Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 19.05.2021 – Au 9 E 21.1159
Titel:

Untersagung der Öffnung eines Freizeitparks während der Corona-Pandemie

Normenketten:
IfSG § 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Nr. 5 (idF bis 30.6.2021)
IfSG § 28 Abs. 2 (idF bis 23.11.2021)
1. BayIfSMV § 28 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die in § 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 IfSG (idF bis 30.6.2021) inzidenzabhängig getroffene Untersagungsregelung begegnet bei summarischer Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht zu beanstanden, dass sowohl der Bundesgesetzgeber als auch der landesrechtliche Verordnungsgeber im Hinblick auf den maßgeblichen Einfluss auf das Infektionsgeschehen zwischen reinen Freizeitparks und zoologischen und botanischen Gärten differenziert. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Erst wenn die inzidenzabhängige Untersagung aus § 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 IfSG (idF bis 30.6.2021) unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 IfSG (idF bis 23.11.2021) außer Kraft getreten ist, kann eine Ausnahmegenehmigung auf der Grundlage des § 28 Abs. 2 S. 1 der 12. BayIfSMV erteilt werden. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtsschutz, Corona-Pandemie, Betrieb eines Freizeitparks mit Hygienekonzept, Inzidenzunabhängige Öffnung, Coronavirus, Inzidenz, Schließung von Freizeiteinrichtungen, Freizeitpark, Ausnahmegenehmigung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15246

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Hauptantrag die Feststellung, dass sie berechtigt ist, einen von ihr betriebenen Freizeitpark unter Einhaltung eines Hygienekonzepts für den Publikumsverkehr zu öffnen. Im Hilfsantrag begehrt sie die Feststellung, dass sie zur Eröffnung berechtigt ist, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz je 100.000 Einwohner den Schwellenwert von 100 an drei aufeinander folgenden Tagen nicht überschreitet.
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Die Antragstellerin ist Betreiberin des Freizeitparks „...“ in ....
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In § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist bestimmt, dass in Fällen, in denen in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen die durch das Robert Koch-Institut veröffentlichte Anzahl der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) den Schwellenwert von 100 überschreitet, die Öffnung von Freizeiteinrichtungen wie insbesondere Freizeitparks untersagt ist.
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Die Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) vom 5. März 2021 (BayMBl. Nr. 171, BayRS 2126-11-16-G), zuletzt geändert durch Verordnung vom 14. Mai 2021 (BayMBl. Nr. 337) verbietet in § 11 Abs. 1 Satz 1 den Betrieb von Freizeitparks, Indoorspielplätzen und vergleichbaren ortsfesten Freizeiteinrichtungen.
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Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 17. Mai 2021 im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg beantragt,
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Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin berechtigt ist, ihren Freizeitpark ... -, ... - ab sofort für den Publikumsverkehr unter Einhaltung ihres Hygienekonzepts und Einhaltung der jeweils geltenden Hygienevorgaben der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung zu öffnen.
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Hilfsweise wird beantragt,
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Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin berechtigt ist, ihren Freizeitpark ... -, ... - ab sofort für Publikumsverkehr unter Einhaltung ihres Hygienekonzepts und Einhaltung der jeweils geltenden Hygienevorgaben der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung zu öffnen, wenn und soweit die durch das Robert Koch-Institut veröffentlichte Anzahl der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen den Schwellenwert von 100 nicht an drei aufeinanderfolgenden Tagen überschreitet, mit der Folge, dass das Verbot aus § 28b Abs. 1 Nr. 10 IfSG gilt.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Antrag gem. § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig und begründet sei. Die Antragstellerin begehre im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO die vorläufige Feststellung, dass es ihr erlaubt sei, ihren Freizeitpark für Publikumsverkehr zu öffnen. Die Anordnungen der Betriebsschließung in § 11 Abs. 1 der 12. BayIfSMV und § 28b Abs. 1 Nr. 3 IfSG stellten jeweils ein unmittelbar geltendes Verbot dar. In der Hauptsache wäre eine negative Feststellungsklage nach § 43 VwGO zu erheben. Der Antragstellerin gehe es nicht um die Feststellung, dass die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung hinsichtlich der Schließung der Freizeitparks rechtswidrig und daher im gesamten Freistaat Bayern außer Vollzug zu setzen sei (§ 47 Abs. 6 VwGO). Vielmehr gehe es der Antragstellerin darum, in ihrem individuellen Fall feststellen zu lassen, dass sie ihren Freizeitpark unter Einhaltung des von ihr ausgearbeiteten Hygienekonzepts öffnen dürfe. Eine Umgehung des Rechtsschutzverfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO sei hiermit nicht verbunden. Die Antragstellerin sei auch antragsbefugt. Als Betreiberin eines Freizeitparks sei sie durch das Verbot der Öffnung ihres Betriebs für Publikumsverkehr unmittelbar und individuell betroffen. Der Antrag sei auch begründet. Die von der Antragstellerin begehrte Feststellung stelle sich angesichts der befristeten Geltung der streitgegenständlichen Normen als eine endgültige Vorwegnahme der Hauptsache dar. Sowohl Anordnungsgrund als auch Anordnungsanspruch seien gegeben. Die Antragstellerin werde in einer eventuellen Hauptsache obsiegen, weil die angegriffenen Verbote rechtswidrig seien, sodass der Erlass der beantragten Regelungsanordnung angezeigt sei. Eine Betriebsschließung als Infektionsschutzmaßnahme sei nach den §§ 28 und 28a IfSG nur dann zulässig, wenn sie „notwendig“ sei. Hieran fehle es. Die Schließung des Freizeitparks der Antragstellerin sei unverhältnismäßig und damit auch nicht „notwendig“ i.S.d. §§ 28 und 28a IfSG. Die Schließung des Betriebes der Antragstellerin sei jedenfalls nicht erforderlich. Eine komplette Schließung sei weder unausweichlich noch alternativlos. An der frischen Luft sei eine Anreicherung mit Aerosolen ausgeschlossen. Das Risiko von Ansteckungen im Freien liege im Promillebereich. Es liege auch keine Erschöpfung des Gesundheitssystems nahe. Aus den Inzidenzen lasse sich nicht wirksam auf eine Auslastung des Gesundheitssystems schließen. Dies gelte umso weniger je mehr Menschen inzwischen geimpft seien. Freizeitparks seien keine Treiber der Pandemie. Auch eine mangelnde Datenlage zu Infektionsorten könne derartige Grundrechtseingriffe nicht rechtfertigen. Nur weil das Infektionsgeschehen diffus sei und sich Infektionsketten größtenteils nicht mehr zurückverfolgen ließen, läge die Schließung von Freizeitparks an der frischen Luft als Lösung nicht nahe. Es sei jedenfalls ein milderes Mittel als die vollständige Schließung vorhanden. Ebenso effektiv wie eine Schließung des ... sei die Umsetzung des hier streitgegenständlichen Hygienekonzepts. Vorgesehen sei, eine Einlassverweigerung ohne vorherigen Nachweis eines negativen Tests oder einer ausreichenden Immunisierung, der Online-Ticket Verkauf, eine Maskenpflicht, ein Abstandsgebot von 1,5 m, ein kontaktloses System zur Zugangskontrolle, eine verringerte Auslastung der Fahrgeschäfte, sowie weitere geeignete Hygienemaßnahmen, einschließlich der Überprüfung der Einhaltung der Maßnahmen durch Sicherheits- und Ordnungskräfte. Die mit § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV und § 28b Abs. 1 Nr. 3 IfSG angeordneten Betriebsschließungen seien auch nicht angemessen. Die Schließung - gleich bei welcher Inzidenz - stelle für die Antragstellerin einen erheblichen und schwerwiegenden Grundrechtseingriff in Art. 12 Grundgesetz (GG) und Art. 14 GG in Form des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs dar. Die vorzunehmende Abwägung führe zu dem Ergebnis, dass die hier angegriffene Regelung für die Antragstellerin unzumutbar sei. Die Antragstellerin habe umfangreiche Hygienemaßnahmen ergriffen, um aufwendig die Sicherheit und den Schutz der Besucher und Mitarbeiter, sowie die Verbreitung des COVID-19-Virus einzudämmen. Darüber hinaus verstoße die Anordnung der Schließung gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da andere, für das Infektionsgeschehen gleichwohl relevantere Betriebe nicht von einer Betriebsschließung betroffen seien. Insbesondere dürften vergleichbare Freizeiteinrichtungen wie Zoos und botanische Gärten ihre Außenbereiche unter Einhaltung bestimmter Schutzmaßnahmen weiter öffnen. Bei den Außenbereichen von Zoos und Freizeitparks handle es sich aber um einen vergleichbaren Sachverhalt. Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Andere Betriebe, die sich nicht ausschließlich im Freien befänden, seien als erheblich gefährlicher einzustufen als Freizeitparks. Ein Abwarten auf ein Hauptsacheverfahren sei für die Antragstellerin aufgrund der zeitlich befristeten Geltung der 12. BaylfSMV und § 28b IfSG nicht zumutbar, da bis dahin nicht mit einer Entscheidung in einer eventuellen Hauptsache gerechnet werden könne.
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Auf den weiteren Vortrag im Antragsschriftsatz vom 17. Mai 2021 wird ergänzend verwiesen.
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Der Antrag wurde dem Antragsgegner zugeleitet. Wegen der Eilbedürftigkeit wurde von der Notwendigkeit einer Stellungnahme abgesehen.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Er ist bezogen auf Haupt- und Hilfsantrag zwar zulässig, aber unbegründet.
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1. Der gestellte Hauptantrag ist zulässig.
15
Der auf bloße Feststellung gerichtete Antrag, dass die Antragstellerin berechtigt ist, den von ihr betriebenen Freizeitpark entgegen der gesetzlichen Bestimmungen in § 28b Abs. 1 Satz 3 IfSG - Untersagung der Öffnung von Freizeiteinrichtungen wie insbesondere Freizeitparks bei Überschreiten einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 an drei aufeinander folgenden Tagen - bzw. in § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV unter Anwendung des von ihr entwickelten Hygienekonzepts zu öffnen und zu betreiben, ist ausnahmsweise statthaft, da sich die Frage der Zulässigkeit des Betriebs des Freizeitparks unmittelbar nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG bzw. § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV beurteilt, ohne das hierzu eine behördliche Zulassungsentscheidung vorgesehen wäre. Damit ist aber das vorläufige Feststellungsbegehren der Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren statthaft.
16
Vorliegend begehrt die Antragstellerin nicht abstrakt die Klärung der Gültigkeit oder Nichtigkeit der zugrundeliegenden Rechtsnormen, insbesondere von § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BaylfSMV, so dass dem Antrag nicht die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen eines eventuellen Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen die Bestimmung in § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV entgegensteht. Vielmehr stellt die Antragstellerin die Anwendung der Rechtsnorm, mithin das Bestehen oder Nichtbestehen bestimmter aus der Norm resultierender Pflichten auf einen bestimmten Sachverhalt - hier der Öffnung des Freizeitparks unter Berücksichtigung des von ihr ausgearbeiteten Hygienekonzepts -, streitig. Dass die Antragstellerin ihr Begehren (auch) auf die Ungültigkeit der zugrunde liegenden Rechtsnorm stützt, ist für die Statthaftigkeit des Antrags ohne Belang. Es liegt damit jedenfalls ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor, so dass der vorläufige Rechtsschutz nach § 123 VwGO in der Sache eröffnet ist.
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Die Antragstellerin ist auch in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass zu ihren Gunsten wegen der geltend gemachten Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 GG ein Anspruch auf ausnahmsweise Öffnung und Betrieb des Freizeitparks besteht.
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2. Der Antrag ist im Hauptantrag jedoch unbegründet.
19
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des jeweiligen Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder eine drohende Gefahr zu verhindern oder wenn dies aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich sind danach ein Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der Sache, sowie ein Anordnungsanspruch, d.h. ein Anspruch auf die begehrte Maßnahme, die nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen sind. Dies ist der Fall, wenn sich das Vorliegen eines Anordnungsgrunds und Anordnungsanspruch als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
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Da die von der Antragstellerin begehrte Feststellung, zur Öffnung ihres Freizeitparks ungeachtet der inzidenzabhängigen Untersagung in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG bzw. des generellen Verbots in § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV berechtigt zu sein, zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen würde, das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO grundsätzlich aber nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses dient, sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht und dem Antragsteller durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, B.v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 - juris; vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 - 12 CE 16.66 - juris). Der Ausgang eines eventuellen Hauptsacheverfahrens muss demnach für die Antragstellerin offensichtlich erfolgreich erscheinen.
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Gemessen an diesen Maßstäben ist der Antrag abzulehnen. Nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls derzeit nicht gegeben.
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a) Im Hinblick auf den im Antragsschriftsatz geltend gemachten, nicht unerheblichen Umsatzverlust der Antragstellerin bei fortdauernder Schließung seines Freizeitparks wurde ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) glaubhaft gemacht.
23
b) Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage besitzt die Antragstellerin derzeit aber keinen Anspruch auf Öffnung des von ihr betriebenen Freizeitparks. Dies ergibt sich bereits aus der insoweit eindeutigen Regelung in §§ 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG der unabhängig von dem von der Antragstellerin vorgelegten Hygienekonzept eine Öffnung des Freizeitparks untersagt. Damit bliebe aber auch ein eventuelles Hauptsacheverfahren der Antragstellerin voraussichtlich ohne Erfolg.
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aa) Dem streitgegenständlichen Betrieb des Freizeitparks steht derzeit bereits die ausdrückliche Bestimmung in § 28b Abs. 1 Satz Nr. 3 IfSG entgegen, nachdem die in § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG für maßgeblich erklärte Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis ... seit längerem den Schwellenwert von 100 überschreitet und zuletzt erneut angestiegen ist. Stand 18. Mai 2021 beträgt die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis ... 144,85. Dies hat nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG zur Folge, dass die Öffnung von Freizeiteinrichtungen, wie insbesondere Freizeitparks kraft bundesgesetzlicher Regelung untersagt ist.
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bb) Diese in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG inzidenzabhängig getroffene Untersagungsregelung begegnet bei summarischer Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeits- und Bestimmtheitsgrundsatzes.
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(1) Bundesrechtlich sind die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch die §§ 28a, 28b IfSG näher bestimmt und konkretisiert worden. § 28a Abs. 1 Nr. 6 IfSG sieht dabei die Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind, ausdrücklich vor. § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG bestimmt weiter, dass sofern in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen die durch das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentliche Anzahl der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus SARS-Cov-2 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) den Schwellenwert von 100 überschreitet, ab dem übernächsten Tag u.a. die Öffnung von Freizeiteinrichtungen, wie insbesondere Freizeitparks, Indoorspielplätzen etc. untersagt ist.
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(2) Die derzeitige inzidenzabhängige Regelung in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG begegnet insbesondere auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
28
Die hier angegriffene Regelung in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG steht im Einklang mit dem Gesamtkonzept des Gesetzgebers, jedenfalls bei entsprechend hohen Inzidenzen freizeitbezogene Aktivitäten weitgehend zu untersagen, um damit nicht zwingend erforderliche physische Kontakte zu verhindern und das Infektionsgeschehen abzuschwächen. Das in § 28b Abs. 1 und Abs. 2 IfSG inzidenzabhängig ausgestaltete differenzierte Regelungssystem von Öffnung und Untersagung von Einrichtungen begegnet bei der gebotenen summarischen Überprüfung von Sach- und Rechtslage jedenfalls keinen durchgreifenden Bedenken, so dass das Gericht von einer Vorlage nach Art. 100 GG absieht.
29
(3) Die Kammer vermag in der Untersagung des Betriebs von Freizeitparks jedenfalls bei entsprechend hohen Inzidenzwerten keine sachlich nicht zurechtfertigende Ungleichbehandlung zu der in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Halbs. 2 IfSG bzw. § 23 Abs. 2 der 12. BayIfSMV inzidenzunabhängig gestatteten Öffnung der Außenbereiche von zoologischen und botanischen Gärten zu erkennen. Zum einen differenziert sowohl der Bundes- als auch der Landesgesetzgeber zwischen bloßen Freizeiteinrichtungen und Kulturstätten, zu denen die zoologischen und botanischen Gärten zählen. So fallen nach dem Infektionsschutzgesetz Freizeitparks als Freizeiteinrichtungen unter die Regelung in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG, Außenbereiche von zoologischen und botanischen Gärten jedoch unter die Regelung in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 IfSG. Selbst wenn man jedoch zoologische und botanische Gärten ebenfalls als Freizeiteinrichtungen im weiteren Sinne auffassen würde, sind diese infektionsschutzrechtlich differenziert zu betrachten. Bei Freizeitparks, bei denen das Infektionsrisiko trotz des weitgehenden Aufenthalts im Freien durch häufiges Anstellen vor attraktiven Fahrgeschäften wie auch durch enges Zusammensitzen in diesen Fahrgeschäften erhöht wird (vgl. NdsOVG, B.v.16.4.2021 - 13 MN 157/21 - juris Rn. 25; B.v. 19.3.2021 - 13 MN 114/21 - juris Rn. 47) ist es bei einem Aufenthalt in den Außenbereichen eines Tierparks bzw. Botanischen Gartens ungleich einfacher, die geltenden Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten. Der Besuch in einem Zoo bzw. botanischen Garten ähnelt vielmehr einem Spaziergang in der freien Natur, während in einem Freizeitpark ein wesentlich dynamischeres Bewegungsprofil der Besucher aufgrund der angebotenen vielfältigen Attraktionen entsteht. Daher kann es nicht beanstandet werden, dass sowohl der Bundesgesetzgeber als auch der landesrechtliche Verordnungsgeber im Hinblick auf den maßgeblichen Einfluss auf das Infektionsgeschehen zwischen reinen Freizeitparks und zoologischen und botanischen Gärten differenziert.
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Auch in Bezug auf die Öffnung von Seilbahnen, der Fluss- und Seenschifffahrt im Ausflugsverkehr, touristischen Bahn- und Busverkehren vermag die Kammer keine Ungleichbehandlung zu erkennen. Die Öffnung der vorbezeichneten Einrichtungen bzw. Freizeitaktivitäten ist nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG wie bei den hier streitgegenständlichen Freizeitparks bundesgesetzlich nur inzidenzabhängig gemäß § 28b Abs. 2 IfSG gestattet. Die Untersagung beurteilt sich in beiden Fällen nach § 28b Abs. 1 Nr. 3 IfSG.
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(4) Die Maßnahme der fortdauernden Schließung von Freizeitparks nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG jedenfalls bei anhaltend hohen Inzidenzwerten über 100 stellt zwar einen tiefgreifenden Eingriff in den Schutzbereich jedenfalls der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) bzw. dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) dar. Der Eingriff ist bei summarischer Prüfung von Sach- und Rechtslage aber gerechtfertigt.
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Sowohl die Regelung in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG als auch in § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV verfolgen das legitime Ziel des Gesundheitsschutzes. Die mit § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG verfolgte Maßnahme der Schließung von Freizeiteinrichtungen bei anhaltend hohen Inzidenzwerten ist allgemein und im vorliegenden Einzelfall geeignet, das Ziel des Gesundheitsschutzes zumindest zu fördern.
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Betriebsschließungen stellen sich allgemein und im vorliegenden Einzelfall schließlich auch als angemessen dar. Denn das öffentliche Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit betreffend die hier in Frage stehende Viruserkrankung sowie das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems überwiegen das private Interesse insbesondere der Antragstellerin an der Wiedereröffnung seines Freizeitparks.
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(5) Auch nach dem täglichen Lagebericht des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) vom 18. Mai 2020 ist nach wie vor eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt aufgrund der anhaltend hohen Fallzahlen die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die Sieben-Tage-Inzidenz liege in 103 Kreisen bei über 100 Fällen/100.000 EW. Der Sieben-Tage-Inzidenzwert für den Landkreis ... liegt aktuell bei 144,85 bei einem weiterhin als diffus zu bezeichnenden Infektionsgeschehen.
35
(6) Die Antragstellerin kann auch keine Ausnahmegenehmigung für sich in Anspruch nehmen. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV können Ausnahmegenehmigungen von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde nur mehr im Einzelfall erteilt werden, wenn dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist und Bundesrecht nicht entgegensteht. Bei Überschreiten einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 an drei aufeinander folgenden Tagen lässt § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG die Erteilung einer Ausnahme im Einzelfall bereits nicht zu. Erst wenn die inzidenzabhängige Untersagung aus § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG unter den Voraussetzungen des § 28b Abs. 2 IfSG außer Kraft getreten ist, kann überhaupt eine Ausnahmegenehmigung auf der Grundlage des § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV erteilt werden. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind die Voraussetzungen des § 28b Abs. 2 IfSG offensichtlich nicht gegeben.
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cc) Nicht zu entscheiden war über die Frage, ob die in § 27 der 12.BayIfSMV vorgesehene weitergehende Öffnungsregelung bei einer Sieben-Tage-Inzidenz unter dem Schwellenwert von 100 gleichheitswidrig zwar ab dem 21. Mai 2021 eine Öffnung u.a. von Seilbahnen, touristischen Bahnverkehren und Reisebusverkehren (§ 27 Abs. 1 Nr. 5 der 12. BayIfSMV) regelt, für Freizeitparks eine derartige Öffnung aber nicht vorgesehen ist. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung liegen die Voraussetzungen der Eröffnung des Anwendungsbereichs von § 27 der 12.BayIfSMV offensichtlich nicht vor, so dass die Frage einer eventuellen Ungleichbehandlung vorliegend bereits nicht entscheidungserheblich ist.
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Nach allem war der Antrag des Antragstellers im Hauptantrag abzulehnen.
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2. Soweit die Antragstellerin mit ihrem Hilfsantrag die Feststellung begehrt, dass sie berechtigt ist, ihren Freizeitpark unter der Voraussetzung zu öffnen, dass die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis ... an drei aufeinanderfolgenden Tagen den Schwellenwert von 100 unterschreitet, bleibt der Antrag ebenfalls ohne Erfolg. Die von der Antragstellerin begehrte Feststellung steht in Widerspruch zu der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 28b Abs. 2 Satz 1 IfSG. Nach dieser Vorschrift tritt eine Untersagung nach § 28b Abs. 1 IfSG erst dann außer Kraft, wenn an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 100 unterschreitet. Zu einer hiervon abweichenden Regelung, wie sie die Antragstellerin mit ihrem Hilfsantrag begehrt, ist das Gericht aus Gründen der Gewaltenteilung nicht berechtigt. Das Gericht ist nicht befugt, in das gesetzgeberische Ermessen des Bundesgesetzgebers gestaltend einzugreifen.
39
3. Da nach den vorstehenden Ausführungen der Antrag weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg hat und die Antragstellerin damit derzeit keinen Rechtsanspruch auf Öffnung ihres Freizeitparks besitzt, war der gestellte Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
40
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl., Sonderbeilage Januar 2014). Nach dessen Nr. 1.5 beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel die Hälfte des in der Hauptsache gebotenen Streitwerts. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl., Sonderbeilage Januar 2014). Nach dessen Nr. 1.5 beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel die Hälfte des in der Hauptsache gebotenen Streitwerts. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl., Sonderbeilage Januar 2014). Nach dessen Nr. 1.5 beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel die Hälfte des in der Hauptsache gebotenen Streitwerts. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht.