Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 10.05.2021 – W 8 K 20.1864
Titel:

Corona-Pflegebonus, pädagogische Fachkraft, heilpädagogische stationäre Kinder- und Jugendhilfe mit primärem Erziehungszweck, Abgrenzung zu stationärer Einrichtung der Behindertenhilfe mit primärem Zweck der Pflege der Behinderten, Unterscheidung zwischen Einrichtungen nach SGB VIII und SGB XI, zulässiges Abstellen auf Arbeitgeberbescheinigung, Verwaltungspraxis, keine Ermessensfehler oder Willkür, kein atypischer Ausnahmefall, keine erweiternde Auslegung der Förderrichtlinien durch das Gericht, keine Gleichbehandlung im Unrecht, kein Anspruch auf richtlinienwidrige Gewährung des Corona-Pflegebonus

Normenketten:
BayHO Art. 23
BayHO Art. 44
BayHO Art. 53
GG Art. 3
Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern - Corona-Pflegebonusrichtlinie
Schlagworte:
Corona-Pflegebonus, pädagogische Fachkraft, heilpädagogische stationäre Kinder- und Jugendhilfe mit primärem Erziehungszweck, Abgrenzung zu stationärer Einrichtung der Behindertenhilfe mit primärem Zweck der Pflege der Behinderten, Unterscheidung zwischen Einrichtungen nach SGB VIII und SGB XI, zulässiges Abstellen auf Arbeitgeberbescheinigung, Verwaltungspraxis, keine Ermessensfehler oder Willkür, kein atypischer Ausnahmefall, keine erweiternde Auslegung der Förderrichtlinien durch das Gericht, keine Gleichbehandlung im Unrecht, kein Anspruch auf richtlinienwidrige Gewährung des Corona-Pflegebonus
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15321

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin wendet sich gegen einen ablehnenden Bescheid des Beklagten, vertreten durch das Bayerische Landesamt für Pflege (LfP), und begehrt den Corona-Pflegebonus in Höhe von 500,00 EUR.
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Am 22. Juni 2020 beantragte die Klägerin online beim LfP die Gewährung des Corona-Pflegebonus. Sie legte eine Arbeitgeberbescheinigung der Heilpädagogischen Kinder- und Jugendhilfe R. GmbH vom 18. Juni 2020 bei, wonach sie als pädagogische Fachkraft in der stationären Behindertenhilfe/Eingliederungshilfe mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von über 25 Stunden beschäftigt sei. Es sei eine Behinderteneinrichtung in der junge Menschen für Jugendämter aus Bayern und der Region Mitteldeutschland vollstationär betreut würden, da sie nicht in ihren Herkunftsfamilien leben könnten. Die Unterbringung erfolge primär nach § 27 SGB VIII i.V.m. § 34 SGB VIII als Heimerziehung bzw. nach § 35a SGB VIII als Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche. Der Betrieb der Einrichtung erfolge nach § 45 SGB VIII.
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Mit Bescheid vom 4. November 2020 lehnte das LfP den Antrag vom 13. Mai 2020 auf Bewilligung des Corona-Pflegebonus ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Zuwendung erfolge in Ausübung billigen Ermessens als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Dies sei in den Vorbemerkungen der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR) klargestellt. Die CoBoR als einschlägige Förderrichtlinie sei Grundlage für die behördliche Ermessensentscheidung und für die Ausübung der den Gleichheitssatz wahrenden Verwaltungspraxis maßgebend. Die Klägerin erfülle nicht die vorgesehenen Bewilligungsvoraussetzungen. Sie sei keine Begünstigte gemäß Nr. 2 CoBoR. Den Antragsunterlagen sei nicht zu entnehmen, dass die Klägerin in einer in der Richtlinie genannten Einrichtung tätig gewesen sei.
II.
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1. Mit Schreiben vom 26. November 2020, bei Gericht eingegangen am 30. November 2020, erhob die Klägerin Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid, mit dem der Antrag auf Corona-Pflegebonus abgelehnt worden sei. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die erschwerten Arbeitsbedingungen seit dem Beginn der Corona-Pandemie hätten auch den Arbeitsalltag ihrer Wohngruppe massiv erschwert. Pflegerische Tätigkeiten müssten mit höchster Hygienepriorität erledigt werden. Zusätzlich 24 Stunden Betreuung, da keine Schulen stattgefunden hätten. Dies fordere ein hohes Maß an Arbeitseinsatz und Kreativität. Dies entlohne der bayerische Staat mit einer finanziellen Wertschätzung von 500,00 EUR. Arbeitskollegen, die exakt dieselbe Tätigkeit verrichteten wie die Klägerin, seien dafür entlohnt worden. Es sei nicht einsichtig, wieso diese anders entlohnt worden seien.
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2. Mit Schriftsatz vom 9. bzw. 10. März 2021 führte das LfP für den Beklagten zur Begründung der Klageerwiderung im Wesentlichen aus: Die Klage sei unbegründet, weil die Klägerin aufgrund der Einrichtung, in der sie die angegebene Tätigkeit ausübe, die Voraussetzungen der gegenständlichen Richtlinie nicht erfülle. Nach Bescheidserlass sei der Arbeitgeber gebeten worden mitzuteilen, wo die Klägerin konkret eingesetzt worden sei. In dem Vordruck sei „SGB XI“ durchgestrichen worden und durch „SGB VIII“ ersetzt worden. Voraussetzung für den Corona-Pflegebonus sei das Ausüben einer begünstigten Tätigkeit in einer begünstigten Einrichtung. Unter anderem seien in stationären Einrichtung für Menschen mit Behinderungen alle Beschäftigten begünstigt, die körperlich eng an und mit Menschen mit Behinderung arbeiteten, Nr. 2 Satz 3 CoBoR. Die Aufzählung sei abschließend. Keine begünstigte Einrichtung im Sinne der CoBoR seien Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Bei der Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, in der die Klägerin beschäftigt sei, handele es sich nicht um eine stationäre Behinderteneinrichtung im Sinne der Richtlinie. Der Arbeitgeber habe keine begünstigungsfähige vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe bescheinigt, da explizit auf die Leistungen nach dem SGB VIII verwiesen worden sei. Eine Mitbetreuung von seelisch behinderten Kindern und Jugendlichen ändere nichts an der Einordnung der Einrichtung als Kinder- und Jugendhilfe. Auch eine Honorierung eines hohen Maßes an Arbeitseinsatz der Arbeitnehmer vermöge ein Absehen von der ausdifferenzierten Anforderung der Richtlinie nicht zu rechtfertigen, da diese andernfalls hinfällig wären, wenn lediglich auf das Maß des Arbeitseinsatzes abgestellt würde. Andernfalls müssten zum Beispiel auch Ärzte begünstigt werden. Antragsteller, die nicht in einer begünstigten Einrichtung tätig seien, seien unabhängig von ihrer konkreten Tätigkeit nicht begünstigt. Warum es zu einer positiven Verbescheidung von Kollegen gekommen sei, könne nicht mit abschließender Sicherheit nachvollzogen werden. Maßgeblich für die Entscheidung seien die Arbeitgeberbescheinigung sowie die Angaben der Antragsteller bezüglich ihrer Tätigkeit gewesen. Es könne sein, dass zwei Antragsteller unterschiedliche Angaben bezüglich der Einrichtung gemacht hätten. Zudem könne es zu Fehlentscheidungen gekommen sein. In einem Masseverfahren mit über 350.000 Anträgen könnten Fehlentscheidungen nicht gänzlich vermieden werden. Auch eine unberechtigte Bewilligung des Corona-Pflegebonus zugunsten von Kollegen vermöge keine weitere richtlinienwidrige Bewilligung zugunsten der Klägerin zu rechtfertigen. Vielmehr habe das LfP im Falle der unberechtigten Auszahlung gemäß Nr. 8 CoBoR die Rückforderung zu prüfen. Dem eventuell zu berücksichtigenden Vertrauensschutz der Empfänger werde durch Anwendung der Art. 48, 49, 49a BayVwVfG Rechnung getragen.
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3. Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 6. April 2021 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.
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Die Klägerin beantragte (sinngemäß), den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Bayerischen Landesamtes für Pflege vom 4. November 2020 zu verpflichten, der Klägerin den beantragten Corona-Pflegebonus in Höhe von 500,00 EUR zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragte in der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2021,
die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Für die vorliegende Klage ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Im Einzelnen wird auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. Januar 2021 (VG Würzburg, B.v. 7.1.2021 - W 8 K 20.1387 - juris) Bezug genommen.
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Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet.
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Der Bescheid des LfP vom 4. November 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Bewilligung eines Corona-Pflegebonus nach der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten auf der Basis der CoBoR in Höhe von 500,00 EUR (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Des Weiteren liegt auch kein atypischer Ausnahmefall vor. Genau so wenig ist der Ausschluss der Klägerin von einer Förderung über den Corona-Pflegebonus nach den Richtlinien und der Förderpraxis des Beklagten als gleichheitswidriger oder gar willkürlicher Verstoß zu werten.
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Bei dem Corona-Pflegebonus in der vorliegenden Art handelt es sich - wie sich bereits aus Satz 2 der Vorbemerkung zu den CoBoR ergibt - um eine freiwillige Leistung des Freistaates Bayern, die nach Maßgabe dieser Richtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Freistaats Bayern als Billigkeitsleistung (Art. 53 BayHO) ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beim Beklagten beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinie. Förderrichtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist deshalb entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. konkret zum Corona-Pflegebonus nach der CoBoR etwa VG Würzburg, U.v. 26.4.2021 - W 8 K 20.1487 - juris; U.v. 26.4.2021 - W 8 K 20.2093 - juris; U.v. 29.3.2021 - W 8 K 20.1574 - juris; U.v. 29.3.2021 - W 8 K 20.1474 - BeckRS 2021, 6980; U.v. 29.3.2021 - W 8 K 20.1386 - BeckRS 2021, 6978; U.v. 15.3.2021 - W 8 K 20.1261 - juris; U.v. 15.3.2021 - W 8 K 20.1125 - juris; VG München, U.v. 23.3.2021 - M 31 K 20.4082 - juris; U.v. 23.3.2021 - M 31 K 20.4719 - juris; VG Regensburg, G.v. 20.1.2021 - RO 6 K 20.1523 - BeckRS 2021, 705; vgl. ferner HessVGH, B.v. 4.2.2021 - 10 B 2762/20 - juris Rn. 9 zu einer Corona-Soforthilfe sowie allgemein zu Zuwendungen vergleichbarer Art BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - BayVBl 2020, 365 - juris Rn. 26; vgl. auch ausführlich VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 - W 8 K 19.1546 - juris sowie B.v. 18.6.2020 - W 8 E 20.736 - juris).
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Dabei dürfen Förderrichtlinien wie die CoBoR nicht - wie Gesetze oder Verordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dienen nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BayVGH, B.v. 18.5.2020 - 6 ZB 20.438 - juris). Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 - 3 C 111/79 - BVerwGE 58, 45 - juris Rn 24). Aufgrund des freiwilligen Charakters einer Förderung und dem weiten Ermessen des Förderungsgebers bei der Aufstellung von Förderrichtlinien, ist eine entsprechende Nachprüfung der Förderrichtlinien demnach nur im Hinblick auf eine möglicherweise willkürliche Ungleichbehandlung potentieller Förderungsempfänger eröffnet, nicht aber in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 - 10 C 1/17 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr.119 - juris Rn. 15 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG; VG München, U.v. 28.8.2019 - M 31 K 19.203 - juris Rn. 15). Nach der Willkür-Formel des Bundesverfassungsgerichts (seit U.v. 23.10.1951 - 2 BvG 1/51 - BVerfGE 1, 14, 52 - juris Rn. 147; B.v. 19.101982 - 1 BvL 39,80 - BVerfGE 61, 138, 147 - juris Rn. 34) ist Willkür dann anzunehmen, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt.
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Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die wie hier nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es damit nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2015 - 4 BV 15.1830 - juris Rn. 42 m.w.N.). Der Beklagte bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens darüber, welche Ausgaben er dem Fördergegenstand zuordnet und wer konkret begünstigt werden soll. Außerdem obliegt ihm allein die Ausgestaltung des Förderverfahrens (vgl. auch VG München, U.v. 17.2.2021 - M 31 K 20.4309 - juris Rn. 30). Insoweit hat er auch die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 - 6 ZB 20.1652 - juris Rn. 9; B.v. 17.11.2010 - 4 ZB 10.1689 - juris Rn. 19 m.w.N.), so dass es allein darauf ankommt, wie die administrative Binnenvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt wurde.
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Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Hilfen und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur so weit wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen des § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (vgl. NdsOVG, U.v. 24.3.2021 - 10 LC 203/20 - juris; SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 - 2 A 480/17 - juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 - 3 LB 5/15 - juris; OVG NW, B.v. 29.5.2017 - 4 A 516/15 - juris; HessVGH, U.v. 28.6.2012 - 10 A 1481/11 - juris).
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Ausgangspunkt ist die ständige Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 26. Aufl. 2020, § 114 Rn. 41 ff.).
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Nach den dargelegten Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung des begehrten Corona-Pflegebonus. Weder die Richtlinie selbst noch ihre Handhabung in ständiger Verwaltungspraxis des Beklagten sind vorliegend zu beanstanden.
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Mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage - insbesondere ist § 150a SGB XI für den Corona-Pflegebonus des Beklagten nach den CoBoR nicht einschlägig - steht der Klägerin nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu. Bei der dem Gericht gemäß § 114 VwGO nur beschränkt möglichen Überprüfung der Ermessensentscheidung ist der ablehnende Bescheid vom 4. November 2020 im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat insbesondere den Rahmen, der durch die haushaltsrechtliche Zweckbestimmung gezogen wurde, eingehalten, den erheblichen Sachverhalt vollständig und im Ergebnis zutreffend ermittelt und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot und das Gebot des Vertrauensschutzes nicht verletzt.
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Die Klägerin ist ausweislich ihrer Angaben und der vorgelegten Arbeitgeberbescheinigungen in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe als pädagogische Fachkraft tätig gewesen. Diese Tätigkeit führt nicht zu einer Anspruchsberechtigung der Klägerin auf Bewilligung eines Corona-Pflegebonus nach der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten aufgrund der CoBoR. Denn nach der Förderpraxis des Beklagten auf der Basis der CoBoR werden nur Tätigkeiten in bestimmten Einrichtungen gefördert, wie sie in der Richtlinie genannt sind, unter anderem die stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, nicht jedoch Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte auf der Basis der Richtlinie sehenden Auges eine andere Förderpraxis verfolgt hätte, sind weder vorgebracht noch sonst ersichtlich.
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Nach dem Vorbringen des Beklagten und auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerseite wurden nach Überzeugung des Gerichts in der Förderpraxis vielmehr Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe als solche nicht bewusst und der CoBoR folgend mit dem Corona-Pflegebonus bedacht (vgl. auch HessVGH, B.v. 4.2.2021 - 10 B 2762/20 - juris Rn. 11 und 14 zu einer Corona-Soforthilfe). Der Umstand, dass einzelne Fälle vorgekommen sein mögen, in denen offenbar auch Angehörige von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Widerspruch zur Richtlinie und zur gängigen Förderpraxis gleichwohl den Corona-Pflegebonus erhalten haben, begründet keine andere Förderpraxis. Denn es ist nicht erkennbar, dass der Urheber der CoBoR eine solche richtlinienwidrige Abweichung gebilligt oder geduldet hätte. Die Verwaltungsvorschriften antizipieren die Verwaltungspraxis insoweit, als sie eine generalisierende Willenserklärung der die Richtlinien erlassenden Behörde enthalten, eine unbestimmte Vielzahl künftiger Fälle in einer bestimmten Weise zu behandeln. Weichen die Behörden in Einzelfällen ohne rechtfertigenden Grund von einer Richtlinie ab, könnte eine stillschweigende Aufgabe oder eine Änderung der Verwaltungspraxis nur angenommen werden, wenn dies von der für die Richtlinie verantwortlichen Stelle - hier dem zuständigen Ministerium (Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) - in seinem Willen aufgenommen und von diesem bewusst gebilligt und geduldet worden wäre (NdsOVG, U.v. 3.2.2021 - 10 LC 149/20 - AUR 2021, 98 - juris Rn. 44). Hierfür ist nichts ersichtlich oder vorgetragen.
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Vielmehr hat das LfP unwidersprochen im Schriftsatz vom 9. bzw. 10. März 2021 dazu ausgeführt: Antragsteller, die nicht in einer begünstigten Einrichtung tätig seien, seien unabhängig von ihrer konkreten Tätigkeit nicht begünstigt. Warum es zu einer positiven Verbescheidung von Kollegen der Klägerin gekommen sei, könne nicht mit abschließender Sicherheit nachvollzogen werden. Maßgeblich für die Entscheidung seien die Arbeitgeberbescheinigung sowie die Angaben der Antragstellerin bezüglich ihrer Tätigkeit gewesen. Es könne sein, dass zwei Antragsteller unterschiedliche Angaben bezüglich der Einrichtung gemacht hätten. Zudem könne es zu Fehlentscheidungen gekommen sein. In einem Masseverfahren mit über 350.000 Anträgen könnten Fehlentscheidungen nicht gänzlich vermieden werden.
23
Die Förderpraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinie stellt sich daher vielmehr wie folgt dar. Nach Nr. 2 CoBoR sind begünstigt im Sinne der Richtlinie Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten (Nr. 2 Satz 1). Ebenso begünstigt sind tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist (Nr. 2 Satz 2) sowie Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter und nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst (Nr. 2 Satz 4). Beispielhafte Aufzählungen der Begünstigten sind in den Anlagen 1, 2 und 3 zu den CoBoR näher ausgeführt (Nr. 2 Satz 5).
24
Der Beklagte hat im Klageverfahren und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass in ständiger Verwaltungspraxis eine zweistufige Prüfung vorgenommen wird. Zunächst kommt es darauf an, ob der jeweilige Antragsteller in einer begünstigungsfähigen Einrichtung tätig ist und falls ja, ob die konkrete Tätigkeit nach Maßgabe der CoBoR im Sinne einer pflegerischen Tätigkeit förderfähig ist. Maßgeblich für eine Förderung ist nach ständiger Verwaltungspraxis des Beklagten, dass beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen (vgl. etwa VG Würzburg, U.v. 26.4.2021 - W 8 K 20.1487 - juris Rn. 26; U.v. 29.3.2021 - W 8 K 20.1474 - BeckRS 2021, 6980 Rn. 26; U.v. 15.3.2021 - W 8 K 20.1125, - juris Rn 32; VG München, U.v. 23.3.2021 - M 31 K 20.4082 - juris Rn. 27).
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Ausgehend hiervon war die Klägerin im Antragszeitraum nicht in einer begünstigungsfähigen Einrichtung, einer stationären Einrichtung für Menschen mit Behinderung, tätig. Die Beklagtenvertreter haben in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich und nachvollziehbar erläutert, man müsse ganz grob unterscheiden zwischen Pflege, bei der es um die Pflege der alten Menschen gehe, und der Pflege in einer Behinderteneinrichtung, bei der es um die Pflege der Behinderten gehe, sowie einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, bei der es primär um die Hilfe zur Erziehung gehe. Es könnte aber auch sein, dass ein Kind in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung behindert sei und deshalb in dieser Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung zusätzlich Eingliederungshilfe bekomme. Aber gleichwohl mache dieser Umstand diese Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung nicht zu einer förderfähigen Behinderteneinrichtung. Vergleichbar sei die Situation mit einer Inklusionsschule oder mit einem integrativen Kindergarten. Diese Aktivitäten würden, selbst wenn dort Einzelfall pflegerische Tätigkeiten anfielen, nicht dem Charakter der Einrichtung ändern. Sie blieben vielmehr eine „falsche Einrichtung“, die nicht gefördert werden könne. Ganz wesentlich sei in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung der Erziehungsauftrag, selbst wenn im Einzelfall ein zusätzlicher Pflegebedarf hinzukomme. Entscheidend sei bei der Kinder- und Jugendhilfe der Erziehungszweck. Aber gefördert werden sollten ausdrücklich die Behinderteneinrichtungen. Beim Verfassen der Richtlinie und der Auswahl der zu fördernden Einrichtungen und Tätigkeiten sei eine bewusste Entscheidung getroffen worden, einerseits die Behinderteneinrichtungen nach SGB XI zu fördern, aber andererseits die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nach SGB VIII nicht zu fördern. Im vorliegenden Fall sei in der Arbeitgeberbescheinigung bzw. einer Anlage dazu ausdrücklich klargestellt worden, dass es sich bei der Einrichtung der Klägerin um eine Einrichtung nach SGB VIII handele.
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Im Schriftsatz vom 9. bzw. 10. März 2021 führte das LfP für den Beklagten weiter plausibel aus: Die Einrichtung, in der die Klägerin ihre Tätigkeit ausführe, erfülle nicht die Voraussetzungen der streitgegenständlichen Richtlinie. Der Arbeitgeber habe auf Nachfrage, wo die Klägerin konkret eingesetzt worden sei, ausdrücklich SGB XI durchgestrichen und durch SGB VIII ersetzt. Die Aufzählung der förderfähigen Einrichtungen in der Richtlinie sei abschließend. Keine begünstigte Einrichtung im Sinne der CoBoR seien Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, da es sich dabei nicht um stationäre Behinderteneinrichtungen im Sinne der Richtlinie handele. Eine Mitbetreuung von seelisch behinderten Kindern und Jugendlichen ändere nichts an der Einordnung der Einrichtung als Kinder- und Jugendhilfe. Auch eine Honorierung eines hohen Maßes an Arbeitseinsatz der Arbeitnehmer vermöge ein Absehen von der ausdifferenzierten Anforderung der Richtlinie nicht zu rechtfertigen, da diese andernfalls hinfällig wäre. Andernfalls müssten z.B. auch Ärzte begünstigt werden. Antragsteller, die nicht in einer begünstigten Einrichtung tätig seien, seien unabhängig von ihrer konkreten Tätigkeit nicht begünstigt.
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Diese Unterscheidung in der Förderpraxis ist rechtlich nicht zu beanstanden, sondern folgt sachlichen Gründen, weil es sich um unterschiedliche Einrichtungen handelt. Denn die geförderten stationären Behinderteneinrichtungen betreffen Pflegebedürftigte der Pflegegrade 2 bis 5 (vgl. § 43a SGB IX). Mit der Hilfe zur Pflege wird nicht vornehmlich auf die Besserung des gesundheitlichen Zustandes, sondern vielmehr auf die Erleichterung der Beschwerden zur Ermöglichung der erforderlichen Verrichtung des Alltags abgestellt. Dazu gehören generell nicht stationäre Einrichtungen, in denen etwa Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund stehen. Vielmehr sind nur Pflegebedürftigen in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe erfasst, in denen tatsächlich Pflegeleistungen erbracht werden (vgl. Luik, in jurisPK-SGB XI, Gesamthrsg. Schlegel/Voelzke, Bandhrsg. Hauck, 2. Aufl. 2017, Stand: 27.7.2020, § 43a SGB XI Rn. 20, 38, 49). Demgegenüber beziehen sich Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nur auf Personenberechtigte. Die Gewährung der Hilfe zur Erziehung setzt voraus, dass eine dem Wohl des Kindes oder dem Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und diese Mangellage nicht durch Erziehungsleistungen der Eltern behoben werden kann. Entscheidend ist der erzieherische Bedarf, der als Kehrseite zur Mangellage besteht. Erfasst durch die Hilfe zur Erziehung ist auch die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen (vgl. Nellissen in jurisPK-SGB VIII, Gesamthrsg. Schlegel/Voelzke, Bandhrsg. Luthe/Nellissen, 2. Aufl. 2018, Stand: 26.4.2021, § 27 SGB VIII Rn. 18, 27, 39, 49, 88). Der erzieherische Bedarf wird mittels der Hilfe zur Erziehung gedeckt. Wenn daneben behinderungsbedingter weiterer Bedarf besteht, ist dem ebenfalls Rechnung zu tragen, so dass sich beide überschneiden können (vgl. von Koppenfels-Spieß in jurisPK-SGB VIII, Gesamthrsg. Schlegel/Voelzke, Bandhrsg. Luthe/Nellissen, 2. Aufl. 2018, Stand: 23.4.2021, § 35a SGB VIII Rn. 83). Prämisse ist, dass bei Kinder und Jugendlichen ein Erziehungsdefizit auszugleichen ist und gleichzeitig aufgrund der Schwere der Behinderung noch ein zusätzlicher Bedarf an Eingliederungshilfe besteht. Dann kommt gleichzeitige Gewährung von Hilfe zur Erziehung und Eingliederungshilfe nach § 35a Abs. 4 SGB VIII in Betracht (vgl. Stähr in Hauck/Novtz SGB VIII, 6/2020, § 35a SGB VIII Rn. 55).
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Gemessen an der in der beschriebenen Weise gehandhabten Förderpraxis des Beklagten mit der zulässigen, weil sachlich vertretbaren Unterscheidung zwischen Einrichtungen nach SGB VIIII und SGB XI fällt die Klägerin mit ihrer konkreten Tätigkeit in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe nicht unter die gemäß der CoBoR begünstigten Personen. Es geht bei der konkreten Förderung mit dem Corona-Pflegebonus nicht allein um Gefahren oder Mehraufwand, die prämiert werden sollten, sonst hätten auch viele weitere Gruppen unter die Richtlinie fallen müssen, wie Ärzte, Busfahrer, Verkäufer usw. (vgl. VG Würzburg, U.v. 26.4.2021 - W 8 K 20.1487 - juris Rn. 27).
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Die dargelegte richtliniengeleitete Verwaltungspraxis mit der Beschränkung des Corona-Pflegebonus auf stationäre Behinderteneinrichtungen unter Ausschluss der Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe von der Förderung begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere orientiert sich diese Verwaltungspraxis mit der Schwerpunktlegung auf die Einrichtungen mit dem Hauptzweck der Pflege von Behinderten in ermessensfehlerfreier Weise an sachlich vertretbaren Maßstäben und überschreitet nicht die Grenzen des Willkürverbotes.
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Denn es ist allein Sache des Zuwendungsgebers, die Modalitäten einer Förderung festzulegen, seine Richtlinien auszulegen und den Förderzweck zu bestimmen (vgl. BayVGH, B. v. 14.9.2020 - 6 ZB 20.1652 - juris m.w.N.) und seine Förderpraxis nach seinen Vorstellungen entsprechend auszurichten. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 32). Geboten ist so eine bayernweit gleichmäßige und willkürfreie Mittelverteilung. Nicht erlaubt ist eine uneinheitliche und damit objektiv willkürliche Förderpraxis (vgl. BayVGH, U.v. 25.7.2013 - 4 B 13.727 - DVBl 2013, 1402). Dabei steht dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (vgl. NdsOVG, U.v. 24.3.2021 - 10 LC 203/20 - juris Rn. 33 ff.; VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 - W 8 K 19.1546 - juris Rn. 48; VG Köln, G.v. 17.8.2015 - 16 K 6804/14 - juris m.w.N; jeweils. m.w.N.).
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Dem Gericht ist eine eigene erweiternde Auslegung versagt. Auch beim Corona-Pflegebonus kommt es nicht darauf an, ob es zu der festgestellten Verwaltungspraxis Alternativen gäbe und auch die Tätigkeit in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe hätte gefördert werden können. Willkür ist bereits dann zu verneinen, wenn sich der Beklagte bei der Festlegung der Förderfälle von sachlichen Erwägungen hat leiten lassen. Dies ist wie ausgeführt hier der Fall, weil die Unterscheidung zwischen stationärer Behinderteneinrichtung mit dem primären Zweck der Pflege von Behinderten und den Einrichtungen der Jugendhilfe mit dem primären Zwecke der Erziehung vertretbar und angesichts des Förderzwecks der Richtlinie nachvollziehbar ist (vgl. zuletzt etwa VG Würzburg, U.v. 29.3.2021 - W 8 K 20.1474 - BeckRS 2021, 6980 Rn. 35 m.w.N.).
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Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinien bestehen unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten keine triftigen Anhaltspunkte. Die Nichtförderung der Klägerin mangels Zugehörigkeit zu einer förderfähigen stationären Behinderteneinrichtung ist nicht sachwidrig, sondern vertretbar.
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Denn der Pflegebonus ist - wie schon erwähnt - entsprechend der Ausführungen des Beklagten in ständiger Praxis keine Gefahrenzulage aufgrund eines erhöhten Risikos, sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu infizieren und wird - wie auch andere Klageverfahren belegen (vgl. etwa VG Würzburg, U.v. 26.4.2021 - W 8 K 20.1487 - juris; U.v. 26.4.2021 - W 8 K 20.2093 - juris; U.v. 29.3.2021 - W 8 K 20.1474 - BeckRS 2021, 6980 und U.v. 29.3.2021 - W 8 K 20.1574 - juris oder U.v. 15.3.2021 - W 8 K 20.1125 - juris, jeweils m.w.N.) - in ständiger Praxis auch nicht als solche verstanden. Vielmehr knüpft der Pflegebonus primär an den Umstand an, dass Pflegekräfte in stationären Einrichtungen im relevanten Zeitraum vielfach versuchen mussten, sozialen Ersatz für die Präsenz von Angehörigen zu leisten, welche aufgrund von Besuchsverboten die Einrichtungen nicht besuchen durften (vgl. Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege auf eine schriftliche Anfrage des Abgeordneten Krahl vom 28.10.2020, LT-Drs. 18/11079, S. 2). Für die Begünstigung kommt es damit nicht auf ein erhöhtes Infektionsrisiko oder die Erschwernisse bzw. Herausforderungen, welchen sich Pflegende oder sonstige in den entsprechenden Einrichtungen Tätige aufgrund der pandemiebedingten Situation gegenübersahen, wie etwa erhöhte Vorsichts- oder Hygienemaßnahmen, sondern vielmehr auf die zusätzlich zu leistende Substitution sozialer Kontakte im stationären Bereich der Pflege. Die Beklagtenvertreter haben dargelegt, dass der Corona-Pflegebonus nicht auf ein Ansteckungsrisiko abstellt und auch nicht Ausgleich für eine erhöhte Infektionsgefahr ist und so auch nicht als „Gefahrenbonus“ zu verstehen ist. Liegen sachgerechte Kriterien wie hier vor, ist es jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Beklagte bei seiner Abgrenzung nicht maßgeblich auf ein konkretes Kontaktverhältnis und/oder eine Gefährdungssituation oder auch sonstige besondere Belastungssituation abstellt bzw. nicht jede Person begünstigt, die mit möglichen Corona-Infizierten in Kontakt getreten sind oder sonst in irgendeiner Form unter Umständen einem höheren Risiko einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 ausgesetzt war (vgl. nur VG Würzburg, U.v. 26.4.2021 - W 8 K 20.2093 - juris; U.v. 29.3.2021 - W 8 K 20.1574 - juris).
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Das Gericht verkennt nicht und stellt der Klägerin ausdrücklich nicht in Abrede, dass sie in ihrer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im maßgeblichen Zeitraum einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt war bzw. immer noch ist und auch gerade die Tätigkeit der Klägerin in Kontakt mit möglichen Corona-Infizierten mit einem höheren Aufwand verbunden gewesen ist. Ausgehend von obigen Ausführungen führt dies aber nicht zu einer Anspruchsberechtigung im Hinblick auf den Pflegebonus nach den CoBoR und der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten, weil diese Umstände nicht Grund der Förderung waren und sind. Denn es sollten gerade nicht alle gefördert werden, die einem gesteigerten Infektionsrisiko ausgesetzt waren oder die, bei denen die Arbeit und das Tragen von Schutzausrüstung erschwert worden ist. Vielmehr wurde in einer bewusst ausdifferenzierten Regelung nur ein bestimmter Personenkreis in bestimmten Einrichtungen als Begünstigter des Corona-Pflegebonus ausgewählt, und zwar neben der Pflege und dem öffentlichen Rettungsdienst, insbesondere die stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden.
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Nach alledem sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die CoBoR- und/oder die Förderpraxis ermessensfehlerhaft oder willkürlich wären. Vielmehr erfolgt durch die bewusst getroffene Unterscheidung zwischen stationärer Behinderteneinrichtung und Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe - wie schon ausgeführt - eine Gleichbehandlung mit allen anderen Personen in parallelen Fallgestaltungen nach sachgerechten Kriterien. Die Klägerin wird nicht anders behandelt als andere Antragsteller, die in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind bzw. waren. Infolgedessen liegt auch keine Ungleichbehandlung, sondern eine Gleichbehandlung zu vergleichbaren Förderfällen vor.
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Ergänzend ist anzumerken, dass die Klägerin - selbst bei einer wie von ihr vorgetragenen erfolgten Förderung von Personen in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Einzelfall - „keine Gleichbehandlung im Unrecht“ für sich beanspruchen kann (vgl. statt vieler BVerwG, U.v. 26.2.1993 - 8 C 20/92 - BVerwGE 92, 153 - juris Rn. 14 m.w.N.; Nds. OVG, U.v. 24.3.2021 - 10 LC 203/20 - juris Rn. 37 und 51 f.). Art. 3 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Verhältnis zu solchen Personen, denen rechtswidrige Vergünstigungen zugewandt wurden. Mit einer in Einzelfällen unrichtigen Sachbehandlung hat der Beklagte wie schon ausgeführt keine abweichende Verwaltungspraxis konstituiert. Es ist nicht erkennbar, dass der Urheber der CoBoR eine betreffende Abweichung billigt oder duldet. Dafür bedürfte es einer aus den Umständen des Einzelfalls erkennbar werdenden Absicht, zukünftig vergleichbare Fälle ebenso zu behandeln. Eine solche Praxis setzt dabei bewusst und gewollt einen dauerhaft geänderten Vollzug voraus, der sich aus einem im Nachhinein als fehlerhaft erkannte Rechtsanwendung im Einzelfall gerade nicht ergibt. Eine Abweichung in Einzelfällen ohne rechtfertigenden Grund ist wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes rechtswidrig und begründet keine Änderung der Verwaltungspraxis (NdsOVG, U.v. 24.3.2021 - 10 LC 203/20 - juris Rn 29.f.; U.v. 3.2.2021 - 10 LC 149/20 - AUR 2021, 98 - juris Rn. 42 und 44; VG München, U.v. 23.3.2021 - M 31 K 20.4082 - juris Rn. 42; vgl. auch Aschke in BeckOK, VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 50. Ed., Stand 1.1.2021, § 40 VwVfG Rn. 65 f. m.w.N.) und damit auch keinen Anspruch der Klägerin. Denn die Klägerin kann nicht verlangen, dass der gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebundene Beklagte gegenüber ihr gewissermaßen seinen Fehler wiederholt und entsprechend eine rechtswidrige Bewilligung der Förderung ausspricht. Vielmehr wird umgekehrt hinsichtlich der rechtswidrig Begünstigten ein Rücknahmeverfahren einzuleiten sein. Die Beklagtenvertreter haben in ihrem Vorbringen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Falle der unberechtigten Auszahlung gemäß Nr. 8 CoBoR die Rückforderung zu prüfen ist.
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Vor diesem Hintergrund ist auch kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine abweichende Entscheidung des Beklagten hätte gebieten müssen (vgl. OVG NW, B.v. 29.5.2017 - 4 A 516/15 - juris), weil der konkrete Sachverhalt keine außergewöhnlichen Umstände aufweist, die von den Richtlinien und der darauf basierenden Förderpraxis nicht erfasst werden und von solchem Gewicht sind, dass sie eine Abweichung von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge erfordern.
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Anhaltspunkte dafür, dass gerade bei der Klägerin ein derart atypischer Fall vorliegt, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr betrifft die generelle Nichtförderung der Tätigkeit in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung keine atypische Besonderheit, die eine abweichende Behandlung gebietet, sondern betrifft eine gängige Praxis in einer typischen Fallkonstellation, die nach Ausgestaltung der Förderpraxis und des praktizierten Förderverfahrens gerade nicht gefördert werden sollte.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.