Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 16.04.2021 – Au 9 E 21.864
Titel:

Einstweiliger Rechtsschutz, Vorwegnahme der Hauptsache, Ausnahmegenehmigung für die Öffnung eines Modegeschäfts, Kein atypischer Einzelfall, Finanzielle Situation

Normenketten:
VwGO § 123
BayIfSMV § 12 Abs. 1 der 12.
BayIfSMV § 28 Abs. 2 der 12.
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Vorwegnahme der Hauptsache, Ausnahmegenehmigung für die Öffnung eines Modegeschäfts, Kein atypischer Einzelfall, Finanzielle Situation
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15249

Tenor

I. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Soweit das Verfahren in Ziffer I. eingestellt wird, werden die Kosten gegeneinander aufgehoben. Im Übrigen trägt die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird für den erledigten und den aufrechterhaltenen Verfahrensteil auf jeweils 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zuletzt nur noch die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Öffnung ihres Modegeschäfts im Stadtgebiet der Antragsgegnerin.
2
Die Antragstellerin ist eine Textil-Einzelhandelskette, die in Deutschland eine Vielzahl von Modegeschäften betreibt, eines davon im Stadtgebiet der Antragsgegnerin.
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Die Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) vom 5. März 2021 (BayMBl. Nr. 171, BayRS 2126-1-16-G) in der bis zum 11. April 2021 geltenden Fassung hat auszugsweise folgenden Inhalt:
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§ 12 Handels- und Dienstleistungsbetriebe, Märkte
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(1) 1In Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen eine 7-Tage-Inzidenz von 50 überschritten wird, ist die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr für Handels-, Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe untersagt. 2Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Pfandleihhäuser, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, Blumenfachgeschäfte, Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen, Baumärkte, der Verkauf von Presseartikeln, Versicherungsbüros, Buchhandlungen, Tierbedarf und Futtermittel und sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte sowie der Großhandel sowie der Großhandel. 3Der Verkauf von Waren, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen, ist untersagt. 4Für nach Satz 2 zulässigerweise geöffnete Betriebe und den Großhandel gilt:
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1. der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden eingehalten werden kann;
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2. der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 10 m2 für die ersten 800 m2 der Verkaufsfläche sowie zusätzlich ein Kunde je 20 m2 für den 800 m2 übersteigenden Teil der Verkaufsfläche;
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3. in den Verkaufsräumen, auf dem Verkaufsgelände, in den Eingangs- und Warteflächen vor den Verkaufsräumen und auf den zugehörigen Parkplätzen gilt für das Personal Maskenpflicht und für die Kunden und ihre Begleitpersonen FFP2-Maskenpflicht; soweit in Kassen- und Thekenbereichen von Ladengeschäften durch transparente oder sonst geeignete Schutzwände ein zuverlässiger Infektionsschutz gewährleistet ist, entfällt die Maskenpflicht für das Personal;
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4. der Betreiber hat für den Kundenverkehr ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.
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5Für Einkaufszentren gilt:
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1. hinsichtlich der einzelnen Ladengeschäfte gelten die Sätze 1 bis 4;
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2. hinsichtlich der Einkaufszentren gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass sich die zugelassene Kundenhöchstzahl nach der für Kunden zugänglichen Gesamtfläche des Einkaufszentrums bemisst und das Schutz- und Hygienekonzept die gesamten Kundenströme des Einkaufszentrums berücksichtigen muss.
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6Abweichend von Satz 1 ist die Abholung vorbestellter Waren in Ladengeschäften zulässig; hierfür gilt Satz 4 Nr. 1, 3 und 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass im Schutz- und Hygienekonzept insbesondere Maßnahmen vorzusehen sind, die eine Ansammlung von Kunden etwa durch gestaffelte Zeitfenster vermeiden.
7In Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen die 7-Tage-Inzidenz
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1. unter 50 liegt, ist die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr unter den Voraussetzungen des Satzes 4 zulässig,
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2. zwischen 50 und 100 liegt, ist zusätzlich zu Satz 6 die Öffnung von Ladengeschäften für einzelne Kunden nach vorheriger Terminbuchung für einen fest begrenzten Zeitraum zulässig; hierfür gilt Satz 4 Nr. 1, 3 und 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 40 m2 der Verkaufsfläche; der Betreiber hat die Kontaktdaten der Kunden nach Maßgabe von § 2 zu erheben,
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3. zwischen 100 und 200 liegt, gilt Nr. 2 mit der weiteren Maßgabe, dass Kunden nur eingelassen werden dürfen, wenn sie ein negatives Ergebnis eines vor höchstens 24 Stunden vorgenommenen POC-Antigentests oder Selbsttests oder eines vor höchstens 48 Stunden vorgenommenen PCR-Tests in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nachweisen.
(…)
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§ 28 Örtliche Maßnahmen, ergänzende Anordnungen, Ausnahmen
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(1) 1Weiter gehende Anordnungen der örtlich für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zuständigen Behörden bleiben unberührt. 2Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden können, auch soweit in dieser Verordnung Schutzmaßnahmen oder Schutz- und Hygienekonzepte vorgeschrieben sind, im Einzelfall ergänzende Anordnungen erlassen, soweit es aus infektionsschutzrechtlicher Sicht erforderlich ist.
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(2) 1Ausnahmegenehmigungen können im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. 2Ausnahmegenehmigungen, die einen generellen Personenkreis oder eine allgemeine Fallkonstellation betreffen, dürfen unter den Voraussetzungen des Satzes 1 nur im Einvernehmen mit der zuständigen Regierung erteilt werden.
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(3) In Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen eine 7-Tage-Inzidenz von 100 überschritten wird, kann die zuständige Kreisverwaltungsbehörde frühestens mit Wirkung ab dem 26. April 2021 im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und den weiteren betroffenen Staatsministerien im Rahmen von befristeten Pilotversuchen abweichend von den Bestimmungen dieser Verordnung die Öffnung bestimmter Einrichtungen im Einzelfall oder allgemein auf dem Gebiet einer Gemeinde zulassen, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar und zur Prüfung der Wirksamkeit von umfassenden Testkonzepten und von weiteren Schutz- und Hygienemaßnahmen erforderlich ist.
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Mit Schriftsatz vom 7. April 2021, eingegangen beim Verwaltungsgericht Augsburg am gleichen Tag, ließ die Antragstellerin einen auf Öffnung ihres Modegeschäfts gerichteten Eilantrag stellen und beantragte zunächst, im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass das von der Antragstellerin betriebenen Modegeschäft in der * in * ein „sonstiges für die tägliche Versorgung unverzichtbares Ladengeschäft“ im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 der 12. BayIfSMV ist und demnach unter den in § 12 Abs. 1 Satz 4 der 12. BayIfSMV aufgelisteten Voraussetzungen öffnen darf. Hilfsweise beantragte sie die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV. Die Antragstellerin führte aus, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden habe, dass Schuhgeschäfte zu den für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Ladengeschäften zählten und damit als privilegierter Handelsbetrieb geöffnet haben dürften, selbst wenn in einem Landkreis der Inzidenzwert von 100 überschritten werde. Nichts Anderes könne für das streitgegenständliche Modegeschäft der Antragstellerin gelten, da die Erwägungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch auf die von der Antragstellerin angebotenen Warenprodukte zuträfen. Ein argumentativer Unterschied zwischen Schuhen und der von der Antragstellerin angebotenen Textilbekleidung bestehe nicht.
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Durch § 1 der Verordnung vom 9. April 2021 (BayMBl. Nr. 261) wurde mit Wirkung zum 12. April 2021 die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 der 12. BayIfSMV geändert und erhielt folgenden Wortlaut:
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§ 12 Handels- und Dienstleistungsbetriebe, Märkte
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(1) (…) 2Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Versicherungsbüros, Pfandleihhäuser, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, der Verkauf von Presseartikeln, Tierbedarf und Futtermitteln sowie der Großhandel.
(…)
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Die Formulierung „und sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ wurde in der geänderten Fassung gestrichen.
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Mit Schreiben vom 13. April 2021 erklärte die Antragstellerin den Antrag auf Feststellung, dass das von ihr betriebene Modegeschäft ein „sonstiges für die tägliche Versorgung unverzichtbares Ladengeschäft“ im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 der 12. BayIfSMV ist, für erledigt. Die Antragsgegnerin stimmte der Erledigung mit Schriftsatz vom 15. April 2021 zu.
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Mit Schriftsatz vom 13. April 2021 ließ die Antragstellerin zuletzt beantragen,
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1. der Antragstellerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV von den Betriebsbeschränkungen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV erteilt, wonach der Antragstellerin die Öffnung ihres *-Modegeschäfts in der * in * unter Auflagen gestattet wird, dass (i) ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden sichergestellt wird, (ii) die in dem Modegeschäft anwesenden Kunden/Kundinnen auf maximal ein Kunde/Kundin je 10 m² für die ersten 800 m² der Verkaufsfläche sowie zusätzlich ein Kunde/eine Kundin je 20 m² für den 800 m² übersteigenden Teil der Verkaufsfläche begrenzt werden, (iii) in den Verkaufsräumen, auf dem Verkaufsgelände und auf dem zugehörigen Parkplatz (FFP 2-) Maskenpflicht für das Personal und die Kunden/Kundinnen besteht, soweit nicht durch sonstige geeignete Schutzwände ein zuverlässiger Infektionsschutz gewährleistet werden kann und (iv) das Schutzund Hygienekonzept der Antragstellerin umgesetzt wird.
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2. Hilfsweise der Antragstellerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV von den Betriebsbeschränkungen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV erteilt, wonach der Antragstellerin die Öffnung ihres *-Modegeschäfts in der * in * unter Auflagen gestattet wird, dass (i) ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden sichergestellt wird, (ii) die in dem Modegeschäft anwesenden Kunden/Kundinnen auf maximal ein Kunde/Kundin je 50 m² je Verkaufsfläche begrenzt werden, (iii) in den Verkaufsräumen, auf dem Verkaufsgelände und auf dem zugehörigen Parkplatz (FFP 2-) Maskenpflicht für das Personal und die Kunden/Kundinnen besteht, soweit nicht durch sonstige geeignete Schutzwände ein zuverlässiger Infektionsschutz gewährleistet werden kann und (iv) das Schutzund Hygienekonzept der Antragstellerin umgesetzt wird.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin befinde sich aufgrund der angeordneten Corona-Schutzmaßnahmen in einer höchst angespannten Finanzlage, mit der eine akute Gefährdung der Arbeitsplätze verbunden sei. Die Antragstellerin und ihre Tochtergesellschaften hätten beim zuständigen Insolvenzgericht am 11. Januar 2021 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung beantragt. Aufgrund der am 22. März 2021 beschlossenen Verlängerung des Lockdowns bis zum 18. April 2021 bestehe das ernste Risiko, dass die Antragstellerin ihren Geschäftsbetrieb kurzfristig einstellen müsse, sofern sie nicht erwerbswirtschaftlich weiterhin tätig sein könne. Auf staatliche finanzielle Hilfen habe sie derzeit keine konkrete Aussicht. Diese Hilfen würden zudem nicht den gleichen Effekt haben wie eine Öffnung der Ladengeschäfte. Der Antragstellerin stehe ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Öffnung des streitgegenständlichen Modegeschäfts unter den näher aufgezeigten Hygienemaßnahmen zu. Die Öffnung wäre untersagt, da im Stadtgebiet der Antragsgegnerin die 7-Tage-Inzidenz von 100 überschritten sei (§ 12 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV). Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV seien im vorliegenden Fall erfüllt. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung setze tatbestandlich einen „Einzelfall“ voraus. Gerichtliche Entscheidungen zu dieser Frage lägen bislang kaum vor. Das Verwaltungsgericht Bayreuth habe in einer Entscheidung vom 10. März 2021 ausgeführt, dass es sich um einen atypischen Einzelfall aufgrund besonderer Umstände handeln müsse. Bei der Antragstellerin liege aufgrund des geschilderten Sachverhalts und des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung die geforderte besondere Fallgestaltung vor. Die Verlängerung des aktuellen Lockdowns führe bei der Antragstellerin zu finanziellen Belastungen, die sich ganz wesentlich von denen anderer Textil-Einzelhandelsbetrieben unterscheiden würden. Es stehe außer Frage, dass auch andere Textil-Einzelhandelsbetriebe aufgrund der Corona-Betriebsbeschränkungen finanzielle Einbußen erlitten hätten, diese seien aber insgesamt nicht mit denen der Antragstellerin vergleichbar: Da sie bereits das Insolvenzverfahren angemeldet habe, werde ihr keine Überbrückungshilfe III ausbezahlt. Der verlängerte Lockdown führe bei der Antragstellerin zu einer konkreten Liquiditätslücke, die vorher so nicht bestanden habe. Die Antragstellerin habe in erheblichem Umfang Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt und einen Massekredit über 20 Millionen EUR vereinbaren können. Durch die beschlossenen Verlängerungen des Lockdowns drohe ein Umsatzverlust von bis zu ca. 16 Millionen EUR und ein Scheitern des Investorenprozesses. Aufgrund des Geschäftsmodells der *-Gruppe und ihrer Kunden liege ebenfalls ein im Vergleich zu anderen Einzelhandelsunternehmen besondere Fallgestaltung vor. Die überwiegende Zahl der Standorte befinde sich im Inland, sodass Auslandsgeschäfte wie bei anderen Textilhandelsbetrieben die Umsatzeinbußen nicht kompensieren könnten. Die Kunden seien zwischen 50 und 75 Jahren alt und weniger online-affin als andere Kundengruppen. Auch die örtlichen räumlichen Gegebenheiten würden sich von anderen Textil-Einzelhandelsbetrieben wesentlich unterscheiden. Das Modegeschäft befinde sich in einer an ein Wohngebiet und an eine Bundesstraße angrenzende Gewerbeimmobilie und somit im außerstädtischen Bereich. Es verfüge über eine große Verkaufsfläche und ein umfangreiches Parkplatzangebot. Die Öffnung des Modegeschäfts sei aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar, die Antragstellerin setze in ihren Modegeschäften die geforderten Hygienemaßnahmen um. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sei verfassungsrechtlich geboten. Es läge ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte der Antragstellerin (Art. 12, Art. 14 GG) vor. Die Coronabedingten Betriebsbeschränkungen seien nur bei Erteilung einer Ausnahmegenehmigung verhältnismäßig. Andere erfolgversprechende Wege zur Abwendung der Existenzvernichtung stünden nicht zur Verfügung. Die Geschäftsmodelle „click & collect“ und „click & meet“ sowie der Onlinehandel seien für die Antragstellerin keine geeigneten Alternativen zur Öffnung ihres Modegeschäfts. Hinzu komme, dass mit der Pflicht, vor dem Zutritt ins Ladengeschäft ein negatives Testergebnis vorzeigen zu müssen, eine weitere erhebliche Hürde geschaffen wurde, die zu einer weiteren Verringerung der Akzeptanz des „click & meet“ - Angebots führen wird.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 7. April 2021 und 13. April 2021 ergänzend verwiesen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV gewähre keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, sondern nur auf fehlerfreie Ermessensausübung. Diese setze voraus, dass eine Ausnahmegenehmigung infektionsschutzrechtlich vertretbar sei. Angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens in Augsburg sei dies zu verneinen. Der 7-Tage-Inzidenz-Wert lag laut RKI zu Wochenbeginn (12.4.2021) bei 184,8, und habe sich bis zum 14.4.2021 auf 246,1 erhöht. Der Anteil der Virusmutationen an den Neuinfektionen liege bei ca. zwei Drittel. Eine andere Beurteilung bezüglich des infektionsschutzrechtlich Vertretbaren ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin genannten Auflagen. Es sei nicht nur die Möglichkeit von Infektionen im Geschäft bzw. auf dem Parkplatz zu betrachten, sondern auch auf dem Weg dorthin. Das aktuelle Infektionsgeschehen mache es erforderlich, Personenkontakte so weit wie möglich zu vermeiden. Im Übrigen fehle es an einem atypischen Einzelfall. Auch bei anderen Modegeschäften würden sich die Corona bedingten Schließungen negativ auf deren finanzielle Situation auswirken. Das in der insolvenzrechtlichen Sondersituation der Antragstellerin staatliche Hilfen verwehrt würden, könne nicht über eine Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV ausgeglichen werden. Das Erfordernis eines negativen Testergebnisses für das Betreten des Ladens gelte für alle Geschäfte, deren Öffnung von der Inzidenz abhängig sei. Die kommunalen Testzentren seien lediglich zu 60% ausgelastet, sodass ausreichend Testmöglichkeiten bestünden. Der Hinweis auf das Verhalten der Kunden der Antragstellerin führe zu keiner anderen Bewertung. Auch bei anderen Geschäften könnten die Öffnungsmöglichkeiten nicht die bereits bestanden entstandenen Umsatzeinbußen Einbußen ausgleichen.
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Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und Einzelheiten im Übrigen wird auf die in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftsätze verwiesen.
II.
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1. Das Verfahren ist in Bezug auf den ursprünglich von der Antragstellerin gestellten Antrag aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten in den Schriftsätzen vom 13. April 2021 und 15. April 2021 in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Nach Abgabe der entsprechenden Erledigungserklärungen ist lediglich gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens insoweit nach billigem Ermessen zu entscheiden.
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2. Soweit der Antrag noch aufrechterhalten wurde, hat er keinen Erfolg.
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a) Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist statthaft. Für die begehrte Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV wäre in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zu erheben. Er ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fehlt ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
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Dem Antrag steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin bislang bei der Antragsgegnerin keine Ausnahmegenehmigung beantragt hat. Denn mit Schriftsätzen vom 12. April 2021 und 15. April 2021 hat die Antragsgegnerin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vorliegend nicht in Betracht kommt. Es wäre daher mit der in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Rechtsschutzgarantie nicht vereinbar, wenn die Antragstellerin darauf verwiesen würde, vor Durchführung des Eilverfahrens erst noch einen Antrag bei der Antragsgegnerin zu stellen, dessen Erfolglosigkeit auf der Hand liegt (vgl. hierzu Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 22 m.w.N. zur Rechtsprechung).
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Da das streitgegenständliche Modegeschäft auch nicht zu den in § 12 Abs. 1 Satz 2 der 12. BayIfSMV vom 5.3.2021 in der aktuell gültigen Fassung durch die Änderungsverordnung vom 9. April 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 261) genannten Geschäften zählt, kann der Antragstellerin auch nicht entgegengehalten werden, dass sie auf der Grundlage der 12. BayIfSMV ohnehin berechtigt wäre, ihr Modehaus in der beabsichtigten Form zu öffnen, so dass sie in diesem Fall keiner Ausnahmegenehmigung bedürfte. Aufgrund der in der Hauptsache statthaften Verpflichtungsklage ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltende Rechtslage maßgeblich (BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 15. 1854 - juris Rn. 29).
41
b) Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV für die Öffnung ihres Modegeschäfts unter den im Antrag beantragten Bedingungen glaubhaft gemacht.
42
aa) Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder wenn es aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
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Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag dann begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund).
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Da die von der Antragstellerin im Hauptantrag begehrte Ausnahmegenehmigung für das von ihr betriebenen Modegeschäft zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen würde, das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO grundsätzlich aber nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses dient, sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht und dem Antragsteller durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, B.v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 - juris; vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 - 12 CE 16.66 - juris). Der Ausgang eines eventuellen Hauptsacheverfahrens muss demnach offensichtlich erfolgreich erscheinen.
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bb) Gemessen an diesen Maßstäben ist der Antrag abzulehnen. Nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gegeben.
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(1) Im Hinblick auf den im Antragsschriftsatz geltend gemachten Umsatzverlust wurde ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) glaubhaft gemacht.
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(2) Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV glaubhaft gemacht.
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Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV kann die zuständige Kreisverwaltungsbehörde im Einzelfall auf Antrag abweichend von den Regelungen der Verordnung Ausnahmegenehmigungen erteilen, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist jedoch das Vorliegen eines besonders gelagerten Falles, der ein Abweichen von der allgemeinen Regelung rechtfertigen kann. Auch wenn der Wortlaut des § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV nicht unmittelbar das Vorliegen eines atypischen Einzelfalls fordert, entspricht es dem Wesen eines Ausnahmefalls, dass eine Konstellation vorliegt, die sich vom abstrakt-generellen Regelungszweck der Norm, von der eine Ausnahme begehrt wird, abgrenzt. Es muss sich um einen atypischen Einzelfall handeln, den der Verordnungsgeber beim Erlass der allgemein gültigen Regelungen nicht im Blick hatte. Erst wenn ein solcher Ausnahmefall vorliegt, eröffnet sich für die zuständige Behörde überhaupt ein Ermessensspielraum. Die Kreisverwaltungsbehörde hat die Wertungen des Verordnungsgebers für den Regelfall zu beachten. Dies kommt auch in § 28 Abs. 2 Satz 2 der 12. BayIfSMV zum Ausdruck, wonach Ausnahmegenehmigungen, die einen generellen Personenkreis oder eine allgemeine Fallkonstellation betreffen, unter den Voraussetzungen des Satzes 1 nur im Einvernehmen mit der zuständigen Regierung erteilt werden dürfen (VG Augsburg, B.v. 5.2.2021 - Au 9 E 21.178 - juris Rn. 43; VG Regensburg, B.v. 11.3.2021 - RO 5 E 21.358; B.v. 24.2.2021 - RO 5 E 21.170 - BeckRS 2021, 3401; VG Bayreuth, B.v. 10.3.2021 - B 7 E 21.246 - juris Rn. 31 ff.).
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Ausgehend hiervon hat die Antragstellerin das Vorliegen eines atypischen Einzelfalls im Sinn des § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV nicht glaubhaft gemacht. Die Schließung von Modegeschäften als Ladengeschäften mit Kundenverkehr, soweit die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV für eine Öffnung nicht vorliegen, und die inzidenzabhängige stufenweise Öffnung unter den in § 12 Abs. 1 Satz 7 der 12. BayIfSMV näher geregelten Voraussetzungen ist gerade der Zweck der in § 12 Abs. 1 der 12. BayIfSMV typisiert getroffenen Regelung. Gerade die Einführung des abgestuften und ausdifferenzierten Systems für die inzidenzabhängige Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr durch den Verordnungsgeber belegt das Erfordernis eines vom abstrakt generellen Regelungszweck der Norm abweichenden atypischen Einzelfalls, der die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV rechtfertigt (vgl. VG Bayreuth, B.v. 10.3.2021 - B 7 E 21.246 - juris Rn. 32). Zudem muss der Ausnahmefall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar sein.
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Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Einzelfalls nach diesen Maßstäben nicht glaubhaft gemacht. Weder das von der Antragstellerin vorgesehene Hygienekonzept noch ihre finanzielle Situation ist geeignet, einen atypischen Ausnahmefall zu begründen.
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(a) Das von der Antragstellerin vorgesehene Hygienekonzept ist nicht geeignet, einen atypischen Ausnahmefall zu rechtfertigen. Die im zuletzt gestellten Hauptantrag sowie im Hilfsantrag unter Nr. 2 vorgesehenen Bedingungen entsprechen letztlich den Vorgaben, die für eine Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr nach § 12 Abs. 1 Satz 4 der 12. BayIfSMV ohnehin erforderlich sind. Insbesondere hat nach § 12 Abs. 1 Satz 7 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 4 der 12. BayIfSMV der Betreiber für den Kundenverkehr ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten. Die Ausarbeitung des Hygienekonzepts der Antragstellerin begründet daher keinen atypischen Einzelfall.
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(b) Auch die von der Antragstellerin geschilderte wirtschaftliche Situation und das bereits eingeleitete Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung führt zu keiner anderen Beurteilung. Wie bereits ausgeführt wurde, hängt das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung insbesondere mit dem weiteren Merkmal der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit zusammen. Ziel der weitgehenden Schließung des Einzelhandels bzw. von Ladengeschäften mit Kundenverkehr ist es, die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zu flankieren und auf diese Weise das Infektionsgeschehen wieder einzudämmen, wobei die Schließung von Ladengeschäften mit Ausnahmen zu einer Vermeidung zahlreicher zufälliger Kontakte führt und zur Eingrenzung der Infektionsdynamik beiträgt (vgl. Begründung zur 11. BayIfSMV, BayMBl. 2020 Nr. 738, auf die die Begründung zu 12. BayIfSMV zur Begründung der fortgeführten Maßnahmen Bezug nimmt, BayMBl. 2021 Nr. 172 und Nr. 262). Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Betriebsschließungen betreffen alle von der Schließung betroffenen Betriebe gleichermaßen. Der Ausschluss der Antragstellerin von der Gewährung der Überbrückungshilfe III begründet keine aus infektionsschutzrechtlicher Sicht begründete Ausnahme. Der finanziellen Situation der betroffenen Geschäfte wurde durch die Gewährung staatlicher Wirtschaftshilfen Rechnung getragen. Eine Kompensation des Ausschlusses der Antragstellerin von der Überbrückungshilfe über den Weg der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung würde dem ausschließlich aus infektionsschutzrechtlicher Sicht zu betrachtenden Konzept der Ausnahmegenehmigung entgegenstehen. Das Gericht verkennt insoweit nicht die schwierige finanzielle Situation der Antragstellerin. Diese betrifft jedoch jede Textil-Einzelhandelskette in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
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Weitere Anhaltspunkte, die ggf. einen atypischen Ausnahmefall rechtfertigen sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
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(c) Angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens im Bereich der Antragsgegnerin - der aktuelle 7-Tages-Inzidenzwert liegt nach den Angaben des RKI am 16.4.2021 bei 254,2 (Robert Koch-Institut, COVID-19- Dashboard, https://experience.arcgis.com/experience/ 478220a4c4544 80e823b17327b2bf1d4/page/page_1/) - ist die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit als weitere Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV nicht gegeben ist, unter Berücksichtigung der Entscheidung des Verordnungsgebers, Personenkontakte soweit wie möglich zu vermeiden und die Öffnung von Geschäften nur beschränkt zuzulassen, rechtlich nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass der hohe Inzidenzwert auf ein abgrenzbares und leicht kontrollierbares Ausbruchsgeschehen zurückgeht, bestehen nicht.
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(d) Da bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV nicht vorliegen, ist für die Antragsgegnerin ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht eröffnet. Da die Situation der Antragstellerin auf eine Vielzahl von der Schließung betroffene Unternehmen zutrifft, handelt es sich zudem um eine allgemeine Fallgestaltung im Sinn von § 28 Abs. 2 Satz 2 der 12. BayIfSMV, so dass Ausnahmegenehmigungen nur unter der zusätzlichen Voraussetzung eines Einvernehmens der zuständigen Regierung erteilt werden kann. Die von der Antragstellerin angenommene Sondersituation infolge des bereits eingeleiteten Insolvenzverfahrens und dem Ausschluss der Überbrückungshilfe, teilt das Gericht nicht.
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(3) Es bestehen auch im Hinblick auf die Grundrechte der Antragstellerin keine durchgreifenden Bedenken an der Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der Regelungen der Vorschrift des § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV. Eine Abwägung zwischen den betroffenen Grundrechten der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG (Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung) und Art. 14 Abs. 1 GG (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) mit dem Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG einer Vielzahl von Menschen ergibt den Vorrang des Schutzes von Leben und Gesundheit (vgl. BayVGH, B.v. 25.11.2020 - 20 NE 20.2588 - juris Rn. 16; VG Regensburg, B.v. 11.3.2021 - RO 5 E 21.358).
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(4) Sofern die Antragstellerin die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Regelungen in § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 7 der 12. BayIfSMV in Zweifel zieht, ist sie auf die direkte Überprüfung der entsprechenden Regelungen der 12. BayIfSMV vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Wege eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bzw. § 47 Abs. 6 VwGO zu verweisen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 26.10.2020 - 20 CE 20.2185 - juris Rn. 14).
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c) Nach alledem waren sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag mit der Kostenfolgeaus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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d) Hinsichtlich des aufgrund der übereinstimmend abgegebenen Erledigungserklärungen eingestellten Verfahrensteils war gemäß § 161 Abs. 2 VwGO eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen zu treffen. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten insoweit gegeneinander aufzuheben, da aufgrund der im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Regelung in § 12 Abs. 1 Satz 2 der 12. BayIfSMV und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 31.3.2021 - 20 NE 21.540) zu der Auslegung des Begriffs „sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ die Erfolgsaussichten des Antrags zumindest offen zu bewerten waren. Mit Änderung der entsprechenden Regelung mit Wirkung zum 12. April 2021 wurde dem Antrag rechtlich die Grundlage entzogen. Diesem Umstand hat die Antragstellerin durch die umgehende Erklärung der Erledigung Rechnung getragen. Eine umfassende Prüfung, ob das von der Antragstellerin betriebene Modegeschäft mit den der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrundeliegenden Schuhgeschäften vergleichbar ist, war im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach Änderung der Rechtslage nicht mehr geboten.
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3. Die Streitwertfestsetzung folgt jeweils aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl., Sonderbeilage Januar 2014). Nach dessen Nr. 1.5 beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel die Hälfte des in der Hauptsache gebotenen Streitwerts. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Das Gericht erachtet den für erledigt erklärten und den aufrechterhaltenen Verfahrensteil kostenrechtlich für gleichwertig und hält einen Streitwert von jeweils 2.500 EUR für angemessen.