Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 26.04.2021 – Au 9 K 21.70 ; Au 9 K 21.71
Titel:

Fortsetzungsfeststellungsklage, Konkrete Wiederholungsgefahr (verneint), Häusliche Isolation für Kontaktpersonen der Kategorie I wegen engen Kontakts zu einem bestätigten COVID-19-Fall in einer Schulklasse, Qualifizierung als Kontaktperson

Normenkette:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
Schlagworte:
Fortsetzungsfeststellungsklage, Konkrete Wiederholungsgefahr (verneint), Häusliche Isolation für Kontaktpersonen der Kategorie I wegen engen Kontakts zu einem bestätigten COVID-19-Fall in einer Schulklasse, Qualifizierung als Kontaktperson
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 26.07.2022 – 20 B 22.29, 20 B 22.30
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15261

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Kläger, gesetzlich vertreten durch ihre Eltern, begehren die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Anordnung der häuslichen Isolation als Kontaktperson der Kategorie I.
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Die zehnjährigen Kläger sind Geschwister und besuchen unterschiedliche Klassen der 5. Jahrgangsstufe einer M. Schule.
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Am 27. Oktober 2020 wurde in den Klassen der Kläger jeweils ein Mitschüler mittels eines PCR-Tests positiv auf das Coronavirus getestet. Am 26. Oktober 2020 hatten diese Schüler gemeinsam mit den Klägern den Unterricht besucht.
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Mit E-Mail vom 29. Oktober 2020 informierte das Gesundheitsamt die Schulleitung der Kläger hierüber und teilte mit, dass die Kinder und Lehrer der betroffenen Schulklassen Kontaktpersonen der Kategorie 1 seien und sich deshalb 14 Tage lang in Quarantäne begeben müssen. Diese E-Mail wurde den Eltern der Kläger von der Klassenleitung weitergeleitet.
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Mit Schreiben vom 3. November 2020, den Eltern der Kläger am 4. November 2020 zugegangen, teilte das Landratsamt diesen mit, dass die Kläger aufgrund eines engen Kontakts zu einem bestätigten Fall von COVID-19 nach den aktuellen Kriterien des Robert Koch-Instituts Kontaktpersonen der Kategorie I seien und daher nach der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 eine häusliche Isolation der Kläger für die Zeit vom 29. Oktober 2020 bis zum 9. November 2020 gelte.
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Am Freitag, den 6. November 2020, ließen die Kläger im Wege des Eilrechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage beantragen. Aufgrund Zeitablaufs der angeordneten häuslichen Isolation am Montag, den 9. November 2020, wurden die Anträge mit Schreiben vom 27. November 2020 für erledigt erklärt.
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Mit Schreiben vom 3. Dezember 2020 ließen die Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben und beantragen,
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1. Es wird festgestellt, dass die Isolationsanordnung des Beklagten vom 3. November 2020, die aufgrund der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020, Az. GZ6a-G8000-2020/572, geändert durch Bekanntmachung vom 29. September 2020, Az. G5ASz-G8000-2020/122-622, welche ihrerseits auf Grundlage der §§ 28 Abs. Satz 1, 29 Abs. 1 und 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG in Verbindung mit § 65 Satz 2 Nr. 2 ZustV erlassen wurde, gegen den Kläger zu 1) rechtswidrig war.
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2. Es wird festgestellt, dass die Isolationsanordnung des Beklagten vom 3. November 2020, die aufgrund der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020, Az. GZ6a-G8000-2020/572, geändert durch Bekanntmachung vom 29. September 2020, Az. G5ASz-G8000-2020/122-622, welche ihrerseits auf Grundlage der §§ 28 Abs. Satz 1, 29 Abs. 1 und 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG in Verbindung mit § 65 Satz 2 Nr. 2 ZustV erlassen wurde, gegen den Kläger zu 2) rechtswidrig war.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig. Insbesondere hätten die Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Es liege ein Fall der konkret drohenden Wiederholungsgefahr vor. Es stehe zu befürchten, dass gleichartige Anordnungen in naher Zukunft erneut ergehen würden, da nach der Risikobewertung des Robert Koch-Instituts keine Besserung der Infektionslage erkennbar sei. Auch aufgrund der Fortgeltung des Rahmenhygieneplans für bayerische Schulen vom 6. November 2020 bestehe eine Wiederholungsgefahr. Es sei jederzeit mit einer erneuten Isolationsanordnung zu rechnen. Es handle sich auch um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff, da ständig eine Freiheitsentziehung aufgrund vager Vermutungen drohe. Die Klagen seien auch begründet, da die Isolationsanordnungen rechtswidrig gewesen seien. Bei den Klägern habe es sich nicht um Kontaktpersonen der Kategorie I gehandelt. Die Kläger hätten nicht als ansteckungsverdächtig eingestuft werden dürfen, da sie sich lediglich im selben Raum wie eine ansteckungsverdächtige Person aufgehalten hätten. Die Klassenzimmer seien regelmäßig gelüftet worden, die Kläger hätten die Abstandsregeln eingehalten und eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen. Die Kläger hätten keinerlei Kontakt zu den positiv getesteten Mitschülern gehabt und seien im Unterricht in einer deutlichen Entfernung von ca. 4 bis 6 Metern zu diesen gesessen. Zudem sei auch eine Infektion der positiv getesteten Mitschüler nicht nachweisbar. Diese seien symptomfrei und deshalb allenfalls als ansteckungsverdächtige Personen einzustufen gewesen. Die Anordnung einer Kollektivquarantäne für ganze Schulklassen, ohne gemäß § 25 IfSG zu prüfen, wer mit wem tatsächlich Kontakt gehabt habe, widerspreche auch der Ermächtigung des § 30 IfSG. § 30 Abs. 1 IfSG verstoße des Weiteren gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Auch stelle die behördlich angeordnete Absonderung einen Verstoß gegen den Richtervorbehalt des Artikel 104 Abs. 2 Satz 1 GG dar.
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Das Landratsamt ist den Klagen mit Schreiben vom 25. Januar 2021 für den Beklagten entgegengetreten und beantragt,
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die Klagen abzuweisen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, die Klagen seien wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Im Übrigen seien die Klagen aber auch unbegründet. Die Erstreckung der Quarantänemaßnahme auf die gesamten Klassen sei rechtlich zulässig gewesen. Die Regierung von * habe mit E-Mail vom 29. Oktober 2020 fachliche Vorgaben und Weisungen beim Auftreten von COVID-19 Fällen in Schulklassen mitgeteilt. Nachdem der Tagesinzidenzwert im Landkreis am 3. November 2020 bei 147,06 gelegen habe und weitere Steigerungen zu erwarten gewesen seien, die sich im Nachgang auch bestätigt hätten, sei die gesamte Schulklasse entsprechend den Vorgaben der Regierung von * als Kontaktpersonen der Kategorie I eingestuft und eine 14-tägige Quarantäne verfügt worden. In Schulklassen herrsche naturgemäß eine beengte Raumsituation vor, in welcher sich die Schüler über eine längere Dauer hinweg aufhalten, die auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die erforderlichen Mindestabstände eingehalten, Masken getragen und die Fenster geöffnet worden seien, die Einordnung der Kläger als Kontaktpersonen der Kategorie I gerechtfertigt habe.
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Am 26. April 2020 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.
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Die Verfahren Au 9 K 21.70 und Au 9 K 21.71 wurden durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
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Bezüglich des weiteren Vortrags der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klagen auf Feststellung, dass die Anordnungen des Beklagten vom 3. November 2020 rechtswidrig waren, bleiben ohne Erfolg. Sie sind bereits unzulässig, im Übrigen aber auch unbegründet.
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1. Die Klagen sind unzulässig.
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a) Die Klagen sind als Fortsetzungsfeststellungsklagen analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Bei den streitgegenständlichen Mitteilungen des Beklagten vom 3. November 2020 handelt es sich um Verwaltungsakte im Sinn von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, die nach ihrer Erledigung im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage angegriffen werden können. Zwar ergab sich die Pflicht der Kläger zur 14-tägigen häuslichen Quarantäne für Kontaktpersonen der Kategorie 1 unmittelbar aus der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 (GZ6a-G8000-2020/572) zur Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie I, sodass der Mitteilung des Gesundheitsamtes insoweit keine eigene Regelungswirkung zukam (vgl. VG Regensburg, B.v. 28.10.2020 - RO 14 S 20.2590; VG Würzburg, B.v. 18.9.2020 - W 8 S 20.1326 - juris). Dies gilt jedoch nicht für die Einordnung eines Betroffenen als Kontaktperson der Kategorie I und die sich daran anschließende zeitliche Bestimmung der Quarantänefrist. Diese Einordnung ist Ergebnis eines behördlichen Subsumtionsvorgangs unter die vom Robert KochInstitut aufgestellten Kriterien, der im Einzelfall mit Rechtswirkung nach außen verbindlich die sich aus dieser Entscheidung ergebenden Rechtsfolgen festschreibt und dadurch letztlich den Anwendungsbereich der jeweils geltenden Allgemeinverfügung und der sich hieraus ergebenden Quarantänepflicht eröffnet. Die in Streit stehenden Mitteilungen des Gesundheitsamtes vom 3. November 2020 waren daher bis zu ihrer Erledigung durch Ablauf des Quarantänezeitraums am 9. November 2020 eigenständig anfechtbare feststellende Verwaltungsakte im Sinn des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Da sich die Mitteilungen des Beklagten im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits erledigt hatten, waren die erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklagen analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die statthafte Klageart.
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b) Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich allerdings, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer kann der Kläger nur bei Vorliegen eines besonderen Interesses eine Sachentscheidung erzwingen. Denn die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG erfasst nicht die Verpflichtung des Gerichts zu einer Sachentscheidung, wenn der Bürger zur Wahrung seiner Rechte den beantragten Rechtsschutz nicht mehr benötigt.
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Das berechtigte Interesse an der nachträglichen Feststellung, dass der erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, muss als Sachentscheidungsvoraussetzung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen und geht über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Maßgeblich ist stets, ob die Inanspruchnahme des Gerichts dem Kläger noch etwas nützt, also zur Verbesserung seiner Situation geeignet ist. Das Bestreben nach persönlicher Genugtuung oder das Bestreben, eine vom Kläger für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage gerichtlich klären zu lassen, reicht nicht aus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren (BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 40.12 - NVwZ 2013, 1482 = juris Rn. 28; BayVGH, U.v. 12.12.2016 - 10 BV 13.1005 - juris Rn. 46 m.w.N). Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gebietet selbst bei tiefgreifenden Eingriffen nicht, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, um die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern (BVerfG, B.v. 6.7.2016 - 1 BvR 1705/15 - juris Rn. 11; BVerwG, U.v. 20.06.2013 - 8 C 39.12 - juris Rn. 28).
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Unter Berücksichtigung der soeben genannten Maßstäbe wurden von der Rechtsprechung verschiedene Fallgruppen entwickelt, bei denen ein berechtigtes Interesse im Sinn von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (analog) anzuerkennen ist. So besteht ein besonderes Rechtsschutzinteresse, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen, eine fortwirkende Beeinträchtigung durch den an sich beendeten Eingriff zu beseitigen oder wenn es sich um den Fall eines tiefgreifenden, sich nach seiner Eigenart kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriff handelt (BVerfG, B.v. 6.7.2016 - 1 BvR 1705/15 - juris Rn. 11; VGH München, U.v. 12.12.2016 - 10 BV 13.1005 - juris Rn. 46 m.w.N.). Bei Grundrechtseingriffen von derartigem Gewicht hat das Bundesverfassungsgericht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse anerkannt, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung in der nach der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann, und er daher andernfalls rechtsschutzlos gestellt wäre.
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c) Nach Maßgabe der genannten Kriterien können die Kläger kein berechtigtes Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der bereits erledigten Verwaltungsakte für sich beanspruchen. Die von den Klägern angeführten Gründe sind nicht geeignet, ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Überprüfung der Einordnung der Kläger als Kontaktpersonen der Kategorie 1 zu begründen.
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(1) Die Kläger können sich nicht auf eine konkrete Wiederholungsgefahr berufen.
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Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen konkreter Wiederholungsgefahr ist dann gegeben, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen in naher Zukunft erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2018 - 6 B 133.18 - juris Rn. 12 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - juris Rn. 20). An einer hinreichenden Bestimmtheit in diesem Sinn fehlt es jedoch, wenn ungewiss ist, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten werden wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsakts (vgl. BVerwG, U.v. 12.10.2006 - 4 C 12.04 - juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 7.7.2009 - 7 BV 08.254 - juris Rn. 25).
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Gemessen an diesen Grundsätzen liegt auch bei Fortbestand der Corona-Pandemie keine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr vor. Bereits im Zeitraum zwischen Erlass der Bescheide am 3. November 2020 und der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2021 haben sich sowohl die tatsächlichen als auch die rechtlichen Umstände aufgrund des dynamischen Pandemiegeschehens wesentlich verändert. Es ist daher fernliegend, dass es in absehbarer Zukunft zu einer mit den Gegebenheiten im November 2020 vergleichbaren Situation und zum Erlass eines gleichartigen Verwaltungsakts kommen wird.
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Die rechtlichen Grundlagen für die Anordnung einer Quarantäne von Kontaktpersonen der Kategorie 1 wurden seit dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide wiederholt fortentwickelt. Die den Mitteilungen des Gesundheitsamts zugrundeliegende Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 wurde mittlerweile durch Folgeregelungen vom 6. November 2020 (Az. GZ6a-G8000-2020/122-684), vom 2. Dezember 2020 (Az. GZ6a-G8000-2020/122-736) und zuletzt vom 25. Februar 2021 (Az. GZ6a-G8000-2021/505-8) ersetzt. Auch die für die Einordnung von Personen als Kontaktpersonen der Kategorie 1 maßgeblichen Vorgaben des Robert Koch-Instituts haben sich in Anbetracht der wissenschaftlichen Diskussion stetig weiterentwickelt. So hat das Robert Koch-Institut mittlerweile seine Kriterien für die Einstufung von Kontaktpersonen eines bestätigten COVID-19 Falls geändert und differenziert insbesondere nicht mehr zwischen Kontaktpersonen der Kategorie 1 und solchen der Kategorie 2. Die bisherige Einteilung wurde durch Kriterien für die Einstufung als enge Kontaktperson, die ein erhöhtes Infektionsrisiko hat, ersetzt. Auch die Tatsache, dass dabei einzelne Kriterien angesichts der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse im Vergleich zur Situation im November 2020 strenger gehandhabt werden, führt im Ergebnis nicht dazu, dass eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr vorliegt. Denn auch eine gegebenenfalls strengere Beurteilung stellt jedenfalls eine veränderte Sachlage dar. Zudem hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2021 ausgeführt, dass Schulklassen im Fall eines positiv getesteten Schülers - anders als im Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide - nicht mehr generell als Kontaktpersonen eingeordnet werden, sondern vielmehr eine individuelle Betrachtung erfolge. Auch deshalb kann eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr nicht bejaht werden.
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Letztlich wurde auch der Rahmenhygieneplan für bayerische Schulen vom 2. Oktober 2020 mittlerweile überarbeitet und durch den Rahmenhygieneplan vom 12. März 2021 ersetzt. Auch dies belegt wiederum die dynamische Fortentwicklung der rechtlichen Grundlagen der angegriffenen Entscheidung des Beklagten.
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Aber auch in tatsächlicher Hinsicht liegen bereits im Zeitpunkt der gerichtlichen Verhandlung keine im Wesentlichen unveränderten Umstände mehr vor, sodass der Eintritt einer mit dem Geschehen im Herbst 2020 vergleichbaren Situation in absehbarer Zukunft ausgeschlossen ist. Seit dem Erlass der streitgegenständlichen Mitteilungen hat sich das Infektionsgeschehen immer wieder sowohl in positiver als auch in negativer Weise verändert. Während das Auftreten neuer Mutationen zur Verstärkung des Infektionsgeschehens führte, wirken sich der Impffortschritt, die Ausweitung der Testmöglichkeiten und bessere Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise die in vielen Bereichen eingeführte Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske, positiv auf das Infektionsgeschehen aus. Von in absehbarer Zukunft im Wesentlichen gleichbleibenden tatsächlichen Umständen kann vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden.
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Mit dem Eintritt einer mit den Umständen im November 2020 vergleichbaren Situation kann deshalb in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden. Eine erneute Einordnung der Kläger als enge Kontaktperson wäre im Einzelfall anhand der für diesen Zeitpunkt aktuellen rechtlichen und tatsächlichen Umstände zu beurteilen und gegebenenfalls einer erneuten gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen. Vor dem Hintergrund der dynamischen Entwicklung des Pandemiegeschehens könnten sich die Kläger die vorliegend begehrte Sachentscheidung in Bezug auf das Situationsgeschehen im Herbst 2020 in einem solchen Folgeprozess nicht zu Nutze machen. Ein besonderes Interesse an der Sachentscheidung wegen hinreichend konkreter Wiederholungsgefahr besteht demnach nicht.
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(2) Soweit die Kläger geltend machen, ein Feststellungsinteresse bestehe insbesondere bei grundrechtsrelevanten Maßnahmen mit lediglich kurzer Dauer, führt auch dieses nicht zur Zulässigkeit der Klage. Eine Ausweitung des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Feststellungsinteresses über die Fallgruppen des berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses hinaus verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen der sich aus ihrer Eigenart ergebenden kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden könnten, wie es häufig bei polizeilichen Maßnahmen der Fall ist. Diese Konstellation hatte die Rechtsprechung bei der Entwicklung dieser Fallgruppe im Blick. Eine hiermit vergleichbare Konstellation liegt im Fall der Kläger jedoch nicht vor. Die mit der Mitteilung des Gesundheitsamts vom 3. November 2020 zusammenhängende Quarantäneanordnung war zwar auf die Dauer von grundsätzlich 14 Tagen befristet, doch war es den Klägern - anders als in den Fallgruppen polizeilicher Maßnahmen - möglich, Eilrechtsschutz zu suchen und somit eine gerichtliche Überprüfung einzuleiten. Insbesondere gewährt Art. 19 Abs. 4 GG auch keine Überprüfbarkeit von Eingriffsakten im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens. Vielmehr wird Art. 19 Abs. 4 GG in Fällen, in denen Maßnahmen wegen ihrer kurzfristigen Erledigung regelmäßig einer gerichtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren nicht zugeführt werden können, dadurch Genüge getan, dass besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens gestellt werden. In solchen Fällen werden die Erfolgsaussichten der Hauptsache im Rahmen des Eilverfahrens nicht nur summarisch, sondern abschließend geprüft. Die unterbliebene inhaltliche Überprüfung der Mitteilungen vom 3. November 2020 ist vorliegend nicht auf die Eigenart der zur Überprüfung gestellten Maßnahme zurückzuführen, sondern der Tatsache geschuldet, dass die Anträge der Kläger im einstweiligen Rechtsschutz erst am Freitag, den 6. November 2020, d.h. drei Tage vor Ablauf der häuslichen Isolation am Montag, den 9. November 2020, gestellt wurden.
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2. Aber selbst für den Fall, dass man unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Eltern der Kläger die Mitteilung des Beklagten erst am 4. November 2020 erhalten haben und der Mitteilung keine Rechtsbehelfsbelehrung:beigefügt war, ein Feststellunginteresse wegen der kurzfristig eintretenden Erledigung bejahen und die Klage als zulässig erachten würde, blieben die Klagen im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg. Sie sind jedenfalls unbegründet. Denn die Mitteilungen des Gesundheitsamts vom 3. November 2020 sind rechtmäßig.
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a) Die durch den Beklagten festgestellte Einstufung der Kläger als Kontaktpersonen der Kategorie 1 stützte sich auf die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020, die keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Sie fand in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG, § 29 Abs. 1 und 2, § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG eine ausreichende Rechtsgrundlage, die ihrerseits mit höherrangigem Recht vereinbar war.
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(1) An der Verfassungsmäßigkeit der §§ 28 ff. IfSG bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insbesondere hält das Gericht die von den Klägern angegriffene Regelung des § 30 Abs. 1 IfSG für verfassungsgemäß.
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Der Einwand der Kläger, dass vorliegend durch die mit der Einstufung der Kläger als Kontaktpersonen der Kategorie 1 verbundene Isolationsanordnung eine Freiheitsentziehung gemäß Art. 104 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) vorliege, die dem Richtervorbehalt unterliege, greift nicht durch. Denn die Anordnung der häuslichen Isolation stellt keine Freiheitsentziehung nach Art. 104 Abs. 2 GG dar. Zwischen einer Freiheitsbeschränkung und einer Freiheitsentziehung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach der Dauer und insbesondere der Intensität des Eingriffs abzugrenzen. Der Tatbestand der Freiheitsentziehung kommt nur in Betracht, wenn die - tatsächlich und rechtlich an sich gegebene - körperliche Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird. Entscheidend ist die Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit durch physischen Zwang. Hiervon ausgehend schützt das im Grundgesetz verbürgte Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG) nur gegen Maßnahmen des (unmittelbaren) Zwangs (vgl. BVerfG, U.v. 24.7.2018 - 2 BvR 309/15 u.a. - juris Rn. 65).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die häusliche Isolation der Kläger keine Freiheitsentziehung nach Art. 104 Abs. 2 GG. Ausweislich der Gesetzesbegründung setzt die Absonderung nach § 30 Abs. 1 IfSG die Freiwilligkeit des Betroffenen und damit seine „Einsicht in das Notwendige“ voraus (BT-Drs. 14/253, S. 75). Nur für den Fall, dass sich der Betroffene weigert, der Absonderung nachzukommen, ist diese nach den Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 IfSG, der die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 104 Abs. 2 GG berücksichtigt, anzuordnen und zwangsweise durchzusetzen. Die Isolationsanordnung nach § 30 Abs. 1 IfSG kann hingegen nicht ohne weiteres mit Zwangsmitteln vollstreckt werden. Der für das Vorliegen einer Freiheitsentziehung erforderliche physische Zwang ist damit nicht gegeben. Die zur häuslichen Isolation Verpflichteten können den 14-tägigen Zeitraum in von ihnen gewählten Räumlichkeiten verbringen. Sie werden auch nicht bewacht, sodass sie nicht wirksam durch physischen Zwang daran gehindert sind, ihre Wohnung zu verlassen. Die Tatsache, dass der Verstoß gegen die Anordnung der häuslichen Isolation nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, ändert hieran nichts. Insoweit handelt es sich lediglich um mittelbare Auswirkungen, nicht aber um den für die Annahme einer Freiheitsentziehung erforderlichen physischen Zwang.
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Da die Absonderung nach § 30 Abs. 1 IfSG nach der vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelungssystematik stets auf freiwilliger Basis erfolgt, ist in diesem Stadium noch kein Eingriff in die Freiheit der Person gegeben. Ein Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, der die Beachtung des Zitiergebots aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG voraussetzt, erfolgt erst im Rahmen einer Anordnung nach § 30 Abs. 2 IfSG. In Bezug auf § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG liegt deshalb auch kein Verstoß gegen das Zitiergebot aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG vor.
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(2) Auch in materieller Hinsicht war die Allgemeinverfügung im Hinblick auf die im vorliegenden Fall streitgegenständliche Anordnung der häuslichen Isolation als Kontaktperson der Kategorie 1 rechtmäßig.
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Es bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei der Infektion mit dem SARS-CoV-2, der zur Lungenkrankheit Covid-19 führen kann, um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG handelt, sodass der Anwendungsbereich des 5. Abschnitts des Infektionsschutzgesetzes, der sich mit der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten befasst, eröffnet ist.
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Nach § 28 Abs. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Sie kann nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. § 28 Abs. 1 Satz 1 1. HS IfSG n.F. enthält insoweit eine Generalklausel, die die zuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet. Nur hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen ist der Behörde ein Ermessen eingeräumt, das sie entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung im Interesse des effektiven Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuüben hat. Nach §§ 29 Abs. 1 und 2, 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG können Personen bei entsprechendem Verdacht auch einer Beobachtung oder Absonderung unterworfen werden.
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Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der in der Allgemeinverfügung getroffenen Maßnahmen ist der im allgemeinen Polizei- und Sicherheitsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Nach der Risikobewertung des Robert Koch-Instituts (RKI) handelt es sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland war und ist nach wie vor insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch einzuschätzen. Angesichts teilweise schwerer und lebensbedrohlicher Krankheitsverläufe ist es Ziel, durch geeignete Maßnahmen eine Ausbreitung der Infektion mit SARS-CoV-2 einzudämmen und so weit wie möglich zeitlich zu verlangsamen. Nur so können die vorgenannten Risikogruppen ausreichend geschützt werden. Der Impffortschritt ist aktuell noch nicht so weit, dass eine grundlegend andere Beurteilung zu treffen wäre. Die häusliche Isolation von Kontaktpersonen ist dabei aus infektionsmedizinischer Sicht eine entscheidende Maßnahme zur Unterbrechung möglicher Infektionsketten, sodass diese Maßnahme daher nicht zu beanstanden war.
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Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Allgemeinverfügung keine Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung der Quarantäne z.B. wegen eines negativen Testergebnisses vorsah. Nach dem aktuellen und im Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung geltenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist von einer Inkubationszeit von bis zu 14 Tage auszugehen. Nach den Erkenntnissen des RKI, das bei der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten und der Verhinderung der Verbreitung von Infektionen eine besondere Sachkunde aufweist (§ 4 IfSG), war davon auszugehen, dass bis zum 14. Tag nach dem letzten direkten Kontakt noch eine (geringe) Wahrscheinlichkeit für eine Infektion besteht. Daher mussten sich alle Personen, die einen engen Kontakt im Sinne der Empfehlungen des RKI mit einem COVID-19-Fall hatten, in Quarantäne begeben. Erst nach dem Ablauf von 14 Tagen war sichergestellt, dass sich diese Person nicht bei der ursprünglich positiv getesteten Person angesteckt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Quarantäne daher zwingend.
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(3) Die Einstufung der Kläger als Kontaktperson der Kategorie 1 durch das Gesundheitsamt des Beklagten erfolgte in rechtmäßiger Weise.
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(aa) Die Gesundheitsämter haben bei der Einstufung von Personen als Kontaktperson der Kategorie 1 grundsätzlich einen Beurteilungsspielraum, der sich an den jeweils geltenden Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, das gemäß § 4 IfSG bei der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten und der Verhinderung der Verbreitung von Infektionen eine besondere Sachkunde aufweist, zu orientieren hat. Diese Kriterien werden auf der Homepage des Robert Koch-Instituts jeweils aktuell allgemein zugänglich dargestellt.
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(bb) Die Einordnung der Kläger als Kontaktpersonen der Kategorie 1 begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie entsprach den in diesem Zeitpunkt geltenden Empfehlungen des Robert Koch-Instituts. Danach waren aufgrund der Aerosolbildung in Innenräumen auch Personen als Kontaktperson der Kategorie 1 einzustufen, die sich zwar mehr als 1,5m weit entfernt von dem Quellfall, aber dennoch über einen längeren Zeitraum im selben Raum wie die positiv getestete Person aufgehalten haben. Diese Voraussetzungen waren bei den Klägern erfüllt, da sie am 26. Oktober 2020 den Unterricht gemeinsam mit einem positiv auf das Coronavirus getesteten Mitschüler besucht hatten. Aufgrund der damit verbundenen längeren Verweildauer im selben Raum, konnte es auf den von den Klägern eingehaltenen Mindestabstand zu dem jeweils betroffenen Mitschüler nicht ankommen. Vorliegend ist auch nicht zu beanstanden, dass das Gesundheitsamt die gesamte Schulklasse als Kontaktperson der Kategorie 1 einstufte. Dieses Vorgehen entsprach ebenfalls den Vorgaben des Robert Koch-Instituts, wonach eine Isolation für Personen in relativ beengter Raumsituation oder im Fall einer schwer zu überblickenden Kontaktsituation mit einem bestätigten COVID-19-Fall unabhängig von der individuellen Risikoermittlung angeordnet werden konnte. Die Situation des gemeinsamen Aufenthalts von Schulklassen wurde dabei in den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts ausdrücklich als eine solche Fallgruppe erfasst. Diese Einstufung beruht nicht zuletzt auch auf dem Gedanken der effektiven Gefahrenabwehr. Im Fall einer nicht überschaubaren Kontaktsituation besteht stets das Risiko einer unentdeckten Infektion und damit die Gefahr einer Verbreitung des Virus. Eine individuelle Risikoermittlung war demnach im Fall der Kläger nicht erforderlich. Die Einstufung der Kläger als Kontaktpersonen der Kategorie 1 erfolgte anhand der aktuellen Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, sodass letztlich keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der dem Beklagten zustehende Beurteilungsspielraum in rechtswidriger Weise überdehnt wurde.
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(cc) Zu einer anderen Bewertung führt auch nicht der Vortrag, mit dem sich die Kläger gegen die Labordiagnostik mittels eines PCR-Tests wenden. Dieser Test entspricht den aktuellen medizinischen Standards und wird zur Diagnostik einer Vielzahl von Infektionskrankheiten eingesetzt. Der Test wird sowohl vom Robert Koch-Institut als auch von der Weltgesundheitsorganisation als geeignet zum Nachweis einer Infektion angesehen. Nach den im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide geltenden wissenschaftlichen Erkenntnissen durfte der Beklagte aufgrund des positiven PCR-Tests eines Mitschülers der Kläger berechtigterweise davon ausgehen, dass dieser - wenn auch symptomlos - im Zeitpunkt des Kontakts mit den Klägern Träger des Virus war und damit eine potentielle Ansteckungsgefahr bestanden hat. Vor diesem Hintergrund begegnet der Anordnung des Gesundheitsamts ohne vorherige körperliche Untersuchung mit anschließender ärztlicher Diagnose keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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(dd) Das Gericht verkennt dabei nicht die mit der Einstufung als Kontaktperson der Kategorie 1 und der Verpflichtung zur 14-tägigen häuslichen Isolation einhergehende besondere Belastung der im Zeitpunkt der Mitteilungen vom 3. November 2020 erst 10-jährigen Kläger. Gleichwohl kann dies nicht dazu führen, dass eine häusliche Isolation trotz einer möglicherweise erfolgten Infektion mit dem Coronavirus unterbleibt. Vielmehr ist es Aufgabe der Erziehungsberechtigten die Quarantäne so kindgerecht wie möglich zu gestalten und altersgerecht auf den Grund und die Bedeutung der getroffenen Maßnahme einzugehen.
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II. Die Klage war mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen haben die Kläger die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO analog i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).