Inhalt

OLG München, Endurteil v. 19.05.2021 – 7 U 2338/20
Titel:

Schadensersatzansprüche aufgrund Verlustes eines Rades nach Reifenwechsel; kein Ersatz merkantilen Minderwerts bei Beschädigung eines Unikats

Normenkette:
BGB § 249, § 252, § 254, § 280 Abs. 1
Schlagworte:
Schadensersatzanspruch, Reifenwechsel, merkantiler Minderwert, Mitverschulden, Radmuttern, Werbeaufkleber, "Show-Car", Unikat
Vorinstanz:
LG München II, Urteil vom 09.04.2020 – 10 O 3894/17
Fundstellen:
LSK 2021, 14183
DS 2021, 200
NJW-RR 2021, 895
BeckRS 2021, 14183
DAR 2022, 32

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München II vom 09.04.2020, Az. 10 O 3894/17 in Ziffer 1 des Tenors dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, 9.095,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.07.2017 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 887,03 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.11.2017 an den Kläger zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 62%, die Beklagte 38%.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 78%, die Beklagte 22%.
4. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 bezeichnete Endurteil des Landgerichts München II, soweit es noch Bestand hat, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aufgrund eines Reifenwechsels.
2
Der Kläger beauftragte die Beklagte mit der Anbringung von Sommerreifen am Fahrzeug M. B., Typ C-Klasse Modell C 63 AMG 7 - T. Der beauftragte Reifenwechsel erfolgte am 05.04.2017 durch die Beklagte. Bei Bezahlung der Vergütung durch den Kläger am 05.04.2017 wurde diesem von einem Mitarbeiter der Beklagten ein Rechnungsbeleg (Anl. B 1) ausgehändigt, auf dem unterhalb der Auflistung der von der Beklagten in Rechnung gestellten Arbeiten mittig kursiv ausgeführt war: „Achtung! Alufelgen nach 50 km Radmuttern nachziehen.“
3
Der Kläger zog die Radmuttern in der Folge nicht nach. Am 08.04.2017 und nach einer Laufleistung von ca. 100 km seit dem Reifenwechsel vom 05.04.2017 löste sich bei der Fahrt auf der Autobahn A 99 im Abschnitt 520 - Km 0.050 (Gemeindegebiet H.) das linke hintere Rad des streitgegenständlichen Pkws. Dem Kläger gelang es, das Fahrzeug auf der Bremsscheibe rutschend auf der Überholspur zum Stehen zu bringen. Das linke Hinterrad rollte über alle drei Fahrspuren und blieb neben dem rechten Fahrbahnrand liegen. Der Pkw wurde beschädigt.
4
Die Regulierung der Reparaturkosten erfolgte über die Vollkaskoversicherung des Klägers. Nicht von der Vollkaskoversicherung reguliert wurden dem Kläger entstandene Kosten für den Ersatz der unfallauslösenden Teile (eine Felge und zwei Reifen) in Höhe von 1.094,80 €. Zur Bemessung der unfallbedingten Wertminderung beauftragte der Kläger den Sachverständigen L. Für das unter dem 24.05.2017 erstellte Gutachten (Anl. K 4), in dem eine Wertminderung von 4.500,00 € festgestellt wurde, bezahlte der Kläger 1.575,92 € an den Sachverständigen L.
5
Der Kläger nutzte das mit großflächigen Werbeaufklebern für das Sportwagenunternehmen des Klägers folierte Fahrzeug als Show-Car und stellte es auf Automobilmessen mit einem entsprechenden Werbeeffekt als „Eye-Catcher“ und Messehighlight aus.
6
Der Kläger behauptete (soweit für das Berufungsverfahren noch von Relevanz), dass er Eigentümer des Pkws sei und dass die alleinige Ursache für den Unfall die ungenügende Befestigung des hinteren linken Rades durch die Mitarbeiter der Beklagten anlässlich des Reifentausches am 05.04.2017 gewesen sei.
7
Sein ihm durch den Unfall entstandener Schaden belaufe sich auf insgesamt 23.918,17 €. Neben unstreitigen 1.094,80 € für den Ersatz der unfallauslösenden Teile entfielen 5.610,85 € auf den vom Kläger im Rahmen der Vollkaskoregulierung zu tragenden Selbstbehalt, 1.237,60 € auf Transportkosten, die durch die Verbringung des Fahrzeugs zu einer Spezialwerkstatt in M. generiert worden seien, 855,00 € auf Kosten für die Abholung des Pkws in M., 9.044,00 € auf Nutzungsausfallentschädigung, 1.575,92 € auf Kosten für die Erholung eines Privatgutachtens zur Höhe der durch den Unfall eingetretenen Wertminderung sowie 4.500,00 € auf die Wertminderung.
8
Bei dem Fahrzeug handle es sich um ein Unikat mit einem Marktwert von 140.000,00 € und einem Wiederherstellungswert von 215.000,00 €, das es weltweit nur einmal gebe. Die Karosserie sei umgebaut, das Fahrzeug sei auf 830 PS hochgetunt und habe eine Sonderlackierung. Durch den Unfall sei am Fahrzeug ein merkantiler Minderwert in Höhe von 4.500,00 € entstanden.
9
Die Reparatur des Fahrzeugs habe erst am 22.06.2017 abgeschlossen werden können. Eine frühzeitigere Reparatur sei wegen des von der Vollkaskoversicherung zunächst in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens sowie der Schwierigkeit, eine zur Reparatur befähigte Fachwerkstatt zu finden, nicht möglich gewesen. Die Reparaturdauer von 76 Tagen sowie eine Nutzungsentschädigung in Höhe von € 119,00 pro Tag seien angemessen. Zwar habe der Kläger grundsätzlich über einen Ersatzwagen verfügt; jedoch sei seine damalige Lebensgefährtin auf diesen Ersatzwagen angewiesen gewesen, da ihr eigenes Fahrzeug damals einen Motor- und Getriebeschaden gehabt habe und nur noch auf „drei Zylindern gelaufen“ sei, sodass sie damit keine längeren Strecken mehr habe zurücklegen können, ohne einen vollständigen Motorschaden befürchten zu müssen.
10
Da das von der Vollkaskoversicherung beauftragte Sachverständigengutachten keine Angaben zu Dauer und Höhe des Nutzungsausfalls und zum merkantilen Minderwert enthalten habe, habe der Kläger insoweit selbst ein Sachverständigengutachten erholen müssen. Die ihm dafür entstandenen Kosten in Höhe von 1.575,92 € könne er von der Beklagten erstattet verlangen.
11
Ein Mitverschulden müsse sich der Kläger nicht anrechnen lassen, da er davon ausgehen durfte, dass bei einer Fahrleistung von ca. 100 km keine Gefahr für Leib und Leben bestehe, auch wenn die Radmuttern von ihm nicht nachgezogen worden seien. Im Übrigen sei ein Nachziehen der Radmuttern nach 50 km gar nicht erforderlich. Schließlich sei der Hinweis auf der Rechnung auch nicht ausreichend gewesen, da er optisch nicht so hervorgehoben gewesen sei, dass er bei Prüfung der Rechnung ins Auge gesprungen wäre.
12
Der Kläger beantragte daher:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 23.918,17 nebst fünf Prozentzinsen [sic] hieraus über dem Basiszins seit dem 08.07.2017 zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.242,84 nebst fünf Prozentzinsen [sic] hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
13
Die Beklagte beantragte,
Klageabweisung.
14
Sie erwiderte, dass dem Kläger schon deshalb kein Nutzungsausfall zustehe, da es sich bei dem Fahrzeug um ein von ihm gewerblich genutztes Fahrzeug handle.
15
Für die Bemessung der Wertminderung hätte sich der Kläger des Kaskogutachtens bedienen müssen, sodass für die Feststellung des merkantilen Minderwerts allenfalls 300,00 bis 500,00 € angefallen wären.
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Der Kläger müsse sich ein Mitverschulden anrechnen lassen, da er es versäumt habe, die Radmuttern nach 50 km zu kontrollieren und gegebenenfalls nachzuziehen.
17
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Erholung eines mündlichen sowie eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. A. sowie durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen Sc., T., St. und R. Darüber hinaus hat es den Kläger persönlich angehört.
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Mit Endurteil vom 09.04.2020, Az. 10 O 3894/17, verurteilte das Landgericht München II die Beklagte in der Hauptsache zur Zahlung von 5.263,93 € sowie zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 571,44 € an den Kläger. Im Übrigen wies es die Klage ab.
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Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass es nach durchgeführter Beweisaufnahme insbesondere aufgrund des mündlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. A. davon überzeugt sei, dass die Radschrauben am hinteren linken Rad des streitgegenständlichen, im Eigentum des Klägers stehenden Pkws durch die Mitarbeiter der Beklagten anlässlich des vom Kläger bei der Beklagten in Auftrag gegebenen Reifenwechsels nicht ordnungsgemäß angezogen worden seien, wodurch es nach einer Laufleistung von ca. 100 km zum Verlust des linken Hinterrads während der Fahrt auf der Autobahn gekommen sei, was wiederum zu einer Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs geführt habe.
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Im Rahmen seines demnach zur Überzeugung des Landgerichts dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzanspruchs müsse sich der Kläger jedoch ein dreißigprozentiges Mitverschulden anrechnen lassen. Denn auf der dem Kläger nach Abschluss des Bezahlvorganges am 05.04.2017 von einem Mitarbeiter der Beklagten ausgehändigten Rechnung laut Anl. B 1 sei der ausdrückliche und deutlich sichtbare Hinweis enthalten gewesen, dass die Radmuttern nach 50 Kilometern nachzuziehen seien. Auch hätte der Kläger durch einen entsprechenden Aushang im Büro der Beklagten davon Kenntnis haben könne, dass ein Nachziehen der Radmuttern erforderlich sei. Schließlich habe der Kläger ein Angebot des Zeugen T., einen entsprechenden Hinweisaufkleber im Fahrzeug anzubringen, abgelehnt. Hätte der Kläger diese mehrfachen Hinweise befolgt und die Radmuttern nach 50 Kilometern nachgezogen, wäre das linke Hinterrad nicht abgefallen und wäre ein Schaden nicht eingetreten.
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Die Summe der dem Grunde nach berechtigten Schadenspositionen belaufe sich auf 7.519,90 €. Davon entfielen 4.715,00 € auf die vom Kläger zu tragende Selbstbeteiligung im Rahmen der Vollkaskoregulierung, 1.237,60 € brutto auf Verbringungskosten des Fahrzeugs nach M., 472,50 € auf Kosten für die Abholung des Fahrzeugs am 23.06.2017 in M. sowie weitere 1.094,80 € auf den Ersatz von Felgen und Reifen.
22
Weitere Schadenspositionen könne der Kläger nicht berechtigterweise geltend machen.
23
Eine Nutzungsausfallentschädigung stehe dem Kläger nicht zu, da ihm nach seinen eigenen Angaben während der gesamten Dauer der Reparatur ein Firmenwagen zur Verfügung gestanden habe, sodass keine für den Kläger fühlbare Beeinträchtigung vorgelegen habe.
24
Der vom Privatsachverständigen des Klägers ermittelte infolge des Unfalls entstandene merkantile Minderwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 4.500,00 € sei nicht zuzusprechen gewesen, da nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. A. das streitgegenständliche Fahrzeug ein Spezialumbau mit Einzelstückcharakter sei, für das es keinen Markt und damit auch keine Vergleichsbasis gebe. Da derartige Fahrzeuge allein aufgrund des Erscheinungsbildes von interessierten Käufern gekauft würden, sei eine Wertminderung nicht feststellbar. Da ein Anspruch des Klägers auf Erstattung eines merkantilen Minderwerts nicht bestehe, habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung der ihm zur Bemessung des merkantilen Minderwerts entstandenen Sachverständigenkosten.
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Unter Annahme einer Mitverschuldenquote von 30% ergebe sich daher bei einem dem Kläger entstandenen Gesamtschaden von 7.519,90 € ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 5.263,93 €.
26
Bei einem berechtigten Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.263,93 € könne der Kläger nur vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 571,44 € geltend machen.
27
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
28
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Schadensersatzansprüche hinsichtlich des Nutzungsausfalls, des merkantilen Minderwerts sowie der Kosten für das außergerichtliche Sachverständigengutachten vollumfänglich weiter. Außerdem wendet sich der Kläger mit seiner Berufung gegen die Annahme eines Mitverschuldens.
29
Der Kläger beantragt daher, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München II vom 04.03.2020, Az. 10 O 3894/17 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger über den vom Landgericht München II zugesprochenen Betrag hinaus weitere 17.375,93 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.07.2017, sowie weitere außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 671,40 nebst Zinsen i.H.v 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
30
Die Beklagte beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen
31
Der Senat hat am 19.05.2021 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2021, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
B.
32
Die zulässige Berufung des Klägers ist nur insoweit begründet, als der Kläger gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB auch Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe von 1.575,92 € hat (I.) und ein klägerisches Mitverschulden nicht anzunehmen ist (IV.). Im Übrigen bleibt die Berufung des Klägers ohne Erfolg (II. und III.).
I.
33
Da die Kosten der Schadensfeststellung Teil des zu ersetzenden Schadens iSd. § 249 BGB sind, hat der Schädiger dem Geschädigten grundsätzlich auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens zu ersetzen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.02.2017 - VI ZR 76/16, Rdnr. 6). Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte (BGH, Urteil vom 30.11.2004 - VI ZR 365/03, Rdnr. 17).
34
Nachdem grundsätzlich auch der merkantile Minderwert eines Unfallfahrzeugs Teil des vom Schädiger zu ersetzenden Vermögensschadens ist (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 80. Auflage, München 2021, Rdnr. 14 zu § 251 BGB m.w.N.), und weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass der Kläger den merkantilen Minderwert aus eigener Sachkunde hätte bestimmen können, konnte der Kläger berechtigterweise ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung, ob ein merkantiler Minderwert vorliegt und wie hoch dieser gegebenenfalls ist, in Auftrag geben, um diesen gegenüber der Beklagten geltend machen zu können.
35
Die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der Erholung eines Sachverständigengutachtens entfiel - anders als die Beklagte meint - auch nicht dadurch, dass die Vollkaskoversicherung des Klägers ein Schadensgutachten erholte. Denn dieses verhielt sich nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers in der Klageschrift (dort S. 5, Bl. 6 d.A.) überhaupt nicht zu einem etwaigen merkantilen Minderwert. Im Übrigen ist es das Recht eines jeden Geschädigten, einen Sachverständigen seiner Wahl hinzuzuziehen (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 80. Auflage, München 2021, Rdnr. 58 zu § 249 BGB m.w.N.). Ob eine Ersatzpflicht entfällt, wenn das Sachverständigengutachten völlig unbrauchbar ist, kann dahinstehen (vgl. insoweit die Nachweise bei Grüneberg aaO), da eine solche völlige Unbrauchbarkeit von der Beklagten schon gar nicht behauptet wurde und sich eine solche aus dem Gutachten vom 24.05.2017 (Anl. K 4) auch nicht ergibt.
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Die Ansicht des Landgerichts (LGU S. 9, erster Absatz zu Punkt f), wonach ein Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten ausscheide, da in Ermangelung eines merkantilen Minderwerts der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz eines solchen habe, ist unrichtig. Denn diese beiden Schadenspositionen stehen nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenforderung, bei denen das Bestehen letzterer von der Existenz ersterer abhängt, sondern selbständig nebeneinander.
II.
37
Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung eines Nutzungsausfallschadens besteht nicht, da das streitgegenständliche Fahrzeug nicht privat, sondern gewerblich genutzt wurde, sich bei gewerblich genutzten Fahrzeugen der Schaden jedoch grundsätzlich nach dem konkret zu berechnenden entgangenen Gewinn iSd. § 252 BGB bemisst, ein solcher aber im streitgegenständlichen Fall nicht geltend gemacht wird.
38
1. Unstreitig nutzte der Kläger das mit großflächigen Werbeauflkebern für das Sportwagenunternehmen des Klägers folierte Fahrzeug (vgl. hierzu auch die Lichtbilder im Gutachten des Sachverständigen L. vom 27.05.2017. S. 12 und 13 laut Anl. K 4) als Show-Car und stellte es auf Automobilmessen mit einem entsprechenden Werbeeffekt als „Eye-Catcher“ und Messehighlight aus. Insoweit ließ sich der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht am 17.10.2018 auch dahingehend ein, dass das Auto damals für sein Unternehmen S. S. gekauft worden und überall beklebt gewesen sei (vgl. S. 7 unten des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2018, Bl. 82 d.A.). Er hat des Weiteren vortragen lassen, dass er das Fahrzeug genutzt habe, um „im Alltag einen Werbeeffekt zu erzielen“, da es „aus betriebswirtschaftlicher Sicht geboten (gewesen sei), dieses Fahrzeug so häufig wie möglich in der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen“ (Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 29.11.2018, S. 2, Bl. 93 d.A.). Die Behauptung der Beklagten in der Klageerwiderung (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 27.12.2017, S. 9;, Bl. 21 d.A.), das streitgegenständliche Fahrzeug sei gewerblich genutzt, weshalb dem Kläger überhaupt kein Nutzungsausfall zustehe, hat der Kläger folglich auch nicht bestritten. Er hat lediglich im Hinblick auf die zwischen den Parteien in erster Instanz streitige Frage seiner Vorsteuerabzugsberechtigung vortragen lassen, dass das Fahrzeug auf ihn als Privatperson zugelassen sei (Schriftsatz der Klägervertreterin vom 23.01.2018, S. 2, Bl. 26 d.A.). Dies spielt jedoch in Anbetracht des sonstigen Vortrags des Klägers zur Fahrzeugnutzung ebenso wenig eine Rolle wie sein Vortrag, dass der Pkw nicht zum Betriebsvermögen der S. S. GbR gehörte habe.
39
Nach alledem hätte der Kläger aufgrund der gewerblichen Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Nutzungsausfall in Form entgangenen Gewinns iSd. § 252 BGB geltend machen müssen. Dies hat der Kläger jedoch ausdrücklich nicht getan (vgl. Schriftsatz der Klägervertreterin vom 23.01.2018, S. 5, Bl. 29 d.A.: „Umsatzeinbußen werden mit der Klage nicht geltend gemacht, sodass diesbezüglich weitere Ausführungen entbehrlich sind“).
40
2. Selbst wenn man aber - wie nicht - die für privat genutzte Fahrzeuge geltenden Regeln hinsichtlich eines Nutzungsausfallschadens anwenden sollte, bestünde aufgrund des Fehlens einer fühlbaren Beeinträchtigung des Klägers durch den Entfall der Nutzungsmöglichkeit im streitgegenständlichen Fall kein Schadensersatzanspruch des Klägers. Denn nach der eigenen Einlassung in seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 17.10.2018 hat er „zu 99%“ seinen Firmenwagen, das heißt einen ihm von seinem damaligen Arbeitgeber gestellten Pkw genutzt (vgl. S. 7 unten des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2018, Bl. 82 d.A.). Das Landgericht hat seiner Entscheidung diese Einlassung des Klägers zu Grunde gelegt (vgl. LGU S. 9). Daran muss sich der Kläger festhalten lassen, auch wenn er schriftsätzlich das Gegenteil vortragen hat lassen, nämlich dass er die Ausfallzeit nicht mit dem Firmenwagen habe überbrücken können, da seine damalige Lebensgefährtin den Firmenwagen habe nutzen müssen, weil ihr eigenes Fahrzeug einen Motorschaden gehabt habe.
III.
41
Einen durch den streitgegenständlichen Unfall entstandenen merkantilen Minderwert hat das Landgericht mit zutreffender Begründung nicht angenommen.
42
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich beim merkantilen Minderwert um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht. Diese Wertdifferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2004 - VI ZR 357/03, Rdnr. 16). Fehlt insoweit jedoch ein relevanter Markt, dann kommt der Ausgleich eines merkantilen Minderwerts nicht in Betracht (OLG Jena, Urteil vom 28.04.2004 - 3 U 221/03, NZV 2004, 475; Oetker in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, München 2019, Rdnr. 53 zu § 249 BGB).
43
Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. A. in seinem schriftlichen Gutachten vom 01.07.2019 (dort S. 4 und 5, Bl. 115 und 116 d.A.) handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um einen Pkw mit Einzelstückcharakter, das bei einer Spezialfirma umgebaut wurde. Dabei wurden Teile verwendet, die weder bei Mercedes noch bei AMG verfügbar sind, und Montagetechniken angewendet, die in den Richtlinien des Ursprungsherstellers nicht vorgesehen sind. Dies deckt sich mit dem klägerischen Vortrag, der von dem Pkw als „Unikat“ spricht (vgl. Klageschrift S. 3, Bl. 4 d.A.). Aufgrund dieses Unikatscharakters des Fahrzeugs gibt es nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. A. in seiner ergänzenden mündlichen gutachterlichen Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 04.03.2020 dafür keinen relevanten Markt, sodass nicht feststellbar ist, wie ein etwaiger Käufer den Unfallschaden bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigen wird. Deshalb können auch die vom Privatgutachter L. in seiner Stellungnahme vom 17.09.2019 (Anl. K 18) angewandten herkömmlichen Berechnungsmethoden (Marktrelevanz- und Faktorenmethode) nicht herangezogen werden (vgl. S. 2 und 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 04.03.2020, Bl. 165 und 166 d.A.).
44
Der Senat teilt die Ansicht des Sachverständigen, dass in Anbetracht eines nicht vorhandenen Marktes für das streitgegenständliche Fahrzeug mit Unikatscharakter und in Ermangelung heranziehbarer Vergleichsfälle ein merkantiler Minderwert nicht bestimmt werden kann, sodass ein diesbezüglicher Schadensersatzanspruch ausscheidet. Im Übrigen spricht gegen die Annahme eines merkantilen Minderwerts auch schon, dass der Kläger das Fahrzeug selbst für 55.000,00 € gekauft hat und bei dem mittlerweile erfolgten Weiterverkauf ebenfalls 55.000,00 € erzielt hat (vgl. S. 7 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 04.03.2020, Bl. 170 d.A.).
45
Nach alledem entstand dem Kläger unter Berücksichtigung der bereits vom Landgericht ihm zugesprochenen Schadenspositionen in Höhe von 7.519,90 € ein Schaden in Höhe von insgesamt 9.095,82 € (7.519,90 € + 1.575,92 €).
IV.
46
Entgegen der Ansicht des Landgerichts trifft den Kläger kein Mitverschulden iSd. § 254 BGB am Entstehen des Schadens und war deshalb der dem Kläger zustehende Schadensersatzanspruch in Höhe von 9.095,82 € nicht zu kürzen.
47
Die Vorschrift des § 254 BGB setzt voraus, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat (Absatz 1), oder er es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern (Absatz 2 Satz 1 letzter Halbsatz). Dieses Verschulden bedeutet nicht die vorwerfbare Verletzung einer gegenüber einem anderen bestehenden Leistungspflicht, sondern ein Verschulden in eigener Angelegenheit. Es handelt sich um ein Verschulden gegen sich selbst, um die Verletzung einer im eigenen Interesse bestehenden Obliegenheit. Von der Verletzung einer Obliegenheit kann nur ausgegangen werden, wenn der Geschädigte unter Verstoß gegen Treu und Glauben diejenigen zumutbaren Maßnahmen unterlässt, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach Lage der Dinge ergreifen würde, um Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern. Welche Maßnahmen demnach zur Schadensverhinderung bzw. -minderung getroffen werden müssen, richtet sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 25.01.2018 - VII ZR 74/15, Rdnr. 25).
48
Im streitgegenständlichen Fall steht aufgrund der von keiner der Parteien angegriffenen, in sich widerspruchsfreien und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. A. in seinem mündlich vor dem Landgericht erstatteten Sachverständigengutachten vom 17.10.2018 fest, dass bei ordnungsgemäß angezogenen Schrauben ein Nachjustieren weder erforderlich noch vorgeschrieben war (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2018, S. 7, Bl. 82 d.A.). Da somit nach einem fachgerecht durchgeführten Reifenwechsel ein weiteres Tätigwerden weder von Seiten des Kunden noch von Seiten der Werkstatt veranlasst ist, und der Kunde ohne konkrete Anhaltspunkte für eine nicht fachgerechte Montage auch nicht an der fachgerechten Durchführung des Reifenwechsels durch die Werkstatt zweifeln muss, würde ein vernünftiger Mensch sich auch nicht veranlasst sehen, den festen Sitz der Radmuttern nach einer Fahrtstrecke von fünfzig Kilometern zu kontrollieren.
49
Daran ändert auch der in der Rechnung laut Anl. B 1 enthaltene Hinweis auf die Notwendigkeit eines Nachziehens der Radmuttern nach 50 Kilometern zurückgelegter Fahrtstrecke nichts. Denn auch dies würde einen vernünftigen Menschen in Anbetracht eines aus technischer Sicht nicht erforderlichen Nachziehens der Radmuttern nicht zu einer Kontrolle veranlassen. Im Übrigen kann die Werkstatt als Werkunternehmer auch nicht durch einen bloßen Hinweis - in welcher Form auch immer -, der nicht Vertragsbestandteil wurde, faktisch die Kontrolle des Erfolgs ihrer Werkleistung auf den Besteller delegieren, der damit zur Vermeidung eines Mitverschuldens gezwungen wäre, die Ordnungsmäßigkeit der Werkleistung (nach der Abnahme) nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls selbst tätig zu werden, um die mangelhafte Werkleistung des Unternehmers nachzubessern. Der Senat teilt insoweit nicht die ohne Begründung vom OLG Düsseldorf vertretene Auffassung, wonach (allerdings bei einem anderen Kfz-Bauteil) das unterlassene Nachziehen von Schrauben trotz fehlender technischer Notwendigkeit ein Mitverschulden des Bestellers begründe, wenn der Werkunternehmer den Besteller vorher hierauf hingewiesen habe (Urteil vom 23.09.2005 - I-23 U 16/05, Rdnr. 9). Auf die von den Parteien und dem Landgericht eingehend ventilierte Frage, ob der Kläger Kenntnis von dem Hinweis hatte oder zumindest hätte haben müssen, kommt es daher nicht an.
V.
50
Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht unter Zugrundelegung eines berechtigten Schadensersatzanspruchs des Klägers in der Hauptsache in Höhe von 9.095,82 €, einer 1,3-RVG-Gebühr und der 2017 geltenden Rechtslage in Höhe von 887,03 €.
C.
I.
51
Der Ausspruch zu den Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen und Unterliegen der Parteien. Da der Streitwert in erster Instanz (23.918,17 €) ein anderer war als in zweiter Instanz (17.375,93 €), war die Kostentragung für jede Instanz gesondert festzustellen.
II.
52
Die vorläufige Vollstreckung beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
III.
53
Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionsgründe nicht vorliegen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung ist nicht ersichtlich. Es liegt auch kein Fall der Divergenz vor, obwohl sich der Senat - wie oben unter B IV dargelegt - der Meinung des OLG Düsseldorf in dessen Urteil vom 23.09.2005 - I-23 U 16/05, Rdnr. 9 nicht anschließt. Denn eine Divergenz ist nur gegeben, wenn in der Entscheidung des Senats ein die Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem tragenden abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung eines höherrangigen oder gleichrangigen anderen Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts abweicht (vgl. BGH, Urteil vom 01.10.2002 - XI ZR 71/02, Rdnr. 12). Einen solchen abstrakten Rechtssatz hat der Senat aber nicht aufgestellt. Denn die Beantwortung der Frage, ob ein Unterlassen des Nachziehens der Radschrauben nach 50 Kilometern ein Mitverschulden des Kunden iSd. § 254 BGB begründet, und damit die Beurteilung, welche Maßnahmen zur Schadensverhinderung bzw. -minderung getroffen werden müssen, richtet sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 25.01.2018 - VII ZR 74/15, Rdnr. 25) und ist damit eine Einzelfallentscheidung. Im Übrigen waren die Ausführungen des OLG Düsseldorf zur Obliegenheit des dortigen Klägers, die Schrauben, die den Adapter mit der Achse verbinden, nach einem Hinweis des Werkunternehmers nachzuziehen, auch nicht tragend, da es darauf letztendlich nicht ankam. Denn das OLG Düsseldorf sah den Nachweis eines solchen Hinweises ohnehin nicht als geführt an, sodass es ein Mitverschulden schon allein deshalb nicht annahm.