Inhalt

LArbG Nürnberg, Urteil v. 12.05.2021 – 2 Sa 29/21
Titel:

Auslandsversetzung - AGB-Kontrolle

Normenketten:
BGB § 305, § 306, § 307
GewO § 106
Leitsatz:
Eine im Arbeitsvertrag zwischen einer ausländischen Fluggesellschaft und einem Piloten enthaltene unternehmensweite Versetzungsklausel erfasst auch die Versetzung an eine ausländische „homebase“. Dies verstößt auch als echte das Direktionsrecht erweiternde Klausel nicht gegen die §§ 305 ff BGB. (Rn. 62, 68, 86 und 89)
Schlagworte:
Arbeitsvertrag, Versetzung, unternehmensweite Versetzungsklausel, Direktionsrecht, Auswahlentscheidung, Inhaltskontrolle
Vorinstanz:
ArbG Nürnberg, Endurteil vom 08.12.2020 – 15 Ca 834/20
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt, Urteil vom 30.11.2022 – 5 AZR 352/21
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
LSK 2021, 14334
NZA-RR 2021, 344
BeckRS 2021, 14334

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 08.12.2020 - Az. 15 Ca 834/20 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Versetzung, hilfsweise um die Wirksamkeit einer vorsorglich erklärten Änderungskündigung und um Weiterbeschäftigung.
2
Der am ...1990 geborene, ledige Kläger war seit 01.03.2017 bei der Fluggesellschaft R. DAC als Captain auf dem Muster Boing 737-800 beschäftigt und von Beginn an am Flughafen in N. stationiert. Sein Arbeitsverhältnis ging zum 01.01.2020 im Weg des Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Diese ist eine zur irischen R.-Gruppe gehörende Fluggesellschaft mit Sitz in Malta und Heimatbasis auf dem Flughafen von Malta. Sie führt an verschiedenen Flughäfen in Deutschland sowie in Italien, Frankreich, Malta und Rumänien internationale Flüge durch.
3
Der Kläger ist Mitglied in der Vereinigung Cockpit e.V.
4
Im Arbeitsvertrag des Klägers vom 30.01.2017 (Anlage K 6, Blatt 108 ff der Akten) wurde unter Ziffer 35 die Anwendbarkeit irischen Rechts vereinbart. Der Vertrag wurde seitens der Arbeitgeberin in Irland unterzeichnet.
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Ziffer 6.1 des Vertrages enthält folgende Regelung:
„R.’s aircraft are registered in the Republic of Ireland and as you will perform your duties on these Irish aircraft your employment is based in the territory of the Republic of Ireland. You will be located principally at Nuremberg Airport and at such other place or places as the Company reasonably requires for the proper fulfilment of your duties and responsibilities under this Agreement. It is a condition of your employment that you comply with any such requirement. This would include, for the avoidance of doubt, transfer to any of the Company’s bases without compensation. It must be understood that should you be transferred to another base you will be paid in accordance with the prevailing salary and flight pay system at that base.” Der Kläger übersetzt diese vertragliche Regelung wie folgt:
„Die Flugzeuge von R. sind in der Republik Irland registriert, und da Sie Ihre Aufgaben mit diesen irischen Flugzeugen wahrnehmen werden, hat Ihr Arbeitsplatz seinen Sitz im Gebiet der Republik Irland. Sie befinden sich hauptsächlich am Nürnberger Airport und an einem anderen Ort oder anderen Orten, die das Unternehmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung Ihrer Pflichten und Verantwortlichkeiten im Rahmen dieser Vereinbarung benötigt. Es ist eine Voraussetzung für Ihre Anstellung, dass Sie diese Anforderung erfüllen. Dies wird zur Vermeidung von Zweifeln eine entschädigungslose Übertragung auf einen der Standorte der Gesellschaft beinhalten. Es muss verstanden werden, dass Sie, wenn Sie auf eine andere Basis transferiert werden, in Übereinstimmung mit dem geltenden Gehaltssystem und der Bezahlung pro Flug dieser Basis bezahlt werden.“
6
Die Beklagte übersetzt diese vertragliche Regelung wie folgt:
„Die Flugzeuge von R. sind in der Republik Irland registriert, und da Sie Ihre Pflichten in diesen irischen Flugzeugen erfüllen werden, ist Ihr Arbeitsplatz im Hoheitsgebiet der Republik Irland angesiedelt. Sie werden grundsätzlich am Flughafen N. und an einem anderen Ort oder an anderen Orten eingesetzt, die das Unternehmen in nachvollziehbarer Weise zur ordnungsgemäßen Erfüllung Ihrer Pflichten und Verantwortlichkeiten im Rahmen dieser Vereinbarung benötigt. Es ist eine Bedingung für Ihre Beschäftigung, dass Sie diese Anforderung erfüllen. Dies umfasst, um Zweifel auszuschließen, auch eine entschädigungslose Versetzung zu jedem anderen Standort des Unternehmens. Sollten Sie an eine andere Basis versetzt werden, so werden Sie gemäß dem dort geltenden Gehalts- und Flugvergütungssystem bezahlt.“
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Nach Ziffer 7.1 des Arbeitsvertrages erhält der Kläger ein jährliches Brutto-Grundgehalt von € 66.325,- das jährlich überprüft wird. Zuletzt verdiente der Kläger € 8.833,33 brutto monatlich (Anlage K 7 Blatt 124 der Akten). Dieses setzt sich zusammen aus dem tariflichen Grundgehalt von 8.333,33 € (100.000,- € geteilt durch 12, Vgl VTV Tabelle 3.1., Blatt 25 der Akten) und einer „allowance“ von 500,- €.
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Unter dem 09.09. und 05.11./07.11.2019 schlossen durch die R. DAC, die Beklagte und die Pilotengewerkschaftsvereinigung Cockpit e.V. einen Vergütungstarifvertrag (im Folgenden: VTV) für direkt bei R. angestellte Piloten, die in Deutschland stationiert sind sowie einen Tarifsozialplan (im Folgenden TVSP) bezüglich der Stilllegung/Einschränkung von Stationierungsorten für die Piloten der R. in Deutschland.
9
In § 1 Ziffer 1 VTV wurde festgelegt, dass für alle an deutschen Basen stationierten Piloten rückwirkend zum 01.02.2019 deutsches Recht, mit Ausnahme deutschen Steuerrechts und des Rechts zur betrieblichen Altersversorgung Anwendung findet.
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In § 3 Ziffer 2 TVSP wird der Prozess zur Beseitigung eines Pilotenüberhangs in Deutschland, der sich aus einer dauerhaften Stilllegung oder Einschränkung des Stationierungsortes ergibt, in fünf Stufen geregelt:
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Auf Stufe 1 soll der Personalüberhang dadurch abgebaut werden, dass die betroffenen Piloten an einen Flughafen, an dem geeignete offene Stellen bestehen und der von der IATA als dieselbe Stadt bedienend benannt wird, oder einen Flughafen mit einer Fahrzeit von weniger als 60 Minuten vom derzeitigen zum neuen Stationierungsort versetzt werden.
12
Sofern der Personalüberhang über Stufe 1 nicht vollständig abgebaut werden kann, erfolgt auf Stufe 2 die Möglichkeit einer freiwilligen Änderung des Stationierungsortes auf eine freie Position innerhalb und außerhalb Deutschlands.
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Sofern gleichwohl ein Personalüberhang verbleibt, ist auf Stufe 3 die Möglichkeit zum Abschluss von Arbeitsverträgen als mobile Piloten basierend auf der Verfügbarkeit anzubieten.
14
Für den Fall, dass nach den Stufen 1 bis 3 ein Personalüberhang verbleibt, kann die Beklagte auf Stufe 4 Piloten des betroffenen Stationierungsortes einen anderen Stationierungsort innerhalb Deutschlands oder einen anderen Stationierungsort in EU-Ländern (einschließlich Großbritannien, Norwegen und Schweiz) arbeitgeberseitig per Versetzung oder Änderungskündigung zuweisen. Die Auswahl der Piloten erfolgt gemäß § 6 TVSP, das heißt auf der Grundlage von Sozial- und Leistungskriterien nach einem Punktesystem.
15
Sollte nach den Stufen 1 bis 4 ein Personalüberhang verbleiben, können die Arbeitsverhältnisse mit Piloten aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden (Beendigungskündigung).
16
Gemäß § 3 Ziffer 4 TVSP werden Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den Gehältern, gemäß dem an dem neuen Stationierungsort geltenden Tarifvertrag weiterbeschäftigt.
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Die R. DAC und die Beklagte informierten mit Schreiben vom 02.12.2019 gemeinsam die in Deutschland stationierten Piloten über den bevorstehenden Betriebsübergang (Anlage K3, Blatt 83 der Akten). In einem Meeting in N. am 03.12.2019 wurden die in N. stationierten Piloten von der zum 28.03.2020 beabsichtigten Schließung der Station Nürnberg in Kenntnis gesetzt. Mit Schreiben vom 10.12.2019 (Blatt 84 der Akten) teilte die R. DAC den in Deutschland stationierten Piloten mit, dass sie mit dem 31.12.2019 nicht mehr aus deutschen Basen heraus operieren werden, sondern alle Flüge aus Deutschland im Rahmen eines sog. Wet-Lease durch die Beklagte erbracht werden. Mit Memorandum vom 18.12.2019 (Anlage K 8, Blatt 125 der Akten) wurden alle Piloten der Nürnberger Base daran erinnert, bis 31.12.2019 ihre Base-Präferenzen mitzuteilen. Der Kläger gab keine Präferenzen an.
18
Mit zweisprachigem Schreiben vom 20.01.2020 (Blatt 127 ff der Akten), das dem Kläger am 28.01.2020 zuging, wurde dieser mit Wirkung zum 01.05.2020 nach B./Italien versetzt. Vorsorglich kündigte die Beklagte das bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.04.2020 und bot gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis ab 01.05.2020 in Bologna als neuem Arbeitsort fortzusetzen. Mit Schreiben vom 11.02.2020 widersprach der Kläger der Versetzung und nahm die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist (Anlage K 11, Blatt 133 ff der Akten). Der tatsächliche Beginn der Tätigkeit des Klägers in Italien wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie einvernehmlich auf den 01.07.2020 verschoben.
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Mit Klage vom 18.02.2020, am gleichen Tag beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangen, machte der Kläger die Unwirksamkeit der Versetzung und Änderungskündigung geltend, begehrte Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen und beantragte des Weiteren die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.04.2020 hinaus fortbesteht.
20
Der Kläger hat erstinstanzlich wie folgt vorgetragen:
21
Auf das Arbeitsverhältnis finde deutsches Arbeitsrecht Anwendung. Die Versetzung ins Ausland sei unzulässig. Bei der im Arbeitsvertrag vereinbarten Versetzungsklausel in Ziffer 6.1 handele es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung. Die Klausel sei intransparent und benachteilige den Kläger massiv, wenn es dort heiße, dass bei dem Transfer zu einer anderen Basis die Vergütung auf Basis des geltenden Vergütungssystems erfolgen solle. Die Möglichkeit einer internationalen Versetzung auch außerhalb der Europäischen Union gehe weit über das nach § 106 GewO existierende Weisungsrecht hinaus, zumal der Kläger nach dem Arbeitsvertrag grundsätzlich am Nürnberger Flughafen stationiert sei. Weiterhin habe die Beklagte das für die Änderung von Stationierungsorten vorgesehene Sozialauswahlverfahren nach § 6 TVSP nicht durchgeführt. Der Tarifsozialplan weite das Weisungsrecht der Beklagten nicht aus. Deswegen sei in § 3 Ziffer 2 Stufe 4 auch die Formulierung „per Versetzung oder Änderungskündigung“ aufgenommen worden. Der Klägervertreter habe in den Tarifvertragsverhandlungen darauf hingewiesen, dass eine Änderungskündigung die Zuweisung eines Einsatzortes im Ausland wahrscheinlich auch nicht ermögliche. Der Tarifsozialplan habe das Direktionsrecht der Beklagten keinesfalls erweitern sollen, da die Parteien sich hierauf nicht einigen konnten.
22
Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel verstoße auch gegen § 308 Nr. 4 BGB, da die Vergütung als Hauptleistungspflicht einseitig durch den Arbeitgeber geändert werden würde.
23
Die Versetzung entspräche nicht billigem Ermessen, die Beklagte habe durch sie Tarifflucht begangen. Der Kläger bestreitet, dass es zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung keine freien Stellen in Deutschland für betroffene Piloten in N. gegeben habe. Die Beklagte hätte beispielsweise Ende 2019 und Anfang 2020 Piloten aus England auf freie Stellen in Frankfurt, Piloten aus Hamburg auf freie Stellen in Berlin, Köln und Frankfurt versetzt.
24
Die Versetzung bedeute für den Kläger auch eine besondere Härte, da er seinen gesamten Lebensschwerpunkt in ein anderes Land verlegen müsse und hierbei auch mit Einkommenseinbußen rechnen müsse.
25
Die hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung sei ebenfalls unwirksam. Sie sei schon zu unbestimmt, da im Kündigungsschreiben lediglich der Arbeitsort geändert würde, tatsächlich aber eine vollständige Änderung der Arbeitsbedingungen erfolge. Die Änderungskündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Die Durchführung einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl werde bestritten, wobei insoweit gem. § 24 KSchG alle in Deutschland stationierten Piloten zu berücksichtigen seien. Weiterhin verstoße die Änderungskündigung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da sie dem Kläger den Kündigungsschutz durch die Versetzung nehme.
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Die Beklagte habe sich auch nicht an das Verfahren gehalten, das der Tarifsozialplan vorgebe. Sie habe weder dargelegt, dass sie das Verfahren nach Stufe 1 des Tarifsozialplans durchgeführt habe, noch habe sie das getan. Sie habe die Möglichkeit einer freiwilligen Änderung des Stationierungsortes nicht eröffnet.
27
Mit E-Mail vom 30.06.2020 habe die Beklagte dem Kläger einen Arbeitsvertrag nach italienischem Recht übersandt (Anlagen K 15 und K 16, Blatt 174 und 176 ff der Akten).
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Der Kläger stellte erstinstanzlich folgende Anträge:
1. Es wird festgestellt, dass die Versetzung der Beklagten vom 20.01.2020 nach Bologna in Italien unwirksam ist.
29
2. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1.:
30
Es wird festgestellt, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 20.01.2020, zugegangen am 28.01.2020, sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.
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3. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2.:
32
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsvertragsbedingungen als Captain an einer Station der Beklagten in Deutschland weiterzubeschäftigen.
4. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.04.2020 hinaus fortbesteht.
33
Die Beklagte beantragte erstinstanzlich,
die Klage abzuweisen.
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Sie trug vor, die Versetzung des Klägers, jedenfalls aber die ihm gegenüber hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung seien wirksam. Am 25.11.2019 habe die Geschäftsleitung der R. DAC die Entscheidung getroffen, künftig keine Flugzeuge mehr am Flughafen N. dauerhaft zu stationieren und die von ihr am Flughafen N. betriebene Base mit Wirkung zum 29.03.2020 vollständig und dauerhaft zu schließen. Diese Entscheidung sei auch nach der Übernahme des Flugbetriebs in Deutschland und der Arbeitsverhältnisse durch die Beklagte entsprechend weiterverfolgt und umgesetzt worden. Deshalb sei der Beschäftigungsbedarf für Piloten dort entfallen.
35
Die Versetzung des Klägers bewege sich in den durch den Arbeitsvertrag und den Tarifsozialplan vorgegebenen Grenzen. Die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag unterfalle nicht der AGB-Kontrolle, da zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages noch kein deutsches Arbeitsrecht auf das Arbeitsverhältnis Anwendung gefunden habe. Die Versetzungsklausel entspreche auch inhaltlich der Regelung des § 106 Satz 1 GewO und stelle deshalb keine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Die Klausel sei hinreichend klar und verstoße weder gegen das Transparenzgebot noch gegen die Unklarheitenregelung. Eine arbeitsvertragliche Versetzungsklausel, nach der ein Arbeitnehmer auch ins Ausland versetzt werden könne, sei darüber hinaus zulässig. Der Tätigkeit von Flugpersonal seien eine gewisse Volatilität und Flexibilität nach Auffassung des BAG immanent. Die Frage, welche Folge mit dem neuen Arbeitsort hinsichtlich der Vergütung des Klägers verbunden sei, stelle sich erst in einem zweiten Schritt und berühre nicht die Wirksamkeit der Versetzung. Zudem sei die Klausel der Änderung der Vergütung jedenfalls im Rahmen des Blue-Pencil-Tests streichbar. Die Versetzungsentscheidung habe auch billigem Ermessen entsprochen.
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Die Versetzung entspreche auch den Regelungen des abgeschlossenen Sozialplans. Der Tarifsozialplan bestätige lediglich das arbeitsvertraglich Erlaubte hinsichtlich der Versetzung. Insbesondere werde ausdrücklich auch eine Versetzung ins Ausland geregelt. Auch die Sozialdaten des Klägers hätten zu keinem anderen Ergebnis führen können, da keine freien Stellen in Deutschland existierten. Die im Tarifsozialplan vorgesehenen Stufen anlässlich der Schließung des Stationsortes Nürnberg seien eingehalten worden. Nach Stufe 1 des Verfahrens sei den Piloten eines betroffenen Stationierungsortes eine freie Stelle an einem Stationierungsort anzubieten, der als dieselbe Stadt bedienend gelte oder weniger als 60 Minuten Fahrzeit vom bisherigen Stationierungsort entfernt liege. Einen solchen Stationierungsort gebe es beim Flughafen N. nicht. Da der Kläger keine Präferenzen innerhalb der gesetzten Frist angegeben habe, sei auch Stufe 2 des Tarifsozialplans nicht durchführbar gewesen, zumal es innerhalb Deutschlands keine freien Stellen gegeben habe. Der auf dritter Stufe vorgesehene Abschluss eines Arbeitsvertrages als mobiler Pilot sei für den Kläger ebenfalls nicht in Betracht gekommen, da es zum damaligen Zeitpunkt nur eine freie Stelle als mobiler Pilot gegeben habe und diese Position gemäß den Regelungen des Tarifsozialplans dem Piloten zugewiesen worden sei, der die längste Betriebszugehörigkeit aufgewiesen habe.
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Von den in N. stationierten 24 Piloten seien zwei im November und Dezember 2019 durch Eigenkündigung ausgeschieden. Den 21 übrigen Piloten (22 abzüglich des mobilen Piloten) sei mangels freien Arbeitsplatzes an den präferierten Stationsorten in Deutschland im Rahmen der Stufe 4 des Sozialplantarifvertrages ein neuer Arbeitsort in Italien zugewiesen worden. Das Auswahlverfahren in der Stufe 4 des Tarifsozialplans sei nach § 6 des TVSP durchzuführen. Eine Sozialauswahl nach § 7 TVSP sei nur für die Stufe 5, das heißt bei Beendigungskündigungen, vorgesehen. Eine weitergehende Auswahl der Piloten in N. sei hier nicht durchzuführen gewesen, da alle Piloten in N. eine Versetzung/Änderungskündigung erhalten hätten. Die tariflich vereinbarte Versetzungsklausel sei auch wirksam und von der sich aus Art. 9 Abs. 3 GG gegebenen Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien gedeckt.
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Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung/Änderungskündigung hätten keine freien Stellen in Deutschland vergeben werden können. Bereits vor der unternehmerischen Entscheidung vom 25.11.2019, den Stationierungsort Nürnberg zu schließen, sei entschieden worden, zwei Positionen für Copiloten in Köln und Baden-Baden an zwei Piloten aus Hamburg zu vergeben, da der Hamburger Stationierungsort zum 08.01.2020 geschlossen wurde. Bei Versetzungen von Hamburg nach Berlin habe es sich nicht um freie Positionen in Berlin gehandelt, sondern anlässlich der Schließung des Hamburger Stationierungsortes hätten Kapitäne in Berlin angeboten, ihre Vollzeitstelle zu reduzieren und sich den Arbeitsplatz im Rahmen eines Jobsharings mit einem Hamburger Kapitän zu teilen. Dies sei bereits vor der Versetzung der Nürnberger Kollegen geschehen. Die letzte Versetzung nach F. ... sei zum 01.10.2019 und nach F.-H. mit Wirkung zum 01.12.2019 erfolgt. Die Versetzungsentscheidung habe auch billigem Ermessen entsprochen. Der Vorwurf der Tarifflucht sei abwegig. Der Tarifsozialplan sehe ausdrücklich vor, dass im Falle der Verlegung des Arbeitsortes ins Ausland die am neuen Stationierungsort geltenden Arbeitsbedingungen Anwendung fänden (§ 3 Abs. 4 TVSP). Zum anderen sei der Geltungsbereich dieser Tarifverträge ausdrücklich auf in Deutschland stationierte Piloten begrenzt. Sofern die Versetzung nicht vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht umfasst gewesen sein sollte, so wäre jedenfalls die hilfsweise Änderungskündigung wirksam.
39
Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Endurteil vom 08.12.2020 die Klage abgewiesen. Dabei bejahte es eine internationale Zuständigkeit und wies den Klageantrag zu 4) auf Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bereits als unzulässig zurück, da hierfür kein Rechtsschutzbedürfnis ersichtlich sei. Die Versetzung des Klägers vom 20.01.2020 nach Bologna zum 01.05.2020 hielt das Erstgericht für wirksam, so dass es über den Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens nicht mehr zu entscheiden hatte und der Weiterbeschäftigungsantrag ebenfalls abzuweisen war.
40
Das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg wurde der Klägerseite am 22.12.2020 zugestellt. Hiergegen legten die Klägervertreter mit Schriftsatz vom 22.01.2021, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag, Berufung ein und begründeten diese mit Schriftsatz vom 22.02.2021, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag.
41
In der Berufungsbegründung wiederholen die Klägervertreter überwiegend bereits ihre erstinstanzlich vorgebrachte Argumentation.
42
Eine Versetzung ins europäische Ausland sei auch nicht aufgrund des Tarifsozialplans möglich. Die Versetzung im Sinne des Tarifvertrages beziehe sich auf eine Versetzung innerhalb Deutschlands, die Änderungskündigung auf den Versuch der Arbeitgeberseite, eine Versetzung ins europäische Ausland vorzunehmen.
43
Dem Kläger entstünden durch die Versetzung nach Italien erhebliche finanzielle Nachteile. Das tarifvertragliche Grundgehalt würde in Deutschland ohne Flugstunden, Zulagen etc. € 8.833,33 betragen, in Italien dagegen nur € 5.313,90 (Basic Salary). Durch die Änderung des Einsatzortes nach Italien würden zusätzliche Fahrtkosten in Höhe von ca. € 200,- pro Hin- und Rückfahrt sowie eine Jahresmaut für den Brennerpass von 110,- € anfallen. Die Beklagte habe den Kläger von der deutschen Krankenkasse abgemeldet, so dass er € 466,66 monatlich in eine private Krankenversicherung in Deutschland zahlen müsse. Er erhalte auch kein Kurzarbeitergeld in Deutschland, aber auch keine Unterstützung in Italien, da er dort die erforderliche Wartezeit noch nicht erfülle. Zudem müsste er hierfür den italienischen Vertrag unterschreiben. Darüber hinaus entstünde ein erheblicher zeitlicher Aufwand. Im Moment fielen die finanziellen Nachteile nur durch die Corona-Krise geringer aus.
44
Das Arbeitsgericht habe den erstinstanzlichen Sachvortrag unbeachtet gelassen, wonach eine Versetzung ins Ausland im Wege des Direktionsrechtes nicht zulässig sei und dies auch im Rahmen der Tarifverhandlungen so besprochen worden sei. Das Erstgericht hätte die Rechtmäßigkeit der Änderungskündigung prüfen müssen und zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass diese zu unbestimmt sei. Darüber hinaus hätte die Sozialauswahl innerhalb aller in Deutschland stationierten Piloten erfolgen müssen. Die tarifschließende Gewerkschaft habe bei Abschluss des Tarifvertrages deutlich gemacht, dass eine Erweiterung des Direktionsrechtes ein absolutes „No go“ sei. Deshalb hätten sich die Tarifvertragsparteien darüber geeinigt, dass eine Versetzung nur im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen möglich sei.
45
Die Versetzungsklausel als AGB sei am Maßstab der §§ 307 ff. BGB zu messen. Die tarifliche Formulierung sei keine eigenständige Regelung. Der Tarifvertrag würde auch keinen Anwendungsvorrang genießen, da eine tarifliche Regelung nur günstiger sein könne, sofern die arbeitsvertragliche Klausel an sich wirksam sei. Da die vertragliche Versetzungsklausel unwirksam sei, wäre eine Versetzung nur im Rahmen des Direktionsrechtes nach § 106 GewO möglich. Eine derartige Versetzung ins Ausland, gestützt allein auf § 106 GewO, sei jedoch nicht zulässig.
46
Die Versetzungsklausel sei jedenfalls unangemessen, da sich durch sie der Arbeitgeber vorbehalte, ohne Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringwertiger Tätigkeiten zu Lasten des Arbeitnehmers ändern zu können. Genau diese einseitige Änderungsmöglichkeit zu Lasten des Arbeitnehmers sehe die Klausel vor, indem diese regele, dass nach einer Versetzung in eine andere Station eine Vergütung nach dem dort gültigen Vergütungssystem erfolge. Damit stelle die Beklagte einen Kernbereich des vertraglichen Synallagmas in ihr einseitiges Entscheidungsrecht. Die Vergütung des Klägers sei durch den VTV fest geregelt. Die Regelung im Vertrag sei intransparent und stelle einen unzulässigen Widerrufsvorbehalt dar.
47
Die Versetzung sei auch nicht unter Beachtung billigen Ermessens erfolgt. Der Tarifsozialplan gebe zwar ein bestimmtes Stufenverfahren vor, regele jedoch die Ausübung des Ermessens nicht abschließend. Vielmehr müsse ergänzend § 315 BGB herangezogen werden. Die Interessen des Klägers habe die Beklagte zu keiner Zeit in irgendeiner Form berücksichtigt. Für den Kläger bedeute die Versetzung nach Italien eine besondere Härte. Diese negativen Konsequenzen für den Kläger hätte die Beklagte nicht auch nur ansatzweise berücksichtigt. Im Wege der Ausübung eines angeblichen Versetzungsrechts hätte die Beklagte Tarifflucht begangen und bestimmte, dem Kläger durch den Tarifvertrag zustehenden Rechte einseitig vollständig geändert.
48
Das Erstgericht hätte dann die hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung auf ihre soziale Rechtfertigung hin überprüfen müssen. Diese sei bereits zu unbestimmt, es fehle an einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl und diese sei unverhältnismäßig. So werde in der Änderungskündigung nur die Änderung der Homebase genannt; dass damit eine vollständige Änderung der Arbeitsbedingungen verbunden sei unter Anwendung italienischen Rechts, ergebe sich aus dem Schreiben nicht. Die Beklagte sei jedoch verpflichtet, auf das Arbeitsverhältnis des Klägers deutsches Arbeitsrecht anzuwenden. Die Sozialauswahl hätte die Beklagte gemäß § 24 KSchG auf alle auf in Deutschland stationierten Luftfahrzeugen eingesetzten Piloten erstrecken müssen. Die Beklagte habe auch nicht das durch den Tarifsozialplan vorgegebene Verfahren eingehalten. Sie habe Wünsche von Piloten abgelehnt, in Italien stationiert zu werden und mit einem betroffenen Nürnberger Piloten zu tauschen.
49
Der Kläger beantragt daher in der Berufungsinstanz:
50
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 29.10.2020, Az. 9 Ca 797/20, wird geändert.
2. Es wird festgestellt, dass die Versetzung der Beklagten vom 20.01.2020 nach Bologna in Italien unwirksam ist.
51
3. Hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 2.: Es wird festgestellt, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 20.01.2020 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam sind.
52
4. Hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 3.: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsvertragsbedingungen als Captain in einer Station der Beklagten in Deutschland weiterzubeschäftigen.
53
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
54
Das Arbeitsgericht habe die Klage gegen die Versetzung zu Recht abgewiesen. Die Ausführungen der Klägerseite in der Berufungsbegründung ergäben keine neuen Erkenntnisse, die eine abweichende Entscheidung begründen könnten.
55
Die im Rahmen der Tarifvertragsverhandlungen beratenden Anwälte seien sich nicht einig gewesen, dass eine „Transferierung“ eines Arbeitnehmers von Deutschland ins Ausland im Wege der Versetzung nicht ginge, vielmehr hätten die Vertreter auf Beklagtenseite die Rechtsauffassung vertreten, dass eine Versetzung ins Ausland rechtlich möglich sei. Die Formulierung „contractual“ sei gewählt worden, um klarzustellen, dass der Arbeitgeber einseitig von dem im Arbeitsvertrag geregelten Versetzungsrecht Gebrauch machen könne. Im Tarifsozialplan sei auch keine Erweiterung des Direktionsrechtes erfolgt, da der arbeitsvertraglich geregelte Versetzungsvorbehalt ausdrücklich eine Versetzung ins Ausland vorsehe. Eine Differenzierung zwischen einer Versetzung innerhalb Deutschlands einerseits und einer Änderungskündigung ins Ausland andererseits finde sich an keiner Stelle im Tarifsozialplan. Eine Änderungskündigung wäre im Einzelfall relevant gewesen, wenn - abweichend vom Regelfall - individuell mit einem Piloten ein Stationierungsort in Deutschland abschließend festgelegt worden sei. Die Frage der Vergütung würde sich als Folgefrage stellen. Die Folge, dass bei einer Weiterbeschäftigung im Ausland das Vergütungssystem des neuen Stationierungsortes gelte, sehe der Tarifsozialplan in § 3 Abs. 3 ausdrücklich vor. Es läge keine Unwirksamkeit des arbeitsvertraglichen Versetzungsvorbehaltes vor. Hier würde es allenfalls zu einer Verdrängung des weitergehenden arbeitsvertraglichen Versetzungsvorbehaltes durch die tarifliche Regelung für den speziellen Fall einer Standortschließung kommen.
56
Die Kosten und Zeit, die für die Reise zum neuen Standort anfielen, habe die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigt. Die Versetzung ins Ausland sei wegen fehlender Vakanzen in Deutschland alternativlos. Der Tarifsozialplan sehe Anspruchsleistungen für die wirtschaftlichen Nachteile aufgrund eines Umzuges zu einem neuen Stationierungsort vor. Der Wegfall der Sozialversicherungspflicht in Deutschland ergebe sich zwingend aus der sog. Home-Base-Regelung der einschlägigen EU-Verordnung. Die Beklagte begehe auch keine Tarifflucht. Dass der mit der Gewerkschaft Cockpit abgeschlossene Vergütungstarifvertrag nicht mehr gelte, ergebe sich aus dessen Geltungsbereich. Es gelten für die Stationierungsorte in Italien die dort abgeschlossenen Tarifverträge.
57
Die hilfsweise ausgesprochene Kündigung wäre auch nicht wegen einer fehlerhaften sozialen Auswahl unwirksam. Die Beklagte habe überhaupt keinen Betrieb in Deutschland und wenn man dies doch bejahen würde, sei der jeweilige Stationierungsort als Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes anzusehen. Zwar gelte für den Luftverkehr ein besonderer Betriebsbegriff. Für einen Luftverkehrsbetrieb gelte die Fiktion, dass die Gesamtheit der Luftfahrzeuge dieses Luftverkehrsbetriebes als ein Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes gelte. Grundvoraussetzung für § 24 KSchG sei jedoch auch, dass es überhaupt einen Luftverkehrsbetrieb im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gebe. Die Auslegung des Klägers, wonach nach § 24 KSchG alle Flugzeuge eines Unternehmens immer einen Betrieb darstellen sollen, sei fehlerhaft. Ein Luftverkehrsunternehmen könne in Deutschland über mehrere Luftverkehrsbetriebe verfügen. Die Fiktion des § 24 KSchG führe dann nicht dazu, dass sämtliche Flugzeuge dieser beiden Luftverkehrsbetriebe als ein Betrieb des Kündigungsschutzgesetzes anzusehen wären. Verfüge ein Luftverkehrsunternehmen in Deutschland über keinen Luftverkehrsbetrieb, greife § 24 KSchG nicht. Die Beklagte verfüge aber in Deutschland nicht über einen Luftverkehrsbetrieb. Sämtliche Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten würden von der Personalabteilung in Malta getroffen. Ein Leitungsapparat in Deutschland existiere gerade nicht. Wenn überhaupt, gäbe es irgendwelche Strukturen nur an den jeweiligen Stationierungsorten. Pro Stationierungsort seien ein Pilot und ein Flugbegleiter als „Base Captain“ bzw. „Base Supervisor“ ernannt, die u.a. bestimmte administrative Aufgaben übernehmen würden. Die Stationierungsorte seien organisatorisch voneinander völlig unabhängig und würden allein von Malta bzw. Dublin aus gesteuert. Für den Fall, dass die Strukturen am Stationierungsort für einen Luftverkehrsbetrieb im Sinne des § 24 KSchG als ausreichend angesehen werden müssten, existiere somit ein eigener Luftverkehrsbetrieb an jedem Stationierungsort mit der Folge, dass die Sozialauswahl auf diesen begrenzt wäre. Von dieser Betrachtung seien auch die Tarifvertragsparteien ausgegangen. Stufe 4 des Verfahrens nach § 3 Abs. 2 des Tarifsozialplans sehe vor, dass Piloten des betroffenen Stationierungsortes ein anderer Stationierungsort zugewiesen werden könne. Da allen Piloten des Stationierungsortes Nürnberg eine vorläufige Änderungskündigung ausgesprochen worden sei, habe eine Sozialauswahl nicht erfolgen müssen.
58
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.
59
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insoweit auch statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b) u. c) ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
B.
60
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht im Ergebnis und auch weitgehend mit zutreffender Begründung die Versetzung des Klägers nach Bologna für wirksam erachtet. Eine Überprüfung der sozialen Wirksamkeit der vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung war somit nicht veranlasst.
I.
61
Die internationale Zuständigkeit ist - was auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird - nach Art. 21 Nr. 2 lit. a EUGVVO gegeben, da der Kläger seine Arbeit zuletzt gewöhnlich von der Base in N. aus verrichtet hat (Zöller/Geimer, ZPO 33. Aufl., Art. 21 EuGVVO, Rn 6; zur Bedeutung des Begriffs der Heimatbasis als wichtigem Indiz für den Begriff des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet vgl: BAG 07.05.2020 - 2 AZR 692/19 Rn 27 ff, juris).
II.
62
Die Versetzung nach Bologna ist nach Ansicht des Berufungsgerichts vom Direktionsrecht der Beklagten nach § 106 GewO in Verbindung mit dem Tarifsozialplan gedeckt. Die Frage, ob die Versetzungsklausel in Ziffer 6.1 des Arbeitsvertrages wirksam ist oder nicht, ist nach Auffassung des Berufungsgerichtes nicht entscheidungserheblich.
63
1. Die Wirksamkeit der Versetzung von Nürnberg nach Bologna ist nach deutschem Recht zu überprüfen. Dies gilt trotz der Vereinbarung irischen Rechts in Ziffer 135 des Arbeitsvertrags sowohl für die Prüfung der Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag als auch für die Frage, ob die Versetzung billigem Ermessen im Sinne des § 106 GewO entspricht.
64
a. Nach Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO gilt grundsätzlich die freie Rechtswahl. Vorliegend haben die Vertragsparteien ausdrücklich eine Rechtswahl getroffen und die Anwendung irischen Rechts vereinbart. Die Rechtswahl ist im internationalen Arbeitsvertragsrecht jedoch in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt, d.h. unabhängig von einer Vereinbarung über das anzuwendende Recht setzen sich bestimmte zwingende Normen aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes durch. Zunächst folgt aus Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO, dass durch die Rechtswahl dem Arbeitnehmer nicht der Schutz der zwingenden Normen des Rechts entzogen werden darf, welches bei objektiver Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 4 Rom-I-VO anzuwenden wäre. Bei objektiver Anknüpfung käme deutsches Recht zur Anwendung, da der Kläger seine Base in N. hat und daher die Arbeit gewöhnlich von Deutschland aus verrichtet (Art. 8 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. Rom-I-VO; vgl. EuGH 14.09.2017 - C-168/16 und C-169/16; BAG 07.05.2020 - 2 AZR 692/19 Rn 27 ff, juris). Zwingende Vorschriften in diesem Sinne sind Normen, die dem Schutz der Beschäftigten dienen und vertraglich nicht abdingbar sind, z.B. die §§ 1 bis 14 KSchG, sowie die §§ 305 ff BGB (AGB-Kontrolle, ErfK-Schlachter, 21. Aufl., Rom-I-VO, Art. 9 Rz. 19). Hierzu zählen auch Tarifnormen, sofern sie für das Arbeitsverhältnis konkret gelten, § 4 Abs. 1 iVm Abs. 3 TVG (BAG 09.07.2003 - 10 AZR 593/02; ErfK-Schlachter, 21. Aufl., Art. 9 Rom I-VO Rn 19). Anzuwenden ist die für den Arbeitnehmer günstigere Norm, wobei für den Günstigkeitsvergleich zusammengehörige Regelungskomplexe zu vergleichen sind (sog. Sachgruppenvergleich) (so auch Temming in Preis, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl., § 220, Entsendung Rz. 9, mwN).
65
b. Der zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung geltende VTV sieht auch ausdrücklich vor, dass rückwirkend ab 01.01.2019 für alle an deutschen Bases stationierten Piloten deutsches Recht zur Anwendung kommt.
66
aa. Eine solche Vereinbarung des Arbeitsvertrags-Statuts durch Tarifvertrag ist zulässig (ErfK-Schlachter, 21. Aufl., Rom I-VO Art. 9, Rn 7; EuArbRK/Krebber Art. 8 VO 593/2007/EG Rn 9 mwN). Die Notwendigkeit tariflichen Schutzes kann bei grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeiten nicht geringer eingeschätzt werden als bei rein nationalen Sachverhalten. Die anwendbare Rechtsordnung kann die Arbeitsverhältnisse in so erheblichem Ausmaß gestalten, dass sie als tariflich regelbare Arbeitsbedingung einzuordnen ist (ErfK-Schlachter a.a.O). Weitere Voraussetzung ist, dass der entsprechende Tarifvertrag das in Frage stehende Arbeitsverhältnis rechtlich erfasst und gestaltet. Dies ist bei Tarifgebundenheit nach §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 2 TVG der Fall (EuArbRK/Krebber Art. 8 VO 593/2007/EG Rn 9 mwN). Im vorliegenden Fall liegt beiderseitige Tarifgebundenheit vor. Der Kläger ist Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft Cockpit. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Beklagte sind als tarifschließende Arbeitgeber selbst Tarifpartei. Das Arbeitsverhältnis hätte ohne die im Arbeitsvertrag getroffenen Rechtswahl deutschem Arbeitsrecht unterlegen. Die Parteien haben Nürnberg als Homebase des Klägers vereinbart. Aus der Gesamtheit der Umstände ergibt sich nicht, dass der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat im Sinne von Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO hatte.
67
bb. Die Rechtswahl kann jederzeit geändert werden (Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO). Dies haben die Tarifvertragsparteien für an den deutschen Bases stationierten Piloten getan, in dem sie deutsches Recht vereinbart haben. Hinzukommt, dass die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin selbst Arbeitsvertrags- und Tarifvertragspartei sind. In einem solchen Fall wäre es ohnehin treuwidrig, sich weiterhin auf die Geltung irischen Rechts zu berufen. Dies hat die Beklagte aber auch nicht getan.
68
2. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel erfasst auch Versetzungen ins Ausland. Dies ergibt die Auslegung der Klausel.
69
a. Bei den Bestimmungen des streitgegenständlichen Arbeitsvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Bereits das äußere Erscheinungsbild der formularmäßigen Vertragsgestaltung lässt auf Allgemeine Geschäftsbedingungen schließen. Auch entspricht der streitgegenständliche Arbeitsvertrag nach deren unbestrittenem Vorbringen einer bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten betriebsüblichen Blankettvorlage. Es handelt sich nach alledem um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Jedenfalls ist der streitgegenständliche Arbeitsvertrag ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB . Dass der Kläger auf den Inhalt des Arbeitsvertrags Einfluss nehmen konnte (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), hat die Beklagte nicht behauptet. Bei der im Arbeitsvertrag enthaltenen Versetzungsklausel handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen.
70
b. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (vgl. etwa BAG 26.11.2020 - 8 AZR 58/2 Rn 57 mwN; BAG 03.12.2019 - 9 AZR 44/19 Rn. 15 mwN).
71
aa. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält nach seinem Wortlaut keine Festlegung des Arbeitsortes. Nach der Rechtsprechung des BAG verhindert die Bestimmung eines Ortes der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung. In einem solchen Fall ist eine örtliche Versetzung vertraglich nicht ausgeschlossen und grundsätzlich vom Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO gedeckt. Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Ortes der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 Satz 1 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll (BAG 30.11.2016 - 10 AZR 11/16 Rn 19 mwN). Das Recht der Beklagten bezüglich des Arbeitsortes ist nicht durch den Arbeitsvertrag dahingehend eingeengt, dass jedwede andere Zuweisung eines Arbeitsortes außerhalb Nürnbergs per se unwirksam wäre. Die Formulierung „will be located principally at Nuremberg Airport an at such other place or places as the Company reasonably requires fort he proper fulfiment of your duties and responsibilities under the Agreement“ kann nach beiden Übersetzungen nicht anders verstanden werden, als dass Nürnberg gerade nicht vertraglich garantiert war. Sie zielt vielmehr gerade darauf ab, sich die durch § 106 GewO eingeräumte Befugnis „vorzubehalten“, den Kläger auch an eine andere Base versetzen zu können.
72
bb. Der Wortlaut der Versetzungsklausel enthält weder nach der Übersetzung des Klägers noch der der Beklagten eine örtliche Begrenzung etwa auf Deutschland oder Europa. Sie ist auch nicht unter Berücksichtigung der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise entsprechend einschränkend auszulegen. Es handelt sich hier um einen Arbeitsvertrag mit fliegendem Personal einer irischen Fluggesellschaft. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Anwendung irischen Rechts vereinbart. Weiter ist vereinbart, dass sich die Vergütung bei Versetzung nach dem dann an der neuen Base geltenden Gehaltssystem richten soll. Auch dies ist - unabhängig von der Wirksamkeit einer solchen Klausel - ein deutlicher Hinweis, dass eine Versetzung auch in eine ausländische Base, also grundsätzlich weltweit, vertraglich vorbehalten sein sollte.
73
3. Die das Ausland erfassende Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag verstößt nicht gegen zwingendes deutsches Arbeitnehmerschutzrecht.
74
aa. Die Versetzungsklausel verstößt nicht gegen § 106 GewO.
75
(1) Nach § 106 Satz 1 GewO darf der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften etwas anderes festgelegt ist.
76
(2) Es ist zwar umstritten, ob die Regelung des § 106 GewO grundsätzlich auch eine Versetzung ins Ausland zulässt. So wird einerseits vertreten, dass die Befugnis zu einer Versetzung ins Ausland grundsätzlich direkt aus § 106 GewO folgt (vgl. ErfK-Preis, 21. Aufl. 2021, § 106 GewO Rdnr. 18 mwN). Nach anderer Ansicht ist eine Versetzung in einen ausländischen Betrieb allein auf der Grundlage von § 106 Satz 1 GewO in der Regel ausgeschlossen. Allerdings kann auch nach dieser Ansicht eine solche Möglichkeit vereinbart werden (KR-Kreft, 12. Aufl. 2019, § 2 KSchG, Rdnr. 66). Auch das BAG hat im Urteil vom 20.04.1989 (2 AZR 431/88, Rn 20) festgehalten, dass es für die Möglichkeit der Versetzung (im dortigen Fall von Berlin nach Lyon wegen Betriebsverlagerung) auf die vertraglichen Vereinbarungen ankommt. Der Meinungsstreit kann hier dahingestellt bleiben, da die Parteien im Arbeitsvertrag eine andere, nämlich eine die Versetzung ins Ausland umfassende Versetzungsklausel vereinbart haben.
77
bb. Die Versetzungsklausel ist nicht wegen Verstoßes gegen die §§ 305 ff BGB unwirksam. Sie hält einer Klauselkontrolle stand.
78
(1) Die Versetzungsklausel ist nicht intransparent iSv § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie regelt eindeutig die Versetzungsmöglichkeit an eine andere Base und ist nicht auf Deutschland beschränkt.
79
(2) Die Versetzungsklausel hält auch der Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 308, 309 BGB stand.
80
(a) Geht man davon aus, dass § 106 GewO ohnehin die örtliche Versetzung ins Ausland mitumfasst, weicht die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel im Ergebnis nicht von § 106 GewO ab. Eine solche unechte Erweiterung des Direktionsrechts auf das gesetzlich ohnehin zulässige Maß als gesetzeswiederholende AGB ist gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB inhaltskontrollfrei (ErfK-Preis, 21. Aufl., § 106 GewO, Rn 17, 18 mwN).
81
(b) Geht man davon aus, dass es sich bei der Versetzungsklausel um eine echte das Direktionsrecht erweiternde Klausel handelt, so unterliegt diese zwar der vollen Inhaltskontrolle der §§ 307 ff BGB. Dieser hält sie aber stand.
82
(aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, der Zweck und die besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (BAG 13.03.2007, a.a.O.).
83
(bb) Es kann dahinstehen, ob die Klausel, dass die Bezahlung nach dem dort (am neuen Standort) geltenden Gehalts- und Flugvergütungssystem erfolgt, einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff BGB standhält, insbesondere § 308 Nr. 4 BGB.
84
Die mögliche Unwirksamkeit dieser Klausel nach deutschem Recht führt jedenfalls nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Versetzungsklausel. § 306 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Anwendung dieses Grundsatzes entspricht der Interessenlage beider Arbeitsvertragsparteien. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Blue-Pencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (BAG 13.04.2010 - 9 AZR 976/09). Ist die verbleibende Restregelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist also, ob die Klausel mehrere sprachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind für sich jeweils verschiedene nur formal verbundene Vertragsbedingungen (BAG 13.04.2010, a.a.O.).
85
Die Befugnis zur Versetzung und der Hinweis, dass im Falle der Versetzung/Übertragung/Transferierung auf eine andere Basis die Bezahlung nach dem dort geltenden Gehaltssystem erfolgen wird, sind inhaltlich abtrennbar. Letztere kann problemlos vollständig gestrichen werden. Trotzdem bleibt die übrige Versetzungsklausel äußerlich und inhaltlich unverändert und behält ihre Selbständigkeit und ihren spezifischen Zweck. Eine etwaige Unwirksamkeit der Klausel, die das geltende Vergütungssystem betrifft, berührt deshalb nicht die verbleibende Regelung.
86
(cc) Die Versetzungsklausel benachteiligt den Kläger nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
87
§ 106 GewO sowie entsprechende Versetzungsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung. Der Arbeitsvertrag bedarf als Dauerschuldverhältnis einer ständigen, bei Vertragsschluss gedanklich nicht vorwegnehmbaren Anpassung. Die Einflussfaktoren sind im Arbeitsrecht so zahlreich und vielgestaltig, dass gesicherte Prognosen kaum möglich sind (BAG 13.04.2010, a.a.O.). So sind auch die Art des Arbeitsvertrages, der Status des Arbeitnehmers, der konkret vereinbarte Inhalt, die Vergütungsform und der zeitliche Umfang der geschuldeten Tätigkeit sowie die Dauer der Vertragsbeziehung jeweils für die Wirksamkeit der Vertragsklausel relevant (ErfK-Preis, 21. Aufl., §§ 305 - 310 BGB Rn 46). So sind Festlegungen bezüglich der zulässigen Entfernung als auch die Berücksichtigung von Ankündigungsfristen bei Versetzungsklauseln wünschenswert, jedoch nicht zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung erforderlich. Der Arbeitnehmer wird durch die vom Gericht nach § 106 GewO, § 315 BGB durchzuführende Ausübungskontrolle vor unbilligen Überforderungen geschützt (BAG 13.04.2010, a.a.O., mwN.).
88
Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitsvertrag die Position eines Piloten bei einem ausländischen Luftverkehrsunternehmen umfasst, der Arbeitsvertrag seitens der Arbeitgeberin nicht in Deutschland unterzeichnet wurde und ausdrücklich die Anwendung irischen Rechts vereinbart wurde. Dem Kläger musste aus den sich bei Vertragsabschluss ergebenden Umständen somit von Anfang an klar gewesen sein, dass sein Einsatz sich gerade nicht auf einen deutschen Standort begrenzte. Der Tätigkeit von Flugpersonal einer international tätigen Fluggesellschaft ist gerade eine gewisse Volatilität/Flexiblität immanent. Der Status des Klägers und die Art seines Arbeitsvertrages führen somit dazu, dass die arbeitsvertraglich vereinbarte Versetzungsmöglichkeit ins Ausland nicht unangemessen ist.
89
cc. Auch die im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten stehen der Wirksamkeit der getroffenen vertraglichen Regelung nicht entgegen. Nach § 20 ArbZG iVm. Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts diese Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt (BAG 30.11.2016 - 10 AZR 11/16 Rn 25 mwN).
90
b. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel verstößt allerdings gegen die Regelungen im TVSP und ist, soweit sie die Versetzung über die EU-Länder einschließlich Großbritannien, Norwegen und die Schweiz hinaus ermöglicht, nicht anzuwenden. Die arbeitsvertragliche Regelung ist nicht günstiger als die tarifliche (§ 4 Abs. 3 TVG).
91
aa. Auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit gilt der TVSP im Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG). Der TVSP gilt nach dessen § 1 „(i) für alle dauerhaften … Stilllegungen und Einschränkungen (…) von Stationierungsorten in Deutschland und (ii) für alle Piloten mit einem Arbeitsvertrag mit R. … mit einer deutschen „homebase“, die auf Grund einer dauerhaften Stilllegung/Einschränkung ihres Stationierungsortes in Deutschland für eine Versetzung/Kündigung ausgewählt werden“ können. Der Kläger hatte seine Heimatbasis in N.. Dieser Stationierungsort wurde stillgelegt. Damit ist der räumliche, sachliche und persönliche Anwendungsbereich des TVSP eröffnet.
92
bb. Der TVSP regelt im Einzelnen den Prozess der Personalreduzierung bei Stilllegungen von Stationierungsorten und lässt hierbei in Stufe 4 nur die Versetzung/Änderungskündigung innerhalb Europas einschließlich Großbritanniens, Norwegens und der Schweiz zu, also keine weltweite Versetzung. Eine Versetzung an einen außerhalb dieses Bereichs liegenden Ort ist nicht geregelt. Damit enthält der Arbeitsvertrag hinsichtlich des Regelungsbereichs des TVSP keine hiervon abweichenden günstigeren Regelungen. Die Regelungen des TVSP gehen daher als nicht ungünstigere Regelungen vor und sind anzuwenden (§ 4 Abs. 3 TVG).
93
cc. Es liegt somit eine Einschränkung des vertraglichen Weisungsrechts vor und - entgegen der Auffassung der Klägerseite - keine Erweiterung. Der Kläger trägt selbst vor, dass die Tarifvertragsparteien sich im Rahmen des arbeitsvertraglich vereinbarten Weisungsrechtes halten wollten und eine Versetzung nur im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen möglich sein sollte. Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Für Arbeitsverträge, die dagegen eine Konkretisierung des Arbeitsortes und damit eine Einschränkung des Weisungsrechts beinhalten, wäre eine darüber hinausgehende Versetzung nur im Rahmen einer Änderungskündigung möglich. Diese Differenzierung erfolgt durch den Tarifsozialplan. Insoweit wird auch ausdrücklich von einer Änderung des Stationierungsortes per „Versetzung oder Änderungskündigung“ (§ 3 Ziff. 2 Stufe 4 TVSP, Blatt 74 der Akten) gesprochen. Damit wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien von verschiedenen Fallkonstellationen ausgingen, aber eben auch von der Möglichkeit einer vom Weisungsrecht gedeckten Versetzung. Dass die Gewerkschaft Cockpit e.V. bei Abschluss des Tarifvertrages insoweit von ihrer Rechtsauffassung ausging, dass § 106 GewO bzw. die Arbeitsverträge ohne Ausnahme nur eine Inlandsversetzung zulassen und die Aufnahme der Formulierung „Versetzung oder Änderungskündigung“ daher erfolgt sei, da ihrer Meinung nach Versetzungen nur Stationen im Inland und Änderungskündigung Stationierungsorte im Ausland umfassen, ist irrelevant. Die Klagepartei trägt selbst vor, dass diese Frage im Rahmen der Tarifverhandlungen kontrovers diskutiert wurde und somit beide Parteien das Risiko auf sich nahmen, dass der Umfang des arbeitsvertraglichen Weisungsrechtes durch die Arbeitsgerichte anders beurteilt werden könnte.
94
4. Die Versetzung des Klägers nach Bologna erfolgte auch im Rahmen des § 106 GewO iVm § 3 TVSP und aufgrund einer nicht zu beanstandenden Ermessensentscheidung der Beklagten. Sie ist im Rahmen der arbeitsvertraglichen und kollektiv-rechtlichen Grenzen erfolgt. Nach § 3 Ziffer 2 Stufe 4 des TVSP kann eine arbeitgeberseitige Änderung der Stationierungsorte bei Stilllegung oder Einschränkung von Stationierungsorten innerhalb Deutschlands oder an einem anderen Stationierungsort in EU-Ländern einschließlich Großbritannien, Norwegen und Schweiz erfolgen. Einer Änderungskündigung bedurfte es nicht.
95
a. Die Versetzung nach dem TVSP ist nicht deshalb unwirksam, weil nach § 3 Ziffer 4 Piloten, die an einen anderen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden, insbesondere das Gehalt sich nach dem am neuen Stationierungsort geltenden Tarifvertrag, richtet. Die Tarifvertragsparteien haben mit diesen Vorschriften im TVSP nicht die ihnen zustehende tarifliche Regelungsmacht überschritten.
96
aa. Es liegt keine Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften vor; wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages sollen gerade nicht einer einseitigen Änderung durch den Arbeitgeber unterliegen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört würde. Die Regelung im TVSP auf Weiterbeschäftigung gemäß den jeweils an den Stationierungsorten geltenden Tarifverträgen ist keine Änderung der Arbeitsbedingungen im Sinne des § 2 KSchG. Der Eingriff in das Gehaltsgefüge, das sich aufgrund eines Tarifvertrages ergibt, durch einen automatischen Wegfall der Geltung dieses Tarifvertrages und der möglichen Anwendung eines anderen Tarifvertrages, erfolgt nämlich nicht aufgrund einer einseitigen Gestaltungserklärung des Arbeitgebers und lässt günstigere arbeitsvertragliche Regelungen unberührt (§ 4 Abs. 3 TVG).
97
bb. Die Versetzung greift auch nicht in die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung ein.
98
(1) Eine Erhöhung der mit der Berufungsausübung verbundenen Belastungen wie z.B. Fahrtkosten, Mietkosten etc., betreffen nicht die vereinbarte Vergütung. Die Erhöhung der finanziellen Belastungen sind bei der Ausübungskontrolle im Rahmen der Prüfung des billigen Ermessens zu berücksichtigen (BAG 28.08.2013 - 10 AZR 569/12).
99
(2) Das Versetzungsschreiben betrifft nur die Änderung des Stationierungsortes. Die Tätigkeit des Klägers als Pilot soll unverändert bleiben. Eine Änderung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung ist nicht erfolgt und wäre auch nur über eine Änderungskündigung oder einvernehmlich möglich.
100
Das zuletzt erzielte Brutto-Monatsgehalt ergab sich nicht aus dem Arbeitsvertrag, sondern aus dem im Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend geltenden VTV. Dies gilt auch für die „allowance“ von monatlich 500,- €, die jedenfalls nicht über den neben dem Grundgehalt zu zahlenden tariflichen Entgelten liegt (vgl. Tabelle 3.1 des VTV, Blatt 25 der Akten). Dieser Tarifvertrag entfaltet aber nur Wirkung für die in seinen örtlichen Geltungsbereich fallenden Piloten und findet ab dem Zeitpunkt der Versetzung nach Bologna, also ab 01.05.2020 bzw. ab 01.07.2020 keine Anwendung mehr. Eine dauerhafte Entsendung aus dem räumlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages führt nämlich regelmäßig zum Ende der Geltung des Tarifvertrages, es sei denn, es ist arbeitsvertraglich etwas anderes geregelt. Dies ist jedoch hier nicht der Fall. Bei einer nicht nur vorübergehenden Entsendung tritt ein Statutenwechsel zum ausländischen Recht ein, es entfällt das TVG und die Geltungsgrundlage für einen deutschen Tarifvertrag (Löwisch/Rieble, TVG, 4. Aufl. 2017, § 4 Rn 204, 206 mwN). Dies ist ein Automatismus, der der Änderung des Arbeitsortes folgt.
101
Für diese Änderung des kollektiven Rechts ist keine Änderungskündigung erforderlich. Tarifverträge gelten - soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist - grundsätzlich nur für Arbeitnehmer, die unter deren Geltungsbereich fallen. Mit der (dauerhaften) Versetzung nach Italien gilt der VTV jedoch nicht mehr für den Kläger. Ob der in Italien von den dort zuständigen Tarifvertragsparteien geschlossene Tarifvertrag automatisch für den Kläger Anwendung findet, ist dann zunächst wohl nach irischem Recht zu beurteilen, es sei denn, die Tarifvertragsparteien in Italien hätten insoweit ebenfalls eine Änderung des Arbeitsvertrags-Statuts vereinbart.
102
b. Die Versetzung hält auch der Ermessensausübungskontrolle nach § 106 GewO, § 315 BGB stand.
103
(a) Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem bestimmungsberechtigten Arbeitgeber mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 BGB allein die Prüfung, ob der Arbeitgeber die Grenzen seines Direktionsrechts beachtet hat. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und der Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat. So können bei der Zuweisung der Tätigkeit an einen anderen Ort andere Faktoren relevant sein als bei der Bestimmung der Höhe einer variablen Vergütung. Von maßgeblicher Bedeutung kann auch die Ursache für die Notwendigkeit der Leistungsbestimmung sein. Ob die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt wurden, kann nur durch Abwägung mit den dienstlichen Gründen des Arbeitgebers ermittelt werden, die zu der Ausübung des Direktionsrechts geführt haben. Die Berücksichtigung schutzwürdiger Belange des Arbeitnehmers anlässlich der Ausübung des Direktionsrechts kann eine personelle Auswahlentscheidung des Arbeitgebers erfordern, wenn mehrere Arbeitnehmer betroffen sind. Die Leistungsbestimmung ist dann gegenüber demjenigen Arbeitnehmer zu treffen, dessen Interessen weniger schutzwürdig sind. Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der getroffenen Ermessensausübung liegt beim Arbeitgeber. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Tarifvertrag eine Versetzung zulässt (vgl. BAG 10.07.2013 - 10 AZR 915/12).
104
(b) Die Beklagte hat bei ihrer Versetzungsentscheidung - wie das Erstgericht völlig zutreffend ausführt - nach objektiver Betrachtung billiges Ermessen gewahrt. Diese entspricht auch der in § 3 TVSP geregelten Vorgehensweise bei Stilllegungen von Stationierungsorten. Der TVSP will im Rahmen von Stilllegungen von Stationierungsorten und sich hieraus ergebenden und absehbaren Personalüberhängen die Piloten vor notwendigen betriebsbedingten Beendigungskündigungen schützen, eine geordnete Stilllegung von Stationierungsorten ermöglichen, die den Interessen der Arbeitnehmer an einem höchstmöglichen Bestandsschutz ihrer Arbeitsverhältnisse Rechnung trägt, indem zunächst Versetzungsmöglichkeiten voll ausgeschöpft werden müssen.
105
(aa) Anlass für die Versetzung war die unstreitige vollständige Stilllegung des Stationierungsortes in N. zum 29.03.2020 und damit ein Personalüberhang in Bezug auf die am Flughafen N. stationierten Piloten.
106
(bb) Der Pilotenüberhang konnte nicht über Stufe 1 abgebaut werden. Die Beklagte hat dargelegt, dass eine Änderung des Stationierungsortes zu von der IATA als dieselbe Stadt bedienend benannten Flughäfen oder eine Änderung des Stationierungsortes mit einer Fahrtzeit von weniger als 60 Minuten nicht möglich war, da es einen solchen Stationierungsort nicht gibt. Dies wurde vom Kläger auch erstinstanzlich zuletzt nicht mehr bestritten.
107
(cc) Unstreitig hat der Kläger keine Angabe zur Wahl eines anderen Standortes innerhalb der gesetzten Frist bis 31.12.2019 getroffen, womit auch Stufe 2 nicht zum Tragen gekommen ist. Unabhängig davon hat die Beklagte auch zum Sachvortrag des Klägers, wonach Ende 2019 bzw. Anfang 2020 Piloten aus England nach Frankfurt und aus Hamburg nach Berlin, Köln sowie Frankfurt versetzt worden seien, weder erstinstanzlich noch in der Berufungsinstanz substantiiert Stellung genommen. Nach dem Vortrag der Beklagten waren zum Zeitpunkt der Entscheidung vom 25.11.2019, den Stationierungsort in N. zu schließen, keine freien Arbeitsplätze in Deutschland mehr vorhanden gewesen. Zwei Positionen für Copiloten an den Stationierungsorten Köln und Baden-Baden, die im November 2019 frei wurden, waren an zwei Piloten aus Hamburg vergeben worden. Bei den Versetzungen von Hamburg nach Berlin handelt es sich nicht um freie Positionen in Berlin, sondern anlässlich der Schließung des Hamburger Stationierungsortes hatten Kapitäne in Berlin angeboten, ihre Vollzeit zu reduzieren und sich den Arbeitsplatz im Rahmen eines Jobsharings mit einem der Hamburger Kapitäne zu teilen. Dies ist bereits vor der Versetzung der Nürnberger Piloten geschehen. Die Versetzung nach Frankfurt am Main ist zum 01.10.2019 und die letzte Versetzung nach Frankfurt-Hahn mit Wirkung zum 01.12.2019 erfolgt, wobei diese bereits im Oktober 2019 ausgesprochen wurden.
108
(dd) Erstinstanzlich hat die Beklagte weiter ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Versetzung auch keine Möglichkeit zum Abschluss von Arbeitsverträgen als mobile Piloten gemäß Stufe 3 bestand, da der einzige Arbeitsplatz für einen mobilen Piloten an einen Kollegen in N. vergeben wurde, der nach § 5 TVSP sozial schutzwürdiger war. Dies wurde vom Kläger auch in der Berufungsinstanz nicht mehr im Einzelnen bestritten.
109
(ee) Nach der Regelung in Stufe 4 war die Auswahl der Piloten, denen arbeitgeberseitig ein anderer Stationierungsort zugewiesen wird, gemäß § 6 TVSP vorzunehmen. Die Beklagte hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass keine freien Stellen in Deutschland mehr vorhanden gewesen sind. Eine Verletzung der tariflichen Bestimmungen ist deshalb nicht erkennbar. Die in Stufe 5 nach § 7 TVSP vorzunehmende Sozialauswahl war nur für den Fall von Beendigungskündigungen vorgesehen und nicht bei Versetzungen vorzunehmen. Abgesehen davon sind alle Piloten des Nürnberger Stationierungsortes nach Italien versetzt worden, so dass auch unter diesen keine Auswahl getroffen werden konnte. Zudem konnte der ledige und nicht unterhaltspflichtige Kläger nicht darlegen, dass andere Kollegen weniger schutzwürdig gewesen seien bzw. eine weniger einschneidende Versetzung als von Nürnberg nach Bologna erhalten hätten. Gleiches gilt für andere etwaige Standorte außerhalb Deutschlands, die für ihn weniger belastend gewesen wären. Eine Auswahlentscheidung unter Abwägung der dienstlichen Belange der Beklagten und der persönlichen Umstände des Klägers war aufgrund der gleichen Ausgangslage für alle in N. stationierten Piloten damit nicht zu treffen.
110
(c) Die Ermessensentscheidung der Beklagten war somit weitgehend durch das im TVSP geregelte Stufenverfahren vorgegeben. Etwaige Motive oder Erwägungen der Beklagten, die unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung von Standorten zu treffen, können dahinstehen. Die Organisationsentscheidung kann nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft werden. Die Tarifparteien haben die Interessen der von einem Umzug betroffenen Piloten in § 8 TVSP mit Umzugsleistungen von 2.000,- € für den Piloten, die sich bis max. 8.000,- € für unterhaltsberechtigte Personen steigern, sowie eine Woche bezahlte Freistellung berücksichtigt. Es ist nicht ersichtlich, dass - nachdem in Deutschland keine freien Stellen vorhanden waren - ein weniger belastender, insbesondere näherliegender Stationierungsort als Bologna zur Verfügung gestanden hätte. Die soziale Absicherung beim Wechsel des Arbeitsortes ins europäische Ausland richtet sich nach der VO (EG) 883/2004. Nach Art. 11 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 gilt die Tätigkeit eines Piloten in dem Mitgliedstaat ausgeübt, in dem sich die Heimatbasis im Sinne von Anhang III der VO (EWG) Nr. 3922/91 befindet, nach der Versetzung also Italien. Dass ein anderer Stationierungsort der Beklagten mit freien Stellen im Hinblick auf die soziale Absicherung weniger belastend gewesen wäre, ist weder behauptet noch ersichtlich. Die Versetzung ist auch mit ausreichender Ankündigungsfrist erfolgt. Sie lag über der gesetzlichen Kündigungsfrist, die im Fall des Klägers einen Monat zum Monatsende betragen hätte (§ 622 Abs. 2 BGB). Insbesondere aufgrund der Einhaltung des tariflich geregelten Stufenverfahrens ist die Versetzungsentscheidung damit sowohl unter Berücksichtigung der Interessen des Einzelfalles als auch unter Einbeziehung aller von der Stilllegung erfassten Arbeitnehmer nach billigem Ermessen im Sinne der §§ 106 Satz 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB erfolgt.
III.
111
Über die für den Fall des Obsiegens mit dem Berufungsantrag zu 2 gestellten Änderungsschutzantrag (Berufungsantrag zu 3) und den Weiterbeschäftigungsantrag (Berufungsantrag zu 4) war nicht mehr zu entscheiden.
C.
112
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
D.
113
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.