Inhalt

LG Regensburg, Endurteil v. 13.01.2021 – 43 O 1232/20
Titel:

Kein Schadensersatzanspruch wegen unzulässiger Abschalteinrichtung bei fehlender Darlegung des Schädigungsvorsatzes 

Normenketten:
BGB § 31, § 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, § 823 Abs. 2, § 826, § 831
StGB § 263
EG-FGV § 27
Leitsatz:
Der Erwerber eines möglicherweise ursprünglich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs hat keine deliktischen Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller seines Autos, bei dem - unterstellt - eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut war, wenn der Hersteller den Motor nicht selbst entwickelt und hergestellt hat und nicht dargelegt werden kann, dass ein Organ des Herstellers eine strategische Entscheidung hinsichtlich der Täuschung über unzulässige Abschalteinrichtungen getroffen und umgesetzt hat bzw. Kenntnis von einer solchen Entscheidung hatte und diese gebilligt hat.  (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschalteinrichtung, Schadensersatzanspruch, Software-Update, Kraftfahrtbundesamt, Rückruf, Hersteller, Motor, Organ, Schädigungsvorsatz, Kenntnis
Fundstelle:
BeckRS 2021, 15196

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf … festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kaufvertrages hinsichtlich eines Fahrzeugs, das nach Auffassung der Klägerin mit einer unzulässigen „defeat device“ ausgestattet ist.
2
Die Klägerin erwarb am 08.07.2017 bei der … in Regensburg das streitgegenständliche Fahrzeug, den Porsche Macan S Diesel V6 TDI EU6, 3,0 l mit der Fahrgestellnummer … zu einem Kaufpreis von netto … €. Es handelte sich um ein Neufahrzeug.
3
Der in dem Fahrzeug verbaute Motor wird von der … hergestellt und an die Beklagte geliefert. Es handelt sich nicht um einen Motor des Typs EA189.
4
Mit Schreiben vom 12.9.2016 hatte das Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) bestätigt, dass mit der Motorsoftwarebedatung auf Grundlage des Updates, das intern als „…“ bezeichnet wird, keine Nachteile für die Kunden verbunden seien.
5
Am … erließ das KBA einen Rückrufbescheid bezüglich des Fahrzeugtyps Porsche Cayenne Diesel V6 EU 6.
6
Die Beklagte brachte bei der … in Erfahrung, dass die vom KBA als unzulässig eingestufte Bedatung des Warmlaufmodus des SCR-Katalysators auch beim hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyp Porsche Macan zunächst enthalten gewesen war. Die unzulässige Bedatung war jedoch bereits durch das Software-Update … durch die … entfernt worden, wovon zunächst weder das KBA noch die Beklagte Kenntnis hatten. Das KBA erließ am … einen Bescheid zum Porsche Macan, auf dessen Grundlage am … ein Rückruf des hier streitgegenständlichen Porsche Macan erfolgte. Mit Änderungsbescheid vom … hob das KBA den Bescheid vom … wieder vollständig auf. In diesem Bescheid wurde die konkrete Bedatung des … als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft. Mit Freigabebescheid vom 01.08.2018 teilte das KBA, dass nach Aufspielen eines Software-Updates mit der internen Bezeichnung … keine Nachteile für den Kunden gegeben seien.
7
Im Januar 2019 ließ die Klägerin im Porsche Zentrum … ein anderes Software-Update (interne Bezeichnung bei der Beklagten: …) hinsichtlich der Motorsteuerungssoftware durchführen.
8
Die Klägerin behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über eine unzulässige abschobt Einrichtung in mehrfacher Hinsicht. ….
9
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Rückabwicklung des Fahrzeuggeschäfts zu. Ein solcher Anspruch ergebe sich aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB sowie ebenfalls aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 27 EG-FGV, §§ 826, 31 BGB und §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und auch aus § 831 BGB.
10
Die Klägerin beantragt,
11
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Die geltend gemachten Ansprüche stünden der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
13
Das streitgegenständliche Fahrzeug habe bereits ab Werk über einen aktualisierten Softwarestand verfügt, der die vom KBA als unzulässig festgestellte Bedatung der Motorsteuerungssoftware nicht mehr enthalten habe. Von der … als Herstellerin des betreffenden Motors sei stets dessen Konformität mit EU-Vorgaben versichert worden.
14
Eine der Beklagten zurechenbaren Täuschungshandlung sei nicht dargelegt. Zudem sei der Klagepartei kein Schaden entstanden, der auf ein vorsätzliches (sittenwidriges) Handeln der Beklagten zurückgeführt werden könne. Ein Schädigungsvorsatz der Beklagten habe zu keiner Zeit vorgelegen.
15
Zur Ergänzung des Tatsachenvortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16
Das Gericht hat im Termin vom 25.11.2020 mündlich zur Sache verhandelt und die Klägerin informatorisch angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein Anspruch steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
18
1. Ein Anspruch auf (vor-)vertraglicher Grundlage scheitert daran, dass zwischen den Parteien keine Vertragsbeziehung besteht.
19
2. Deliktische Ansprüche scheitern jedenfalls daran, dass sich der erforderliche Schädigungsvorsatz der Beklagten nicht feststellen lässt.
20
Es fehlt insoweit bereits an hinreichend substantiiertem Vortrag der Klägerseite dazu, dass hier von einem Organ der Beklagten eine strategische Entscheidung hinsichtlich der Täuschung über unzulässige Abschaltseinrichtungen - selbst wenn man deren Vorhandensein einmal unterstellt - getroffen und umgesetzt wurde bzw. dass dieses zumindest Kenntnis von einer solchen Entscheidung hatte und diese billigte. Dies gilt vor allem deshalb, weil der Motor - anders als in den vom BGH entschiedenen Fällen zum Motor EA 189 - nicht von der Beklagten entwickelt und hergestellt wurde. Damit ist nicht klar, dass eine entsprechende Entscheidung zwangsläufig bei der Beklagten getroffen worden sein muss. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb sich die Beklagte hier den Wissenstand anderer konzernverbundener Unternehmen zurechnen lassen müsste.
21
Hinzu kommt, dass die Beklagte der Behauptung einer solchen Kenntnis detailliert entgegengetreten ist und die Klagepartei diese Ausführungen nicht substantiiert bestritten hat. Insbesondere ist die Klägerseite der Behauptung der Beklagten, das streitgegenständliche Fahrzeug sei bereits ab Werksauslieferung mit dem Software-Update „…“ versehen gewesen und dieses habe bereits alle Beanstandungen des KBA wirksam beseitigt, nicht substantiiert entgegengetreten.
22
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
23
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.