Titel:
Werbeanlage im faktischen Mischgebiet - Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs
Normenketten:
BayBO Art. 56 S. 1 Nr. 5, Art. 59 Abs. 1 Nr. 3
StVO § 33 Abs. 2 S. 1, S. 2, § 46 Abs. 2
FStrG § 9 Abs. 3, Abs. 3a
Leitsätze:
1. Verpflichtungsklage auf Baugenehmigung für doppelseitige beleuchtete Fremdwerbeanlage im faktischen Mischgebiet (abgelehnt) (Rn. 18 – 28)
2. Vorrang des straßenverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahrens vor dem Baugenehmigungsverfahren nach Art. 56 Satz 1 Nr. 5 BayBO (verneint) (Rn. 19 – 23)
3. Erkennbare Möglichkeit der Beeinträchtigung eines reibungslosen und ungehinderten Verkehrsablaufs im Rahmen der Prüfung des § 9 Abs. 3a, Abs. 3 FStrG durch eine auf Höhe und in unmittelbarer Nähe einer Fußgängerquerungshilfe geplante Fremdwerbeanlage entlang einer viel befahrenen Bundesstraße (bejaht) (Rn. 26 – 27)
Schlagworte:
Fremdwerbeanlage, faktischen Mischgebiet, Baugenehmigungsverfahren, Rechtsschutzbedürfnis, Vorrang des straßenverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahrens, Verkehrszeichen, Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, Bundesstraße, Beeinträchtigung eines reibungslosen und ungehinderten Verkehrsablaufs
Fundstelle:
BeckRS 2021, 14532
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer doppelseitig beleuchteten City Star-Werbeanlage zur Fremdwerbung.
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Die Klägerin, die …, ist geschäftsmäßig in der Aufstellung und Vermietung von Außenwerbeanlagen tätig. Die Beklagte ist eine kreisangehörige Gemeinde im Landkreis …; sie nimmt die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde wahr (§ 5 Abs. 1 ZustVBau).
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Mit Bauantrag vom 26. November 2018 begehrte die Klägerin unter Vorlage einer Einverständniserklärung des Grundstückseigentümers des Vorhabengrundstücks die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer doppelseitig beleuchteten City Star-Plakatanschlagtafel auf Monofuß auf dem Grundstück mit der Flurnummer (FlNr.) … der Gemarkung …, …, … Die Maße der Plakattafel betragen 3,8 m x 2,8 m bei einer Gesamthöhe einschließlich Monofuß ab Geländeoberkante von 5,42 m. Der Monofuß allein hat eine sichtbare Höhe von 2,5 m. Die Beleuchtung der doppelseitigen Plakatfläche erfolgt von oben über zwei je an einem Kragarm befestigte Beleuchtungskörper.
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Das schon mit einer euroformatigen Werbeanlage parallel zur Fahrbahnfläche bebaute und sonst als Stellplatz genutzte Vorhabengrundstück (FlNr. …) befindet sich östlich der … … (B ). Zwischen der … … und dem Vorhabengrundstück liegt ein kleiner Grünstreifen sowie ein etwa 2,3 m breiter Gehweg (FlNr. …*). Auf dem Grünstreifen steht eine weitere kleinere Werbeanlage der Firma …, die 1,15 m breit und 0,8 m hoch ist. Am nordwestlichen Ende des Grünstreifens und direkt vor der Einfahrt auf den Parkplatz folgt eine weitere Werbetafel mit einer Aufschrift für „… …“; ihre Abmessungen betragen 1,5 m x 1,0 m bei einer Gesamthöhe von 2,05 m. Die geplante Werbeanlage soll an der südwestlichen Grundstücksgrenze etwa auf Höhe der Grundstücksmitte im rechten Winkel zur Fahrbahn bzw. zum Gehweg errichtet werden, wobei die Außenkante der Plakattafel grenzständig eingezeichnet ist. Die Werbeanlage befindet sich zudem unmittelbar an und auf Höhe einer Fußgängerquerungshilfe über die …, die aus der Stadt kommend sowie aus der Gegenrichtung je mit einem Verkehrszeichen (blauer Kreis mit weißem Pfeil und rotweißer Leitbake) versehen ist. Auf der Westseite der B … steht auf Höhe der Fußgängerquerungshilfe eine Laterne, an der ein Vorfahrtsschild in Richtung stadteinwärts angebracht ist. Im weiteren südöstlichen Verlauf wird die … von einer zweigleisigen Bahnstrecke mit Schranke gekreuzt. Noch weiter südöstlich mündet die …straße von Norden herkommend in die … ein. Nordwestlich des Vorhabengrundstücks mündet der …(FlNr. …) in die … ein und noch weiter nordwestlich der … (FlNr. …*). Zu diesen Straßen hin führt jeweils von der … eine Linksabbiegerspur. Jenseits der Einmündung … verläuft die … wiederum in nordwestlicher Richtung stadtauswärts. In der unmittelbaren Umgebung des Vorhabengrundstücks befinden sich ihm südwestlich gegenüber, jenseits der …, auf den FlNrn. …, …, …, … und auch auf den dahinterliegenden Grundstücken Wohnhäuser. Unmittelbar östlich, nur durch einige Kleinstgrundstücke mit Baumbewuchs getrennt, befindet sich die beschriebene zweigleisige Bahnstrecke samt Bahnhofsgebäude und direkt südlich des Bahnhofsgebäudes eine Verkaufshalle der … Nördlich an das Vorhabengrundstück schließt sich ein in etwa rechteckig geformtes, etwa 39 m langes und 20 m breites Waldgrundstück bestehend aus mehreren Flurnummern an und daran wiederum nördlich und an der … liegend ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück (FlNr. …). Noch weiter nördlich folgt das Gelände des … (jedenfalls FlNr. …).
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Für das Vorhabengrundstück wurde bereits mit Baugenehmigungsbescheid vom 4. Juni 2014 die Errichtung eines Stellplatzes genehmigt. In Nr. 7 der Auflagen wurde dem Bauherrn aufgegeben, die verbleibenden Restflächen ausreichend zu begrünen. Vor Ausführung sei ein entsprechender Freiflächengestaltungsplan mit der Stadt … abzustimmen. Die Abstimmung des Freiflächengestaltungsplans erfolgte am 1. Dezember 2016.
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Das Staatliche Bauamt … verweigerte mit Schreiben vom 20. Februar 2019 sein Einverständnis mit dem Bauvorhaben. Zur Begründung führte es aus, dass das Grundstück über eine Zufahrt an die Bundesstraße angeschlossen sei und sich das Vorhaben somit nach § 9 Abs. 2 Ziff. 1 FStrG beurteile. Die Werbeanlage befinde sich in einem Abstand von 3 m zum Fahrbahnrand und unmittelbar an einer Fußgängerquerungshilfe. Aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, insbesondere des Fußgängerverkehrs, könne eine Ablenkung des Verkehrs durch eine Werbeanlage in diesem Bereich nicht toleriert werden.
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Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 22. März 2019 mit, dass sie beabsichtige, den Bauantrag abzulehnen. Die Werbetafel verstoße gegen die städtische Werbeanlagensatzung vom 4. April 2013. Zum einen beeinträchtige sie das Straßen- und Ortsbild erheblich, insbesondere die ortsbildprägende Sichtachse entlang der …, den Blickzug und den wesentlichen Straßenraum. Zum anderen käme es zu einer störenden Häufung von Werbeanlagen unter Einbeziehung der bereits vorhandenen. Schließlich werde entgegen der Werbeanlagensatzung die Wirksamkeit und Wahrnehmbarkeit amtlicher Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen eingeschränkt. Das vorliegende Schreiben sei zugleich als Anhörung gemäß Art. 28 BayVwVfG anzusehen. Dem trat die Klägerin mit Schriftsatz vom 6. Mai 2019 entgegen und führte aus, warum ihrer Ansicht nach ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung gegeben sei.
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Mit weiterem Schreiben vom 13. Juni 2019 wies die Beklagte die Klägerin ergänzend darauf hin, dass für das Vorhabengrundstück bereits mit Bescheid vom 4. Juni 2014 eine Baugenehmigung mitsamt eines Freiflächengestaltungsplans erteilt worden sei, der das komplette Grundstück FlNr. … umfasse. Die nun beantragte Werbeanlage sei nicht Bestandteil des vorgenannten Freiflächengestaltungsplans. Insofern müsse die Beklagte, wenn sie die beantragte Baugenehmigung erteile, sogleich wieder eine Beseitigungsanordnung erlassen. Daher fehle es bereits am Sachbescheidungsinteresse. Daraufhin entgegnete die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. August 2019, dass die beantragte Werbeanlage außerhalb der Freiflächenplanung stehen würde. Es handele sich um eine Erweiterung der Nutzung des Grundstücks, wofür ein Sachbescheidungsinteresse bestehe.
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Mit Bescheid vom 9. August 2019 lehnte die Beklagte die Erteilung der beantragten Baugenehmigung ab (Ziffer I.). Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass es sich um eine genehmigungspflichtige Anlage handele, die aber nicht genehmigungsfähig sei. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO dürfe die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag auch dann ablehnen, wenn das Vorhaben gegen sonstige, nicht im Prüfungsumfang des Art. 59 BayBO enthaltene öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoße. Das Vorhabengrundstück liege in einem faktischen Mischgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO, womit Anlagen der Fremdwerbung grundsätzlich nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO als nicht wesentlich störende gewerbliche Nutzungen ihrer Art nach zulässig seien. Jedoch verstoße die beantragte Werbeanlage gegen das umgebungsbezogene Verunstaltungsverbot nach Art. 8 Satz 2 BayBO. Die vorgesehene beleuchtete Werbetafel erwecke den Eindruck eines überdimensionalen Fernsehers und bringe eine gestalterische Unruhe mit sich. Sie falle durch ihre Höhe deutlich in den Blick, wirke aufgesetzt und stelle einen Fremdkörper dar. Diese negative Wirkung werde durch die vorgesehene Beleuchtung in den Nachtstunden verstärkt, so dass insgesamt gesehen von einer Verunstaltung des Orts- und Straßenbildes auszugehen sei. Zudem komme es in Kombination mit den vorhandenen Werbeanlagen in der … zu einer störenden Häufung von Werbeanlagen im Sinne des Art. 8 Satz 3 BayBO.
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Weiter gefährde das Bauvorhaben die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs gemäß Art. 14 Abs. 2 BayBO. Die Werbeanlage befinde sich unmittelbar neben einer Fußgängerquerungshilfe über die vielbefahrene Bundesstraße … Danach folge stadtauswärts eine Linksabbiegerspur in den … Die Bundesstraße … weise im Bereich des beantragten Bauorts einen durchschnittlichen täglichen Verkehr an Werktagen von 13.950 Fahrzeugen (Bestand …*) auf und das Staatliche Bauamt … habe mitgeteilt, dass eine Ablenkung des Verkehrs durch eine Werbeanlage in diesem Bereich nicht toleriert werden könne. Die Beklagte und das Staatliche Bauamt … hätten diesbezüglich eine Gefahrabschätzung vorgenommen. Die hohe Verkehrsbelastung habe letztendlich die Einrichtung einer Fußgängerquerungshilfe notwendig gemacht und das Verkehrsgeschehen an dieser Stelle, das ohnehin schon eine besondere Aufmerksamkeit von Autofahrern und Fußgängern erfordere, dürfe dabei nicht zusätzlich durch die aufmerksamkeitsabziehende Wirkung einer beleuchteten Werbeanlage belastet werden.
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Schließlich liege die Werbeanlage im Geltungsbereich der Satzung über Werbeanlagen und Warenautomaten im Umfeld der … und der … (Werbeanlagensatzung-WaS) vom …2013 der Stadt … Diese stelle eine örtliche Bauvorschrift nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c und Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BayBO dar. Das Bauvorhaben falle als Werbeanlage für Fremdwerbung ohne unmittelbaren Bezug zur Stätte der Leistung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3a WaS in die Schutzzone B der Satzung und widerspreche dieser aus folgenden Gründen: Einerseits beeinträchtige es das Straßen- und Ortsbild erheblich, § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst b WaS. Weiter komme es zu einer störenden Häufung von Werbeanlagen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaS. Auch finde § 2 Abs. 2 WaS, nach dem die Wirksamkeit und Wahrnehmbarkeit amtlicher Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen durch Werbeanlagen nicht eingeschränkt werden dürfe, vorliegend entsprechende Anwendung. Schließlich verstoße die Höhe der beantragten Werbeanlage von 5,50 m gegen die gestalterischen Anforderungen von § 3 Abs. 3 Nr. 3 WaS, wonach Werbeanlagen nicht oberhalb des Brüstungsbereichs des ersten Obergeschosses angebracht werden dürften.
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Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 5. September 2019 Klage. Zur Begründung führt sie aus, dass das beantragte Vorhaben genehmigungsfähig sei. Unter Verweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 29. Juni 2015 (AN 9 K 14.01985 - juris) sei hinsichtlich der nördlichen Umgebung der … … von einem Mischgebiet auszugehen und demnach das Vorhaben seiner Art nach zulässig. Die Rechtmäßigkeit der städtischen Werbeanlagensatzung werde angezweifelt und insofern auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Ansbach in der genannten Entscheidung Bezug genommen. Dort hatte das Verwaltungsgericht die Frage der Rechtmäßigkeit der Satzung dahinstehen lassen, jedoch bemerkt, dass ein Verbot der Errichtung von Werbeanlagen durch den Satzungsgeber im Hinblick auf Artt. 12, 14 GG nur dort gerechtfertigt und verhältnismäßig sei, wo die vom Gesetzgeber genannten ortsgestalterischen Gründe ein entsprechendes Verbot erforderten. Ob und inwieweit dies der Fall sei, beurteile sich nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Bereichs. Der Satzungsgeber habe bei Erlass einer Werbeanlagensatzung deshalb die Schutzbedürftigkeit des betroffenen Gebietes sorgfältig abzuwägen und im Zweifel nach Baugebieten, Bauquartieren und unter Umständen noch weitergehend, etwa nach Straßenzügen, abzustufen.
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Eine Beeinträchtigung des Straßen- und Ortsbildes könne am Vorhabenstandort entlang der … … nicht angenommen werden. Es handele sich um eine innere örtliche Ein- und Ausgangsstraße, die bereits durch das Vorhandensein von gleichartigen Fremdwerbeanlagen vorgeprägt sei und auch im Übrigen keine besonderen Kriterien aufweise, die ein besonders schützenswertes Ortsbild im Rechtssinne annehmen ließen. Des Weiteren werde durch das Hinzutreten der beantragten Werbetafel keine störende Häufung von Werbeanlagen im Rechtssinne bewirkt. Diesbezüglich werde nicht bestritten, dass entlang der … … schon zahlreiche andere Fremdwerbeanlagen vorhanden seien, dies allerdings in einem so weiträumig abgesetzten Bereich vom Vorhabengrundstück, dass eine Häufung fraglich erscheine. Außerdem seien andere in der … … befindliche Werbeanlagen durch Gebäude versperrt, sodass mit Ausnahme der auf dem Vorhabengrundstück bereits vorhandenen Werbeanlage keine weiteren sichtbar seien. Die Klägerin sei überdies dazu bereit nachzudenken, die bereits bestehende Werbeanlage zugunsten der beantragten zu entfernen. Soweit die Beklagte mit der Beleuchtung der Werbeanlage argumentiere, werde darauf verwiesen, dass auf der Liegenschaft … … … bereits eine baugleiche, doppelseitige Plakatanschlagtafel vorhanden sei. Hinsichtlich der durch die Beklagte vorgebrachten Verkehrsgefährdung werde entgegnet, dass in der Rechtsprechung mittlerweile anerkannt sei, dass statische Plakatanschlagtafeln, die nicht selbstständig die Bildfläche wechseln, in der Regel keine konkrete Verkehrsgefährdung bewirkten. Es gebe sogar Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (OVG Saarl, U.v. 23.5.2016 - 2 A 5/16 - juris), dass selbst bei Wechsel-Werbeanlagen in der Regel keine konkrete Verkehrsgefährdung anzunehmen sei. Das zur Genehmigung gestellte Werbevorhaben verdecke nicht den freien Blick auf eine Lichtzeichenanlage oder ein Verkehrszeichen. Auch zeige sich die Verkehrsführung als innerorts normal bis einfach. Was den Freiflächengestaltungsplan aus der Baugenehmigung aus dem Jahre 2014 anbelange, so werde dieser eingehalten.
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Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 9. August 2019 zu verpflichten, die Baugenehmigung zur Errichtung einer statischen, doppelseitigen, beleuchteten …-Werbeanlage auf Monofuß auf der Liegenschaft …, … … …, Flurstück …, gemäß näherer Darstellung in den Bauvorlagen zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung führt sie aus, dass die Klage bereits unzulässig sei, da die beantragte Werbeanlage keiner Baugenehmigung, sondern gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 und § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung bedürfe. Diesbezüglich reiche es aus, wenn die jeweilige Einrichtung die Wirkung von Verkehrszeichen ernsthaft beeinträchtigen und sich auf den Verkehr auswirken könne. In etwa 70 m Entfernung befinde sich beim höhengleichen Bahnübergang eine Ampelanlage und insbesondere nachts könnte angesichts der Beleuchtung der Werbeanlage eine Ablenkung des Autofahrers eintreten. Schließlich liege unmittelbar am geplanten Standort eine Fußgängerquerungshilfe, die eine besondere verkehrliche Gefahrenquelle sei. Davon abgesehen sei die Klage unbegründet. Die zur Genehmigung gestellte Werbeanlage beeinträchtige die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Sinne des Art. 14 Abs. 2 BayBO, das Ortsbild nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB, führe in Verbindung mit weiteren bestehenden Werbeanlagen zu einer Verunstaltung und verstoße schließlich gegen die Werbeanlagensatzung der Beklagten. Zur Bejahung einer Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs nach Art. 14 Abs. 2 BayBO genüge, dass eine bereits bestehende Gefährdungslage, etwa durch bereits vorhandene Werbeanlagen, verschärft werde. Hierbei sei die Beleuchtung des Vorhabens zu berücksichtigen, weil es damit bei Dunkelheit verstärkte Aufmerksamkeit auf sich ziehe. Weiter werde das Ortsbild nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB beeinträchtigt. Für die Beurteilung der Störungswirkung sei dabei nicht allein auf die nähere Umgebung abzustellen, sondern ein über das Einfügen hinausgehender größerer Umgebungsmaßstab zu berücksichtigen. In der so zu beurteilenden Umgebung fänden sich vergleichbare Werbeanlagen bislang nicht, sondern seien nur kleinere, unbeleuchtete und weniger wuchtige vorhanden. Das von der Umgebung geprägte Ortsbild besitze eine besonders prägende und reizvolle Eigenart. Die „…“ westlich der … stehe in Bezug zur Altstadt. Die nach wie vor geschlossen geprägte mittelalterliche Stadtkulisse werde bereits hier städtebaulich angekündigt. Schließlich komme es im Falle einer Genehmigung zu einer gegen Art. 8 Satz 3 BayBO verstoßenden verunstaltenden Häufung von Werbeanlagen. Von einzelnen Standorten aus seien künftig drei und mehr Werbeanlagen gleichzeitig im Blickfeld eines Betrachters. Abschließend sei anzumerken, dass die beantragte Werbeanlage gegen § 3 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. b der WaS der Beklagten verstoße.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung mit Augenscheinseinnahme vom 6. Mai 2021 samt Lichtbildern Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis und dem vorgelagert das Sachbescheidungsinteresse der Klägerin gegeben, da hier der Vorrang der straßenverkehrsrechtlichen Genehmigung vor der Baugenehmigung nach Art. 56 Satz 1 Nr. 5 BayBO i.V.m. § 33 Abs. 2 Sätze 1 und 2, § 46 Abs. 2 StVO nicht eingreift. Für die Erteilung der straßenverkehrsrechtlichen Genehmigung wäre nicht die Beklagte, sondern gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b der Verkehrswesen-Zuständigkeitsverordnung (ZustVVerk) die Regierung von Mittelfranken zuständig.
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Nach Art. 56 Satz 1 Nr. 5 BayBO bedürfen Werbeanlagen keiner Baugenehmigung, soweit sie einer Ausnahmegenehmigung nach dem Straßenverkehrsrecht unterliegen. Dies ist gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1, § 46 Abs. 2 StVO dann der Fall, wenn Einrichtungen, die Zeichen oder Verkehrseinrichtungen (§§ 36 bis 43 StVO in Verbindung mit den Anlagen 1 bis 4) gleichen, mit ihnen verwechselt werden können oder deren Wirkung beeinträchtigen können, dort angebracht oder sonst verwendet werden, wo sie sich auf den Verkehr auswirken können, § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO. Die an beiden Enden der Fußgängerquerungshilfe angebrachten „Rechts vorbei“ Schilder sind Vorschriftszeichen im Sinne des § 39 Abs. 2 Satz 2, § 41 StVO i.V.m. Nr. 10, Zeichen 222 der Anlage 2 zur StVO. Die durch die Klägerin geplante Werbeanlage etwa auf Höhe der Fußgängerquerungshilfe kann deren Wirkung jedoch nicht im Sinne des § 33 Abs. 2 StVO beeinträchtigen. Dafür ist zwar nicht die Feststellung einer konkreten Beeinträchtigung erforderlich, sondern reicht es aus, wenn die jeweiligen Einrichtungen die Wirkung von Verkehrszeichen beeinträchtigen und sich auf den Verkehr auswirken können. Dabei wiederum ist nicht jede theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung ausreichend, sondern muss eine ernsthafte Beeinträchtigungsgefahr bestehen. § 33 Abs. 2 StVO kann insofern als abstrakter Gefährdungstatbestand bezeichnet werden (BayVGH, B.v. 17.7.2020 - 15 ZB 20.144 - juris Rn. 8; Ritter in Dötsch/Koehl/Krenberger/Türpe, BeckOK Straßenverkehrsrecht, 11. Ed. 15.4.2021, § 33 Rn. 17 ff.).
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Eine ernsthafte Beeinträchtigung des „Rechts vorbei“-Vorschriftszeichens, welches laut Nr. 10, Zeichen 222 der Anlage 2 zur StVO das Gebot „Wer ein Fahrzeug führt, muss der vorgeschriebenen Vorbeifahrt folgen“ enthält und der darunter angebrachten Leitbake, kann nicht angenommen werden. Es ist schon davon auszugehen, dass der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer auch ohne die an beiden Enden der Fußgängerquerungshilfe angebrachten Vorschriftszeichen an dieser vorbei und nicht auf sie herauf fahren würde, da, wenn man auf den eingezeichneten Fahrspuren der … … in beide Richtungen verbleibt, eine Kollision ausgeschlossen ist. Im Übrigen ist die … … entlang der Fußgängerquerungshilfe in beide Fahrtrichtungen gut einsehbar und verläuft in diesem Bereich nahezu gerade.
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Ebenso wenig kommt eine ernsthafte Beeinträchtigung der, stadteinwärts geblickt, auf der linken Fahrbahnseite etwa auf Höhe der Einfahrt zum Vorhabengrundstück angebrachten einstreifigen Bake in Betracht. Diese ist ein besonderes Gefahrzeichen vor Übergängen von Schienenbahnen mit Vorrang gemäß § 39 Abs. 2 Satz 2, § 40 Abs. 7 StVO i.V.m. Nr. 23, Zeichen 162 der Anlage 1 zur StVO, welches etwa 80 m vor einem Bahnübergang anzubringen ist. Deren Beeinträchtigung durch die geplante Werbeanlage kommt schon deshalb nicht ernsthaft in Betracht, weil für die stadteinwärts und auf den Bahnübergang zufahrenden Kraftfahrzeuge vor allem die auf ihrer, der rechten Fahrbahnseite, angebrachte identische einstreifige Bake die Hinweisfunktion auf den nahenden Bahnübergang übernimmt. Dem entspricht auch die gesetzliche Regelung in § 39 Abs. 2 Satz 3 StVO, dass Verkehrszeichen als Schilder regelmäßig rechts stehen. Im Übrigen liegt der Blickwinkel der stadteinwärts fahrenden Fahrzeugführer auf die jenseits der linken Fahrbahnseite angebrachte Bake durch deren Abstand von der geplanten Werbeanlage so, dass sie von dieser nicht optisch beeinträchtigt würde.
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Demnach bleibt es beim regulären Baugenehmigungsverfahren für die geplante Errichtung der Werbeanlage durch die Klägerin, weswegen diese nach erfolgter Verweigerung der Baugenehmigung durch die Beklagte ein Rechtsschutzbedürfnis für die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) auf deren Erteilung hat.
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2. Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung durch die Beklagte mit Bescheid vom 9. August 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Baugenehmigung.
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Voraussetzung für einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung ist nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nachdem es sich bei dem Vorhaben der Klägerin um keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt und auch keine Verfahrensfreiheit (Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a - g, Abs. 2 Nr. 6 BayBO) oder Genehmigungsfreistellung (Art. 58 BayBO) in Frage kommt, sind vom Prüfungsumfang grundsätzlich nur die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfasst. Allerdings gewährt Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayBO den Bauaufsichtsbehörden eine erweiterte Ablehnungsmöglichkeit, wenn das Vorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt.
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Die geplante Werbeanlage der Klägerin widerspricht der Regelung des § 9 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 FStrG. Die in § 9 Abs. 3 FStrG genannten Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sind gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. § 9 Abs. 3a FStrG auch bei der Erteilung von Baugenehmigungen innerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen zu beachten (vgl. BayVGH, B.v. 29.9.2009 - 14 ZB 08.3159 - juris Rn. 4, B.v. 15.10.2011 - 15 ZB 10.2590 - juris; HessVGH, B.v. 26.3.2007 - 3 UZ 3100/06 - juris). Bei der … Straße handelt es sich im maßgeblichen Bereich ganz offensichtlich um einen innerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teil der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße (§ 9 Abs. 3a i.V.m. § 5 Abs. 4 Satz 1 FStrG), der B … Der Regelung des § 9 Abs. 3 FStrG liegt nicht der polizeiliche Gefahrenbegriff zugrunde, der ein Eingreifen rechtfertigt, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Schaden eintritt. Eine konkrete Verkehrsgefährdung ist nicht erforderlich. Die Vorschrift geht vielmehr über das Ziel hinaus, eine im Einzelfall bestehende gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Es kommt nicht allein darauf an, ob Gefahren oder Schäden für die Verkehrsteilnehmer eintreten können; geschützt werden soll auch ein normaler Verkehrsablauf, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen bestehen muss. Der reibungslose und ungehinderte Verkehr soll sichergestellt werden. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit, sondern es muss die erkennbare Möglichkeit der Beeinträchtigung eines reibungslosen und ungehinderten Verkehrsablaufs durch die Werbeanlage bestehen (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2011 - 15 ZB 10.2590 - juris Rn. 3).
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Nach der gerichtlichen Inaugenscheinnahme stellt sich die B … als stark befahrene Straße dar, was sich mit der durch die Beklagte unwidersprochen vorgetragene Information deckt, dass dort ein durchschnittlicher täglicher Verkehr an Werktagen von 13.950 Fahrzeugen fließt. Die mit ihrer Ansichtsfläche im rechten Winkel zur Fahrbahn geplante Werbeanlage befindet sich auf derselben Höhe wie die Fußgängerquerungshilfe und ist mit der linken Außenwand ihres Gehäuses grenzständig zum sich an das Vorhabengrundstück anschließenden etwa 2,3 m breiten Gehweg errichtet, der wiederum unmittelbar an die … … (B **) anschließt. Zwar mögen Werbeanlagen der Außenwerbung an Ein- und Ausfallstraßen mittlerweile vielerorts und so auch, ausweislich der gefertigten Lichtbilder, an der … … in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks üblich und den Verkehrsteilnehmern vertraut sein, so dass im Regelfall keine die Verkehrssicherheit beeinträchtigende Ablenkung zu befürchten ist (OVG Saarl, U.v. 23.5.2016 - 2 A 5/16 - juris Rn. 27; s.a. BayVGH, B.v. 9.2.2021 - 9 ZB 19.1582 - juris Rn. 20). Allerdings rechtfertigen die besonderen Umstände des hier zu entscheidenden Falles ein Abweichen von dieser Regel. Denn die geplante Werbeanlage befindet sich wie ausgeführt unmittelbar auf Höhe der Fußgängerquerungshilfe, also an einer Stelle, die durch die Querungsmöglichkeit für Fußgänger ein gegenüber dem regulären fließenden Verkehr erhöhtes Risikoprofil für Personenschäden aufweist, insbesondere soweit es die nordwestlich verlaufende Fahrspur stadtauswärts betrifft. Die Kraftfahrzeugführer müssen somit nicht nur den übrigen Kfz-Verkehr im Auge behalten, sondern auch etwa die Straße überquerende Fußgänger. Dadurch, dass die geplante Werbeanlage im direkten Blickfeld der aus südöstlicher Richtung an die Fußgängerquerungshilfe heranfahrenden Kraftfahrzeuge liegt, ist sie in besonderer Weise geeignet ist, die Aufmerksamkeit der in Richtung Nordwesten fahrenden Verkehrsteilnehmer an dieser Stelle auf sich zu ziehen. Dies gilt in verstärktem Maße zur Abend- und Nachtzeit, da es sich um eine beleuchtete Werbeanlage handelt. Damit ergibt sich in der Zusammenschau von Ablenkungsmöglichkeit und erhöhtem Risikoprofil durch die Fußgängerquerungshilfe die nicht nur theoretische, sondern erkennbare Möglichkeit der Beeinträchtigung eines reibungslosen und ungehinderten Verkehrsablaufs durch die Werbeanlage.
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Die Beklagte hat sich zwar nicht explizit auf § 9 Abs. 3, Abs. 3a FStrG bezogen, aber inhaltlich die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs speziell in Bezug auf die Fußgängerquerungshilfe bemüht und u.a. daraus die Ablehnung der Erteilung der Baugenehmigung zulässigerweise gestützt.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.