Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 04.05.2021 – Au 9 E 21.1055
Titel:

Erfolgloser Eilantrag: Kein Betrieb eines Freizeitparks

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6, § 123
12. BayIfSMV § 11 Abs. 1 S. 1
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
IfSG § 28, § 28a, § 28b
Leitsätze:
1. Einem Antrag nach § 123 VwGO auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens bestimmter Rechte und Pflichten steht nicht die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen eines eventuellen Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO entgegen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die in § 11 Abs. 1 S. 1 der 12. BayIfSMV getroffene Untersagungsregelung bzgl. des Betriebs eines Freizeitparks begegnet bei summarischer Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine fortdauernde Schließung von Freizeitparks stellt zwar einen tiefgreifenden Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit und dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Der Eingriff ist bei summarischer Prüfung von Sach- und Rechtslage aber gerechtfertigt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
vorläufiger Rechtsschutz, Corona-Pandemie, Betrieb eines Freizeitparks mit Hygienekonzept, Erteilung einer Ausnahmegenehmigung (verneint), Freizeitpark, Betriebsschließung, Normenkontrollverfahren, Feststellung, Hygienekonzept, Berufsfreiheit, Ausnahmegenehmigung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15245

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung, dass er berechtigt ist, einen von ihm betriebenen Freizeitpark für den Publikumsverkehr unter Einhaltung eines Hygienekonzepts zu öffnen.
2
Der Antragsteller ist Betreiber des Freizeitparks „...“ in ....
3
Die Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) vom 5. März 2021 (BayMBl. Nr. 171; BayRS 2126-1-16-G), zuletzt geändert durch § 1 der Verordnung vom 27. April 2021 (BayMBl. Nr. 290) verbietet in § 11 Abs. 1 Satz 1 den Betrieb von Freizeitparks, Indoorspielplätzen und vergleichbaren ortsfesten Freizeiteinrichtungen.
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Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 29. April 2021 im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg beantragt,
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es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass der Antragsteller berechtigt ist, seinen Freizeitpark ... in, ... ab sofort für Publikumsverkehr unter Einhaltung seines Hygienekonzepts und Einhaltung der jeweils geltenden Hygienevorgaben der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung zu öffnen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, der Antrag sei statthaft, da der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Feststellung begehre, dass es ihm erlaubt sei, seinen Freizeitpark für den Publikumsverkehr zu öffnen. Die Anordnungen der Betriebsschließung in § 11 Abs. 1 der 12. BayIfSMV und § 28b Abs. 1 Nr. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) stellten ein unmittelbar geltendes Verbot dar, den Freizeitpark für Publikumsverkehr zu öffnen. Das Rechtsschutzbegehren entspreche nicht dem eines Normenkontrollantrags. Dem Antragsteller gehe es nicht um die Feststellung, dass die 12. BayIfSMV hinsichtlich der Schließung von Freizeitparks rechtswidrig und daher im gesamten Freistaat Bayern außer Vollzug zu setzen sei. Vielmehr begehre er die Feststellung, dass er seinen Freizeitpark unter Einhaltung der von ihm aufgestellten Hygieneregeln für den Publikumsverkehr öffnen könne. Der Antragsteller ersuche Individualrechtsschutz, somit stehe auch § 47 Abs. 6 VwGO dem Antrag nicht entgegen. In einer eventuellen Hauptsache würde der Antragsteller obsiegen, weil das angegriffene Verbot rechtswidrig sei. Daher sei der Erlass der beantragten Regelungsanordnung geboten. Eine Betriebsschließung als Infektionsschutzmaßnahme nach den §§ 28 und 28a IfSG sei nur dann zulässig, wenn sie „notwendig“ sei. Hieran fehle es. Die Schließung des Freizeitparks des Antragstellers sei unverhältnismäßig und daher auch nicht „notwendig“ im Sinne der §§ 28, 28a IfSG. Auch die Zahl der derzeit belegten Intensivbetten mache eine Schließung des Betriebs des Antragstellers nicht erforderlich. Mindestens ebenso effektiv wie eine Schließung des Freizeitparks sei die Umsetzung des vom Antragsteller ausgearbeiteten Hygienekonzepts. Der Antragsteller habe zum Schutz seiner Kunden und Mitarbeiter umfangreiche Hygiene-, Abstands- und Schutzmaßnahmen ergriffen. Es sei nicht ersichtlich, warum der Antragsgegner die Schließung des Betriebs des Antragstellers verlange, wenn zugleich die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln in Verbindung mit dem Umstand, dass nur negativ getestete oder bereits geimpfte Personen Einlass erhielten, genauso effektiv sei und damit ein milderes Mittel darstelle. Außerhalb geschlossener Räume sei eine Anreicherung mit Aerosolen ausgeschlossen. Das Risiko von Ansteckungen im Freien liege im Promillebereich. Freizeitparks seien keine Treiber der Pandemie. Nur weil das Infektionsgeschehen derzeit diffus sei und sich Infektionsketten größtenteils nicht mehr nachverfolgen ließen, könne die Lösung nicht darin bestehen, Freizeitparks an der frischen Luft zu schließen. § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV und § 28b Abs. 1 Nr. 3 IfSG seien ebenfalls nicht angemessen. Die Schließung - gleich bei welcher Inzidenz - stelle für den Antragsteller einen erheblichen und schwerwiegenden Grundrechtseingriff in Art. 12 und Art. 14 Grundgesetz (GG) dar. Eine vorzunehmende Abwägung führe zu dem Ergebnis, dass die hier angegriffene Regelung in der 12. BayIfSMV für den Antragsteller unzumutbar sei. Die Anordnung der Schließung des streitgegenständlichen Betriebs verstoße auch gegen Art. 3 GG, da andere, für das Infektionsgeschehen gleichwohl relevantere Betriebe, nicht von einer Betriebsschließung betroffen seien. Vergleichbare (Freizeit-)Einrichtungen wie Zoos und Botanische Gärten dürften ihre Außenbereiche öffnen. Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Die Betriebsschließung stelle die stärkste und unmittelbarste Form des Eingriffs in den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Antragstellers dar. § 28a IfSG stelle hierfür keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Der Antragsgegner stütze die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung auf § 32 Satz 1 IfSG. Mangels hinreichender Bestimmtheit verstoße auch § 32 IfSG gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Eine Schließung des Freizeitparks des Antragstellers sei ein derart massiver Eingriff in die Berufsfreiheit, der nicht auf einer Generalklausel beruhen könne, die bereits nicht für Pandemien mit bundesweiter Bedeutung geschaffen worden sei. Ein Abwarten auf ein Hauptsacheverfahren sei für den Antragsteller aufgrund der zeitlich befristeten Geltung der 12. BayIfSMV und § 28b IfSG nicht zumutbar. Die Betriebsschließung habe gravierende wirtschaftliche Folgen. Der Antragsteller könne seinen Betrieb nicht wirtschaftlich deckend führen und keine ausreichenden Einnahmen generieren, während ihn zugleich eine erhebliche Ausgabenlast drücke. Hierdurch werde er jedenfalls in seinem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Auch müsse der Antragsteller bei einer Öffnung des Parks angesichts der unklaren Rechtslage mit dem Erlass von Bußgeldbescheiden rechnen.
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Auf den weiteren Inhalt des Antragsschriftsatzes vom 29. April 2021 wird ergänzend verwiesen.
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Das Landratsamt ... ist für den Antragsgegner dem Antrag mit Schriftsatz vom 3. Mai 2021 entgegengetreten und beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung liege dem Landratsamt nicht vor. Der 7-Tage-Inzidenzwert für den Landkreis ... liege aktuell bei 202,3. Das Infektionsgeschehen sei als diffus zu bezeichnen. In der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen bis 19 Jahren, der Klientel des Freizeitparks, gebe es aktuell hohe Fallzahlen. Die Behauptung, die Erforderlichkeit der Betriebsschließung sei im Hinblick auf die Überlastung des Gesundheitssystems nicht erforderlich, werde nicht belegt. In den vergangenen Wochen habe der Rettungsdienst mehrfach berichtet, es sei immer schwieriger, Krankenhäuser für Patienten zu finden. Eine Ungleichbehandlung mit Zoos und botanischen Gärten liege nicht vor, da diese mit der vom Antragsteller betriebenen Freizeiteinrichtung nicht vergleichbar seien.
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Auf den weiteren Vortrag im Antragserwiderungsschriftsatz vom 3. Mai 2021 wird ergänzend Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten und die Gerichtsakte verwiesen.
II.
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Der Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag ist zulässig. Der auf bloße Feststellung gerichtete Antrag, dass der Antragsteller berechtigt ist, den von ihm betriebenen Freizeitpark entgegen der gesetzlichen Bestimmungen in § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV unter Anwendung des von ihm entwickelten Hygienekonzepts zu öffnen und zu betreiben, ist ausnahmsweise statthaft, da sich die Frage der Zulässigkeit des Betriebs des Freizeitparks unmittelbar nach § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV beurteilt, ohne dass hierzu eine behördliche Zulassungsentscheidung vorgesehen wäre. Damit ist aber das vorläufige Feststellungsbegehren des Antragstellers im einstweiligen Rechtsschutzverfahren statthaft. Insbesondere steht dem Antrag nicht die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen eines eventuellen Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO entgegen, da die beiden Verfahrensarten unterschiedliche Streitgegenstände betreffen. Ein Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens bestimmter Rechte und Pflichten, der auf die Nichtigkeit der zugrundeliegenden Rechtsnorm gestützt wird, zielt ungeachtet dieser Begründung nicht unmittelbar auf die Feststellung der Ungültigkeit der Norm, sondern das Bestehen oder Nichtbestehen der jeweils in Frage stehenden Rechte und Pflichten ab. Ein an sich feststellungsfähiges Rechtsverhältnis verliert diese Eigenschaft nicht dadurch, dass das Rechtsschutzbegehren auf die Nichtigkeit der zugrundeliegenden Norm gestützt wird (vgl. hierzu Schoch/Schneider, VwGO, 39. Auflage 2020, § 43 Rn.25).
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Vorliegend begehrt der Antragsteller nicht abstrakt die Klärung der Gültigkeit oder Nichtigkeit der zugrundeliegenden Rechtsnorm in § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV. Vielmehr stellt der Antragsteller die Anwendung der Rechtsnorm, mithin das Bestehen oder Nichtbestehen bestimmter aus der Norm resultierender Pflichten auf einen bestimmten Sachverhalt - hier der Öffnung des Freizeitparks unter Berücksichtigung des von ihm ausgearbeiteten Hygienekonzepts -, streitig. Dass der Antragsteller sein Begehren (auch) auf die Ungültigkeit der zugrunde liegenden Rechtsnorm stützt, ist für die Statthaftigkeit des Antrags ohne Belang. Es liegt damit jedenfalls ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor, so dass der vorläufige Rechtsschutz nach § 123 VwGO in der Sache eröffnet ist.
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Der Antragsteller ist auch in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass zu Gunsten des Antragstellers wegen der geltend gemachten Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 GG ein Anspruch auf ausnahmsweise Öffnung und den Betrieb des Freizeitparks besteht.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder eine drohende Gefahr zu verhindern oder wenn dies aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich sind danach ein Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der Sache, sowie ein Anordnungsanspruch, d.h. ein Anspruch auf die begehrte Maßnahme, die nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen sind. Dies ist der Fall, wenn sich das Vorliegen eines Anordnungsgrunds und Anordnungsanspruch als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
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Da die vom Antragsteller begehrte Feststellung, zur Öffnung des Freizeitparks ungeachtet des generellen Verbots in § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV berechtigt zu sein, zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen würde, das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO grundsätzlich aber nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses dient, sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht und dem Antragsteller durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, B.v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 - juris; vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 - 12 CE 16.66 - juris). Der Ausgang eines eventuellen Hauptsacheverfahrens muss demnach für den Antragsteller offensichtlich erfolgreich erscheinen.
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Gemessen an diesen Maßstäben ist der Antrag abzulehnen. Nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gegeben.
21
a) Im Hinblick auf den im Antragsschriftsatz geltend gemachten, nicht unerheblichen Umsatzverlust des Antragstellers bei fortdauernder Schließung seines Freizeitparks wurde ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) glaubhaft gemacht.
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b) Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage besitzt der Antragsteller derzeit aber keinen Anspruch auf Öffnung des von ihm betriebenen Freizeitparks. Dies gilt nach den derzeitigen im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu beanstandenden Regelungen der 12. BayIfSMV (hier § 11 Abs. 1 Satz 1) unabhängig von dem vom Antragsteller vorgelegten Hygienekonzept. Damit bliebe aber auch ein eventuelles Hauptsacheverfahren des Antragstellers voraussichtlich ohne Erfolg.
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aa) Dem streitgegenständlichen Betrieb des Freizeitparks steht bereits die ausdrückliche Bestimmung in § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV entgegen. Danach ist der Betrieb von Freizeitparks, Indoorspielplätzen und vergleichbaren ortsfesten Freizeiteinrichtungen untersagt.
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bb) Die in § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV getroffene Untersagungsregelung begegnet bei summarischer Prüfung entgegen dem Vorbringen des Antragstellers keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dies gilt sowohl in Bezug auf eine ausreichende Rechtsgrundlage, als auch in Bezug auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeits- und Bestimmtheitsgrundsatz.
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(1) Die Rechtsverordnung findet bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung in den §§ 32 Satz 1 und 2, 28 Abs. 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 6, 28b Abs. 1 Nr. 3 IfSG eine ausreichende Rechtsgrundlage. Bundesrechtlich sind die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch die §§ 28a, 28b IfSG näher bestimmt und konkretisiert worden. § 28a Abs. 1 Nr. 6 IfSG sieht dabei die Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind, ausdrücklich vor. § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG bestimmt weiter, dass sofern in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen die durch das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlichte Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) den Schwellenwert von 100 überschreitet, ab dem übernächsten Tag u.a. die Öffnung von Freizeiteinrichtungen wie insbesondere Freizeitparks, Indoorspielplätzen etc. untersagt ist.
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(2) Die derzeitige Regelung in § 11 Abs. 1. Satz 1 der 12. BayIfSMV begegnet auch unter Verhältnismäßigkeits- und Bestimmtheitsgesichtspunkten keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Die vorübergehende Untersagung des Betriebs von Freizeitparks stellt nach Auffassung der Kammer ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Eindämmung der Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 und der damit verbundenen neuartigen Lungenkrankheit COVID-19 dar. Ziel der ergriffenen Maßnahmen ist es u.a., den Anstieg des Infektionsgeschehens auf eine wieder nachverfolgbare Größe zu senken, um so eine Überforderung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Die Untersagung des Betriebs von Freizeitparks ist zur Erreichung dieses Ziels auch geeignet, denn sie trägt relevant zu einer Kontaktreduzierung im Freizeitbereich bei. Ziel der Untersagung der in § 11 Abs. 1 der 12. BayIfSMV genannten Einrichtungen und Betriebe ist die Unterbindung nicht zwingend erforderlicher persönlicher Kontakte. Entscheidend ist, dass auch nur für einen bestimmten Personenkreis geöffnete Freizeiteinrichtungen einen zusätzlichen Anlass für potenzielle Besucher bieten können, sich aus Freizeitzwecken in die Öffentlichkeit zu begeben. Annähernd vergleichbar effektive Handlungsalternativen drängen sich jedenfalls nicht in der Weise auf, dass allein diese als milderes Mittel in Frage kommen.
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Soweit der Antragsteller auf sein Hygienekonzept verweist, das unter anderem eine Begrenzung der Besucherzahl zur Gewährleistung des Mindestabstands, einen zuvor online gebuchten Eintritt nur bei Vorlage eines aktuellen negativen Corona-Tests und das Einhalten der Abstandsregelungen im Wartebereich, die Beachtung der geltenden Abstandsregelungen innerhalb der angebotenen Attraktionen sowie eine FFP2-Maskenpflicht für Mitarbeiter und Besucher vorsieht, so berücksichtigt dies nicht, dass allein hygienische oder organisatorische Maßnahmen nicht die gleiche Effizienz haben wie die vollständige (fortdauernde) Betriebsschließung. Konzept der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung ist es, die Kontakte der Bevölkerung auf ein Mindestmaß zu reduzieren. In einer durch eine Reihe von Unsicherheiten, einem diffusen Infektionsgeschehen und durch sich fortlaufende veränderte Erkenntnislagen geprägten Situation ist dem Verordnungsgeber ein Einschätzungsspielraum auch im Hinblick auf das jeweils gewählte Mittel einzuräumen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der zu schließenden Einrichtungen als auch hinsichtlich eventueller Öffnungsschritte. Es muss dem Verordnungsgeber bei andauernd hohen Inzidenzzahlen möglich sein, zu entscheiden, welche gewerblichen Einrichtungen er vorrangig öffnet und in welchen Bereichen er an der vorübergehenden Schließung festhält. Dies ist Ausdruck der Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers. Sofern der Verordnungsgeber nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG verstößt, ist es ihm erlaubt, auch nur einzelne Einrichtungen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zu öffnen, um die weitere Entwicklung des Infektionsgeschehens abzuwarten und zu verfolgen. Auch folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG bei Entscheidungen über Betriebsöffnungen kein Automatismus im Sinne von „alle oder keiner“ oder im Sinne einer bestimmten Öffnungsstrategie (BayVerfGH, E.v. 22.3.2021 - Vf. 23- VII-21 - juris Rn. 40). Darüber hinaus steht dem Verordnungsgeber das Recht zur Vereinfachung und Pauschalierung zu, d.h. er darf in gewissen Grenzen generalisierende, typisierende Regelungen treffen, ohne damit gegen verfassungsrechtliche Grundsätze zu verstoßen (BayVerfGH, E.v. 9.2.2021 - Vf. 6 - VII-20 - juris Rn. 12).
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Die hier angegriffene Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV steht mithin in Einklang mit dem Gesamtkonzept des Verordnungsgebers, freizeitbezogene Aktivitäten weitgehend zu untersagen, um damit nicht zwingend erforderliche physische Kontakte zu verhindern und das Infektionsgeschehen abzuschwächen. Immer dann, wenn Menschen aufeinandertreffen, besteht das erhöhte Risiko einer Ansteckung. In der derzeitigen pandemischen Situation eines weiterhin erheblichen und insbesondere unter Berücksichtigung von Virusvarianten diffusen Infektionsgeschehens begegnet die Entscheidung des Verordnungsgebers, den Betrieb von Freizeiteinrichtungen vorübergehend vollständig und generell zu untersagen keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere im Hinblick auf die mit der Nutzung von Freizeiteinrichtungen verbundenen Mobilität der jeweiligen Nutzer, kommt es auf die Frage, ob bei der tatsächlichen Ausgestaltung der Nutzung des Freizeitparks eine spezifische Infektionsgefahr besteht, nicht mehr maßgeblich an (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2020 - 20 NE 20.2526 - juris Rn. 17).
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cc) Die Kammer vermag auch in der fortdauernden Schließung von Freizeitparks keine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zu der in § 23 Abs. 2 der 12. BayIfSMV inzidenzunabhängig gestatteten Öffnung von Außenbereichen von zoologischen und botanischen Gärten zu erkennen. Zum einen differenziert sowohl der Bundes- als auch der Landesgesetzgeber zwischen bloßen Freizeiteinrichtungen und Kulturstätten, zu denen die zoologischen und botanischen Gärten zählen. Hinsichtlich der Öffnung wird auch im Infektionsschutzgesetz diese Differenzierung vorgenommen, wonach Freizeitparks als Freizeiteinrichtungen unter die Regelung in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG, Außenbereiche von zoologischen und botanischen Gärten jedoch unter die Regelung in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 fallen. Selbst wenn man jedoch zoologische und botanische Gärten ebenfalls als Freizeiteinrichtungen im weiteren Sinne auffassen würde, sind diese infektionsschutzrechtlich differenziert zu betrachten. Bei Freizeitparks, bei denen das Infektionsrisiko trotz des weitgehenden Aufenthalts im Freien durch häufiges Anstellen vor attraktiven Fahrgeschäften wie auch durch enges Zusammensitzen in diesen Fahrgeschäften erhöht wird (vgl. NdsOVG, B.v.16.4.2021 - 13 MN 157/21 - juris Rn. 25; B.v. 19.3.2021 - 13 MN 114/21 - juris Rn. 47) ist es bei einem Aufenthalt in den Außenbereichen eines Tierparks bzw. Botanischen Gartens ungleich einfacher, die geltenden Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten. Der Besuch in einem Zoo bzw. Botanischen Garten ähnelt vielmehr einem Spaziergang in der freien Natur, während in einem Freizeitpark ein wesentlich dynamischeres Bewegungsprofil der Besucher aufgrund der angebotenen vielfältigen Attraktionen entsteht. Daher kann es nicht beanstandet werden, dass sowohl der Bundesgesetzgeber als auch der landesrechtliche Verordnungsgeber im Hinblick auf den maßgeblichen Einfluss auf das Infektionsgeschehen zwischen reinen Freizeitparks und zoologischen und botanischen Gärten differenziert.
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(3) Die Maßnahme der fortdauernden Schließung von Freizeitparks nach § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV stellt zwar einen tiefgreifenden Eingriff in den Schutzbereich jedenfalls der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) bzw. dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) dar. Der Eingriff ist bei summarischer Prüfung von Sach- und Rechtslage aber gerechtfertigt.
32
Die Regelung des § 11 Satz 1 der 12. BayIfSMV verfolgt das legitime Ziel des Gesundheitsschutzes, genauer des Schutzes von Leben und Gesundheit vor der Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Hierbei sollen nicht alleine Ansteckungen minimiert werden, um auf diese Weise sowohl Erkrankungen, als Todesfälle aufgrund einer zumindest nicht unerheblichen Sterberate des Virus zu verhindern. Vielmehr verläuft die Weiterverbreitung des genannten Virus mittels Ansteckungen - ohne Gegenmaßnahmen - allgemeinbekannt exponentiell. Deshalb besteht in vergleichsweise kurzen Zeiträumen die Gefahr der Überlastung des gesamten Gesundheitssystems, insbesondere von Krankenhäusern und Intensivstationen. Dies wiederum würde zu einer Erhöhung der Sterberate führen, da an dem Virus oder sonst erkrankte Menschen mangels Ressourcen des Gesundheitssystems nicht oder nicht mehr adäquat behandelt werden könnten.
33
Die mit § 11 Satz 1 der 12. BayIfSMV verfolgte Maßnahme der Schließung von Freizeiteinrichtungen ist allgemein und im vorliegenden Einzelfall geeignet, das Ziel des Gesundheitsschutzes zu fördern.
34
Die Maßnahme ist zur Zielerreichung auch erforderlich. Die Schließung von Freizeiteinrichtungen trägt nennenswert dazu bei, die Weiterverbreitung des Virus durch menschliches Verhalten zumindest zu verlangsamen, jedenfalls um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Eine Wiedereröffnung des Freizeitparks unter strengen Hygieneauflagen würde zwar ein milderes, aber kein vergleichbar wirksames Mittel darstellen. Denn zu berücksichtigen ist, dass stets die zumindest nicht fernliegende Gefahr besteht, dass Hygieneauflagen nicht eingehalten und/oder nicht effektiv überwacht werden (können). Dabei steigt die Gefahr von Ansteckungen aufgrund Nichteinhaltung von Hygienemaßnahmen, je mehr Personen an einem Ort zusammenkommen, die Überwachung von Hygieneauflagen wird mit steigenden Besucherzahlen zunehmend schwieriger.
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Betriebsschließungen stellen sich allgemein und im vorliegenden Einzelfall schließlich auch als angemessen dar. Denn das öffentliche Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit betreffend die hier in Frage stehende Viruserkrankung sowie das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems überwiegen das private Interesse insbesondere des Antragstellers an der Wiedereröffnung seines Freizeitparks.
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(4) Auch nach dem täglichen Lagebericht des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) vom 3. Mai 2021 ist nach wie vor eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt aufgrund der anhaltend hohen Fallzahlen die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die 7-Tage-Inzidenz liege in 312 Kreisen bei über 100 Fällen/100.000 EW, davon in 28 Kreisen bei über 250 Fällen/100.000 EW. Daher sei weiterhin eine konsequente Umsetzung der Fallfindung und Kontaktpersonennachverfolgung als auch der Schutz der Risikogruppen notwendig. Der 7-Tage-Inzidenzwert für den Landkreis ... liegt aktuell bei 202,3 bei einem als diffus zu bezeichnenden Infektionsgeschehen.
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Dies zugrunde gelegt ergibt auch die gebotene Folgenabwägung zwischen den betroffenen Schutzgütern des Antragstellers - insbesondere seinem Grundrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus Art. 14 Abs. 1 GG - mit dem Schutzgut Leben und Gesundheit der Allgemeinheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dass die vom Antragsteller dargelegten wirtschaftlichen Folgen derzeit hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen (vgl. BVerfG, B.v. 11.11.2020 - BvR 2530/20 - juris Rn. 12 ff.; BayVerfGH, E.v. 16.11.2020 - Vf.90-VII-20 - BeckRS 2020, 31088 - Rn. 41; BayVGH, B.v. 25.11.2020 - 20 NE 20.2588 - juris Rn. 16). Bei der vom RKI aufgezeigten Situation eines nach wie vor diffusen Infektionsgeschehens auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich aufgetretenen Virusmutationen fallen die Folgen der Öffnung des Betriebs des Antragstellers schwerer ins Gewicht als die wirtschaftlichen Folgen einer vorläufig fortdauernden Untersagung.
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(5) Dem Antragsteller steht darüber hinaus auch kein Anspruch auf eine entsprechende Ausnahme von § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV zur Seite.
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Der Antragsteller besitzt keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV. Nach dieser Vorschrift können Ausnahmegenehmigungen im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Da im hier streitgegenständlichen Fall der Betrieb eines Freizeitparks nach der gesetzgeberischen Konzeption der 12. BayIfSMV grundsätzlich und ohne Ausnahmemöglichkeit untersagt ist, sind aus infektionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten keine Gründe ersichtlich, die die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im Sinne einer erforderlichen Ermessensreduktion auf Null für das Gericht im Einzelfall nahelegen könnten. Überdies ist zu berücksichtigen, dass eine Zulassung des Freizeitparks des Antragstellers im Einzelfall die grundsätzliche Untersagung in § 11 Abs. 1 Satz 1 der 12. BayIfSMV tangiert. Für diese Fallgestaltung ist § 28 Abs. 2 Satz 2 der 12. BayIfSMV zu beachten, wonach Ausnahmegenehmigungen, die einen generellen Personenkreis oder - wie hier - eine allgemeine Fallkonstellation betreffen - unter den Voraussetzungen des Satzes 1 nur im Einvernehmen mit der zuständigen Regierung erteilt werden dürfen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Voraussetzungen hier zugunsten des Antragstellers erfüllt sind.
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3. Da nach den vorstehenden Ausführungen der Antragsteller auch unter Berücksichtigung eines etwaigen Hygienekonzepts bzw. einer Beschränkung auf einen entsprechend reduzierten Benutzerkreis keinen Rechtsanspruch auf Öffnung des Freizeitparks besitzt, hat der gestellte Antrag keinen Erfolg. Er war vielmehr mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl., Sonderbeilage Januar 2014). Nach dessen Nr. 1.5 beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel die Hälfte des in der Hauptsache gebotenen Streitwerts. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht.