Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 05.01.2021 – B 1 S 20.1440
Titel:

Widerruf eines roten Kennzeichens, Eintragung im Fahrtenbuch, Beobachtungen Dritter über Privatfahrten, Ermessensentscheidung

Normenketten:
FZV § 16 Abs. 2 S. 5
BayVwVfG Art. 49
Schlagworte:
Widerruf eines roten Kennzeichens, Eintragung im Fahrtenbuch, Beobachtungen Dritter über Privatfahrten, Ermessensentscheidung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 13063

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen den für sofort vollziehbar erklärten Widerruf der Zuteilung des roten Dauerkennzeichens …5 durch den Antragsgegner.
2
Mit Bescheid vom 3. Mai 2007 wurde dem Antragsteller auf widerrufliche Weise bis 30. April 2027 das rote Dauerkennzeichen …3 für Probe- und Überführungsfahrten zur wiederkehrenden Verwendung mit verschiedenen Fahrzeugen zur Ausführung des Kfz-Handels zugeteilt. Am 2. März 2020 wurde dem Antragsteller wegen Verlustmeldung der Kennzeichenschilder das Kennzeichen …5 zugeteilt (nach Verlust des Kennzeichens …2 wegen Verlustes des ursprünglich zugeteilten Kennzeichens …3 ).
3
In einem Aktenvermerk vom 6. August 2020 wurden insgesamt fünf Sachverhalte im Zeitraum vom 2. November 2019 bis 4. August 2020 im Zusammenhang mit der Nutzung des roten Kennzeichens erfasst (siehe Blatt 12 der Behörenakte).
4
Mit Schreiben vom 6. August 2020 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, gem. § 16 Abs. 2 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) das Fahrzeugscheinheft und die Fahrtennachweise (Fahrtenbuch) bis einschließlich 24. August 2020 zur Prüfung vorzulegen. Anlässlich einer anderweitigen Vorsprache des Antragstellers am 11. August 2020 bei der Zulassungsstelle fertigte der Antragsgegner Kopien des Fahrzeugscheinhefts. In diesem sind drei Fahrzeuge eingetragen, ein Porsche Coupé, ein VW Polo und ein Chevrolet Spark.
5
Gegen den Antragsteller wurde von der Polizeiinspektion (PI) L … ein Ermittlungsverfahren wegen eines Vergehens nach der Abgabenordnung - KraftfahrzeugsteuerG - geführt. Den Vorgangsakten der PI L … ist zu entnehmen, dass ein Porsche 911 Carrera mit dem roten Kennzeichen …5 am Samstag, den 27. Juni 2020 um 21.00 Uhr auf der Ortsverbindungsstraße zwischen R … und G … parkend vorgefunden worden sei. Dieses Fahrzeug habe in den letzten Tagen bereits mehrfach in der Nähe des … Badesees auf einem Feldweg parkend in Augenschein genommen werden können (zuletzt am 26. Juni 2020 um 17.01 Uhr), der Fahrer sei jedoch nicht greifbar gewesen. Bei Eintreffen der uniformierten Streifenbesatzung habe sich der Antragsteller nicht in der Nähe des Autos befunden und sei erst nach einigen Augenblicken kommen. Der Antragsteller habe sich im Laufe der Befragung in kürzester Zeit in erhebliche Widersprüche verstrickt. Aufgrund der Feststellungen und der Gesamtumstände sei davon auszugehen, dass es sich nicht um eine Probe-, Prüfungs- oder Überführungsfahrt gehandelt habe. Auf die weiteren Ausführungen im Polizeibericht wird verwiesen.
6
Einer Ereignismeldung der PI N … vom 4. September 2020 ist zu entnehmen, dass mehrere Mitarbeiter der Firma W. in der M …Straße in Rö … beobachtet hätten, wie ein schwarzer VW Polo mit dem Kennzeichen …5 am 27. August, 2. September und 3. September 2020 auf dem Gelände der Firma herumgefahren sei und kurz auf dem Firmenparkplatz gehalten habe.
7
Nach Anhörung mit Schreiben vom 14. September 2020 widerrief der Antragsgegner mit Bescheid vom 12. November 2020 die Zuteilung des roten Kennzeichens …5 (ursprünglich …3 ) (Ziff. 1). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Kennzeichenschilder, das Fahrzeugscheinheft und das Fahrtenbuch innerhalb von 7 Tagen nach Zustellung des Bescheides zur Löschung vorzulegen (Ziff. 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Einhaltung der Verpflichtung aus Ziff. 2 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Ziff. 3). Die sofortige Vollziehung der Ziffn. 1, 2 und 3 wurde angeordnet (Ziff. 4).
8
Seit November 2019 seien von Mitarbeitern des Antragsgegners regelmäßig Fahrzeuge mit den dem Antragsteller zugeteilten Kennzeichen bei Fahrten beobachtet worden, die nichts mit dem Verwendungszweck i.S.d. § 16 Abs. 2 FZV zu tun gehabt hätten. Bei der Überprüfung des Fahrtenbuchs sei festgestellt worden, dass das Kennzeichen oftmals mehrere Tage an verschiedene Personen herausgegeben worden sei. Konkret habe man folgende Unregelmäßigkeiten festgestellt:
- Am 2. November 2019 gegen 15.15 Uhr habe eine Mitarbeiterin des Antragsgegners einen Porsche mit dem dem Antragsteller zugeteilten Kennzeichen auf dem Parkplatz des …in L … festgestellt. Im Fahrtenbuch sei eine mehrwöchige Fahrt vom 31. Oktober bis 28. November 2020 eingetragen (vom Antragsgegner in der Antragserwiderung berichtigt auf 2019).
- Am 26. Mai 2020 gegen 16.40 Uhr habe eine Mitarbeiterin des Antragsgegners den Porsche auf Höhe des …-Marktes in D … gesehen; es sei keine Fahrt im Fahrtenbuch eingetragen.
- Am 14. Juli 2020 habe ein Bürger mitgeteilt, dass des Öfteren zu später Stunde ein VW Polo oder ein Porsche mit dem Kennzeichen …5 in das Wohngebiet R …Straße fahre; konkret sei der 14. Juli 2020 als Beispiel genannt worden. Laut Fahrtenbuch sei das Kennzeichen für den Zeitraum 10. Juli bis 18. Juli 2020 für den VW Polo an M. B. aus Br … ausgegeben worden.
- Am 16. Juli 2020 gegen 15.15 Uhr habe ein Porsche mit dem Kennzeichen auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums … Straße in Rö … geparkt. Eine Mitarbeiterin des Antragsgegners habe beobachtet, wie der Antragsteller Einkäufe in das Fahrzeug geladen habe.
- Am 10. September 2020 seien je eine Mitteilung der PI L … und der PI N … … eingegangen. Beamte der PI L … hätten einen Porsche Carrera mit dem Kennzeichen mehrfach (unter anderem am 26. Juni 2020) am … Badesee festgestellt. Am 27. Juni 2020 hätten sie den Antragsteller angetroffen. Durch die Polizeivollzugsbeamten seien Badeutensilien, mehrere Kleidungsstücke und weitere Dinge des täglichen Gebrauchs im Fahrzeug festgestellt worden. Die Fahrt am 27. Juni 2020 sei im Fahrtenbuch vermerkt, am 26. Juni 2020 sei das Fahrzeug laut Fahrtenbuch an B. in B … ausgegeben gewesen. Nach der Ereignismeldung der PI N … habe der Antragsteller mehrfach das Firmengelände der Firma W. in Rö … mit einem schwarzen VW Polo befahren.
9
Insbesondere die Mitteilung der PI L … lasse den Schluss zu, dass der Antragsteller das Kennzeichen für private, nicht betriebliche Zwecke nutze. Dies begründe sich nicht zuletzt durch die Tatsache, dass der Antragsteller oftmals über einen längeren Zeitraum hinweg als Fahrer des Fahrzeugs eingetragen sei.
10
Die Anordnung der Ziff. 1 stütze sich auf Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG. Die Zuteilung eines roten Dauerprobekennzeichens diene der Privilegierung der KFZ-Gewerbetreibenden. Es müsse darauf vertraut werden können, dass der Berechtigte die Fahrzeuge nur zu den in § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV normierten Zwecken einsetze. Das Vertrauen bei Ausführung der eigentlich hoheitlichen Aufgabe der Fahrzeugzulassung erfordere die besondere Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden und setze weiter voraus, dass kein Anlass zu der Befürchtung bestehe, die Kennzeichen könnten in Zukunft missbräuchlich verwendet werden bzw. dass sie missbräuchlich verwendet worden seien. Die Zuverlässigkeit sei daher zu verneinen, wenn der Inhaber entweder Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche bzw. strafrechtliche Vorschriften oder die einschlägigen Vorschriften verstoßen habe, die im Zusammenhang mit dem Umgang von roten Dauerprobekennzeichen stehen.
11
Bei der Überprüfung der vorgelegten Unterlagen sei festgestellt worden, dass das Kennzeichen mehrfach mehrere Tage an Kaufinteressenten überlassen worden sei. Dies stelle keine Überlassung für eine Probefahrt dar, sondern einen Verstoß gegen die Bedingungen für die Verwendung von roten Kennzeichen (BayVGH, B.v. 7.12.2009, 11 ZB 09.1659). Es liege ein Verstoß gegen die Vorschriften zur Dokumentationspflicht gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 und Satz 5 FZV vor. Der Antragsteller habe das Kennzeichen nicht nur über mehrere Tage an seinem Fahrzeug an Kunden verliehen, sondern auch selbst genutzt. Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass kein anderes Fahrzeug regulär auf den Antragsteller zugelassen sei, ergebe sich der begründete Verdacht, dass das Kennzeichen für Fahrten privater Natur (zum Einkaufen) genutzt worden sei. Des Weiteren sei der Antragsteller mindestens einmal von der Polizei bei einer zweckfremden Fahrt kontrolliert worden. Zusammen mit der Mitteilung der Polizeiinspektion N … und den durch Mitarbeiter des Antragsgegners festgestellten Fahrten sei angesichts der Kontrolldichte der Polizei anzunehmen, dass der Antragsteller eine Vielzahl von zweckfremden Fahrten durchgeführt habe. Dadurch habe er versucht, die Zulassungspflicht von Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr zu umgehen und das Kennzeichen zudem an betriebsfremde Personen verliehen. Wenn dies dem Antragsgegner bei Zuteilung des Kennzeichens bekannt gewesen wäre, hätte er das rote Kennzeichen nicht zugeteilt. Insoweit habe sich das Ermessen auf Null reduziert. Die Zuteilung des roten Kennzeichens müsse widerrufen werden. Der Antragsteller werde durch den Widerruf nicht an seiner Tätigkeit als Autohändler gehindert. Es falle lediglich die Privilegierung der roten Kennzeichen weg, er könne jedoch für Probe-, Prüfung- und Überführungsfahrten Kurzzeitkennzeichen beantragen.
12
Sodann wurden noch die Anordnungen in Ziff. 2 und Ziff. 3 des Bescheids begründet.
13
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stütze sich auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Es könne nicht im öffentlichen Interesse sein, dass ein Inhaber von roten Dauerprobekennzeichen, bei dem befürchtet werden müsse, dass er diese missbräuchlich verwende, diese bis zur Bestandskraft dieses Bescheides weiterhin nutze.
14
Gegen diesen am 14. November 2020 bekannt gegebenen Bescheid ließ der Antragsteller mit einem am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz vom 14. Dezember 2020 Klage erheben (B 1 K 20.1441) und beantragen,
die aufschiebende Wirkung vollständig wiederherzustellen.
15
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass es bereits an einer notwendigen Anhörung des Antragstellers vor Bescheidserlass fehle. Die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht ausreichend und unschlüssig. Der Zulassungsstelle sei das vorgeworfene Fehlverhalten angeblich seit dem 2. November 2019 bekannt, sodass die Notwendigkeit einer sofortigen Vollziehung am 12. November 2020 nicht erkennbar sei.
16
Der Antragsteller habe als Automobilkaufmann mit dem roten Kennzeichen keine zweckfremden Fahrten getätigt, sondern dieses im Rahmen seines Gewerbes ordnungsgemäß verwendet. Bei der Fahrt vom 2. November 2019 habe es sich um eine Überführungs- und Probefahrt von der Betriebsstätte in … über Rö …, C … und E … nach B … und wieder zurück gehandelt. Aufgrund eines technischen Problems und eines Werkstattaufenthalts habe der Porsche im Anschluss auch auf der Autobahn zu Testzwecken gefahren werden müssen, um zu erkennen ob noch Fehler auftreten. Diese Fahrt sei ordnungsgemäß ins Fahrtenbuch eingetragen worden. L … liege auf dem Weg, es sei dort eine Pause eingelegt worden um den Motor zu überprüfen.
17
Zur angeblichen Fahrt am 26. Mai 2020 werde um Beweise von Seiten des Antragsgegners gebeten. Eine Fahrt mit dem Kennzeichen des Klägers sei nicht durchgeführt worden. Das Kennzeichen sei nie an Personen herausgegeben worden, die nicht im Zusammenhang mit dem Gewerbe des Antragstellers gestanden hätten. Zudem sei der Antragsteller selbst bei den Überführung- und den meisten Probefahrten dabei gewesen. Am 14. Juli 2020 sei das Kennzeichen an einem VW Polo an einen Kaufinteressenten, Herrn B., herausgegeben worden. Die Fahrt sei ordnungsgemäß im KFZ-Schein und im Fahrtenbuch eingetragen. Der Vorwurf vom 16. Juli 2020 werde ausdrücklich bestritten. An diesem Tag sei das Kennzeichen an dem VW Polo angebracht und an Herrn B. vergeben gewesen. Es sei nicht auszuschließen, dass rote Kennzeichen nachgemacht würden. Am 26. Juni 2020 sei mit dem Kennzeichen eine Probefahrt durchgeführt worden. Bezüglich des Vorfalls vom 27. Juni 2020 werde auf die gegenüber der Polizei abgegebene Stellungnahme verwiesen. Der Antragsteller benutze für Privatfahrten seit einigen Jahren einen VW Golf mit dem Kennzeichen …1. Dies könne aufgrund einer Panne, welche den Antragsteller zum Halten auf dem Gelände der Firma W. gezwungen habe, bestätigt werden.
18
Der Antragsteller als KFZ-Händler sei auf das rote Kennzeichen zur Ausübung seines Berufs zwingend angewiesen. Gerade in der aktuellen Zeit der Corona-Pandemie würde es den Gewerbebetrieb zusätzlich erschweren, wenn er sich immer wieder für einzelne Fahrten hierum bemühen müsste. Es seien zudem keine zwingenden öffentlichen Interessen ersichtlich, die das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung überwiegen würden. Es sei zumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Zur Erreichung des gewünschten Ziels wäre auch ein milderes Mittel denkbar, z.B. die Verpflichtung, Probefahrten auf wenige Stunden an einem Tag zu beschränken. Der aktuelle Widerruf und das Herausgabeverlangen mache dem Antragsteller seine Berufsausübung praktisch unmöglich.
19
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2020 beantragte der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
20
Eine Anhörung des Antragstellers sei mit Schreiben vom 14. September 2020 erfolgt.
21
Maßgebliches Kriterium für die Zuteilung roter Kennzeichen sei die Zuverlässigkeit. Die Zulassungsbehörde habe eine Prognoseentscheidung zu treffen, die sich am Schutzzweck des § 16 Abs. 2 FZV zu orientieren habe. Im vorliegenden Fall sei das Ermessen auf Null reduziert. Es seien mehrere Fahrten dokumentiert, auch durch Polizeibeamte, die offensichtlich dem gesetzlich normierten Zweck eines roten Kennzeichens widersprechen. Zur Fahrt vom 2. November 2019 werde bezweifelt, dass es sich, wie der Antragsteller vortrage, um eine Überführungsfahrt gehandelt habe. Auf der Fotografie, die die beobachtende Mitarbeiterin am 2. November 2019 gemacht habe, sei keine weitere Person am Fahrzeug zu sehen. Am 16. Juli 2020 sei der Antragsteller von einer Mitarbeiterin beim Einkaufen und später beim Einladen der Einkäufe gesehen worden. Laut Fahrtenbuch sei das Kennzeichen im Zeitraum vom 10. Juli bis 18. Juli 2020 an Herrn B. ausgegeben gewesen. Am 19. Juli 2020 sei das Kennzeichen erneut an Herrn B. ausgegeben worden. Gegen die Argumentation des Antragstellers, dass das Kennzeichen nachgemacht worden sei, sprächen die Sichtungen immer derselben Fahrzeuge. Der Antragsteller habe seinen Betrieb so zu organisieren, dass ein Missbrauch des Kennzeichens auszuschließen sei. Die Fahrt zum … Badesee sei zwar im Fahrtennachweis aufgeführt, der Antragsteller habe jedoch gegenüber der Polizei widersprüchliche Angaben über den Fahrzweck gemacht und verschiedenste Gegenstände des täglichen Gebrauchs im Fahrzeug geführt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das Fahrzeug in dieser Form tatsächlich einen Kunden vorgeführt worden sei. Es werde nicht bestritten, dass eine Fahrt zum Autohaus G. stattgefunden habe, allerdings sei zweifelhaft, dass eine Panne zum Halten auf dem Firmengelände maßgebend gewesen sei, da ein Fahrzeug mit Kennzeichen des Antragstellers mehrfach auf dem Gelände festgestellt worden sei und es sich nicht um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe.
22
Das öffentliche Interesse an einem Widerruf sei mit Blick auf die Gefahr, dass andere Verkehrsteilnehmer ernstlich geschädigt würden (etwa aufgrund fehlenden Versicherungsschutzes bei zuteilungswidriger Kennzeichennutzung) höher zu gewichten als private betriebliche Interessen des Antragstellers. Darüber hinaus wäre es ein fatales Signal an andere Gewerbetreibende hinsichtlich der Konsequenzen von Fehlverhalten, wenn bei offensichtlich für private Zwecke und sonst missbräuchlicher Verwendung die Kennzeichen bis zur Bestandskraft des Widerrufs verwendet werden dürften. Die Beantragung von Kurzzeitkennzeichen werde auch nicht wegen der aktuellen Pandemie erschwert (wird ausgeführt). Insbesondere Autohändlern seien während des gesamten Jahres 2020 besondere Regelungen in der Verfahrensweise zugestanden worden und es würden auch jeden Tag Zeiträume für kurzfristig notwendige Vorsprachen bereitgehalten.
23
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die übermittelte Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
24
Der Antrag ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Bei verständiger Würdigung ist der Antrag darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffn. 1 und 2 wiederherzustellen und gegen Ziff. 3 der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren (Art. 21a VwZVG) Zwangsgeldandrohung anzuordnen.
25
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs dagegen ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei der Entscheidung sind die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung können auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs berücksichtigt werden. Bleibt dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug regelmäßig überwiegt.
26
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da die Sofortvollzugsanordnung formell rechtmäßig ist (Nr. 1), die erhobene Klage des Antragstellers nach summarischer Überprüfung keine Aussicht auf Erfolg hat (Nr. 2) und auch im Übrigen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids deutlich schwerer wiegt als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschie-benden Wirkung seiner Klage (Nr. 3).
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1. Der Bescheid ist formell ordnungsgemäß.
28
Insbesondere erfolgte mit Schreiben vom 14. September 2019 die nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG gebotene Anhörung des Antragstellers; im Übrigen käme Art. 45 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG zum Tragen, wonach die erforderliche Anhörung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt werden kann.
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Der Antragsgegner ist dem formalen Erfordernis aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffn. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids schriftlich zu begründen, in zwar knapper, aber noch ausreichender Weise nachgekommen. Die Zwangsgeldandrohung in Ziff. 3 des Bescheids ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar, so dass es hierfür der expliziten Anordnung nicht bedurft hätte.
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Die Begründungspflicht soll u.a. der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen („Warnfunktion“), ob tatsächlich ein besonderes Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.1999 - 10 CS 99.27 - BayVBl. 1999, S. 465). Der Antragsgegner hat den Sofortvollzug im streitgegenständlichen Bescheid damit begründet, dass es im überwiegenden öffentlichen Interesse sei, zu verhindern, dass das rote Dauerkennzeichen bis zur Bestandskraft des Bescheids missbräuchlich seitens des Antragstellers verwendet werde. Damit liegt eine auf den typischen Fall einer missbräuchlichen Verwendung roter Kennzeichen bezogene Begründung vor. Im Sicherheitsrecht wird es als ausreichend erachtet, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten. Nur ergänzend ist zum Vorbringen in der Antragserwiderung zu diesem Punkt (siehe S. 4) anzumerken, dass diese ergänzenden Argumente im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO keine Berücksichtigung finden können, weil eine Nachbesserung im gerichtlichen Verfahren an dieser Stelle nicht möglich ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage, 2016, Rn. 87 zu § 80 VwGO).
31
Das Verwaltungsgericht hat aber zudem bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige Interessenabwägung vorzunehmen, bei der aus den nachfolgenden Gründen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Zuteilung des roten Kennzeichens schwerer zu gewichten ist als das private Interesse des Antragstellers, vorerst weiter dieses Kennzeichen im öffentlichen Straßenverkehr im Rahmen seines Gewerbetriebs benutzen zu dürfen. Die vom Antragsteller beantragte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage scheidet damit aus.
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2. Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung ergibt, dass die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 12. November 2020 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird und daher den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
33
Das Gericht nimmt insoweit auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug und sieht von einer gesonderten Darstellung der Gründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend hierzu ist zum Antragsvorbringen sowie zur Sache noch das Folgende auszuführen:
34
a. Rote Kennzeichen und besondere Fahrzeugscheinhefte für Fahrzeuge mit roten Kennzeichen nach Anlage 9 zur FZV können gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) durch die örtlich zuständige Zulassungsbehörde zuverlässigen Kraftfahrzeugherstellern, Kraftfahrzeugteileherstellern, Kraftfahrzeugwerkstätten und Kraftfahrzeughändlern befristet oder widerruflich zur wiederkehrenden betrieblichen Verwendung, auch an unterschiedlichen Fahrzeugen, zugeteilt werden. Auch ohne Typgenehmigung und eigenes amtliches Kennzeichen dürfen Fahrzeuge für die Zwecke der Probefahrt (= Testen der Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeugs), Prüfungsfahrt (Fahrten von amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfern) bzw. Überführungsfahrt (Verbringen des Fahrzeugs an einen anderen Ort) im öffentlichen Verkehrsraum genutzt werden.
35
Nach § 16 Absatz 3 Satz 1 FZV setzt die Zuteilung eines roten Kennzeichens an einen Kraftfahrzeughändler dessen Zuverlässigkeit voraus. Diese orientiert sich am Schutzzweck der Norm. Die roten Kennzeichen werden zur Erleichterung des gewerblichen Verkehrs ausgegeben. Es soll vermieden werden, dass ein Gewerbetreibender, der mit einer Vielzahl von nicht zugelassenen Kraftfahrzeugen zu tun hat, in jedem Einzelfall bei der Zulassungsstelle einen Antrag auf Erteilung eines Kennzeichens stellen muss. Dies dient der Privilegierung des betroffenen Personenkreises und der Verwaltungsvereinfachung. Das Kriterium der Zuverlässigkeit bildet hierbei eine wichtige Voraussetzung, da der Kennzeicheninhaber selbst über die jeweils zweckgebundene Zulassung eines Kraftfahrzeugs entscheidet und Angaben über das jeweilige Fahrzeug und den Zweck der vorübergehenden Zulassung lediglich in einem Fahrtenverzeichnis festzuhalten hat. Die Zuverlässigkeit ist in Anbetracht dieses Schutzzwecks regelmäßig in Frage zu stellen, wenn entweder gegen einschlägige Vorschriften im Umgang mit dem roten Kennzeichen verstoßen wurde oder Verstöße gegen Verkehrsvorschriften bzw. Strafvorschriften vorliegen, die ihrerseits eine missbräuchliche Verwendung von roten Dauerkennzeichen vermuten lassen, oder wenn hinsichtlich des ordnungsgemäßen Führens des Gewerbebetriebs sonstige Auffälligkeiten und Unregelmäßigkeiten zutage treten, die eine derartige Vermutung begründen (VG Augsburg, U.v. 7.7. 2015 - Au 3 K 15.22 - juris unter Zitierung folgender Rechtsprechung: OVG NW, B.v. 10.4.2012 - 8 B 209/12 - juris Rn. 4 f.; B.v. 4.11.1992 - 13 B 3083/92 - NVwZ-RR 1993, 218 - juris Rn. 7-15; VG Augsburg, U.v. 19.5.2009 - Au 3 K 08.1437 - juris Rn. 22; U.v. 20.2.2009 - Au 3 K 08.1399 - juris Rn. 23; VG Ansbach, B.v. 5.7.2013 - AN 10 S 13.985 - juris Rn. 23).
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Wenn die erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben ist, kann die Zuteilung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV i.V.m. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Hiernach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt - auch nachdem er unanfechtbar geworden ist - ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
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b. Der Antragsgegner hat den Widerruf rechtsfehlerfrei auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG gestützt, da nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die den Antragsgegner berechtigt hätten, die Zuteilung des roten Kennzeichens an den Antragsteller zu verweigern.
38
Beim Antragsteller liegen mehrere Verstöße gegen die ihm obliegenden Verpflichtungen aus § 16 FZV vor.
39
aa. Bereits die über einen längeren Zeitraum erfolgten Verstöße gegen die Dokumentationspflichten aus § 16 Abs. 2 Satz 5 FZV sind nach Ansicht der Kammer in ihrer Gesamtheit geeignet, die Unzuverlässigkeit des Antragstellers nach § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV zu begründen.
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Die Eintragungen genügen nicht den Bestimmungen des § 16 Abs. 2 Satz 5 FZV, wonach bei jeder Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrt u.a. Angaben zum Datum der Fahrt, dessen Beginn und Ende und zum Fahrzeugführer mit dessen Anschrift zu machen sind.
41
Der Antragsgegner hat zudem zutreffend ausgeführt, dass ein - im Fahrtenbuch mehrfach dokumentiertes - mehrtägiges Überlassen an dritte Personen zum Zweck einer Probefahrt nicht vom Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 FZV gedeckt ist. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat hierzu ausgeführt, dass es bei einer Probefahrt ausschließlich darum gehe, das jeweilige Fahrzeug auf seinen Fahrzustand zu testen, was auch ein einschränkendes zeitliches Element beinhalte. Das zwei oder drei Tage dauernde Überlassen von Fahrzeugen mit rotem Kennzeichen an Kaufinteressenten stelle deshalb keine Überlassung für eine Probefahrt, sondern einen Verstoß gegen die Bedingungen für die Verwendung eines roten Kennzeichens dar, der die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertige (BayVGH, B.v. 28.7.2009 - 11 ZB 09.742 und B.v. 7.12.2009 - 11 ZB 09.1659 - juris).
42
Im ab dem 31. März 2020 geführten Fahrtenbuch hat der Antragsteller lediglich einmal die genaue Dauer einer Fahrt mit Anfangs- und Beendigungsuhrzeit dokumentiert, in den übrigen Fällen nicht. Die Anschrift des jeweiligen Fahrzeugführers fehlt vollständig. Für die Benutzung der Fahrzeuge durch eine Person namens B. ist einmal Br …, einmal B … angegeben. Außerdem wurde eine Vielzahl von mehrtägigen Überlassungen an dritte Personen eingetragen, so z.B. vom 15. bis 17. Mai 2020, vom 11. bis 18. Juni 2020, vom 4. bis 8. Juli 2020, vom 10. bis 18. Juli 2020, vom 22. bis 30. Juli 2020. Gleiches gilt für das im Jahr 2019 geführte Fahrtenbuch (Bl. 55 der Behördenakte). Zudem spricht das wiederholte, teilweise sich über mehrere Tage bzw. Wochen erstreckende Überlassen ein und desselben Fahrzeugs an eine Person (vgl. z.B. an Herrn B., Herrn M. und Frau C.) dafür, dass es sich hierbei offensichtlich um eine Überlassung zum persönlichen Gebrauch und nicht um eine Probefahrt gehandelt hat.
43
Soweit der Antragsgegner zur Begründung seiner Entscheidung auch auf Beobachtungen von Mitarbeitern der eigenen Behörde abstellt, wonach der Antragsteller den Porsche im privaten Zusammenhang benutzt habe (2. November 2019, 26. Mai 2020) und dies vom Antragsteller bestritten wird, rechtfertigt dies zum einen im summarischen Verfahren keine andere Entscheidung, da bereits die oben dargestellten Verfehlungen einen Widerruf begründen können. Im Übrigen liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, weshalb ein Bediensteter des öffentlichen Dienstes in Ansehung der ihm drohenden Konsequenzen bei einer bewussten Falschaussage eine solche tätigen sollte, wenn zudem keinerlei persönliche Motive dafür ersichtlich sind, den Antragsteller zu schädigen. Der Antragsgegner durfte aus allgemeiner Lebenserfahrung auch von der Glaubwürdigkeit unbeteiligter Dritter ausgehen, denn diese setzen sich ggf. erheblichen Unannehmlichkeiten aus, wenn sie wider besseres Wissen falsche Angaben machen. Diese Sachverhalte betreffen zudem lediglich einen Teil der dem Antragsgegner vorgeworfenen Verstöße. Sollte es für die Entscheidung im Hauptsacheverfahren streitentscheidend überhaupt darauf ankommen, verbliebe immer noch die Möglichkeit der Zeugeneinvernahme. Vorliegend besteht aber keine Notwendigkeit, von der Entscheidung des Antragsgegners im Eilverfahren abzurücken.
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Das Gericht erachtet auch die Schlussfolgerungen, die der Antragsgegner aus der Mitteilung der PI L … zieht, für zutreffend. Die von den Polizeibeamten getroffenen Feststellungen und die im Polizeibericht festgehaltenen Einlassungen des Antragstellers lassen den Schluss zu, dass es sich bei dieser Fahrt keinesfalls um eine Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrt gehandelt hat. Ausweislich der polizeilichen Ermittlungsunterlagen konnte der Antragsteller - zu den Umständen der Nutzung des Porsche an jenem Tag befragt - keine konkreten Angaben machen bzw. hat sich auf Nachfrage in Widersprüche verwickelt. Schließlich sind auch keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb die Angaben der Polizeibeamten, man habe den Porsche bereits vor dem 27. Juni 2020 mehrfach am … Badesee stehen gesehen (zuletzt am 26. Juni 2020 um 17.01 Uhr), nicht zutreffen sollten, zumal der Antragsteller auf diese Frage angegeben habe, dass „dies sein könne“. Für die Tage vor dem 27. Juni 2020 war der VW Polo im Fahrtenbuch eingetragen. Nur ergänzend bleibt anzumerken, dass es der Antragsteller darüber hinaus offensichtlich auch mit anderen Vorschriften, so § 10 FZV zum Anbringen der Kennzeichen, nicht so genau nimmt.
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Es ist daher von einer privaten Nutzung des roten Kennzeichens durch den Antragsteller auszugehen, was die Unzuverlässigkeit i.S.v. § 16 FZV nach sich zieht (VG Koblenz, B.v. 24.9.2015 - 5 L 794/15.KO, juris).
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Die Angaben des Antragstellers zu den Feststellungen der PI N … in Bezug auf die Beobachtungen auf dem Parkplatz der Firma W. (Seite 6 der Antragsschrift) überzeugen nicht, zumal nur für den 4. September 2020 eine Begründung geliefert wird.
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In der Gesamtschau ist daher die Entscheidung des Antragsgegners, wonach der Antragsteller als nicht mehr zuverlässig i.S.v. § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV anzusehen ist, nicht zu beanstanden.
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bb. Auch die weitere Tatbestandvoraussetzung des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde, ist erfüllt. Bereits durch die unzutreffenden und fehlerhaften Eintragungen im Fahrtenbuch hat der Antragsteller eine fortgesetzte Ordnungswidrigkeit begangen (vgl. § 48 Nr. 17 FZV). Das dem Antragsteller insgesamt vorzuwerfende pflichtwidrige Verhalten rechtfertigt nicht mehr die Annahme, dass mit dem roten Dauerkennzeichen künftig ordnungsgemäß umgegangen wird. Der Widerruf ist zur Abwehr einer Gefährdung des öffentlichen Interesses, d.h. zur Beseitigung oder eines sonst drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten.
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cc. Der Widerruf ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Verstöße über einen längeren Zeitraum erstreckt haben. Es muss befürchtet werden, dass der Antragsteller auch künftig das rote Kennzeichen in vorschriftswidriger Weise benutzt.
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Auch in Anbetracht der von dem Antragsteller geltend gemachten Schwierigkeiten für seine Berufsausübung als Kfz-Händler ist der Widerruf verhältnismäßig, da dem Antragsteller die Zuteilung eines roten Kennzeichens weiterhin offensteht. Sie wird lediglich in der Art ihrer Durchführung erschwert und es entstehen dem Antragsteller zusätzliche finanzielle Belastungen. Zwar mag es für den Antragsteller hinderlich und zeitraubend sein, nunmehr für jede einzelne Probe- und Überführungsfahrt in einem eigenständigen Vorgang die Zuteilung eines Kennzeichens zu beantragen. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit, deren Schutz der Widerruf der Zuteilung nach § 16 Abs. 2 FZV bezweckt, sind diese Folgen des Widerrufs vom Antragsteller jedoch hinzunehmen (VG Augsburg, U.v. 7.7.2015 - Au 3 K 15.22 - juris). Der Antragsgegner hat aufgezeigt, dass auch derzeit trotz Coronabedingter Einschränkungen die Zuteilung von Kurzzeitkennzeichen möglich ist. Außerdem dürfte es sich hierbei auch nicht um einen Dauerzustand handeln.
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Durch die vom Antragsteller vorgeschlagene Vorgehensweise, wonach die Benutzung des roten Kennzeichens auf wenige Stunden am Tag begrenzt werden könnte, wäre die Gefahr einer vorschriftswidrigen Nutzung nicht beseitigt. Es muss auch angesichts der geringen Kontrolldichte befürchtet werden, dass in Zukunft eine vorschriftswidrige Benutzung erfolgen könnte.
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Der Antragsgegner musste auch nicht zunächst, bevor ein Widerruf ergeht, den Antragsteller auf seine gesetzlichen Pflichten hinweisen und ihm sozusagen eine „letzte Chance“ einräumen. Die Hinweise zur Verwendung der roten Kennzeichen auf der Rückseite des vorgelegten Fahrzeugscheinhefts weisen ausdrücklich auf die Pflichten aus § 16 Abs. 2 FZV hin (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 28.10.2015 - 11 ZB 15.1618 - juris Rn. 18).
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dd. Die Jahresfrist des Art. 49 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG ist eingehalten. Die Frist beginnt erst dann zu laufen, wenn der Behörde alle für ihre Entscheidung maßgeblichen Tatsachen und Umstände bekannt sind einschließlich der für eine Ermessensentscheidung wesentlichen Umstände (vgl. BVerwGE 70, 356 ff.). Der Antragsgegner hat diese Entscheidungsfrist eingehalten, denn erst im Laufe des Jahres 2020 traten die wesentlichen, für den Widerruf maßgeblichen Tatsachen zu Tage. Dass im Aktenvermerk des Antragsgegners auch ein Vorgang aus dem Jahr 2019 verzeichnet ist und auch das Fahrtenbuch für das Jahr 2019 die gleichen fehlerhaften Eintragungen enthält, ist unschädlich. Erst durch die Ermittlungen in 2020 zeigte sich, dass es sich hierbei nicht um ein einmaliges Ereignis, sondern um ein fortgesetztes Fehlverhalten des Antragstellers handelte.
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ee. Der Widerruf der Zuteilung des roten Dauerkennzeichens ist nach summarischer Prüfung ermessensfehlerfrei erfolgt. Der Antragsgegner hat zutreffend erkannt, dass gem. Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. Von diesem Ermessen, das nach § 114 VwGO nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, hat der Antragsgegner dahingehend Gebrauch gemacht, dass er offensichtlich wegen der im Einzelnen aufgeführten Pflichtverletzungen im Endergebnis vom Wegfall der Zuverlässigkeit des Antragstellers ausgegangen ist und andere Maßnahmen nicht für geeignet erachtet.
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Erweist sich der Inhaber eines roten Kennzeichens als unzuverlässig, kommt grundsätzlich wegen dem besonderen öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs sowie daran, Fahrten mit nicht zugelassenen Kfz zu unterbinden, nur der Widerruf der Zuteilung in Betracht. Ein Absehen vom Widerruf in Ausübung behördlichen Ermessens würde eine außergewöhnliche Interessenlage des Betroffenen voraussetzen, die das öffentliche Interesse am Widerruf überwiegen würde (VG Augsburg, U.v. 7.7.2015 - Au 3 K 15.22 - juris, VG Stade, U.v. 12.2.2018 - 1 A 364/16 - juris; Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage, 2019, Rn. 15 zu § 16 FZV). Im vorliegenden Fall ist eine außergewöhnliche Interessenlage nicht ersichtlich. Die Ausführungen des Antragsgegners an diesem Punkt zeigen, dass er sich, wenn auch sehr knapp, aber dennoch ausreichend, mit den Auswirkungen der Maßnahme auf den Gewerbebetrieb des Antragstellers auseinandergesetzt hat.
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c. Die Verpflichtung des Antragstellers aus Ziff. 2 des Bescheids, die Kennzeichenschilder sowie das Fahrzeugscheinheft und das Fahrtenbuch binnen sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids bei der Zulassungsstelle zur Löschung vorzulegen, basiert auf § 16 Abs. 2 Satz 7 FZV. Hiernach ist nach Ablauf der Frist, für die das Kennzeichen zugeteilt worden ist, das Kennzeichen mit dem dazugehörigen Fahrzeugscheinheft der Zulassungsbehörde unverzüglich zurückzugeben. Die Vorschrift ist analog im Falle eines Widerrufs vor regulärem Fristablauf anzuwenden (VG Kassel, B.v 13.8. 2015 - 1 L 894/15.KS - juris).
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d. Die Androhung des Zwangsgelds ist nach Art. 18 ff., 23, 29, 31 und 36 VwZVG nicht zu beanstanden.
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3. Insgesamt überwiegt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen eigenständigen Interessenabwägung des Gerichts das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Zuteilung des roten Kennzeichens deutlich das Interesse des Antragstellers, dieses weiterhin gebrauchen zu dürfen. Die sofortige Verhinderung weiterer Fahrten, die nicht von der mit der Zuteilung der roten Kennzeichen beabsichtigten Privilegierung erfasst sind, stellt im Hinblick auf die Gewährleistung der Verkehrssicherheit ein gewichtiges öffentliches Interesse dar. Dies ist hier vor allem im Hinblick darauf der Fall, dass die Befürchtung, es werde zu weiteren Verstößen kommt, nicht fernliegend ist. Zwar wirkt sich der Sofortvollzug des Widerrufs auf die Berufsausübung des Antragstellers zwar erschwerend, jedoch noch nicht existenzgefährdend aus und ist daher zumutbar (vgl. hierzu VG Kassel, B.v. 13.8.2015 - 1 L 894/15.KS - juris).
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4. Der Antragsteller hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).