff.d.A.), 12.10.2020 (Bl. 153 ff.d.A.) und 11.12.2020 (Bl. 179 ff.d.A.) vor dem Landesarbeitsgericht und der Beklagten vom 28.02.2020 (Bl. 63 ff.d.A.) und 07.07.2020 (Bl. 105 f.d.A.) erst- und vom 19.11.2020 (Bl. 172 ff.d.A.) zweitinstanzlich, sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 09.07.2020 und 30.07.2020 (Bl. 102 ff. und 111 ff.d.A.) vor dem Arbeits- und vom 11.01.2021 (Bl. 184 f.d.A.) vor dem Landesarbeitsgericht Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
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Die Berufung ist zulässig. Sie ist angesichts einer Beschwer in Höhe des Streitwerts von € 17.262,- nach § 64 Abs. II lit. b) ArbGG statthaft und mit den Schriftsätzen vom 04.09.2020 und 12.10.2020 innerhalb der Fristen des § 66 Abs. I S. 1 ArbGG eingelegt und begründet, die angesichts der Zustellung des Urteils am 10.08.2020 gem. §§ 64 Abs. VI ArbGG, 222 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB am 10.09.2020 bzw. 12.10.2020 abliefen.
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Die Berufung ist unbegründet: Zutreffend hat das Erstgericht einen Anspruch der Klägerin auf die von ihr begehrte Hinterbliebenenrente verneint. Die Kammer folgt dabei der Begründung des Arbeitsgerichts, die sie sich ausdrücklich nach § 69 Abs. 2 ArbGG zu eigen macht.
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Im Hinblick auf die Rügen der Berufung wird folgendes ergänzt:
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus § 4 Ziff. 1 des Pensionsvertrags; vielmehr hindert § 4 Ziff. 2 lit. c) einen solchen Anspruch.
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Die Regelung ist nicht zu beanstanden; sie ist nicht unwirksam.
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1. § 307 Abs. 1 S.1 BGB steht der Wirksamkeit nicht entgegen. Die Regelung benach teiligt den unmittelbar Versorgungsberechtigten nicht unangemessen.
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Der Pensionsvertrag ist am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zu messen; er enthält allgemeine Geschäftsbedingungen.
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a. § 307 Abs. 1 BGB ist nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB anwendbar, weil die Regelung des § 4 Ziff. 2 lit.c) des Pensionsvertrags von Rechtsvorschriften abweicht.
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Eine solche Abweichung ist dann anzunehmen, wenn die Festlegung zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von den im Betriebsrentengesetz angelegten Formen der Risikoabdeckung abweicht (BAG v. 19.02.2019, 3 AZR 150/18 Rn. 22 ff.- zitiert nach juris).
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Kennzeichnend für eine Hinterbliebenenversorgung i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG ist die Absicherung eines für den Todesfall bestehenden typisierten Versorgungsinteresses des Arbeitnehmers. Maßgebend für dieses Versorgungsinteresse ist, in welchem Näheverhältnis der Arbeitnehmer zu den abzusichernden Personen steht. Für die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ist damit vertragstypisch, dass sie eine bestimmte Kategorie von Personen eines abgrenzbaren Näheverhältnisses zum Versorgungsberechtigten absichert. Es entspricht der im Gesetz angelegten Vertragstypik, dass diejenigen Personen von der Absicherung erfasst werden, die in einem der Kategorie entsprechenden Näheverhältnis zum Arbeitnehmer stehen. Schränkt der Arbeitgeber den danach betroffenen Personenkreis zulasten des Arbeitnehmers in einer Versorgungszusage ein, unterliegt diese Einschränkung der Angemessenheitskontrolle.
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b. Eine derartige Einschränkung ist vorliegend gegeben. Die Arbeitgeberin hat die Zusage auf den Ehepartner beschränkt, mit dem der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Todes mindestens 12 Monate verheiratet war.
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c. Diese Einschränkung benachteiligt den verstorbenen Ehemann nicht unangemessen.
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(1) Unangemessen ist jede Benachteiligung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Bei der danach erforderlichen Berücksichtigung und Bewertung der beiderseitigen Interessen ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen (statt vieler BAG v. 19.02.2019, 3 AZR 150/18 Rn. 27 - zitiert nach juris, m.w.N.). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel vor, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
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(2) Vorliegend besteht ein Interesse des Versorgungsempfängers daran, seinen Ehepartner finanziell zu versorgen. Der Arbeitnehmer hat ein rechtlich geschütztes Interesse, dass das sich aus dem Näheverhältnis zu seinem Ehepartner ergebende typisierte Versorgungsinteresse in der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung abgesichert ist.
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(3) Diesem Interesse steht das berechtigte Interesse der Beklagten gegenüber, ihr mit dieser Zusage einhergehendes finanzielles Risiko zu beschränken. Durch lit. c) des Pensionsvertrags ist jenes in billiger Weise eingeschränkt.
40
(a) Berechtigterweise kann die Beklagte darauf rekurrieren, sog. Versorgungsehen nicht in den Leistungskatalog aufzunehmen und für die daraus Hinterbliebenen eine Versorgung auszuschließen. Ein solches Interesse ist grundsätzlich anzuerkennen und legitim (BAG v. 19.02.2019, 3 AZR 150/18 Rn. 33 - zitiert nach juris); denn in einem solchen Fall ist die Ehe weniger Ausdruck der Nähe der Partner als des Versorgungswunsches.
41
(b) Zur Herausfilterung derartiger Versorgungsehen kann die Beklagte auf eine typisierende Betrachtung zurückgreifen. Hier hat sie ebenso wie der Gesetzgeber in § 46 Abs. 2a SGB VI oder § 19 Abs. 1 S. 2 BeamtVG eine derartige Vermutung für solche Ehen aufgestellt, die bis zum Tod des Versorgungsempfängers weniger als 12 Monate gedauert haben.
42
(c) Die Regelung ist nicht deshalb unangemessen, weil sie eine von den genannten gesetzlichen Vorschriften abweichende Widerlegungsmöglichkeit vorsieht.
43
Es ist bereits zweifelhaft, ob für die Angemessenheit überhaupt eine Widerlegungsmöglichkeit erforderlich ist. Denn das Ergebnis der notwendigen Interessenabwägung liegt in der typisierten Vermutung der Versorgerehe durch das Abstellen auf eine - begrenzte - Ehedauer.
44
Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 19.02.2019 (3 AZR 150/18) nicht klar geäußert, ob eine Widerlegungsmöglichkeit notwendig ist. Es hat nur festgestellt, dass es im Hinblick auf die gesetzliche Regelung mildere Mittel als das Erfordernis einer zehnjährigen Ehedauer gibt, um derartige Konstellationen auszuschließen. Der EuGH hat die europarechtliche Regelung in Anhang VIII Art. 17 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (Versorgungsordnung), wonach Witwen oder Witwer der europäischen Beamten eine Rente nur nach einer Ehedauer von mindestens einem Jahr erhalten und die eine Widerlegungsmöglichkeit nicht vorsieht, für angemessen angesehen, weil sie Missbrauchsfälle ausschließe (EuGH v. 19.12.2019, C-460/18 Rn. 89 f. - zitiert nach juris). Die Norm sieht keine Widerlegungsmöglichkeit der Einschätzung als Versorgerehe vor; sie gewährt einen Anspruch für Witwen oder Witwer, deren Ehe kürzer als ein Jahr währte, nur dann, wenn der Hinterbliebene für Kinder aus einer Ehe des Versorgungsempfängers gesorgt hat oder sorgt oder der Tod aufgrund einer durch die Berufsausübung resultierende Krankheit oder eines Unfalls eingetreten ist.
45
Vorliegend bedarf es darüber aber keiner abschließenden Entscheidung, weil im konkreten Pensionsvertrag eine Widerlegungsmöglichkeit vorgesehen ist. Sie gilt für den Fall des Unfalls oder einer Krankheit, die nach der Eheschließung entstanden ist. Damit sind aufgrund objektivierbarer Kriterien diejenigen Fälle bezeichnet, in denen die Kürze der Ehe, die Anknüpfungspunkt der Vermutung der Versorgerehe ist, regelmäßig nicht zum Zeitpunkt der Eheschließung absehbar und so nicht Grundlage der Eheentscheidung war.
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Wie bei der Vermutung der Versorgungsehe kann auch die Ausnahme davon typisierend und ohne Beachtung des Einzelfalls geschehen. Dies gilt umso mehr, als der private Arbeitgeber, worauf die Beklagte hingewiesen hat, nicht wie im gesetzlichen Rentenrecht in einem Amtsermittlungsverfahren (§ 20 SGB X) die Voraussetzungen einer Ausnahme im Einzelfall erforschen kann. Indem der Pensionsvertrag auf objektive Kriterien abstellt, kann er Streitigkeiten vermeiden. Dass die Darlegungsund Beweislast für den Ausnahmetatbestand bei dem Ehepartner, der eine Rente fordert, liegt, stellt zwar auch eine Entlastung für den Arbeitgeber dar, macht aber die weitergehende inhaltliche Anforderung objektivierbarer Kriterien nicht unverhältnismäßig, weil sie nicht die wertende Entscheidung vermeidet, die durch diese entbehrlich wird.
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2. § 4 Ziff. 2 it. c) des Pensionsvertrags ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 1 AGG nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.
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a. Die Anforderung einer Mindestehedauer stellt eine mittelbare Diskriminierung wegen Alters dar. Zwar zielt sie nicht darauf, die Ehepartner vor allem älterer Versicherungsberechtigter von der Hinterbliebenenrente auszuschließen. Doch bewirkt sie, dass ältere Rentenberechtigte schlechter behandelt werden als jüngere, da mit fortschreitendem Alter, zu dem die Ehe eingegangen wird, das Risiko steigt, die Mindestehedauer nicht zu erreichen.
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b. Diese Behandlung ist nach § 10 S. 1 AGG gerechtfertigt.
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(1) Zu den legitimen Zielen i.S.v. § 10 S. 1 AGG gehören auch solche, die ein Arbeitgeber mit einer im Arbeitsvertrag vorgesehenen betrieblichen Altersversorgung anstrebt. Dementsprechend sind Ziele, die im Rahmen von Anliegen der Beschäftigungspolitik und des Sozialschutzes einen Ausgleich zwischen verschiedenen beteiligten Interessen schaffen sollen, um damit der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu dienen, als legitim anzusehen.
51
Dazu gehört auch, den unternehmerischen Belangen einer begrenz- und kalkulierbaren Belastung Rechnung zu tragen (BAG v. 03.06.2020, 3 AZR 226/19 Rn. 34 - zitiert nach juris; BAG v. 14.11.2017, 3. AZR 781/16 Rn. 33 - zitiert nach juris). Indem § 10 AGG erlaubt, in Versorgungsordnungen die Leistungspflichten des Versorgungsschuldners zu begrenzen und damit für diesen eine verlässliche und überschaubare Kalkulationsgrundlage zu schaffen, verfolgt die gesetzliche Bestimmung das Ziel, die betriebliche Altersversorgung zu verbreiten. Es hält sich demnach im Rahmen dieses legitimen Ziels, wenn in einer Versorgungsordnung von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird. Das mit der Regelung verfolgte Ziel muss dabei nicht ausdrücklich benannt werden. Auch aus dem allgemeinen Kontext der Regelung können sich Anhaltspunkte ergeben, die es ermöglichen, den Zweck der Regelung festzustellen und dadurch Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Bestimmung zu überprüfen (BAG v. 03.06.2020, 3 AZR 226/19 Rn.35- zitiert nach juris; BAG. v. 19.02.2019, 3 AZR 215/18 Rn.39 - zitiert nach juris).
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(2) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
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Die Regelung des § 4 Ziff. 2 lit.c) des Pensionsvertrags zielt darauf ab, Versorgungsehen aus dem Anspruchsbereich der Hinterbliebenenrente auszunehmen. Hinsichtlich der Erforderlichkeit und Angemessenheit der Festsetzung wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
54
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. I ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, insbesondere kommt dem Fall keine besondere über die Klärung der zwischen den Parteien streitigen Rechtsfragen hinausgehende Bedeutung i. S. d. § 72 Abs. II Nr. 1 ArbGG zu.
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Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.