Titel:
Gemeindeklage gegen Beherbergungsbetrieb im Gewerbegebiet – wohnähnliche Nutzung
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 8
GG Art. 28 Abs. 2 S. 1
BauGB § 30 Abs. 1
Leitsätze:
1. Zur Planungshoheit der Gemeinde gehört nicht nur das Recht zur Aufstellung von Bauleitplänen (§ 2 Abs. 1 S. 1 BauGB), sondern auch ein Abwehranspruch gegen Baumaßnahmen, die den planerischen Festsetzungen widersprechen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind in einem Gewerbegebiet Gewerbebetriebe aller Art zulässig. Hierzu können auch Beherbergungsbetriebe gehören. Nicht zulässig sind solche Beherbergungsbetriebe, in denen gewohnt wird oder die wohnähnlich genutzt werden, weil sie dem Gebietscharakter, der ein Wohnen grundsätzlich nicht vorsieht, nicht entsprechen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine wiederkehrende Nutzung durch dieselben Personen kann selbst dann, wenn die einzelnen Aufenthalte für sich genommen nur von kurzer Dauer sein sollten, eine wohnähnliche Nutzung begründen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beherbergungsbetrieb im Gewerbegebiet, wohnähnliche Nutzung, bejaht, Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit durch eine den Festsetzungen des Bebauungsplans widersprechende Baugenehmigung, projektbezogene Bleibe für Bauarbeiter, wiederkehrende Nutzung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 14175
Tenor
I. Der Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 14. Mai 2019 wird aufgehoben, soweit dieser die Nutzungsänderung zu einem Hotel mit Selbstversorgung betrifft.
II. Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung einer Lackierwerkstadt mit Wohnung unter anderem zu einem Hotel mit Selbstversorgung.
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1. Das Vorhabengrundstück, Flr.Nr. …1 der Gemarkung Großostheim, liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans des Klägers „Gewerbeflächen … Straße“ aus dem Jahr 1983 in der Fassung der 1. Änderung von 1989, welcher für den Bereich des Vorhabengrundstücks ein Gewerbegebiet festsetzt.
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Mit Formblatt beantragte der Beigeladene als Bauherr die Erteilung einer Baugenehmigung bezüglich der Nutzungsänderung einer auf dem Grundstück befindlichen Lackierwerkstatt mit Wohnung zu einem Reifencenter und Hotel mit Selbstversorgung. Ausweislich der Baubeschreibung für den Hotelbetrieb (Arbeiterwohnungen) vom 18. Oktober 2018 soll der Betrieb aus fünf Räumen mit insgesamt 12 Betten, einem Aufenthaltsraum, zwei Bädern, einer Toilette, einem Waschraum, einem Koch- und Essbereich, einem Außenbereich und einem Verwaltungsraum bestehen. Im Verwaltungsraum soll der Mieter die Räumlichkeiten organisieren. Bei den Nutzern soll es sich um Bauarbeiter handeln, welche für Bauzeiten regionaler Bauvorhaben von ansässigen Baufirmen angeworben werden. Diese würden sich über ortsansässige Supermärkte selbst versorgen und würden morgens zur Baustelle gefahren und abends zurück in die Unterkunft gebracht werden. Die Räumlichkeiten sollen nicht deren Hauptwohnsitz darstellen.
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Infolge eines Beschlusses des Bauausschusses vom 8. November 2018 verweigerte der Kläger mit Stellungnahme vom 13. November 2018 das gemeindliche Einvernehmen. Dies begründete der Kläger insbesondere damit, dass aufgrund der Formulierung der Hotelbeschreibung sich eine Verweildauer der Gäste über Monate erstrecken könne und für das festgesetzte Gewerbegebiet eine generelle Wohnnutzung nicht vorgesehen sei.
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In der Folge wandte sich das Landratsamt Aschaffenburg mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 an den Beigeladenen und wies ihn darauf hin, dass aufgrund der geplanten Form der Unterbringung, bei der ein längerfristiger Aufenthalt der beherbergten Personen vorgesehen sei und kein ständiger Wechsel der Gäste erfolgen solle, eine Wohnnutzung vorliege, die planungsrechtlich unzulässig sei. Daraufhin wurde vonseiten des Beigeladenen eine weitere Baubeschreibung vom 18. Dezember 2018 vorgelegt, welche inhaltlich mit der bereits vorgelegten Baubeschreibung vom 18. Oktober 2018 übereinstimmte. Diese wurde lediglich um einen zusätzlichen Passus ergänzt, wonach die Unterkunft nur eine kurzfristige projektbezogene Bleibe mit einer maximalen Nutzungsdauer von drei Wochen darstelle und von ständig wechselnden Arbeitern genutzt werde.
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Mit erneuter Stellungnahme des Klägers vom 18. Februar 2019 wurde das gemeindliche Einvernehmen infolge eines weiteren Beschlusses des Bauausschusses vom 7. Februar 2019 auch mit Blick auf die ergänzte Baubeschreibung verweigert, da aus Sicht des Klägers ein solches Beherbergungsgewerbe auch weiterhin der Zweckbestimmung des Gebiets widerspreche.
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Sodann wies das Landratsamt Aschaffenburg den Kläger mit Schreiben vom 25. Februar 2019 darauf hin, dass das vorliegende Vorhaben als Gewerbebetrieb gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO in dem festgesetzten Gewerbegebiet zulässig sei und es daher einer förmlichen Einvernehmenserteilung nicht bedürfe. Um Überprüfung des betreffenden Beschlusses wurde gebeten.
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Nachdem der Kläger in der Folge weiterhin an seiner Auffassung der Unzulässigkeit des Vorhabens festhielt, erteilte das Landratsamt Aschaffenburg mit Bescheid vom 14. Mai 2019 die beantragte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Lackierwerkstatt mit Wohnung in ein Reifencenter und Hotel mit Selbstversorgung. Unter „Auflagen und Bedingungen“ wurde insbesondere festgesetzt, dass die Verweildauer eines Hotelgastes maximal drei Wochen betragen dürfe (Ziffer 2) und dass Art. 46 BayBO entsprechend anzuwenden sei (Ziffer 4). Zudem wurde in den Gründen des Bescheids darauf verwiesen, dass das Vorhaben den Vorgaben des Bebauungsplans entspreche und daher eine förmliche Einvernehmenserteilung nicht erforderlich sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den genannten Bescheid Bezug genommen. Der Genehmigungsbescheid ist dem Kläger ausweislich des in den Behördenakten befindlichen Empfangsbekenntnisses am 27. Mai 2019 zugegangen.
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2. Mit Schriftsatz vom 14. Juni 2019 - eingegangen bei Gericht am 17. Juni 2019 - ließ der Kläger durch dessen Bevollmächtigte Klage gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung erheben und beantragen,
Der Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 14.05.2019, Az. 91.3-6024-2018-1435-BAVV, wird aufgehoben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die erteilte Baugenehmigung erweise sich wegen Verstoßes gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften als rechtswidrig. Das fehlende Einvernehmen des Klägers hätte berücksichtigt werden müssen. Einer Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens habe es vorliegend auch bedurft, da die genehmigte Nutzung nicht mit der Festsetzung als Gewerbegebiet vereinbar sei. Auch wenn man nicht von einer typischen Wohnnutzung ausgehen könne, bestehe jedenfalls ein wohnähnlicher Charakter, welcher ebenfalls in einem Gewerbegebiet unzulässig sei. Die Arbeiter würden die Unterkunft für die Dauer ihres Aufenthalts als „Heimstatt im Alltag“ nutzen. Bei der in der Auflage festgelegten Verweildauer von drei Wochen handle es sich auch nicht um einen nur ganz kurzfristigen Aufenthalt. Bei einer derartigen Aufenthaltsdauer werde die Unterkunft nicht lediglich zur Befriedigung des Schlafbedürfnisses während weniger Übernachtungen genutzt, sondern als wohnungsähnliche Heimstatt und als Rückzugsort nach Feierabend. Außerdem schließe die Begrenzung der Aufenthaltsdauer eine wiederkehrende Nutzung durch dieselben Arbeiter nicht aus. Bei einer wiederkehrenden Nutzung sei jedoch ebenfalls von einem wohnähnlichen Charakter auszugehen. Darüber hinaus betrage die tatsächliche Aufenthaltsdauer deutlich länger als drei Wochen, was sich aus Wohnsitzanmeldungen am streitgegenständlichen Anwesen ergebe. Auch fehle es an jeglichen für einen Hotelbetrieb typischen Leistungen wie etwa ein Bettwäsche-Service oder Zimmerreinigung. Vielmehr würden sich die Arbeiter ausweislich der Baubeschreibung selbst versorgen, wofür ihnen ein Koch- und Essbereich zur Verfügung stehe. Außerdem würden sich die Arbeiter untereinander kennen, sodass von einem Charakter einer Wohngemeinschaft auszugehen sei. Auch der Bezug in der Baugenehmigung auf Art. 46 BayBO spreche für eine wohnähnliche Nutzung. Letztlich sei die vorliegende Baubeschreibung auch nicht ausreichend, um das Vorhaben auf seine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit hin verlässlich überprüfen zu können, was ebenfalls eine Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit darstelle. Insbesondere sei die Auflage hinsichtlich der maximalen Verweildauer nicht hinreichend bestimmt, da bereits unklar bleibe, wie diese Höchstnutzungsdauer sichergestellt werden solle bzw. wer dies zu kontrollieren habe. Zudem bleibe offen, ob eine wiederkehrende Nutzung möglich sein solle und in welchem Rhythmus eine Wiederkehr stattfinden dürfe. Zudem sei nach der Baubeschreibung von einer „projektbezogenen Bleibe“ die Rede, wobei das Vorgehen für den Fall, dass ein Projekt länger als drei Wochen dauern würde, nicht geregelt sei. Darüber hinaus habe das Landratsamt § 15 BauNVO verkannt. Aufgrund der unmittelbar an die Unterkünfte angrenzenden Werkstatt sowie der weiteren in dem Gebiet befindlichen Gewerbebetriebe könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Gäste in den Unterkünften unzumutbaren Belästigungen oder Störungen ausgesetzt seien. Zudem müsse bei der Genehmigung künftiger gewerblicher Vorhaben auf das Vorhaben des Beigeladenen Rücksicht genommen werden, sodass der Genehmigungsfähigkeit von gewerblichen Vorhaben künftig Beschränkungen auferlegt werden würden, die vonseiten des Klägers nicht beabsichtigt gewesen seien. Auch gehe von dem genehmigten Vorhaben eine Bezugsfallwirkung aus. Daher sei das Vorhaben im konkreten Einzelfall im vorliegenden Gewerbegebiet unzulässig, sodass § 30 BauGB nicht anwendbar sei. Im Ergebnis widerspreche das Vorhaben den Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans, sodass eine Ausnahme bzw. Befreiung nach § 31 BauGB und somit die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens erforderlich gewesen sei. Die Missachtung des gemeindlichen Einvernehmens führe zur Rechtswidrigkeit der erteilten Genehmigung. Auch wenn man von der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens ausginge, wäre diese rechtswidrig, da die Voraussetzungen für eine Verweigerung des Einvernehmens vorgelegen hätten.
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3. Das Landratsamt Aschaffenburg beantragte mit Schriftsatz vom 8. November 2019 für den Beklagten,
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Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass der genehmigte Beherbergungsbetrieb als Gewerbebetrieb gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO in dem betreffenden Gewerbegebiet allgemein zulässig sei und es insoweit des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB nicht bedurft habe. Der Betrieb sei gerade nicht als „Heimstatt im Alltag“ anzusehen. Hiergegen spreche sowohl die maximale Verweildauer von drei Wochen, als auch die gesamte Gestaltung und Nutzung des Anwesens. Eine häusliche Einrichtung sei nicht möglich. Eine Wohnnutzung sei aufgrund der mehrfach belegten Zimmer nicht gegeben. Dem Vorhaben liege das Modell eines einfachen Boardinghauses zugrunde, der Schwerpunkt liege auf dem Angebot einer billigen, vorübergehenden Übernachtungsmöglichkeit. Der Beherbergungsbetrieb diene nicht der Erholung. Eine Unbestimmtheit der der Baugenehmigung zugrundeliegenden Antragsunterlagen sei überdies nicht gegeben. Die Baubeschreibung sei zwar knapp gehalten, enthalte jedoch alle relevanten Informationen. § 15 BauNVO stehe dem Vorhaben ebenso nicht entgegen.
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4. Der Beigeladene beantragte in der mündlichen Verhandlung ebenfalls,
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Zuvor nahm dieser bereits mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24. Juli 2020 zum streitgegenständlichen Verfahren Stellung. Darin wurde insbesondere ausgeführt, dass von einer unzureichenden Baubeschreibung nicht ausgegangen werden könne. Auf den Einwand des Landratsamtes hin habe der Beigeladene eine zweite, modifizierte Hotelbeschreibung vorgelegt, in welcher die Nutzungsdauer der Gäste auf drei Wochen begrenzt sei. Aus der vonseiten des Klägers vorgelegten Liste mit am streitgegenständlichen Anwesen gemeldeten Personen ergebe sich keine Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung, sondern lediglich ein Verstoß gegen die in der Baugenehmigung enthaltenen Auflage zur maximalen Verweildauer. Die Angabe einer maximalen Nutzungsdauer von drei Wochen sei auch ausreichend, um eine Kontrolle zu ermöglichen und könne ohne Weiteres durch eine ständige Rotation der Montagearbeiter sichergestellt werden. Die nur kurzzeitige Unterbringung schließe eine wohnähnliche Nutzung aus. Vorliegend gehe es somit um den Vollzug der Baugenehmigung, nicht um deren Rechtmäßigkeit. Es sei Sache der Gemeinde, die Hotelnutzung zu überwachen oder den Bebauungsplan zu ändern und gewerbliche Beherbergungsbetriebe auszuschließen, wovon die Gemeinde jedoch bislang keinen Gebrauch gemacht habe.
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5. Mit Beschluss vom 30. April 2020 hat das Gericht Beweis erhoben durch die Einnahme eines Augenscheins über die örtlichen und baulichen Verhältnisse im Bereich des Vorhabengrundstücks, welcher am 23. Juni 2020 durchgeführt wurde. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift über den Augenschein und die dort gefertigten Lichtbilder Bezug genommen.
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6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakte sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Streitgegenständlich ist dabei im vorliegenden Verfahren unter Auslegung des klägerischen Antrags im Schriftsatz vom 14. Juni 2019 gemäß § 88 VwGO und entsprechend der dahingehenden Klarstellung im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Baugenehmigung des Landratsamts Aschaffenburg vom 14. Mai 2019 lediglich insoweit, als diese eine Nutzungsänderung hin zu einem Hotel mit Selbstversorgung umfasst. Allein hiergegen richtet sich die eingereichte Klage. Soweit mit dem Bescheid darüber hinaus auch eine Nutzungsänderung zu einem Reifencenter genehmigt worden ist, wird dies seitens des Klägers nicht beanstandet und ist auch nicht Streitgegenstand im hiesigen Verfahren.
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1. Die Klage ist zulässig.
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Die gegen den streitgegenständlichen Genehmigungsbescheid vom 14. Mai 2019 erhobene Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist statthaft. Dem Kläger steht zudem die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis zu. Es erscheint vorliegend jedenfalls als möglich, dass die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung den Festsetzungen des Bebauungsplans des Klägers widerspricht und somit die Genehmigungserteilung den Kläger in dessen gemeindlicher Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.
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2. Die Klage ist auch begründet. Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 14. Mai 2019 ist rechtswidrig und verletzt den KIäger in dessen Rechten aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, soweit diese die Nutzungsänderung zu einem Hotel mit Selbstversorgung betrifft, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Zur Planungshoheit der Gemeinde gehört nicht nur das Recht zur Aufstellung von Bauleitplänen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB), sondern auch ein Abwehranspruch gegen Baumaßnahmen, die den planerischen Festsetzungen widersprechen. Andernfalls könnten die Bebauungspläne einer Gemeinde durch planwidrige Genehmigungen der Baugenehmigungsbehörde, sofern diese - wie vorliegend - mit der Gemeinde nicht identisch ist, unterlaufen werden. Insoweit liegt es im Ergebnis nicht anders als in Fällen der §§ 31, 33 bis 35 BauGB, wenn Baugenehmigungen ohne das erforderliche Einvernehmen der Gemeinde nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB erteilt werden. Denn die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens ist im Falle des § 30 Abs. 1 BauGB nur deshalb entbehrlich, weil hier die Gemeinde selbst geplant hat und folglich bei einer den Festsetzungen des Bebauungsplans entsprechenden Baumaßnahme nur noch die Verwirklichung dieser gemeindlichen Planung bei der Erteilung einer Baugenehmigung in Rede steht. Setzt sich die Baugenehmigungsbehörde dagegen über die entsprechenden Festsetzungen hinweg, indem sie ein Vorhaben genehmigt, welches den gemeindlichen Festsetzungen widerspricht, so stellt sich dies als ein unmittelbarer Eingriff in die Planungshoheit dar (vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1993 - 4 C 25/91 - juris Rn. 14; U.v. 27.11.1981 - 4 C 36/78 u.a. - juris Rn. 14; OVG RhPf, B.v. 31.1.2017 - 8 B 11605/16 - juris Rn. 4).
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Unabhängig von der im Verfahren aufgeworfenen Frage, ob bereits aufgrund von Bestimmtheitsmängeln der Baugenehmigung bzw. der Antragsunterlagen, insbesondere der aus Sicht des Gerichts nach wie vor äußerst knappen und wenig aussagekräftigen Baubeschreibung vom 18. Dezember 2018 eine Beeinträchtigung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gegeben ist (vgl. zur Möglichkeit der Verletzung der Planungshoheit infolge einer Unbestimmtheit der Baugenehmigung bzw. der Antragsunterlagen, OVG RhPf, B.v. 31.1.2017 - 8 B 11605/16 - juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 10.12.2007 - 1 BV 04.843 - juris Rn. 26), stellt der hier in Streit stehende Genehmigungsbescheid unter Beachtung der soeben aufgezeigten Grundsätze einen unmittelbaren Eingriff in die Planungshoheit des klagenden Marktes dar. Denn selbst wenn man von einer hinreichend bestimmten Baugenehmigung bzw. von hinreichend bestimmten Antragsunterlagen ausgeht, so spricht aus Sicht der erkennenden Kammer mehr dafür, dass es sich bei dem genehmigten Vorhaben um eine wohnähnliche Nutzung und somit nicht mehr um einen im Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässigen Beherbergungsbetrieb handelt. Die Genehmigung steht daher im Widerspruch zur Festsetzung der Gebietsart im Bebauungsplan und somit im Widerspruch zu dem hierdurch zum Ausdruck kommenden planerischen Willen des Klägers und hätte daher nicht nach § 30 Abs. 1 BauGB ohne Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens erteilt werden dürfen.
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Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans des Klägers „Gewerbeflächen … Straße“, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein Gewerbegebiet i.S.v. § 8 BauNVO festsetzt. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind in einem Gewerbegebiet Gewerbebetriebe aller Art zulässig. Hierzu können auch Beherbergungsbetriebe gehören (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 139. EL August 2020, § 8 BauNVO Rn. 24). Es sind jedoch nicht alle Beherbergungsbetriebe in einem Gewerbegebiet zulässig. Nicht zulässig sind nach der obergerichtlichen Rechtsprechung solche Beherbergungsbetriebe, in denen gewohnt wird oder die wohnähnlich genutzt werden, weil sie dem Gebietscharakter, der ein Wohnen grundsätzlich nicht vorsieht, nicht entsprechen (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1992 - 4 C 43/89 - juris Ls.; BayVGH, U.v. 16.2.2015 - 1 B 13.648 - juris Rn. 25). Um einen in einem Gewerbegebiet zulässigen Beherbergungsbetrieb handelt es sich nur dann, wenn den Gästen des Beherbergungsbetriebs die für ein Gewerbegebiet typischen Belästigungen zugemutet werden können. Dies kann beispielsweise bei größeren Hotels mit regelmäßig kurzer Verweildauer der Gäste und bei anderen kerngebietstypischen Beherbergungsstätten angenommen werden. Dagegen ist etwa die Fremdenpension eines Urlaubsorts oder ein Kurhotel mit dem Charakter eines Gewerbegebiets nicht vereinbar. Auch ein als Betrieb des Beherbergungsgewerbes einzustufendes Wohnheim ist in einem Gewerbegebiet unzulässig (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1992 - 4 C 43/89 - juris Rn. 20). Dasselbe gilt für das Vermieten von Appartements, weil dies nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keine Beherbergung darstellt (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1992 - 4 C 43/89 - juris Rn. 17). Nicht zulässig sind nach der Rechtsprechung z. B. Unterkünfte, die Arbeitnehmer für eine längere Zeit (z. B. zwei bis sechs Monate, vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1992 - 4 C 43/89 - juris Rn. 21) oder über erhebliche Zeiträume in wiederkehrendem Rhythmus (z. B. drei- bis viermal in der Woche während der Beschäftigungsperiode, vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2015 - 1 B 13.648 - juris Rn. 25; vgl. auch VG Stuttgart, U.v. 14.12.2018 - 2 K 7128/16 - juris Rn. 33) zur Verfügung stehen. Ob es sich um einen noch zulässigen Beherbergungsbetrieb oder um einen wegen einer jedenfalls wohnähnlichen Nutzung in einem Gewerbegebiet unzulässigen Beherbergungsbetrieb handelt, bedarf dabei einer umfassenden Bewertung des konkreten Einzelfalls (vgl. zum Ganzen etwa: VG München, U.v. 24.11.2020 - M 1 K 18.279 - juris Rn. 31).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist das Gericht im vorliegenden Fall der Auffassung, dass es sich bei dem mit Bescheid vom 14. Mai 2019 genehmigten Vorhaben des Beigeladenen hinsichtlich des Hotels mit Selbstversorgung um eine wohnähnliche und somit im vorliegenden Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO nicht zulässige Nutzung handelt. Jedenfalls vermag die wenig aussagekräftige Baubeschreibung und insbesondere die darin enthaltene und sodann auch als Auflage in die streitgegenständliche Baugenehmigung aufgenommene Beschränkung der maximalen Aufenthaltsdauer auf drei Wochen nicht den sich dem Gericht aufdrängenden Gesamteindruck einer wohnähnlichen Nutzung zu entkräften.
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Soweit sich das Landratsamt sowie die Beigeladenenseite im Wesentlichen darauf stützen, dass eine wohnähnliche Nutzung aufgrund der festgeschriebenen Beschränkung der Aufenthaltsdauer auf drei Wochen ausgeschlossen sei, greift dies aus Sicht des Gerichts deutlich zu kurz. Denn die Begrenzung der maximalen Verweildauer stellt lediglich ein einzelnes Kriterium im Rahmen der erforderlichen umfassenden Würdigung der Gesamtumstände dar. Berücksichtigt man demgegenüber sämtliche Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls, so ist nach Auffassung der erkennenden Kammer entgegen der Ansicht des Landratsamts und des Beigeladenen von einer wohnähnlichen Nutzung auszugehen.
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Zwar kann die zeitliche Beschränkung des Aufenthalts auf drei Wochen durchaus als Argument für einen in einem Gewerbegebiet zulässigen Beherbergungsbetrieb und gegen das Vorliegen einer wohnähnlichen Nutzung herangezogen werden (vgl. hinsichtlich einer maximalen Nutzungsdauer von vier Wochen: VG München, U.v. 12.7.2017 - M 9 K 16.3340 - juris Rn. 16). Jedoch ist im vorliegenden Fall diesbezüglich zu berücksichtigen, dass sich die angeführte maximale Verweildauer bereits nur schwerlich mit dem in der Baubeschreibung vom 18. Dezember 2018 enthaltenen Konzept in Einklang bringen lässt, wonach das Vorhaben eine projektbezogene Bleibe für Bauarbeiter während der Bauzeit regionaler Bauvorhaben darstellen solle. Berücksichtigt man, dass jedenfalls größere Bauprojekte regelmäßig auch Zeiträume in Anspruch nehmen, welche die besagten drei Wochen bei Weitem übersteigen, so lässt sich mit Blick darauf die angegebene Zweckbestimmung als Unterkunft für die Dauer eines Bauprojekts mit der zeitlichen Begrenzung nicht ohne Weiteres vereinbaren und steht jedenfalls insoweit im Widerspruch hierzu. Darüber hinaus enthält weder die Baugenehmigung selbst, noch die Baubeschreibung Angaben hinsichtlich der Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine wiederkehrende Nutzung der Unterkunft durch dieselben Personen möglich sein soll. Gerade hinsichtlich der soeben geschilderten Problematik mit Blick auf längere Bauprojekte ist es aber aus Sicht des Gerichts naheliegend, dass dieselben Arbeiter - gegebenenfalls nach einer kurzen Unterbrechung zur Wahrung der zeitlichen Begrenzung der Aufenthaltsdauer - regelmäßig in die Unterkunft zurückkehren, jedenfalls bis das entsprechende Bauprojekt seinen Abschluss gefunden hat. Eine wiederkehrende Nutzung durch dieselben Personen kann aber selbst dann, wenn die einzelnen Aufenthalte für sich genommen nur von kurzer Dauer sein sollten, eine wohnähnliche Nutzung begründen (vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2015 - 1 B 13.648 - juris Rn. 26 hinsichtlich einer drei- bis viermaligen Nutzung pro Woche während einer Beschäftigungsperiode; VG Stuttgart, U.v. U.v. 14.12.2018 - 2 K 7128/16 - juris Rn. 33 hinsichtlich einer regelmäßigen Nutzung von Ruheräumen eines Speditionsunternehmens durch die dort beschäftigten Fernfahrer). Eine derartige wiederkehrende Nutzung wird durch die vorliegende Beschränkung der maximalen Aufenthaltsdauer jedenfalls nicht ausgeschlossen und ist somit von der streitgegenständlichen Baugenehmigung umfasst. Nach alledem kann die Beschränkung der Nutzungsdauer vorliegend allenfalls in eingeschränktem Umfang als Argument für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Betriebs im Gewerbegebiet herangezogen werden.
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Demgegenüber sprechen die sonstigen Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls aus Sicht des Gerichts für die Einordnung des genehmigten Vorhabens als wohnähnliche und damit in einem Gewerbegebiet unzulässige Nutzung.
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Bereits die Bezeichnung des Vorhabens durch den Beigeladenen selbst in der Überschrift der Baubeschreibung als „Arbeiter w o h n u n g e n“, spricht aus Sicht des Gerichts dafür, dass es sich bei dem mit den entsprechenden Unterlagen beantragten und mit dem streitgegenständlichen Bescheid genehmigten Vorhaben nicht lediglich um ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen handeln sollte, sondern um einen auf eine gewisse Dauer angelegten Wohnungsersatz, mithin eine wohnähnliche Nutzung.
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Darüber hinaus enthält weder der Genehmigungsbescheid, noch die diesem zugrundeliegende Baubeschreibung Angaben darüber, ob in der Unterkunft etwaige beherbergungstypische Serviceleistungen, wie etwa ein Reinigungs- oder (Bett-)Wäscheservice o.ä. angeboten werden sollen, deren Vorliegen gegen eine wohnähnliche Nutzung sprechen würde. Mangels entsprechender Angaben ist somit davon auszugehen, dass derartige Leistungen nach dem Betriebskonzept nicht angeboten bzw. erbracht werden sollen. Hinzu kommt, dass sich die Arbeiter ausweislich der Baubeschreibung über ortsansässige Supermärkte und Läden selbst versorgen sollen. Ferner bietet die Unterkunft den Arbeitern ausweislich der Planunterlagen mit der im Erdgeschoss befindlichen Essküche die Möglichkeit, sich selbstständig Mahlzeiten zuzubereiten und für die eigene Verpflegung selbst zu sorgen. Auch ist in den genehmigten Plänen ein Waschraum mit mehreren Waschmaschinen im Erdgeschoss vorgesehen. Den in der Unterkunft untergebrachten Personen wird somit eine selbständige Gestaltung der häuslichen Lebensführung ermöglicht und auch abverlangt, sodass die Art der Unterbringung einer Wohnnutzung - eine solche scheidet vorliegend aufgrund der mehrfach belegten Zimmer und des damit verbundenen Mangels an einer privaten Rückzugsmöglichkeit aus (vgl. VG München, U.v. 12.7.2017 - M 9 K 16.3340 - juris Rn. 16 unter Bezugnahme auf BayVGH, U.v. 15.2.2015 - 1 B 13.648 - juris) - jedenfalls stark angenähert ist und somit als wohnähnliche Nutzung einzustufen ist.
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Für die weitgehende Selbstständigkeit der in der Unterkunft befindlichen Arbeiter spricht auch, dass ausweislich der Ausführungen in der Baubeschreibung der Mieter - und nicht etwa der Vermieter - die Räumlichkeiten in dem im Obergeschoss befindlichen Verwaltungsraum organisieren soll. Sollte mit der Verwendung der Bezeichnungen „Nutzer“ einerseits und „Mieter“ andererseits in der Baubeschreibung dagegen eine Differenzierung zwischen den die Räumlichkeiten nutzenden Arbeitern und einem hiervon abzugrenzenden Mieter einhergehen, geht aus der Baubeschreibung nicht hervor, wer mit dem Terminus „Mieter“ gemeint sein sollte. Eine Verwaltung der Räumlichkeiten durch den Vermieter, wie dies bei einem typischen Beherbergungsbetrieb der Fall wäre, ist jedenfalls nicht vorgesehen.
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Auch der weitere Aufbau der Unterkunft entspricht nicht dem eines typischen Beherbergungsbetriebs in der Form einer nur kurzzeitigen Unterbringung ständig wechselnder Gäste. Hierfür fehlt es bereits an einem Empfangsbereich bzw. einer Rezeption oder einer vergleichbaren Einrichtung im Eingangsbereich. Vielmehr erfolgt der Zugang im Erdgeschoss ausweislich der genehmigten Planunterlagen direkt in einen Flur, an den sich unmittelbar die Essküche, der Waschraum, ein WC sowie das Treppenhaus und dahinterliegend zwei Schlafräume anschließen. Man gelangt somit vom Eingang unmittelbar in die Wohnbereiche der Unterkunft, was den Eindruck einer wohnähnlichen Nutzung weiterhin bekräftigt.
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Letztlich geht offenbar auch das Landratsamt selbst davon aus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vorhaben um eine einer Wohnnutzung jedenfalls angenäherte Unterkunftsform handelt. Denn in Ziffer 4 der Auflagen und Bedingungen zur streitgegenständlichen Baugenehmigung ordnet das Landratsamt die entsprechende Anwendung von Art. 46 BayBO an. Diese Regelung schreibt indes Mindestanforderungen für Wohnungen im Sinne einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit unter Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises (vgl. Voigt in BeckOK, Bauordnungsrecht Bayern, 16. Edition, Stand; 01.09.2020, Art. 46 BayBO Rn. 1 und 8) vor.
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Nach alledem kommt das Gericht infolge einer umfassenden Abwägung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls zu der Auffassung, dass es sich bei dem mit dem streitgegenständlichen Bescheid genehmigten Hotel mit Selbstversorgung um eine wohnähnliche Nutzung handelt, die in einem Gewerbegebiet unzulässig ist. Die bloße Begrenzung der Aufenthaltsdauer auf drei Wochen ist zur Überzeugung des Gerichts zweifellos nicht ausreichend, um eine solche vorliegend auszuschließen und entgegen der zahlreichen dahingehenden Anhaltspunkte eine wohnähnliche Nutzung zu verneinen.
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Die Baugenehmigung des Landratsamts Aschaffenburg vom 14. Mai 2019 widerspricht damit der Festsetzung des Bebauungsplans des klagenden Marktes, welcher für den Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks ein Gewerbegebiet ausweist. Das Landratsamt hätte den entsprechenden Genehmigungsbescheid somit nicht nach § 30 Abs. 1 BauGB ohne das gemeindliche Einvernehmen erteilen dürfen. Eine Verletzung des Klägers in dessen gemeindlicher Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG liegt somit vor. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind gegeben. Die Klage ist begründet.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.