Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 28.01.2021 – Au 9 E 21.129
Titel:

Corona-Pandemie - Betrieb eines Hundesalons

Normenketten:
VwGO § 123
11. BayIfSMV § 12 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Der Betrieb eines Hundesalons fällt nicht unter den Begriff des Ladengeschäfts mit Kundenverkehr iSv § 12 Abs. 1 S. 1 11. BayIfSMV, da nach der Verkehrsauffassung ein Ladengeschäft als Betriebsform des stationären Einzelhandels angesehen wird. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die in § 12 Abs. 2 11. BayIfSMV zur Zulässigkeit von Dienstleistungen getroffene Regelung stellt ausschließlich auf Dienstleistungen ab, die an Menschen erbracht werden und bei denen es zu einer körperlichen Nähe zwischen Menschen kommt. Ein Hundesalon stellt somit auch keinen „ähnlichen“ Betrieb iSv § 12 Abs. 2 11. BayIfSMV dar. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
vorläufiger Rechtsschutz, Corona-Pandemie, Betrieb eines Hundesalons, FAQ, Ladengeschäft mit Kundenverkehr, Dienstleistung an Menschen, Abstand, Hundepension
Fundstelle:
BeckRS 2021, 1533

Tenor

I. Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass § 12 Abs. 1 und 2 der 11. BayIfSMV dem Betrieb des Hundesalons der Antragstellerin in der, unter Beachtung des für den Salon vorgelegten Schutz- und Hygienekonzepts nicht entgegenstehen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung, dass sie ihre Dienstleistungen als Hundesalon auch unter Geltung der 11. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) anbieten und ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen darf.
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Die Antragstellerin betreibt unter der Anschrift * im Landkreis * einen Hundesalon.
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Die 11. BayIfSMV vom 15. Dezember 2020 (BayMBl. Nr. 737, BayRS 2126-1-15-G), zuletzt geändert durch Verordnung vom 20. Januar 2021 (BayMBl. Nr. 54) hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
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§ 12 Handels- und Dienstleistungsbetriebe, Märkte
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(1) Die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr ist untersagt. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, der Verkauf von Presseartikeln, Tierbedarf und Futtermittel und sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte sowie der Großhandel. Der Verkauf von Waren, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen, ist untersagt. Für nach Satz 2 zulässigerweise geöffnete Betriebe und den Großhandel gilt:
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1. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden eingehalten werden kann.
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2. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 10 m² für die ersten 800 m² der Verkaufsfläche sowie zusätzlich ein Kunde je 20 m² für den 800 m² übersteigenden Teil der Verkaufsfläche.
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3. In den Verkaufsräumen, auf dem Verkaufsgelände, in den Eingangs- und Warteflächen vor den Verkaufsräumen und auf den zugehörigen Parkplätzen gilt für das Personal Maskenpflicht und für die Kunden und ihre Begleitpersonen FFP2-Maskenpflicht; soweit in Kassen- und Thekenbereichen von Ladengeschäften durch transparente oder sonst geeignete Schutzwände ein zuverlässiger Infektionsschutz gewährleistet ist, entfällt die Maskenpflicht für das Personal.
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4. Der Betreiber hat für den Kundenverkehr ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.
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(2) Dienstleistungen, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist, wie z.B. Frisöre, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios oder ähnliche Betriebe sind untersagt.
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Am 20. Januar 2021 wies der Antragsgegner die Antragstellerin telefonisch auf Nachfrage darauf hin, dass die Öffnung ihres Hundesalons derzeit nicht zulässig sei. Mit E-Mail vom 22. Januar 2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin nochmals mit, dass auf Grundlage des § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr derzeit untersagt sei. Nach der aktuellen FAQ „Corona-Krise und Wirtschaft“ (Stand 15. Januar 2021) fielen auch Hundesalons unter diese Regelung.
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Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 21. Januar 2021 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg im Wege einstweiligen Rechtsschutzes beantragt,
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Im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass der Antragstellerin die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit als Hundefriseurin in ihrem Hundesalon,, durch die 11. BayIfSMV vom 15. Dezember 2020 in der Fassung vom 21. Januar 2021 nicht verboten sei.
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Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin biete als Hundefriseurin Dienst- bzw. Handwerksleistungen an, bei denen sie auf den erforderlichen Mindestabstand achte. Die Kunden würden die Hunde zum Hundesalon bringen und vor dem Geschäft der Antragstellerin anbinden. Die Hunde würden dort von der Antragstellerin abgeholt und in ihre Geschäftsräume gebracht, wo sie ihre Dienstleistungen am Tier erbringe. Da die Antragstellerin gestaffelt Termine vergebe, stelle sie sicher, dass sich bei Übergabe des Hundes die einzelnen Kunden nicht begegneten. Nach Beendigung ihrer Tätigkeit werde der Hund von den Kunden auf die gleiche Art und Weise abgeholt. Die Bezahlung erfolge durch Einlegen des Honorars in eine dafür vorbereitete Kasse, ohne dass der Kunde das Geschäft der Antragstellerin betreten müsse. Es bestehe ein Anordnungsanspruch. § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV untersage den jeweiligen Betreibern generell die Öffnung von Ladengeschäften. Die Antragstellerin betreibe jedoch kein Ladengeschäft, sondern biete Dienstleistungen an Hunden an. Dieses erfolge ohne eigentlichen Kundenverkehr. Ein Verbot käme allenfalls auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV in Betracht. Die Antragstellerin erbringe jedoch gerade keine Dienstleistungen an Menschen (Kunden), sondern an Hunden. Damit lasse sich ein Verbot aus § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV nicht begründen. Vielmehr sei die Antragstellerin nicht anders zu behandeln, als beispielsweise Inhaber von Ladengeschäften, denen nach § 12 Abs. 1 Satz 6 der 11. BayIfSMV der Verkauf vorbestellter und durch den Kunden abgeholter Ware gestattet sei. Der Anordnungsgrund bestehe, weil die Antragsgegnerin sich des Bestehens des Rechtsverhältnisses berühmt habe und der Antragstellerin deshalb für den Fall der Fortführung ihres Hundesalons Sanktionen drohten. Die Antragstellerin habe zuletzt am 21. Januar 2021 beim Antragsgegner telefonisch versucht, eine Erlaubnis zur Fortführung ihres Hundesalons zu erhalten. Dies sei ihr vom Antragsgegner untersagt worden.
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Auf den weiteren Inhalt des Antragsschriftsatzes vom 21. Januar 2021 wird ergänzend verwiesen.
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Das Landratsamt * ist für den Antragsgegner dem Antrag mit Schriftsatz vom 27. Januar 2021 entgegengetreten und beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Aufgrund des erheblichen Infektionsgeschehens sei seitens der Bayerischen Staatsregierung die Schließung einer Vielzahl von Ladengeschäften und Dienstleistungsbetrieben beschlossen worden. Der von der Antragstellerin betriebene Hundesalon zähle nach wie vor zu den aufgrund der 11. BayIfSMV zu schließenden Betrieben. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV seien grundsätzlich Ladengeschäfte und Dienstleistungsbetriebe geschlossen. Ausgenommen seien die in § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV aufgezählten Ladengeschäfte. Hundesalons würden nach den „FAQ“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege derzeit als Betriebe eingestuft, welche nicht geöffnet werden dürften. Eine Ausnahmegenehmigung nach § 27 Abs. 2 der 11. BayIfSMV käme nicht in Betracht, da diese aufgrund des momentanen Infektionsgeschehens nicht vertretbar sei. Eine Öffnung für eine Behandlung der Hunde aus medizinischen Gründen sei nicht zu prüfen gewesen, da eine solche nicht beantragt gewesen sei. Auf ausdrückliche Anfrage in einem Parallelfall habe das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die Unzulässigkeit der generellen Öffnung von Hundesalons bestätigt.
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Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf den in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftverkehr Bezug genommen.
II.
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Der Antrag nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat im Umfang der Tenorierung Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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a) Die mit der Antragstellung begehrte Feststellung, dass die Antragstellerin unter Geltung der Bestimmungen in § 12 Abs. 1 und Abs. 2 der 11. BayIfSMV berechtigt ist, ihren in * betriebenen Hundesalon mit dem von ihr benannten Hygiene- und Schutzkonzept zu öffnen und ihrer beruflichen Tätigkeit insoweit nachzugehen, ist einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zugänglich. Die auf bloße Feststellung gerichtete einstweilige Anordnung ist statthaft, da sich die Frage des Betriebs und der Öffnung des Hundesalons unmittelbar nach § 12 Abs. 1 und 2 der 11. BayIfSMV beurteilt, ohne dass hierzu eine behördliche Zulassungs- oder Vollzugsentscheidung vorgesehen wäre.
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Einstweiliger Rechtsschutz ist auch nicht gemäß § 123 Abs. 5 VwGO vorrangig durch ein Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu suchen, da weder die telefonische Mitteilung vom 20. Januar 2021 noch die E-Mail des Antragsgegners vom 22. Januar 2021 gegenüber der Antragstellerin einen Verwaltungsakt im Sinn des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellt. Nach der maßgeblichen Auslegung aus Sicht der Antragstellerin enthalten diese Auskünfte keine Regelung, sondern weisen lediglich auf die nach Ansicht des Antragsgegners bestehende Rechtslage hin.
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Der hier gestellte Antrag nach § 123 VwGO ist auch nicht durch die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO in einem evtl. Normenkontrollverfahren gegen die 11. BayIfSMV selbst ausgeschlossen. § 47 Abs. 6 VwGO ist hier nicht einschlägig, da die Antragstellerin unter Fortgeltung der Bestimmungen des § 12 der 11. BayIfSMV (lediglich) die Feststellung begehrt, dass sie zur Öffnung ihres Hundesalons und zum Angebot ihrer Dienstleistung berechtigt ist.
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b) Es liegt auch ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor, da zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die Antragstellerin auf der Grundlage von § 12 der 11. BayIfSMV verpflichtet ist, den von ihr betriebenen Hundesalon geschlossen zu halten bzw. ob sie eine Berechtigung zur Öffnung und zur Erbringung ihrer Dienstleistungen hat.
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c) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den auf (vorläufige) Feststellung gerichteten Antrag ist gegeben. Angesichts der in § 28 Nr. 11 der 11. BayIfSMV geregelten Bußgeldbewehrung ist es der Antragstellerin im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht zuzumuten, auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung den von ihr betriebenen Hundesalon weiter uneingeschränkt zu öffnen und sich damit dem Risiko einer ordnungsrechtlichen Maßnahme auszusetzen.
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2. Der Antrag ist in dem aus der Tenorierung ersichtlichen Umfang auch begründet.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) geltend macht.
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a) Der Antragsgegner ist in diesem Verfahren passiv legitimiert (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog). Bei Feststellungsklagen i.S.v. § 43 VwGO und entsprechend auch bei auf eine einstweilige Feststellung gerichteten Eilanträgen nach § 123 VwGO, denen - wie hier - ein Streit um die Anwendbarkeit von Normen zugrunde liegt, kommt als Antragsgegner im Regelfall nur der Rechtsträger derjenigen Behörde in Betracht, die über die Einhaltung der jeweiligen Normen zu wachen hat (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2010 - 8 C 19.09 - juris Rn. 29; U.v. 23.8.2007 - 7 C 2.07 - juris Rn. 22; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 43 Rn. 45). Normanwender in diesem Sinn ist vorliegend das Landratsamt * als für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zuständige Kreisverwaltungsbehörde (§ 54 Satz 1 Infektionsschutzgesetz - IfSG, § 65 Zuständigkeitsverordnung - ZustV; vgl. BayVGH, B.v. 26.8.2020 - 20 CE 20.1806 - juris Rn. 14). Als Rechtsträger des zuständigen Landratsamts ist vorliegend der Freistaat Bayern der zutreffende Antragsgegner.
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b) Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf vorläufige Feststellung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, da sie unter dem von ihr beabsichtigten Hygiene- und Schutzkonzept zur Öffnung ihres Hundesalons und zur Erbringung der darin angebotenen Dienstleistungen berechtigt ist und insoweit die Regelungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 11. BayIfSMV nicht entgegenstehen.
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aa) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV ist die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr untersagt. Ausgenommen hiervon sind nach § 12 Abs. 1 Satz 2 u. a. Kfz-Werkstätten und Fahrradwerkstätten. § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV untersagt Dienstleistungen, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist, wie z.B. Friseure, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios oder ähnliche Betriebe.
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Die Regelungen in § 12 der 11. BayIfSMV finden nach summarischer Prüfung in § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG i.V.m. der Verordnungsermächtigung in § 32 Satz 1 IfSG eine verfassungsmäßige Rechtsgrundlage (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2020 - 20 NE 20.2461 - juris). Die Vorschrift dürfte auch materiell rechtmäßig sein, da sie sich an die gesetzlichen Vorgaben des § 28 a Abs. 1 Nr. 14 IfSG hält.
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bb) Die Antragstellerin besitzt einen Anordnungsanspruch dahingehend, dass sie vorläufig berechtigt ist, den von ihr betriebenen Hundesalon und die darin angebotenen Dienstleistungen unter Beachtung des von ihr vorgelegten Schutz- und Hygienekonzepts zu öffnen bzw. anzubieten. § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 11. BayIfSMV vom 15. Dezember 2020 in der Fassung vom 20. Januar 2021 verbietet die von der Antragstellerin begehrte Öffnung ihres Hundesalons unter Beachtung des von ihr dargelegten Hygienekonzepts nicht.
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In dem von ihr betriebenen Hundesalon bietet die Antragstellerin Dienst- bzw. Handwerksleistungen an. Der Hundesalon fällt somit nicht unter den Begriff des Ladengeschäfts mit Kundenverkehr im Sinn von § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV, da nach der Verkehrsauffassung ein Ladengeschäft als Betriebsform des stationären Einzelhandels angesehen wird. Dieses belegt auch in § 12 Abs. 1 und 2 der 11. BayIfSMV insoweit getroffene Differenzierung. Sofern der Normgeber hiervon abweichend auch reine Dienstleistungsbetriebe von § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV erfasst sehen will, hat er bei den Begrifflichkeiten für die erforderliche Normklarheit zu sorgen, an der es vorliegend offensichtlich fehlt.
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Für die Antragstellerin ist daher die in § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV zur Zulässigkeit von Dienstleistungen getroffene Regelung einschlägig, die der Dienstleistungserbringung der Antragstellerin jedoch nicht entgegensteht. Nach § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV sind Dienstleistungen untersagt, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist. Beispielhaft genannt werden Friseure, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios oder ähnliche Betriebe. Durch diese Aufzählung wird erkennbar, dass ausschließlich auf Dienstleistungen abgestellt wird, die an Menschen erbracht werden und bei denen es zu einer körperlichen Nähe zwischen Menschen kommt. Ein Hundesalon stellt somit auch keinen „ähnlichen“ Betrieb im Sinne des § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV dar, der ebenfalls eine Untersagung durch die entsprechende körperliche Nähe zum Kunden rechtfertigen würde.
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Auch der systematische Vergleich von § 12 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV spricht für die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Dienstleistung, sofern durch den Betriebsablauf sichergestellt ist, dass es nicht zu einem Kontakt zwischen dem Kunden und der Antragstellerin kommt. In § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV sind als ausnahmsweise weiterhin zulässig geöffnete Ladengeschäfte u.a. Kfz-Werkstätten und Fahrradwerkstätten genannt. Auch hier kommt es notwendigerweise zu einem Kontakt zwischen Dienstleister bzw. Handwerksbetrieb und Kunde, wobei bei der Übergabe der zu reparierenden Sache auch die Unterschreitung eines Abstands von 1,5 m zur Erfüllung der Dienstleistung gesetzlich hingenommen wird. Ebenso verhält es sich aber unter Zugrundelegung der Betriebskonzeption der Antragstellerin bei der Übergabe eines Hundes zu Zwecken des Frisierens. Der Hund ist zwar keine Sache; auf ihn finden aber die für Sachen geltenden Vorschriften nach § 90a Sätze 1 und 3 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - entsprechende Anwendung (so VG Münster, B.v. 11.1.2021 - 5 L 7/21 - juris Rn. 9). Auch die in § 12 Abs. 1 Satz 6 der 11. BayIfSMV getroffene Regelung, wonach abweichend von Satz 1 die Abholung vorbestellter Waren in Ladengeschäften zulässig ist („Click and Collect“), spricht für die Zulässigkeit des Betriebs des streitgegenständlichen Hundesalons unter Beachtung des vorgelegten Schutz- und Hygienekonzepts. Sofern § 12 Abs. 1 Satz 6 der BayIfSMV eine Mobilität von Kunden zur Abholung bestellter Waren und den damit einhergehenden auf ein Minimum beschränkten Kundenkontakt aus Infektionsschutzgesichtspunkten toleriert, kann für den Betrieb des Hundesalons mit bloßer Abgabe und späterer Abholung des Tieres letztlich nichts Anderes gelten. Im Rahmen der in § 2 der 11. BayIfSMV geregelten allgemeinen Ausgangsbeschränkung wird in § 2 Satz 2 Nr. 4 der Besuch von Dienstleistungsbetrieben in dem nach §§ 12 und 13 zulässigen Maß als triftiger Grund für das Verlassen der Wohnung anerkannt. Sofern der Normgeber die Notwendigkeit sieht, Kontakte und Mobilität der Bevölkerung auf das absolut unverzichtbare Maß zu beschränken, besteht die Möglichkeit hierfür das Instrument der Allgemeinen Ausgangsbeschränkung heranzuziehen und § 2 der aktuell 11. BayIfSMV bezüglich der Inanspruchnahme von Dienstleistungen entsprechend zu modifizieren.
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Schließlich stehen auch die FAQs „Corona-Krise und Wirtschaft (Stand 26. Januar 2021)“ einer Öffnung des von der Antragstellerin betriebenen Hundesalons nicht entgegen. Ungeachtet von der fehlenden rechtlichen Bindung des Gerichts an die vorbezeichneten FAQs als allenfalls behördeninterne Auslegungshilfe, ergibt auch eine diesbezügliche Auslegung, dass die Antragstellerin zur Öffnung ihres Hundesalons berechtigt ist. Nach Nr. 1 der FAQ „Corona-Krise und Wirtschaft“ vom 26. Januar 2021 dürfen insbesondere auch Hundepensionen betrieben und dort entsprechende Dienstleistungen ausgeübt werden. Das Konzept einer Hundepension basiert aber vergleichbar mit dem Betriebskonzept der Antragstellerin für den von ihr betriebenen Hundesalon darauf, dass das Tier in Obhut eines Dritten begeben wird und dieser eine Dienstleistung am Tier erbringt. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass der Betrieb einer Hundepension, der auch nach den FAQs weiterhin erlaubt ist, auf einen längeren Aufenthalt des Tieres abstellt. Aus diesem Umstand ist zugunsten der Antragstellerin zu schließen, dass die Abgabe eines Tieres in die Obhut eines Dritten ohne entsprechende Begleitung und Betreuung des Tieres durch den Tierhalter grundsätzlich auch unter Geltung des § 12 der 11. BayIfSMV zulässig und weiterhin gestattet ist. Einen signifikanten Unterschied zwischen einer Hundepension und einem Hundesalon, der eine Ungleichbehandlung in Bezug auf die Öffnung rechtfertigen könnte, vermag das Gericht in Bezug auf das maßgebliche Infektionsgeschehen nicht zu erkennen. Damit liegt aber zugunsten der Antragstellerin unter Verbindlicherklärung des von ihr dargelegten Konzepts zum Betrieb des Hundesalons, dem der Antragsgegner auch nicht substantiiert entgegengetreten ist, ein Anordnungsanspruch im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO vor.
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c) Ein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit wurde ebenfalls glaubhaft gemacht. Dieser folgt daraus, dass die Auslegung der einschlägigen Regelungen durch den Antragsgegner in die Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreift und eine Entscheidung in der Hauptsache voraussichtlich zu spät kommen würde. Der Antragstellerin entsteht durch das weitere Verbot der Erbringung ihrer Dienstleistungen ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Schaden. Die mit der einstweiligen Anordnung einhergehenden teilweise Vorwegnahme der Hauptsache ist mit Blick auf die dargelegte Grundrechtsbetroffenheit der Antragstellerin gerechtfertigt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl. Sonderbeilage Januar 2014). Der in der Hauptsache gebotene Streitwert in Höhe von 10.000,00 EUR (§ 52 Abs. 1 GKG) war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.