Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 06.05.2021 – Au 2 K 21.68
Titel:

Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag - Festsetzungsverjährung

Normenketten:
KAG Art. 5 Abs. 5, Art. 19 Abs. 8
AO § 169
Leitsatz:
Die sachliche Beitragspflicht für einen Straßenausbaubeitrag kann erst entstehen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen und feststeht, in welcher Höhe der auf die beitragspflichtigen Grundstücke umzulegende Aufwand angefallen ist. Das ist regelmäßig erst dann der Fall, wenn die letzte, die Baumaßnahmen betreffende Unternehmerrechnung bei der Gemeinde eingeht. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenausbaubeitragsrecht, Anspruch auf Rückerstattung einer Vorauszahlung nach Eigentümerwechsel vor Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, bestandskräftiger Vorauszahlungsbescheid, Möglichkeit der fiktiven Abrechnung bis 31.12.2024, Eintritt der Festsetzungsverjährung (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15247

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger war bis 19. Januar 2018 Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... (Anwesen ...str. ...). Das Grundstück war mit notariellem Kaufvertrag vom 6. November 2017 - URNr. ... - verkauft und die Rechtsänderung am 19. Januar 2018 in das Grundbuch eingetragen worden.
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Der Beklagte hat den Kläger gestützt auf die am 7. Juni 2003 in Kraft getretene Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen vom 30. Mai 2003 (Ausbaubeitragssatzung - ABS) mit Bescheid der insoweit für den Beklagten handelnden Verwaltungsgemeinschaft ... vom 6. Juni 2012 wegen der Durchführung von Maßnahmen zur Erneuerung und Verbesserung der als O. straße gewidmeten ...straße zur Leistung einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 2.086,33 EUR herangezogen. Auf den vom Kläger hiergegen erhobenen Widerspruch hob das Landratsamt ... den Vorauszahlungsbescheid der Verwaltungsgemeinschaft ... vom 6. Juni 2012 mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2014 insoweit auf, als die Vorauszahlungsforderung über den Betrag von 1.735,86 EUR hinausgegangen war und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Der Vorauszahlungsbescheid der Verwaltungsgemeinschaft ... vom 6. Juni 2012 erlangte in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 5. Dezember 2014 am 29. Januar 2015 Bestandskraft. Dem Kläger wurde vom Beklagten der zu viel geleistete Vorauszahlungsbetrag in Höhe von 350,47 EUR zurückerstattet.
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Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 30. März 2019 ließ der Kläger beim Beklagten sinngemäß beantragen, den Vorauszahlungsbescheid vom 6. Juni 2012 durch die Verwaltungsgemeinschaft ... aufheben zu lassen und die erbrachte Vorauszahlung in Höhe von 2.086,33 EUR bis 30. April 2019 an den Kläger zurückzuerstatten. Daraufhin teilte die Verwaltungsgemeinschaft ... dem Kläger im Auftrag des Beklagten unter dem 25. April 2019 mit, dass eine Rückzahlung nicht möglich sei. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 29. Mai 2019 ließ der Kläger seine Forderung wiederholen, die mit Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft ... vom 21. Juni 2019 für den Beklagten erneut zurückgewiesen wurde.
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Am 7. Oktober 2019 ließ der Kläger daraufhin Klage erheben. Beantragt war zunächst, den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 2.086,33 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Mai 2019 zu zahlen.
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Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 31. Dezember 2019 wurde das Klagebegehren im Hinblick auf das Ergebnis des - teilweise erfolgreichen - Widerspruchsverfahrens reduziert und die Klage dadurch teilweise zurückgenommen. Es ist nunmehr nur noch beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, den Vorauszahlungsbescheid vom 6. Juni 2012, soweit er nicht bereits durch den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 5. Dezember 2014 aufgehoben wurde, aufzuheben und an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.735,86 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Mai 2019 zu zahlen.
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Zur Begründung wurde dargelegt, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Rechtsanspruch auf Rückzahlung seiner Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für die Verbesserung/Erneuerung der ...straße in ... in Höhe von 1.735,86 EUR habe. Da der Kläger das mit Bescheid vom 6. Juni 2012 zur Vorauszahlung herangezogene Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom 6. November 2017 verkauft habe und die Rechtsänderung am 19. Januar 2018 in das Grundbuch eingetragen worden sei habe dies zur Folge, dass in Bezug auf den Kläger nunmehr eine endgültige Beitragspflicht nicht mehr entstehen könne. Hieraus folge ein Rückzahlungsanspruch des Klägers. Die Vorauszahlung sei nach Art. 5 Abs. 5 Satz 2 KAG mit der endgültigen Beitragspflicht zu verrechnen, d.h., sie sei dazu bestimmt, die spätere endgültige Beitragsforderung in Höhe des gezahlten Betrags zu tilgen. Die Tilgungswirkung trete von selbst, ohne dass es hierzu eines Verwaltungsakts bedürfe, in dem Zeitpunkt ein, in dem die endgültige sachliche Beitragspflicht für das betreffende Grundstück entstehe. Der Rechtfertigungsgrund einer Vorauszahlung entfalle jedoch, wenn eine Beitragspflicht endgültig nicht mehr entstehen könne. Die Abhängigkeit der Vorauszahlung von der späteren Beitragspflicht bewirke, dass für den Erlass des Vorauszahlungsbescheids zwar die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG gegeben sein müssten, die Vorauszahlung aber im Übrigen das rechtliche Schicksal des endgültigen Straßenausbaubeitrags insofern teile, als auch die Rechtsgrundlage entfalle, sobald feststehe, dass eine Beitragspflicht endgültig nicht entstehen könne. Diese Voraussetzungen hätten mit dem Eigentumsübergang am Grundstück Fl.Nr. ... am 19. Januar 2018 vorgelegen. In diesem Zeitpunkt sei der Vorauszahlungsbescheid des Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids rechtswidrig geworden und habe seine Eigenschaft als Rechtsgrundlage für das weitere Einbehalten der vom Kläger erbrachten Vorauszahlung verloren.
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Weder Art. 19 Abs. 8 KAG noch Art. 5 Abs. 5 Satz 2 KAG stünden der Rückzahlungsforderung entgegen, da der Straßenausbaubeitrag für die Erneuerung der ...straße auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung nach Art. 19 Abs. 8 Satz 2 KAG nicht mehr gegenüber dem neuen Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... geltend gemacht werden könnte. Zwischenzeitlich sei Festsetzungsverjährung gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO eingetreten. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass der Beklagte über eine wirksame Straßenausbaubeitragssatzung vom 30. Mai 2003 verfüge. Die Zinsforderung ergebe sich aus der hier notwendigen analogen Anwendung von § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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Der Beklagte wandte sich mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 31. Oktober 2019 gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 27. Februar 2020 wurde unter Verweis auf die Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft ... vom 25. April 2019 und 21. Juni 2019 dargelegt, dass dem Kläger kein „anderer“ Erstattungsanspruch im Sinn von Art. 19 Abs. 8 Satz 6 KAG zustehe. Im Übrigen unterscheide sich der vorliegende Fall von dem mit Urteil vom 16. November 2018 durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall dadurch, dass hier der Vorauszahlungsbescheid Bestandskraft erlangt habe und dies den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der vereinnahmten Vorauszahlung bilde. Die - auch eine eingetretene Bestandskraft durchbrechende - Wirkung von Art. 5 Abs. 5 Satz 3 KAG komme dem Kläger nicht zugute, da Art. 5 Abs. 5 Satz 3 KAG im Fall des Eigentümerwechsels keinen Rückzahlungsanspruch auslöse, da nach Art. 5 Abs. 5 Satz 2 KAG die Vorauszahlung mit der endgültigen Beitragsschuld des neuen Eigentümers zu verrechnen sei. Auf die Frage, ob hinsichtlich einer endgültigen Beitragsforderung Festsetzungsverjährung eingetreten sei oder nicht, komme es daher nicht mehr an. Verzugszinsen könnten bei einer öffentlich-rechtlichen Forderung nicht geltend gemacht werden, da hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Regelung vorhanden sein müsse, die aber nicht bestehe. Bei der zitierten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 13.10.1998 - 23 B 96.2491 - juris Rn. 34) sei über zivilrechtliche Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu entscheiden gewesen, d.h. es habe sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Forderung gehandelt.
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Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 27. März 2020 wurde erwidert, dass es auf die Frage des Eintritts der Festsetzungsverjährung ankomme, da der Straßenausbaubeitrag dann auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung nach Art. 19 Abs. 8 Satz 2 KAG nicht mehr gegenüber dem neuen Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... geltend gemacht werden könne. Dies führe auch dazu, dass der Beklagte nicht mehr berechtigt sei, die vom Kläger entrichtete Vorauszahlung zu behalten.
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Mit Beschluss vom 12. Januar 2021 wurde der nicht von der teilweisen Klagerücknahme erfasste Verfahrensteil abgetrennt und unter dem jetzigen Aktenzeichen fortgeführt. Das verbleibende Verfahren Au 2 K 19.1635 wurde nach der im Schriftsatz vom 31. Dezember 2020 durch die Reduzierung der Klageforderung zum Ausdruck gebrachten (teilweisen) Klagerücknahme eingestellt.
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Auf Anforderung des Gerichts wurden vom Beklagten mit Schriftsatz vom 12. April 2021 u.a. Unterlagen zur Flurbereinigungsverfahren „Dorferneuerung ...“ vorgelegt und mitgeteilt, dass die Straßenausbaumaßnahme ...straße noch nicht abrechenbar sei, weil die im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens erfolgenden Grundstücksveränderungen und daraus resultierende finanzielle Ausgleichsleistungen von der Flurbereinigungsbehörde noch nicht abschließend geregelt seien. Die Vorteilslage sei aus Sicht des Beklagten im Jahr 2012 eingetreten.
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Der Klägerbevollmächtigte führte mit Schriftsatz vom 21. April 2021 aus, dass im Bereich der ...straße kein Straßengrunderwerb stattgefunden habe und es für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht deswegen nicht auf den Abschluss des Flurbereinigungsverfahrens „Dorferneuerung ...“ ankomme.
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Der Beklagte ließ hierzu mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27. April 2021 vortragen, dass die Feststellung, ob ein Straßengrunderwerb erfolgt sei, erst nach Beendigung des noch laufenden Flurbereinigungsverfahrens möglich sei.
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Die Parteien verzichteten schriftsätzlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und erklärten sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einverstanden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakten sowie der beigezogenen Widerspruchsakten des Landratsamts ... Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte aufgrund des Einverständnisses der Parteien hiermit durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 87a Abs. 2, § 101 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des bestandskräftigen von der Verwaltungsgemeinschaft ... im Auftrag des Beklagten erlassenen Vorauszahlungsbescheids vom 6. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 5. Dezember 2014 und Erstattung der geleisteten Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 1.735,86 EUR. Der Vorauszahlungsbescheid vom 6. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 5. Dezember 2014 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - nach wie vor - rechtmäßig und stellt damit den Rechtsgrund für das Einbehalten der Vorauszahlung durch den Beklagten dar.
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Ein Fall, in dem der streitgegenständliche Vorauszahlungsbescheid deshalb aufzuheben wäre, weil wegen des Ablaufs der Ausschlussfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht zwingend ausgeschlossen ist und der - vor Fristablauf erlassene - Vorauszahlungsbescheid keinen Rechtsgrund mehr für das Behaltendürfen der vereinnahmten Vorauszahlung darstellt (BayVGH, U.v. 16.11.2018 - 6 BV 18.445 - juris) liegt nicht vor. Zum einen gelten für das Straßenausbaubeitragsrecht wegen der zum 1. Januar 2018 erfolgten Abschaffung der Möglichkeit zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen spezielle Übergangsvorschriften, die, wie insbesondere Art. 19 Abs. 7 und Abs. 8 KAG, Konstellationen der vorliegenden Art für einen begrenzten Zeitraum regeln (BayVGH, B.v. 7.4.2020 - 6 ZB 19.1904 - BeckRS 2020, 14697 Rn. 6). Zum anderen hat der Vorauszahlungsbescheid vom 6. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 5. Dezember 2014 - anders als in dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschieden Fall - Bestandskraft erlangt.
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Auch nach Art. 19 Abs. 8 Satz 1 KAG hat der Kläger keinen Anspruch auf die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids. Danach hebt die Gemeinde Vorauszahlungsbescheide ab dem 1. Januar 2025 auf Antrag auf und erstattet die Vorauszahlungen ab dem 1. Mai 2025 zurück, wenn sie bis zum 31. Dezember 2017 Vorauszahlungen auf den Beitrag für Straßenausbaubeitragsmaßnahmen erhoben hatte, aber der endgültige Beitrag noch nicht festgesetzt wurde. Dies gilt jedoch gemäß Art. 19 Abs. 8 Satz 2 KAG nicht, wenn die Vorteilslage ist bis zum 31. Dezember 2024 entstanden ist und die Gemeinde eine fiktive Abrechnung des endgültigen Beitrags vorgenommen hat (vgl. zur Frage des anzuwendenden Rechts BayVGH, U.v. 27.6.2019 - 6 BV 19.81 - juris Rn. 15). Nach Art. 5 Abs. 5 Satz 2 KAG, der hier gemäß Art. 19 Abs. 7 Satz 5 und Satz 1 KAG in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung zur Anwendung kommt, weil die Vorauszahlung bis zum 31. Dezember 2017 durch Bescheid festgesetzt wurde, ist die Vorauszahlung mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorauszahlende nicht beitragspflichtig ist. Aufgrund des mit der vollständigen Umsetzung des Bauprogramms und dem Abschluss der Baumaßnahmen verbundenen Eintritts der Vorteilslage an der ...straße im Jahr 2012 hat der Beklagte noch bis zum 31. Dezember 2024 die Möglichkeit, eine fiktive Abrechnung des endgültigen Beitrags unter Anrechnung der geleisteten Vorauszahlung vorzunehmen und damit die Entstehung des in Art. 19 Abs. 8 Satz 1 KAG normierten Rückzahlungsanspruchs auszuschließen, es sei denn, die Festsetzungsverjährung für den endgültigen Bescheid war bis zu diesem Zeitpunkt bereits eingetreten (s. hierzu Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand August 2020, Rn. 2203).
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Im vorliegenden Fall steht jedoch der Eintritt der Festsetzungsverjährung gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb KAG i.V.m. § 169 AO der fiktiven Abrechnung nicht entgegen, da die sachliche Beitragspflicht und damit der endgültige Straßenausbaubeitrag noch nicht entstanden ist. Dabei kann hier dahinstehen, ob bereits der Umstand, dass u.a. das vorauszahlungspflichtige Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... ebenso wie die ...straße gemäß dem Inhalt des Flurbereinigungsbeschlusses der damaligen Direktion für Ländliche Entwicklung ... vom 17. September 2003 i.d.F. des Änderungsbeschlusses des Amts für Ländliche Entwicklung ... vom 7. Januar 2020 im Verfahrensgebiet des noch nicht abgeschlossen Flurbereinigungsverfahrens „Dorferneuerung ...“ liegen (Bl. 87 bis 94 der Gerichtsakte), dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht entgegensteht (s. hierzu z.B. BVerwG, U.v. 5.5.2015 - 9 C 14.14 - BayVBl 2015, 787 betreffend das Umlegungsverfahren nach §§ 45 ff. BauGB; Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 416).
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Jedenfalls konnte der endgültige Straßenausbaubeitrag deswegen noch nicht entstehen, weil der umlagefähige Aufwand nicht abschließend feststeht. Die sachliche Beitragspflicht kann erst entstehen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen und feststeht, in welcher Höhe der auf die beitragspflichtigen Grundstücke umzulegende Aufwand angefallen ist. Das ist regelmäßig erst dann der Fall, wenn die letzte, die Baumaßnahmen betreffende Unternehmerrechnung bei der Gemeinde eingeht. Steht noch eine Rechnung aus, kann der Aufwand der Straßenbaumaßnahmen nicht beziffert werden mit der Folge, dass die sachliche Beitragspflicht nicht entsteht und die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist nicht zu laufen beginnt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 26.1.2006 - 6 ZB 03.385 - juris Rn. 6). Hier steht die Höhe der Ausgleichsleistungen für den im Flurbereinigungsverfahren „Dorferneuerung ...“ nach Maßgabe des im Flurbereinigungsplan (§ 58 FlurbG) zu regelnden Grunderwerbs, der gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 ABS zum Abschluss der Ausbaumaßnahme gehört, noch nicht fest, da die nach den Angaben der Flurbereinigungsbehörde für Ende 2021 zu erwartende Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans noch nicht erfolgt ist und die nach Eintritt der Bestandskraft des Flurbereinigungsplans gemäß § 61 FlurbG vorgesehene Ausführungsanordnung mit der Regelung des Zeitpunkts der Geltung des neuen Rechtszustands noch nicht erlassen wurde (s. hierzu VG Bayreuth, U.v. 18.12.2002 - B 4 K 01.500 - juris Rn. 28).
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Damit konnte hier dahingestellt bleiben, ob ein Rückzahlungsanspruch in Bezug auf eine geleistete Vorauszahlung entstehen kann, wenn eine endgültige Festsetzung des Straßenausbaubeitrags infolge des Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich ist (s. hierzu z.B. BayVGH, B.v. 17.1.2011 - 6 CE 10.2875 - juris Rn. 12 m.w.N.; Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 2180).
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Ein Anspruch auf Erstattung der Vorauszahlung aus anderen Gründen im Sinn von Art. 19 Abs. 8 Satz 6 KAG ist weder geltend gemacht, noch sonst erkennbar (z.B. die endgültige Aufgabe der Ausbaumaßnahme).
28
Da kein Anspruch auf Aufhebung des bestandskräftigen Vorauszahlungsbescheids besteht, kann auch kein Anspruch auf Erstattung der geleisteten Vorauszahlung und ein daraus abgeleiteter Zinsanspruch geltend gemacht werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
31
Die Berufung war nicht zuzulassen, da kein Grund hierfür gegeben ist (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO).