Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 06.05.2021 – Au 9 E 21.1008
Titel:

Befreiung von der Testpflicht an Schulen wegen sonderpädagogischem Förderbedarf

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1
12. BayIfSMV § 18 Abs. 4
Leitsatz:
Die Befreiung von der Testpflicht an Schulen (§ 18 Abs. 4 der 12. BayIfSMV) setzt eine hinreichende Glaubhaftmachung voraus, dass für die Schülerin aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs eine Testung auf eine Infektion mit dem Coronavirus in der Schule unter keinen Umständen durchführbar ist.  (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtsschutz, Corona-Pandemie, Präsenzunterricht nur bei negativer Testung, Ausnahme von der Testpflicht aufgrund des sonderpädagogischen Förderbedarfs (verneint), sonderpädagogischer Förderbedarf, Testpflicht an Schulen, Rechtsschutzbedürfnis, vorherige Antragstellung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15244

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Erteilung von Ausnahmen von der Testpflicht für Schülerinnen und Schüler nach der geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs.
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Die Antragstellerin besucht die Zwischenklasse vor der zweiten Klasse einer sonderpädagogischen Förderschule.
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§ 18 Abs. 4 der 12. BayIfSMV vom 5. März 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 171, BayRS 2126-1-16-G) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 5. Mai 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 307) hat hinsichtlich der Testpflicht von Schülerinnen und Schülern folgenden Wortlaut:
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§ 18 Schulen (…)
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(4) 1Die Teilnahme am Präsenzunterricht und an Präsenzphasen des Wechselunterrichts sowie an der Notbetreuung und Mittagsbetreuung ist Schülerinnen und Schülern nur erlaubt, wenn sie sich zwei Mal wöchentlich, im Fall des Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 mindestens zwei Mal wöchentlich, nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 einem Test in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 unterziehen. 2Hierfür haben die Schülerinnen und Schüler zu Beginn des Schultages über ein schriftliches oder elektronisches negatives Ergebnis eines PCR- oder POC-Antigentests zu verfügen und dieses auf Anforderung vorzuweisen oder müssen in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben. 3Die dem Testergebnis zu Grunde liegende Testung oder der in der Schule vorgenommene Selbsttest dürfen höchstens 48 Stunden, im Fall des Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 höchstens 24 Stunden vor dem Beginn des jeweiligen Schultags vorgenommen worden sein. 4Soweit Tests in der Schule vorgenommen werden, verarbeitet die Schule das Testergebnis ausschließlich für den schulischen Zweck der Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts; eine Übermittlung an Dritte findet vorbehaltlich von Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz nicht statt. 5Das Testergebnis wird höchstens 14 Tage aufbewahrt. 6Für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf kann das Staatsministerium für Unterricht und Kultus Ausnahmen bekanntmachen. 7Für die Lehrkräfte und das Schulverwaltungspersonal gelten hinsichtlich ihrer Tätigkeit in den Schulräumen die Sätze 1 bis 5 mit der Maßgabe entsprechend, dass ein Selbsttest auch außerhalb der Schule und ohne Aufsicht vorgenommen werden kann, wenn die Person versichert, dass das Testergebnis negativ ausgefallen ist.
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Das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 9. April 2021 (im Folgenden: KMS) an Schulen und Schulaufsichtsbehörden (Az.: III.7 - BS 4363.075/1) sieht für Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf Folgendes vor:
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„Wenn Schülerinnen und Schüler aufgrund ihres sozialpädagogischen Förderbedarfs die Selbsttests nicht alleine durchführen können, kann - soweit an der Schule vorhanden - mit Einverständnis der Erziehungsberechtigten eine schulische Pflegekraft oder auch eine gegebenenfalls vorhandene Schulbegleitung in der Schule bei der Selbsttestung unterstützen. (…).
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Wenn ein Selbsttest aufgrund des festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfs auch unter diesen Maßgaben im Einzelfall nicht in der Schule durchführbar sein sollte und regelmäßige außerschulische PCR- oder POC-Antigentests unzumutbar sein sollten, können die Selbsttests nach entsprechender Glaubhaftmachung mit Einverständnis der Schulleitung ausnahmsweise auch zu Hause unter Aufsicht und mit Unterstützung der Erziehungsberechtigten durchgeführt werden. Die Erziehungsberechtigten haben das Testergebnis der Schule vor dem Schulbesuch mitzuteilen.
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Wenn bei Schülerinnen und Schülern aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs nach entsprechender Glaubhaftmachung überhaupt kein Test auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 durchführbar sein sollte, kann die Schulleitung von der Testpflicht befreien. Es ist in diesem Ausnahmefall auf eine besonders genaue Beachtung und zuverlässige Umsetzung insbesondere des Rahmenhygieneplans Schulen zu achten, um etwaige Infektionen auszuschließen.“
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Mit Schriftsatz vom 23. April 2021 hat die Antragstellerin im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beantragt,
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dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Antragstellerin Zugang zum Schulgebäude des Antragsgegners zu gewähren auch ohne Vorlage eines schriftlichen oder elektronischen negativen Ergebnisses eines PCR- oder POC-Antigenschnelltests.
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Hilfsweise wird beantragt,
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dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Antragstellerin Zugang zum Schulgebäude des Antragsgegners zu gewähren, wenn die Antragstellerin zu Beginn des Schultages ein schriftliches oder elektronisches negatives Ergebnis eines PCR- oder Antigenschnelltests vorweisen kann.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Eltern der Antragstellerin seien beide berufstätig und nicht im Home-Office einsetzbar. Mit dem streitgegenständlichen Antrag wolle die Antragstellerin erreichen, dass sie von der Testpflicht vollständig freigestellt werde, hilfsweise, dass der notwendige Nachweis für eine PCR- oder POC-Antigenschnelltestung auch durch einen häuslichen Selbsttest, ausgeführt von den Eltern der Antragstellerin innerhalb von 24 Stunden vor dem Schulbesuch erbracht werden könne. Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen gehe hervor, dass eine Selbsttestung der Antragstellerin aufgrund ihrer motorischen Defizite nach dem von dem Antragsgegner vorgesehenen Verfahren mit nicht unerheblichen Risiken verbunden wäre. Darüber hinaus lehne die Schülerin die Selbsttestung in der Schule auch bei Separierung aufgrund ihrer Ängste ab. Eine Testung vor der Schule bei einem Arzt oder Apotheker sei organisatorisch nicht möglich. Der Schulbetrieb fange um 8:15 Uhr morgens an und die örtliche Apotheke biete Testungen täglich nur in der Zeit von 13:00 bis 14:00 Uhr an. Dieses Angebot könne aufgrund der Berufstätigkeit der Eltern jedoch regelmäßig nicht genutzt werden. Die lokalen Ärzte hätten zu dieser Zeit noch nicht geöffnet oder seien nicht bzw. nicht regelmäßig frühmorgens dem Parteiverkehr zugänglich, sodass eine anderweitige Beibringung des Tests durch die Antragstellerin nur mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand möglich wäre, der für die berufstätigen Eltern nicht mehr zumutbar sei. Die Lehrer seien nicht ausgebildet, den Test an den Schülern auszuführen. Es sei nicht verhältnismäßig, die Antragstellerin auf Distanzunterricht zu verweisen. Der Antragstellerin verbleibe nur die wenig sinnvolle Möglichkeit, eine Testung vor Ort in der Schule vorzunehmen. Bereits in dem Schulbus bestehe jedoch eine nicht unerhebliche Ansteckungs- und Infektionsgefahr. Es sei kein sinnvoller Grund ersichtlich, weshalb die Testung nicht zu Hause durch die Eltern der Antragstellerin als milderes Mittel erfolgen könne. Dies sei gleichermaßen geeignet, das Infektionsgeschehen einzudämmen und verhindere zusätzlich Ansteckungsrisiken auf dem Weg zur Schule. Weiter seien die verwendeten Tests körperlich gefährlich und stellten damit eine weitere konkrete Gesundheitsgefährdung für die Antragstellerin dar.
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Für weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt der Antragsbegründungsschrift ergänzend verwiesen.
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Aus der vorgelegten ärztlichen Stellungnahme der Fachpraxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie vom 13. April 2021 geht hervor, dass die Antragstellerin an erheblichen Konzentrationsproblemen und feinmotorischen Defiziten sowie Defiziten bei der Augen-Hand-Koordination leide. Es werde nicht empfohlen, die Antragstellerin einen COVID-19-Schnelltest eigenständig durchführen zu lassen. Eine korrekte Durchführung sei ihr nur zweifelhaft möglich. Eine akzidentielle Selbstverletzung sei nicht auszuschließen.
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Der Antragsgegner ist dem Antrag mit Schriftsatz vom 3. Mai 2021 entgegengetreten und beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Anträge seien bereits unzulässig. Es fehle der Antragstellerin an einem Rechtsschutzbedürfnis, da keine entsprechenden Anträge an die Schule gerichtet worden seien. Die Eltern der Antragstellerin hätten sich lediglich mit einem allgemeinen Schreiben an die Schule gewandt, in dem nicht auf die individuelle Situation der Antragstellerin eingegangen worden sei. Es seien auch keine alternativen Möglichkeiten der Testdurchführung (etwa mit Assistenz) bei der Schule beantragt worden. Der Antrag sei auch unbegründet. Die Antragstellerin besuche lediglich eine Notbetreuung. Es sei daher zu beachten, dass ein unbedingter Anspruch auf Notbetreuung bei angeordnetem Distanzunterricht grundsätzlich nicht bestehe, weil eine Notbetreuung ohnehin nur im Rahmen des organisatorisch und personell Möglichen angeboten werden müsse. Die Testobliegenheit sei gegenüber dem gänzlichen Verzicht auf ein Angebot der Notbetreuung das mildere Mittel. Eine häusliche Testung assistiert durch die Eltern stelle schon deshalb kein effektives, milderes Mittel dar, weil diese nicht wirksam zu kontrollieren sei. Nach den bisherigen Erfahrungen könnten die Selbsttests bei entsprechender Aufsicht durch die Lehrkräfte zuverlässig und sicher von Kindern im Grundschulalter durchgeführt werden. Dem sozialpädagogischen Förderbedarf der Kinder werde je nach Schwere ihres Förderbedarfs bzw. nach der vorliegenden Behinderung Rechnung getragen. Insoweit werde auf das kultusministerielle Schreiben vom 9. April 2021 verwiesen. Wegen der mangelnden Kontrollmöglichkeit seien mögliche Ausnahmen für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf eng auszulegen, weil ansonsten der präventive Schutzzweck der Testungen verfehlt würde. Gerade am sonderpädagogischen Förderzentrum hätten viele Kinder Beeinträchtigungen bei der Feinmotorik und einen dementsprechenden Förderbedarf. Es sei u.a. die Aufgabe der Förderschule auch in diesem Bereich die Kinder bestmöglich zu fördern. Die speziell ausgebildeten Lehrkräfte für Sonderpädagogik würden die Fertigkeiten und Einschränkungen der Antragstellerin sehr genau kennen und könnten mit diesem Fachwissen sowie aufgrund der Erfahrungen aus dem Unterricht aus eigenem Sachverstand heraus beurteilen, ob die Durchführung einer Selbsttestung durch die Antragstellerin mit entsprechender pädagogischer Betreuung unter Aufsicht und Anleitung gegebenenfalls auch mit Hilfestellung sicher und zuverlässig möglich sei oder zumindest versucht werden könne. Die gegenständliche Schule trage dem sonderpädagogischen Förderbedarf ihrer Schüler dadurch Rechnung, dass sie Selbsttestungen in einer 1:1 Situation unter pädagogischer Anleitung in einem separatem Raum stattfänden. Die Schüler würden durch eine Lehrkraft beaufsichtigt und begleitet. Die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen reichten für eine Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs nicht aus, da sie keinen sicheren Schluss auf das Ausmaß der motorischen Beeinträchtigungen zuließen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat keinen Erfolg.
22
1. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag bereits unzulässig. Der Antragstellerin fehlt es nach summarischer Prüfung am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
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Bei verständiger Auslegung des Rechtsschutzbegehrens der Antragstellerin (§ 88 VwGO) sind beide Anträge auf Erteilung einer Ausnahme von der Testpflicht für Schülerinnen und Schüler nach der geltenden Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung gerichtet. Mit dem Hauptantrag verfolgt die Antragstellerin das Ziel, aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs vollständig von der Testpflicht gemäß § 18 Abs. 4 der 12. BayIfSMV befreit zu werden. Mit ihrem Hilfsantrag will die Antragstellerin ausnahmsweise zur Testung zuhause unter Aufsicht der Eltern zugelassen werden. Nach § 18 Abs. 4 Satz 6 der 12. BayIfSMV kann das Staatsministerium für Unterricht und Kultus für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Ausnahmen von der Testung nach § 18 Abs. 4 Satz 1 bis 5 der 12. BayIfSMV bekanntmachen. Das kultusministerielle Schreiben vom 9. April 2021 sieht für Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf die Möglichkeit vor, abhängig von der individuellen Fördersituation des jeweiligen Schülers bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, Ausnahmen von der Testobliegenheit nach der BayIfSMV zuzulassen. Ob eine Ausnahme im Einzelfall zugelassen werden kann, ist bei entsprechender Glaubhaftmachung von der jeweiligen Schule zu entscheiden. Da sich die Antragstellerin bzw. ihre Eltern vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens nicht mit einem entsprechenden Anliegen an die Schule gewandt haben, ist ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegend nicht gegeben. Insbesondere kann das an die Schule gerichtete Schreiben des Vaters der Antragstellerin vom 11. April 2021 nicht als Antrag auf Erteilung einer Ausnahme gewertet werden. Es handelt sich erkennbar um ein vorformuliertes Schreiben, das anlässlich der Neuregelung zur Testpflicht an Schulen u.a. in den sozialen Netzwerken verbreitet wurde und lediglich allgemeine Erwägungen und Argumente gegen die Testobliegenheit enthält. Ein konkretes Anliegen der Antragstellerin ist dem Schreiben nicht zu entnehmen, sodass auf Grundlage dieses Schreibens durch die Schule keine Einzelfallentscheidung über die Testpflicht der Antragstellerin getroffen werden konnte.
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2. Darüber hinaus ist der Antrag auch unbegründet. Die Antragstellerin hat im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmen von der Testpflicht nach § 18 Abs. 4 Satz 6 der 12. BayIfSMV glaubhaft gemacht.
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a) Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitgegenständliches Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit der Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen des zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 ZPO).
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b) Gemessen an diesen Maßstäben ist der Antrag abzulehnen. Nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gegeben.
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Die Antragstellerin kann einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen. Ihr steht im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens aller Voraussicht nach weder ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der Testpflicht noch ein Anspruch auf Erfüllung der Testobliegenheit zuhause mittels Antigenschnelltest unter Aufsicht der Eltern zu.
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(1) Nach § 18 Abs. 4 Satz 2 der 12. BayIfSMV haben Schülerinnen und Schüler zu Beginn des Schultages über ein schriftliches oder elektronisches negatives Ergebnis eines PCR- oder POC-Antigentests zu verfügen und dieses auf Anforderung vorzuweisen oder müssen in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben. Gemäß § 18 Abs. 4 Satz 6 der 12. BayIfSMV kann das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Ausnahmen bekanntmachen. Mit Schreiben vom 9. April 2021 legte das Kultusministerium Kriterien fest, die bei den Entscheidungen über die Erteilung von Ausnahmen von den Schulen berücksichtigt werden sollen. Danach kann ausgehend von dem individuellen sonderpädagogischen Förderbedarf des jeweiligen Schülers von den Regelungen des § 18 Abs. 4 der 12. BayIfSMV abgewichen werden. Zunächst ist vorgesehen, dass Schülerinnen und Schüler, die aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs die Selbsttests nicht alleine vornehmen können, mit Einverständnis der Erziehungsberechtigten bei der Selbsttestung von einer schulischen Pflegekraft oder von einer Schulbegleitung in der Schule unterstützt werden. Erst, wenn ein Selbsttest aufgrund des festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfs auch unter diesen Umständen im Einzelfall nicht in der Schule durchführbar ist und regelmäßige außerschulische PCR- oder POC-Antigentests unzumutbar sind, können die Selbsttests nach entsprechender Glaubhaftmachung ausnahmsweise auch zuhause unter Aufsicht und mit Unterstützung der Erziehungsberechtigten durchgeführt werden. Eine vollständige Befreiung von der Testpflicht kommt nur für Schülerinnen und Schüler in Betracht, bei denen aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs überhaupt kein Test auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 durchführbar ist. Auch insoweit sind Tatsachen, die eine Ausnahme begründen können, glaubhaft zu machen.
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(2) Ausgehend von diesem Maßstab steht der Antragstellerin kein Anspruch auf die Befreiung von der Testpflicht nach § 18 Abs. 4 der 12. BayIfSMV zu. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass für sie aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs eine Testung auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 unter keinen Umständen durchführbar ist. Dieses hat die Antragstellerin nicht einmal behauptet. Es wird lediglich angeführt, dass die Durchführung des Selbsttests wegen der motorischen Schwierigkeiten der Antragstellerin mit nicht unerheblichen Risiken verbunden sei. Außerdem lehne die Antragstellerin die Durchführung des Tests wegen ihrer Ängste ab. Diese Behauptung steht jedoch mit dem Vortrag, die Durchführung des Tests in einer Arztpraxis oder Apotheke sei (lediglich) aus organisatorischen Gründen nicht möglich, in Widerspruch. Aus der Antragsbegründung ist vielmehr der Schluss zu ziehen, dass die Antragstellerin bzw. ihre Eltern die Testpflicht als Voraussetzung für den Schulbesuch in Präsenz grundsätzlich ablehnen und deren Sinnhaftigkeit in Frage stellen.
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Auch der vorgelegten ärztlichen Stellungnahme kann nicht entnommen werden, dass eine Testung der Antragstellerin unter keinen Umständen vorgenommen werden kann. Es wird angesichts der motorischen Schwierigkeiten lediglich empfohlen, den Schnelltest von der Antragstellerin „nicht eigenständig“ durchführen zu lassen. Der Stellungnahme des Antragsgegners ist zu entnehmen, dass die Testung unter Aufsicht bzw. Assistenz speziell ausgebildeter Lehrkräfte für Sonderpädagogik stattfindet, die die Fertigkeiten und Einschränkungen der Antragstellerin sehr genau kennen würden und die Selbsttestung mit entsprechender pädagogischer Betreuung unter Aufsicht und Anleitung sicher und zuverlässig möglich sei. Damit wird der Empfehlung in dem vorgelegten ärztlichen Attest ausreichend Rechnung getragen.
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Die Voraussetzungen für eine vollständige Befreiung von der Testpflicht liegen somit nicht vor.
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(3) Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf eine ausnahmsweise Durchführung der Selbsttestung zuhause unter Aufsicht und Assistenz der Eltern. Auch insoweit fehlt es an hinreichender Glaubhaftmachung der Ausnahmevoraussetzungen. Die Antragstellerin trägt vor, dass für sie aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs eine Selbsttestung in der Schule unter Aufsicht nicht möglich ist. Zudem lehne die Antragstellerin wegen ihrer Ängste eine Selbsttestung in der Schule ab. Aus der vorgelegten ärztlichen Stellungnahme vom 13. April 2021 geht zwar hervor, dass bei der Antragstellerin erhebliche Konzentrationsprobleme und erhebliche motorische Defizite sowie Defizite bei der Augen-Hand-Koordination vorliegen, weshalb eine eigenständige Durchführung eines Schnelltests nicht empfohlen wird. Die Antragstellerin hat jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass für sie eine Selbsttestung in der Schule auch mit Anleitung und Unterstützung der speziell ausgebildeten Pflege- bzw. Lehrkräfte nicht möglich ist. Dies ist auch den vorgelegten ärztlichen Unterlagen nicht zu entnehmen. Insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Lehrerkräfte einer sonderpädagogischen Fördereinrichtung über spezielle Ausbildung und Kenntnisse verfügen sowie die individuellen Besonderheiten ihrer Schüler kennen, reicht eine bloße Behauptung, die Testung in der Schule sei für die Antragstellerin nicht durchführbar, für die Glaubhaftmachung nicht aus. Da bei Schülern einer Förderschule regelmäßig ein sozialpädagogischer Förderbedarf besteht, kann eine Ausnahme nicht allein damit begründet werden. Aufgrund der besonderen Sachkunde der Förderlehrkräfte steht der Schule ein Entscheidungsspielraum zu, unter Berücksichtigung des individuellen Förderbedarfs der Kinder, über eine Ausnahme zu entscheiden. Dass es der Antragstellerin entgegen der Einschätzung der Schule unmöglich ist, eine Selbsttestung mit entsprechender Unterstützung in der Schule vorzunehmen, ist nach Aktenlage nicht ersichtlich.
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Überdies geht das Gericht davon aus, dass es den Eltern der Antragstellerin - auch unter Berücksichtigung ihrer Berufstätigkeit - nicht unzumutbar ist, alternativ zu einer Selbsttestung in der Schule ein außerschulisches PCR- oder POC-Antigentest in einem öffentlichen Testzentrum, beim Arzt oder in einer Apotheke durchführen zu lassen (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 der 12. BayIfSMV). Die Antragstellerin hat vorliegend nicht glaubhaft gemacht, dass ihr eine solche Testung außerhalb der Schule unmöglich ist.
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Ausweislich der Information des Landkreises auf seiner Homepage bestehen im Landkreis mehrere Möglichkeiten (nach vorheriger Terminvereinbarung) auch sonntags ein Test durchführen zu lassen (vgl. die Übersicht abrufbar unter: https://www.landkreis-*.de/index.php?id=2841, zuletzt abgerufen am: 6. Mai 2021). Mindestens drei Testzentren befinden sich in einer Entfernung von 10-15 km von dem Anwesen der Antragstellerin. Da das geforderte Testergebnis nach § 18 Abs. 4 Satz 3 der 12. BayIfSMV bis zu 24 Stunden alt sein darf, ist damit eine Testung montags vor Schulbeginn nicht erforderlich. Auch im Fall der Vorlagepflicht des Testergebnisses an einem anderen Wochentag steht es den Eltern der Antragstellerin aufgrund des gewährten Zeithorizonts frei, den Test bereits am Nachmittag bzw. Abend des Vortags durchführen zu lassen. Dabei ist es Aufgabe der Erziehungsberechtigten sich entsprechend ihrer zeitlichen Verfügbarkeit um gegebenenfalls erforderliche Testtermine für die Antragstellerin zu kümmern. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, die erforderlichen Tests beim Haus- bzw. Kinderarzt der Antragstellerin durchführen zu lassen, um sich gegebenenfalls eine noch weitergehende zeitliche Flexibilität zu verschaffen.
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Nach alldem liegt eine Unzumutbarkeit der außerschulischen PCR- oder POC-Testung der Antragstellerin als Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahme von der Testpflicht an der Schule ebenfalls nicht vor.
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c) Im Übrigen begegnet der Ausschluss von häuslichen Selbsttestungen für Schüler nach § 18 Abs. 4 Satz 2 der 12. BayIfSMV nach Auffassung der Kammer keinen rechtlichen Bedenken. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Selbsttestung bei Lehrkräften liegt insbesondere kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor, da insoweit bereits keine vergleichbare Sachlage gegeben ist. In seiner Ausprägung als Willkürverbot gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz im Übrigen nicht, dass der Gesetzgeber im konkreten Zusammenhang von mehreren möglichen Lösungen die zweckmäßigste oder gar die vernünftigste wählt. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist vielmehr erst anzunehmen, wenn offenkundig ist, dass sich für die angegriffene normative Regelung und eine durch sie bewirkte Ungleichbehandlung kein sachlicher Grund finden lässt (vgl. BVerfG, B.v. 13.6.2006 - 1 BvR 1160/03 - juris Rn. 89). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Ausschluss von häuslichen Selbsttestungen für Schüler beruht auf der sachgerechten Erwägung, dass nur die unter Aufsicht in der Schule durchgeführten Selbsttests oder aber die von Fachpersonal durchgeführten PCR- oder POC-Antigentests die sich von der Testobliegenheit des § 18 Abs. 4 der 12. BayIfSMV erhoffte Kontrolle des Infektionsgeschehens gewährleisten können. Die Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig, da eine häusliche Selbsttestung wegen fehlenden Kontrollmöglichkeiten nicht gleichermaßen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens geeignet ist.
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3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach dessen Nr. 1.5 beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel die Hälfte des in der Hauptsache gebotenen Streitwerts. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht.