Titel:
Auslegung eines Vergleichs über Nutzungsrechte an Gemeindevermögen
Normenkette:
BayGO Art. 80 Abs. 1
Leitsatz:
Ist der Wortlaut eines Vergleichs (hier Vergleich aus 1901 über Holznutzungsrechte) eindeutig und enthält die gemeinsame Rechtsüberzeugung iSv Art. 80 Abs. 2 S. 1 BayGO der Gemeinde und der Rechtler (Inhaber der Holznutzungsrechte) und wurde zudem seither entsprechend gelebt, scheitert eine „ergänzende Vertragsauslegung“ deshalb schon daran, dass die Gemeinde diese gemeinsame Rechtsüberzeugung nicht einseitig ändern und auch keinen Anspruch auf eine Änderung aus dem allgemeinen Vertragsrecht ableiten kann. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Holznutzungsrecht, Herkommensrecht, gemeinsame Rechtsüberzeugung, Festlegung durch Vergleich, Bildung Verwaltungsgemeinschaft, Rechtler
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 12.09.2022 – 4 ZB 21.1994
Fundstelle:
BeckRS 2021, 14173
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin, eine kreisangehörige Gemeinde im Landkreis Haßberge, hier vertreten durch die Staatsbeauftragte des Landkreises Haßberge (nach Abstimmung und Gemeinderatsbeschluss vom 12.12.2019), begehrt die Feststellung, dass auf dem Grundstück FlNr. … ihrer Gemarkung, das im Eigentum des Beklagten steht, kein Holznutzungsrecht ruhe.
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Das Holznutzungsrecht auf dem vorgenannten Grundstück war bereits Gegenstand des Verfahrens W 2 K 15.1362.
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Mit Schreiben vom 13. Juni 2019 wies die Klägerin den Beklagten auf ihre Rechtsauffassung in; auf dieses Schreiben sowie die beigefügte „umfassende Darlegung der Sach- und Rechtslage“ (aus Sicht der Klägerin, insgesamt 23 Seiten) wird verwiesen.
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Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 4. Juli 2019 die von der Klägerin begehrte Erklärung, dass kein Holznutzungsrecht auf seinem Anwesen ruhe, ab.
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Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 23. Januar 2020, eingegangen bei Gericht am 24. Januar 2020, ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Feststellungsklage erheben und zur Begründung im Wesentlichen vortragen:
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Die Klägerin werde von der bestellten Staatsbeauftragten vertreten, weil die Mehrheit der Gemeinderatsmitglieder selbst Holznutzungsberechtigungen geltend machen könnten. Das erforderliche Feststellungsinteresse sei gegeben, weil die Klägerin angesichts der bestehenden Rechtsunsicherheiten eine „sichere Handlungsgrundlage“ benötige.
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Es liege kein Titelrecht vor, was auch nicht aus einer möglicherweise erfolgten Eintragung im Grundbuch folge. Es bestehe auch kein Herkommensrecht. Die erforderliche gemeinsame Rechtsüberzeugung zwischen Gemeinde und Rechtlern bestehe spätestens seit der Bildung der Verwaltungsgemeinschaft im Jahr 1978 nicht mehr, weshalb das Recht erloschen sei. Ab diesem Zeitpunkt hätten die Rechtler in Eigenregie „ohne jegliche bewusste Mitwirkung der Klägerin“ Holz, insbesondere auch Stammholz, aus dem Gemeindewald für sich entnommen, verwertet und auch selbständig Waldbewirtschaftung betrieben. Diese unmittelbare Entnahme sei nicht zulässig, weil grundsätzlich die Erzeugnisse und Erträgnisse in das Eigentum der Gemeinde fielen und von dieser zuzuteilen seien. Die Gemeinde verwalte und bewirtschafte auch die betroffenen Grundstücke des Gemeindewaldes; sie habe diese Aufgaben „nicht an die Rechtler übertragen“. Es werde mit „Nichtwissen“ bestritten, dass Herr …, der 1. Bürgermeister von 1978 bis 1990, genaue Kenntnis vom Einnahme- und Ausgabeverhalten der Rechtler bzgl. der Waldbewirtschaftung gehabt habe. Ab 1990 sei Herr … 1. Bürgermeister gewesen; ab 2005 sei es der derzeitige. Konkrete Bewirtschaftungspläne und geplante „Gewinnverteilungsabsichten“ seien dem Gemeinderat nie zur Beschlussfassung vorgelegt worden, dieser sei auch seit 1978 infolge der Rechtlereigenschaft einer entsprechenden Anzahl von Gemeinderatsmitgliedern insoweit beschlussunfähig gewesen. Ein Unterlassen, die tatsächliche Hinnahme oder ein Dulden stellten keine Rechtsüberzeugung der Klägerin dar (vgl. BayVGH, B.v.16.3.2015 - 4 ZB 14.359 - juris - zu Eingemeindung). Die Zustimmung zum Holzeinschlagsplan des Forstamtes sei ebenfalls keine Übertragung der Bewirtschaftung auf die Rechtler. Eine Rechtsüberzeugung, wonach die Rechtler in Eigenregie die Bewirtschaftung durchführen würden, habe sich deshalb nicht neu bilden können. Der Klägerin sei „erst durch die Rechtsberatung bewusst“ geworden, dass sie Eigentümerin des Stammholzes sei und dieses - soweit ein Recht bestehe - den Rechtlern zuteile. Es reiche auch nicht, wenn „vereinzelt“ ein Bürgermeister von Bewirtschaftungsmaßnahmen der Rechtler Kenntnis gehabt habe. Das habe der Bayer. Verwaltungsgerichtshof für den Fall einer Eingemeindung entschieden. Das widerspreche auch der Annahme, der Vergleich von 1901 sei gleichbleibend in gemeinsamer Rechtsüberzeugung ausgeübt worden. Die Beweislast hinsichtlich der Rechtsüberzeugung der Klägerin treffe den Beklagten.
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Durch den Vergleich von 1901, dem auch die Klägerin zugestimmt habe und den der Bayerische Verwaltungsgerichtshof 1912 (U.v. 20.11.2012 - Nr. 76 II 10) nicht als „willkürliche“ Einräumung „neuer“ Nutzungsrechte angesehen habe, seinen „freilich“ neue Nutzungsrechte begründet bzw. Rechte erweitert worden, die zuvor nicht gegeben gewesen seien, was näher erläutert wird. Bis zum Vergleich von 1901 sei ein Herkommensrecht nicht nachgewiesen gewesen. Eine Neubegründung von Nutzungsrechten mache den Vergleich unwirksam. Der Beklagte könne sich nicht auf den Wortlaut des Vergleiches berufen. Die Aussage des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zu den „seit Jahrhunderten bestandenen und ausgeübten Nutzungsrechten“ sei zu unbestimmt, um ein Herkommensrecht ableiten zu können. Den Vergleich hinweg gedacht, verbleibe kein Herkommensrecht. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung des Vergleichs von 1901, der bei wörtlicher Auslegung wegen eines „Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ unwirksam sei, führe nicht dazu, dass auf dem Grundstück des Beklagten ein Holznutzungsrecht ruhe. Das erkennende Gericht (U.v. 7.12.2016 - W 2 K 15.1392) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof 1912 stimmten überein, dass der Vergleich von 1901 ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sei und „allein“ Rechtsgrundlage für das streitige Holznutzungsrecht sei. Die damaligen tatsächlichen und rechtlichen Umstände entsprächen nicht mehr den heutigen. Es seien auch keine „ewig währenden dinglichen“ Rechte vereinbart worden. Der mutmaßliche Wille sei unter Berücksichtigung der durch den Zeitablauf eingetretenen wesentlichen Umstände, die Geschäftsgrundlage des Vergleichs seien, neu zu ermitteln. Die Beteiligten hätten damals bei Kenntnis der wirtschaftlichen Entwicklung und Bedeutung „der ursprünglich nur zum Eigenbedarf genutzten Holznutzungsrechte“ diesen Vertrag „offensichtlich so nicht geschlossen.“ Das zeige sich insbesondere hinsichtlich der im Vergleich geregelten Nutzung des werthaltigen Stammholzes (zur Berechnung des Wertes näher Bl. 25 GA). Der Vertragsinhalt wäre demnach einvernehmlich anzupassen, was näher ausgeführt wird.
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Die Holznutzungsrechte seien jedenfalls 1978 erloschen, soweit sie zuvor überhaupt bestanden hätten.
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Die Klägerin lässt beantragen,
festzustellen, dass dem Beklagten als Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung Stettfeld kein öffentlich-rechtliches Holznutzungsrecht i.S.v. Art. 80 GO an den Grundstücken der Klägerin im Gemeindewald zustehe.
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Der Beklagte lässt beantragen,
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Zur Klageerwiderung wird im Wesentlichen ausgeführt:
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Es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Klage. Die Klägerin mache hauptsächlich wirtschaftliche Interessen geltend, weil sie insbesondere am lukrativen Stammholzverkauf finanziell partizipieren wolle, was gerichtsbekannt sei. Um das Bestehen des Holznutzungsrechts gehe es dagegen weniger. Das folge auch aus dem Klageschriftsatz (S. 8), wonach Streit um die Zuteilung des werthaltigen Stammholzes bestehe. Bereits der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe aber die Frage aufgeworfen, ob aus der begehrten Feststellung etwas für die Klägerin gewonnen wäre (BayVGH, B.v. 23.12.2019 - 4 ZB 18.494 - Schreiben vom 12.09.2019). Zudem habe der derzeitige 1. Bürgermeister H. das Anhörungsschreiben vom 13. Juni 2019 selbst unterzeichnet, obwohl er damals selbst Inhaber eines Holzrechtes gewesen sei und deshalb ausgeschlossen.
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Jedenfalls sei die Klage aber unbegründet. Der Beklagte könne durch Urkunden belegen, dass das ursprüngliche Holznutzungsrecht jeweils ordnungsgemäß übertragen worden sei und auf dem Grundstück FlNr. … ruhe. Der Beklagte habe sein Recht auch ununterbrochen ausgeübt (vgl. Ausführungen und Unterlagen im Verfahren W 2 K 15.1362). Das Holznutzungsrecht des Beklagten sei auch nicht untergegangen, weil es nicht an einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung der Klägerin gefehlt habe. Bis in das Jahr 1965 sei das durch das Urteil des erkennenden Gerichts (U.v. 6.12.1965 - 337 II 64) rechtskräftig festgestellt, das auch die Rechtsvorgänger des Beklagten betreffe. Die Bewirtschaftung des Waldes in Eigenregie sei keine Art verbotene Eigenmacht der Rechtler gewesen, weil die Klägerin an den Holzrechten und der Bewirtschaftung (Pflege, Holzeinschlag, Aufforstung etc.) sowie der Verwaltung kein Interesse gehabt habe, nachdem sie aufgrund des Vergleichs von 1901 nicht partizipiert habe. Das ergebe sich alles aus einem Protokoll vom 12. Januar 1929 über eine vom damaligen 1. Bürgermeister geleitete Versammlung der Rechtler (Bl.133/134 d. GA), in der sich der Bürgermeister, soweit es mit ergangenen Urteilen vereinbar sei, mit einer „Trennung der Rechtlersache von der Gemeinde“ bereit erklärt habe. Es sei zulässig, wenn eine Gemeinde sich zur Verwaltung und Bewirtschaftung im Einzelfall der Rechtler bediene (Hinweis auf BayVGH, B.v.16.3.2015 - 4 ZB 14.359 - juris). In jüngster Vergangenheit sei eine solche Übertragung vom Staatsbeauftragten für die Gemeinde auf den zuständigen Förster erfolgt. 1929 sei auch vereinbart worden, dass der sog. „Holzstrich“ (Versteigerung des Holzes) von dem durch den Rechtlerausschuss zu wählenden Rechtlervorstand erfolgen solle. Damit sei die Bewirtschaftung von der Gemeinde selbst auf die Rechtler übertragen worden. Hinzu komme, dass die Klägerin derzeit nicht die Kosten für die Bewirtschaftung und den Holzeinschlag in Höhe von etwa 50.000 Euro jährlich vorfinanzieren und dann den einzelnen Rechtlern in Rechnung stellen wolle, wie es die Gemeindeordnung eigentlich vorsehe. Deshalb sei vereinbart worden (vgl. auch Ergebnisprotokoll, Bl. 190 d. GA), aus der Rechtlerkasse einen Vorschuss an die Klägerin auf die zu erwartenden Kosten für die Bewirtschaftung des Waldes zu zahlen. Das geschehe seitens der Rechtler freiwillig zu Gunsten der Klägerin. Dieses für die Klägerin vorteilhafte System sei jahrzehntelange Praxis und habe tadellos funktioniert. Es sei weder rechtswidrig noch sonst unzulässig. Inzwischen habe die Klägerin, was ihr zustehe, diese Aufgaben wieder selbst übernommen und dann delegiert.
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Die Bildung der Verwaltungsgemeinschaft Ebelsbach habe daran nichts geändert. Auch von 1978 bis 2018 sei, beaufsichtigt durch die Forstverwaltung und ohne Beanstandung, so verfahren worden. Die Klägerin habe auch in dieser Zeit kein Interesse an der Verwaltung und Bewirtschaftung des Waldes gezeigt. Die Gemeindenutzungen fielen in den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden, während die Verwaltungsgemeinschaft die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises erfülle. Die Bildung der Verwaltungsgemeinschaft habe deshalb auf die Holznutzungsrechte keinerlei Einfluss. Die Klägerin trage selbst vor, dass der von 1978 bis 1990 gewählte 1. Bürgermeister selbst Rechtler gewesen sei und deshalb über alle Vorgänge im Zusammenhang mit den Holznutzungsrechten, insbesondere Bewirtschaftung und Holzeinschlag, informiert gewesen sei. Bereits 2016 habe die damalige Staatsbeauftragte erklärt, dass die Klägerin die Bewirtschaftung wieder selbst übernehmen werde (vgl. auch Ergebnisprotokoll, Bl. 190 d. GA).
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Soweit die Klägerin vortrage, sie sei sich ihrer Eigentümerstellung am Gemeindewald nicht bewusst gewesen, sei das unglaubwürdig und zudem irrelevant, weil das allein in den Verantwortungsbereich der Klägerin falle. Mit der prozessualen Wahrheitspflicht sei das allerdings nicht vereinbar. Selbst die behauptete, wenn auch unglaubwürdige „Unkenntnis“ der Klägerin von den Gemeindenutzungsrechten würde aber nicht zum Erlöschen der Rechte führen, weil eine Gemeinde die gemeinsame Rechtsüberzeugung nicht einseitig ändern könne, insbesondere gelte das für den Wunsch der Klägerin nach Beteiligung am Erlös aus dem Stammholzverkauf. Allerdings gebe es Unterlagen, etwa die Notarurkunde vom 13. September 1979 (Bl. 135/153 d. GA), die bewiesen, dass die Klägerin positive Kenntnis gehabt habe.
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Die Klägerin müsse sich auch weiter am Inhalt des Vergleichs von 1901 festhalten lassen. Die dort enthaltene Formulierung „für alle Zukunft“ sei eindeutig und auch mit Willen der Klägerin vereinbart worden. Es sei allerdings nicht vereinbart worden, den Inhalt in gewissen Zeitabständen an etwa veränderte Umstände anzupassen. Sei der Wortlaut eindeutig, sei für eine Auslegung kein Raum, ebenso wenig wie für eine Abänderung zu Gunsten der Klägerin. Der Versuch der Änderung der jahrzehntelangen Praxis verstoße gegen § 242 BGB, zumal die Klägerin auf die Angebote der Rechtler zum Umgang mit der aktuellen Situation nicht eingegangen sei. Der Vergleich von 1901 habe keine Nutzungsrechte „neu“ verliehen, sondern die damals bestehenden Differenzen über den Inhalt der Nutzungsrechte einvernehmlich geregelt. Das Bestehen der Nutzungsrechte vor 1901 sei Inhalt des Vergleiches und durch mehrere Gerichtsentscheidungen bestätigt, was die Klägerin ignoriere. Sie wolle den Vergleich nur insoweit gelten lassen, als er für sie günstig sei, so bei den Pflichten der Rechtler (S. 10 Schriftsatz vom 5.5.2020).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte mit dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2021, die Gerichtsakte des Verfahrens W 2 K 15.1362 sowie die von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. Eine vollständige Behördenakte wurde trotz mehrfacher Aufforderung nicht im Original vorgelegt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
20
Der Beklagte ist Berechtigter des auf seinem Grundstück FlNr. … der Gemarkung Stettfeld ruhenden Nutzungsrechtes mit dem Inhalt, den der zwischen der Klägerin und den Rechtsvorgängern des Beklagten und anderen Inhabern von Nutzungsrechten („Rechtlern“) am 23. Juni 1901 geschlossene Vergleich festlegt. Die auf die negative Feststellung hinsichtlich des Nutzungsrechtes gerichtete Klage ist abzuweisen.
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1. Die Klage ist zulässig.
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1.1 Für die Klage ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO).
23
Bereits im Urteil vom 6. Dezember 1965 (Nr. 337 II 64 - S. 10 d.a.U.) ist das erkennende Gericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (U.v. 20.11.1912 - Nr. 76 II 10; künftig: BayVGH 1912) davon ausgegangen, dass der auch vorliegend streiterhebliche Vergleich vom 23. Juni 1901 zwischen Gemeinde, Rechtlern und Nichtrechtlern in Stettfeld, der u.a. die den Rechtlern sowie Nichtrechtlern zustehenden Nutzungsrechte am Gemeindewald Stettfeld sowie die den Rechtlern gegenüber der Gemeinde obliegenden Rechtspflichten regelt, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellt. Es handelt sich - wie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung rechtskräftig festgestellt - bei den Holznutzungsrechten am Gemeindewald Stettfeld um öffentlich-rechtliche, auf der Zugehörigkeit zur Gemeinde („Gemeindeverband“) beruhende Gemeindenutzungsrechte. Dem hat sich die Kammer in mehreren Verfahren angeschlossen (vgl. u.a. VG Würzburg, U.v. 26.4.2017 - W 2 K 15.1378 - juris - Rn 34/35 - rkr.)
24
1.2 Das Begehren ist als Feststellungsklage i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO zulässig.
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Mit der (negativen) Feststellungsklage kann u.a. die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Ein öffentliches Nutzungsrecht betrifft die Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinde und den jeweiligen Nutzungsberechtigten und stellt ein Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO dar (vgl. auch VG Regensburg, U.v. 15.1.2014 - RN 3 K 13.1169 - juris; bestätigt durch BayVGH, B.v. 16.3.2015 - 4 ZB 14.359 - juris).
26
1.3 Das erforderliche berechtigte Interesse (§ 43 Abs. 1 VwGO) der Klägerin ist ersichtlich gegeben.
27
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Beklagte Inhaber des streitgegenständlichen öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechtes auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung Stettfeld ist.
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2.1 Individuelle, in der Person des Beklagten oder seiner Rechtsvorgänger liegende Gründe, die zu einem Wegfall des Nutzungsrechtes hätten führen können, wie etwa fehlerhafte Übertragungen entgegen Art. 80 Abs. 3 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung - GO), i.d.F. der Bek. vom 22. August 1998 (GVBl 1998 S. 796), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. März 2021 (GVBl S. 74), hat die Klägerin nicht vorgetragen. Solche Gründe sind auch sonst nicht ersichtlich.
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2.2 Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hat das streitgegenständliche Nutzungsrecht bereits vor dem Vergleich vom 23. Juni 1901 bestanden.
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Nutzungsrechte, nach der Legaldefinition in Art. 80 Abs. 1 GO öffentliche Rechte einzelner auf Nutzungen u.a. am Gemeindevermögen, sind nur begründet, wenn ein besonderer Rechtstitel vorhanden ist (Titelrecht) oder wenn das Recht mindestens seit dem 18. Januar 1922 ununterbrochen kraft Rechtsüberzeugung ausgeübt wird (Herkommensrecht). Erforderlich ist dabei nach allgemeiner Auffassung, dass sowohl die Gemeinde als auch die Rechtler Träger dieser gemeinsamen Rechtsüberzeugung sein müssen (so BayVGH, B.v. 16.3.2015 - 4 ZB 14.359 - juris - Rn 5 m.w.N.)
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Zwischen den Beteiligten ist dabei unstreitig, dass es sich nicht um ein Titelrecht handelt. Es besteht jedoch ein Herkommensrecht, das auf die „Dorfordnung zue Stettfeld“ vom 7. Februar 1575 aus der Zeit des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter zurückgeht, die eine noch ältere Dorfordnung ersetzt haben soll. Dazu hat die Kammer im Verfahren W 2 K 15.1378 (U.v. 26.4.2017 - juris - Rn 78) ausgeführt:
„Die … (Klägerin) hat im Verfahren eine Transkription dieser ‚Dorffsordnung zue Stettfeld‘ aus der Zeit Julius Echters vorgelegt und mit den Akten ein historisches Gutachten zu den ‚Waldrechten zu Stettfeld‘ von Dr. S2. (Mitarbeiter des Staatsarchives Würzburg), herausgegeben vom Staatsarchiv Würzburg unter dem 11. Februar 1954. Darin wird die Entwicklung der Nutzungsrechte in Stettfeld beschrieben. Zunächst habe die Gemeindewaldung zur Befriedigung aller ‚inwohner und nachtbauern‘ gedient und auch des Gemeinbedarfs. Die Aufteilung in Rechtler und Nichtrechtler habe es damals nicht gegeben. Wiedergegeben ist dort auch der Inhalt der Dorfordnung von 1575, die eine noch ältere Dorfordnung ersetzt habe, die aber nicht mehr auffindbar gewesen sei. Die Dorfordnung von 1575 begünstigte ‚Bauern‘ und ‚Häcker‘ lediglich in den Ziffern 5 und 6 hinsichtlich Holz zur Anfertigung von Achsen, Riegeln und Stielen (Ziffer 5) sowie sechs Stangen für Leiterbäume (Ziffer 6). Allerdings hatte schon damals nach Ziffer 3 jeder Einwohner das Recht auf Bauholz … Nach Ziffer 8 wurden ‚Lag oder Laub‘ (‚Lauben‘) verteilt für Brennholz, die nicht nur an ‚Bauern‘ und ‚Häcker‘ verteilt wurden. Später sei aber ab 1671 in einer Einigung zwischen ‚Bauern und ‚Söldnern‘ (= ‚Gütlern‘ = Kleinbauern die keine Gemeindenutzungsrechte oder nur Bruchteilsrechte besaßen) festgelegt worden, dass jeder ‚Bauer und Söldner‘ bei Austeilung des Holzes (Bauholz) und der ‚Lauben‘ (Brennholz) gleiche Anteile zustünden. Das habe sich erst im 19. Jahrhundert mit Einführung der neuen Forstordnung sowie durch den Umstand geändert, dass sich infolge der Freizügigkeit neue Familien hätten ansiedeln können, die nicht mehr in den Verband der Rechtler aufgenommen worden seien. Hieraus seien Rechtsstreite entstanden, die sich bis ins 20. Jahrhundert hingezogen hätten, und erst mit dem Vergleich aus dem Jahr 1901 (und letztlich der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes 1912) beendet worden seien.“
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat nach mehreren Rechtsstreiten, die sich über längere Zeiträume mit unterschiedlichen Streitgegenständen hingezogen hatten, im Jahr 1912 grundsätzlich entschieden, dass sich aus der „aus dem Kreisarchiv erholten“ Dorfordnung vom 7. Februar 1575 ergibt, dass seit Jahrhunderten ausgeübte Nutzungsrechte bestanden (BayVGH 1912, S. 19 unten d.a.U.). Dabei bezog sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf den Regierungssenatsbescheid vom 5. Oktober 1898, in dem bereits unter Berücksichtigung der vorgenannten Dorfordnung den Rechtlern „bevorzugte Nutzungsrechte am Gemeindewald zugesprochen“ worden waren (vgl. BayVGH 1912, S. 18 d.a.U.). Allerdings kam es nicht zu einer Entscheidung des Bayerische Verwaltungsgerichtshofes über den Regierungssenatsbescheid von 1898, der rechtszeitig mit der Beschwerde angefochten worden war, weil es die am Streit Beteiligten (auch die Gemeinde) vorgezogen haben, sich in einem Vergleich vom 23. Juni 1901 über die bestehenden Unsicherheiten zu einigen (vgl. BayVGH 1912, S. 18 d.a.U.). Auch das erkennende Gericht geht in seinem Urteil vom 6. Dezember 1965 (Nr. 337 II 64, S. 12 d.a.U.) vom Bestehen der Nutzungsrechte bereits vor dem Vergleich von 1901 aus, der die bestehenden beiderseitigen Rechte lediglich aufgrund des damals bekannten Herkommens neu beschrieben und abgegrenzt hat. Dabei darf nicht verkannt werden, dass im 19. Jahrhundert nicht nur der Inhalt der Nutzungsrechte, sondern auch die Eigentümerstellung der Gemeinde am „Rechtlerwald“ streitig war. Während letztere Frage (wohl) 1867 gemeinsam geregelt und das Eigentum der Gemeinde anerkannt wurde, blieben Inhalt und Umfang der Nutzungsrechte sowie etwaige Gemeindeumlagen weiter strittig (vgl. BayVGH 1912, S. 2 ff).
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Die Klägerseite hat nichts Substantiiertes vorgetragen, was zu einer anderen Entscheidung führen könnte. Der Vergleich von 1901 bestätigt letztlich nur, was bereits durch den Regierungssenatsbescheid vom 5. Oktober 1898 entschieden war. Die Nutzungsrechte bestanden vorrangig gegenüber den Bedarfen der Gemeinde und unabhängig von der Frage der Finanzierung aller Gemeindebedürfnisse. Soweit die Klägerin ausführt, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof 1912 und das erkennende Gericht (VG Würzburg, U.v. 7.12.2016 - W 2 K 15.1392 - juris) „stimmten überein“, dass der Vergleich von 1901 ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sei und „allein“ Rechtsgrundlage für das streitige Holznutzungsrecht, werden die Ausführungen beider Gerichte ersichtlich vermengt und fehlinterpretiert. Weder die Kammer noch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof haben jemals ausgeführt, dass die streitigen Nutzungsrechte in Stettfeld „allein“ in dem Vergleich von 1901 ihre Rechtsgrundlage haben. Vielmehr wurde 1901 die gemeinsame Rechtüberzeugung von Gemeinde und Rechtlern schriftlich fixiert, es handelt sich „um die gütliche Regelung von Meinungsverschiedenheiten über Eigenschaft und Umfang von seit Jahrhunderten bestandenen und ausgeübten Nutzungsrechten“ (so BayVGH 1912, S. 19 unten d.a.U.; ebenso VG Würzburg, U.v. 7.12.2016 - W 2 K 15.1392 - juris - Rn 34 und insbesondere Rn 64) und der Inhalt des Vergleiches stellt die gemeinsame Rechtsüberzeugung dar (VG Würzburg, U.v. 7.12.2016 - W 2 K 15.1392 - jurisRn 64). Die Klägerin müsste das nur nach den mehrfachen Entscheidungen zu Kenntnis nehmen.
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2.3 Ab dem Jahr 1978 hat sich am Bestehen der Nutzungsrechte weder durch die Bildung der Verwaltungsgemeinschaft Ebelsbach noch durch Bewirtschaftung des „Rechtlerwaldes“ und die Verteilung der Nutzungen durch die Rechtler etwas geändert.
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2.3.1 An der Rechtslage hat sich durch die Bildung der Verwaltungsgemeinschaft im Jahr 1978 nichts geändert.
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Die Klägerin beruft sich insoweit auf eine Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (B.v. 16.3.2015 - 4 ZB 14.359 - juris), die vorliegend schon deshalb nicht einschlägig ist, weil es im dort zu entscheidenden Fall um die Fortgeltung von Nutzungsrechten im Fall einer Eingemeindung ging. Dabei verkennt die Klägerin völlig, dass im Gegensatz zu einer Eingemeindung bei der Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises nach Art. 4 Abs. 2 Verwaltungsgemeinschaftsordnung für den Freistaat Bayern (Verwaltungsgemeinschaftsordnung - VGemO) i. d. F. der Bek. vom 26. Oktober 1982 (BayRS II S. 350), zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl S. 98), bei der Gemeinde verbleiben. Dazu gehört auch die Verwaltung des Gemeindevermögens, insbesondere von Grund und Boden im Eigentum der Gemeinde (vgl. Hölzl/Hien/Huber, GO mit VGemO, LkrO, BezO für den Freistaat Bayern, Stand: 9/2020, Art. 74 Anm. 3.1). Vorliegend musste der Beklagte (und die anderen Rechtler) deshalb nach Bildung der Verwaltungsgemeinschaft ihre Rechte nicht neu bei der Gemeinde anmelden. Diese waren der Klägerin vielmehr aus den bereits zitierten Urteilen aus der Zeit zuvor hinreichend bekannt. So hat die Klägerin 1964 vor dem erkennenden Gericht auf die Lieferung von Schulholz gegen die Rechtler geklagt und sich dabei auf den Vergleich von 1901 bezogen mit dem Argument, der gemeindliche Holzbedarf stehe und falle mit dem Bestand der Holznutzungsrechte (vgl. VG Würzburg, U.v. 6.12.1965 - Nr. 337 II 64 - S. 8/9 d.a.U.). Am 13. September 1979 wurde mit Notarurkunde von der Gemeinde, vertreten durch den damaligen 1. Bürgermeister, im Zusammenwirken mit dem 1. Vorsitzenden der Rechtler das Besoldungsholz für Pfarramt, Organist und Gemeindediener abgelöst, was denknotwendig die Kenntnis der Gemeinde von der Existenz der Nutzungsrechte voraussetzt (Bl. 135/136/153 d. GA).
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Die Rechtsauffassung der Klägerin, die aus der Bildung der Verwaltungsgemeinschaft im Jahr 1978 herleitet, es fehle bei ihr seitdem an einer Rechtsüberzeugung hinsichtlich des Bestehens der Nutzungsrechte, ist deshalb nicht nur nicht überzeugend, sondern schlicht abwegig. Ebenso abwegig ist die Behauptung, der Beklagte müsse beweisen, dass bei der Klägerin eine entsprechende Rechtsüberzeugung bestanden habe, weil das zum einen in die Sphäre der Klägerin selbst fällt und diese zudem die materielle Beweislast für die für sie günstigen Behauptungen trägt (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 86 Rn 5).
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Die begehrte negative Feststellung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der „Rechtlerwald“ eine bestimmte Zeit von den Rechtlern - mit Zustimmung der Klägerin und in Abstimmung mit der Forstbehörde - selbst bewirtschaftet worden ist und diese auch die Verteilung des Holzes übernommen hatten. Die Klägerin vermengt die Existenz der Nutzungsrechte mit der Frage der Waldbewirtschaftung.
39
Aus den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen folgt, dass bereits ab etwa 1929 und nicht erst seit 1978 die Klägerin durch den damaligen 1. Bürgermeister diese Aufgaben auf die Rechtler übertragen hat und sich dabei durchaus ihrer Eigentümerstellung bewusst war. Die Frage der Eigentümerstellung der Gemeinde wurde bereits in einem „Gemeindebeschluss vom 10. April 1867 verglichen“ (so BayVGH 1912, S. 2 d.a.U.) und später im Vergleich von 1901 (siehe § 1) „für alle Zukunft“ erneut bestätigt (BayVGH 1912, S. 18 d.a.U.). Zudem war und ist die Eigentümerstellung jeweils aus dem Grundbuch ersichtlich. Es ist allein Obliegenheit der Klägerin, sich um ihr Eigentum auch zu kümmern, wie das die Gemeindeordnung vorschreibt (vgl. Art. 74 Abs. 2 und 3 GO). Der Vortrag der Klägerin, diese „Eigenregie der Rechtler“ sei erst ab 1978 erfolgt ist deshalb ersichtlich unzutreffend.
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Dem Protokoll der Versammlung, die der damalige 1. Bürgermeister geleitet hat, vom 12. November 1929 (Bl. 133/134 d. GA) ist zu entnehmen, dass der damals nach außen vertretungsberechtigte 1. Bürgermeister (vgl. etwa BGH, U.v. 18.11.2016 - V ZR 266/14 - juris) der „Trennung der Rechtlersache von der Gemeinde“ zugestimmt hat und ein Rechtlerausschuss mit einem Rechtlervorstand gebildet werden sollte. Der Rechtlervorstand sollte künftig den „Holzstrich“ (Versteigerung des Holzes) anstelle des 1. Bürgermeisters durchführen; alle weiteren anfallenden Arbeiten sollten ehrenamtlich erledigt werden. Diese Übertragung der gemeindlichen Aufgaben bei der Waldbewirtschaftung und Holzverteilung auf die Rechtler ist grundsätzlich zulässig. Die Gemeinde kann sich zur Verwaltung und Bewirtschaftung der belasteten Grundstücke im Einzelfall durchaus der Rechtler bedienen (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2015 - 4 ZB 14.359 - juris - m.w.N.). Der Klägerin wurde dadurch aber nicht die völlige Mitsprache an der Verteilung der in ihr Eigentum fallenden Erzeugnisse und Erträge aus dem Gemeindewald nach Maßgabe des Herkommenrechts von vorne herein genommen. Darauf hat die Kammer bereits mehrfach hingewiesen (so etwa VG Würzburg, U.v. 26.4.2017 - W 2 K 15.1378 - juris - Rn. 64 - 66). Der Vergleich von 1901 enthält im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür, dass das streitige Herkommensrecht auch die Bewirtschaftung durch die Rechtler mit umfasst. Das haben die jeweiligen Rechtler in den bisherigen Verfahren vor der Kammer auch nie behauptet, weshalb es diesbezüglich an einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung fehlt, zumal auch die Gemeinde hiervon nicht ausgeht. Die Rechtler waren auch damit einverstanden, dass das Landratsamt durch den Staatskommissar diese gemeindlichen Aufgaben wieder dem Forstamt übertragen hat, wie der Beklagte unwidersprochen vorträgt (vgl. auch etwa Jahresbetriebsplan 2016 vom 10.11.2015, Bl. 139 d. GA, und Protokoll vom 6.2.2018, Bl. 190 d. GA).
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2.4 Unzutreffend ist die Behauptung der Klägerseite, die Herkommensrechte seien im Vergleich von 1901 „neu“ begründet worden.
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Das Gegenteil haben der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Jahr 1912 und das Verwaltungsgericht Würzburg 1965 rechtskräftig entschieden. Am Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Würzburg waren die Gemeinde und die Rechtsvorgänger des Beklagten (dort Beklagte zu 91) beteiligt, als es um die Feststellung ging, ob der Gemeinde noch das Schulholz zusteht, nachdem sie für die Schule eine Ölheizung angeschafft hatte. Gegen die Behauptung der Klägerin sprechen auch die Feststellungen im Regierungssenatsbescheid vom 5. Oktober 1898, in dem bereits unter Berücksichtigung der vorgenannten Dorfordnung den Rechtlern „bevorzugte Nutzungsrechte am Gemeindewald zugesprochen“ worden waren (vgl. BayVGH 1912, S. 18 d.a.U.).
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2.5 Der Vergleich von 1901 ist entgegen der Behauptung der Klägerin auch ansonsten wirksam, ohne dass es einer „ergänzenden Vertragsauslegung“ bedarf.
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Die Klägerseite verkennt durchgängig den Charakter dieses Vergleiches, dessen Wortlaut eindeutig ist und so auch bereits in den vorgenannten Entscheidungen bestätigt wurde. Der Inhalt des Vergleiches, der keine Rechte neu (siehe oben) festgelegt hat, enthält die gemeinsame Rechtüberzeugung im Sinne von Art. 80 Abs. 2 Satz 1 GO der Gemeinde und der Rechtler (siehe oben). Diese wurde auch seit 18. Januar 1922 so ausgeübt, wobei die zeitweise Waldbewirtschaftung und Verteilung durch die Rechtler nicht Teil dieser gemeinsamen Rechtüberzeugung ist (siehe oben). Bereits im Urteil aus dem Jahr 1965 hat das erkennende Gericht (vgl. VG Würzburg, U.v. 6.12.1965 - Nr. 337 II 64 - S. 12 d.a.U.) darauf hingewiesen, dass die sich aus dem Vergleich von 1901 ergebenden gegenseitigen Rechte und Verpflichtungen nach den für Gemeindenutzungsrechte geltenden „besonderen Rechtsgrundsätzen“ zu beurteilen sind. Eine „ergänzende Vertragsauslegung“ scheitert deshalb schon daran, dass die Gemeinde diese gemeinsame Rechtsüberzeugung nicht einseitig ändern und auch keinen Anspruch auf eine Änderung aus dem allgemeinen Vertragsrecht ableiten kann (vgl. BayVGH, U.v. 30.11.1994 - 4 B 94.1162 - VGH n.F. 48, 21/23 und B.v. 15.3.2015 - 4 ZB 14.359 - juris). Der zwischen der Gemeinde und den Rechtlern frei ausgehandelte Vergleich von 1901 wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof 1912 auch hinsichtlich der Regelung des § 10c des Vergleichs, wonach alles übrige, außer den Berechtigungen nach § 10a und b des Vergleichs von 1901, anfallende Holz (u.a. das Stammholz) den Rechtlern zusteht, als rechtsgültig abgeschlossen und rechtswirksam geworden angesehen, weshalb der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz „bei wörtlicher Auslegung“ des Vergleichs von 1901 schon deshalb weder einschlägig noch verletzt ist. Es geht auch nicht um „ewig dingliche Rechte“, wie die Klägerin meint, weil die Nutzungsrechte kein dinglichen Rechte sind (so BayVGH, B.v. 15.3.2015 - 4 ZB 14.359 - juris). Auch ohne die Regelung in § 14 des Vergleichs von 1901, wonach der Vergleich „für alle Zukunft“ die Rechte und Pflichten regeln soll, wäre eine nur vom Willen der Gemeinde getragene Änderung des Inhalts der Nutzungsrechte unzulässig, wie die Kammer ebenfalls bereits mehrfach entschieden hat.
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2.6 Gleiches gilt für die Forderung der Klägerin nach „Anpassung“ des Vergleiches, insbesondere hinsichtlich der Verteilung des - lukrativen - Stammholzes.
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Die Beteiligung am Erlös des Stammholzes ist ersichtlich das eigentliche Ziel bei allen Versuchen der Klägerin, auf welchem Weg auch immer sich der im Vergleich von 1901 geregelten Holzverteilung zu entziehen. Denn auch die Forderung der Gemeinde nach Anpassung, weil ihrer Meinung nach die „Geschäftsgrundlage des Vergleiches neu zu ermitteln“ sei, ist nichts anderes als die Forderung nach Änderung der 1901 festgelegten gemeinsamen Rechtsüberzeugung, die die Gemeinde nicht einseitig erzwingen kann (siehe oben). Bereits 1965 wurde aber festgestellt, dass die nach dem Vergleich von 1901 der Gemeinde zustehenden Rechte (z. B. Schulholz) sog. Bedarfsrechte sind, die einen tatsächlichen Bedarf voraussetzen. Eine Ausweitung des Holzbezuges der Gemeinde würde zu einer inhaltlichen Umgestaltung und Ausweitung zugunsten der Gemeinde führen, die nach Art. 80 Abs. 1 GO nicht zulässig ist (vgl. zu allem bereits VG Würzburg, U.v. 6.12.1965 - Nr. 337 II 64 - S. 13 d.a.U.). Eine Änderung der gemeinsamen Rechtsüberzeugung bedürfte in jedem Fall der Zustimmung aller Rechtler.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.