Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 07.05.2021 – AN 4 K 19.01426
Titel:

Erfolglose Klage gegen die Rücknahme einer Geeignetheitsbestätigung zum Aufstellen von Geldspielgeräten

Normenketten:
GewO § 33c Abs. 3 S. 1
SpielV § 1 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2
BayVwVfG Art. 49, Art. 48 Abs. 1
Leitsätze:
1. Für die Beurteilung, ob eine Vollgaststätte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SpielV vorliegt oder die Verabreichung von Speisen und Getränken lediglich eine untergeordnete Rolle im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV spielt, ist eine Gesamtbetrachtung aller objektiven Umstände des Einzelfalls erforderlich (Anschluss an VG Augsburg BeckRS 2018, 28713). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Beherbergungsbetriebe im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV sind Räume, die gewerbsmäßig grundsätzlich jedermann zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden; die Leistung besteht in der Gewährung von Unterkunft, regelmäßig mit Schlafgelegenheit, wobei das Gesamtbild maßgeblich ist. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Stundenhotel ist kein Beherbergungsbetrieb in diesem Sinne. (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes nach Art. 49 BayVwVfG durch eine Behörde kann grundsätzlich in dessen Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG umgedeutet werden, wobei anschließend im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung zu ermitteln ist, ob die bei der Prüfung des Art. 49 BayVwVfG von der Behörde angestellten Ermessenserwägungen auch den Anforderungen des Art. 48 BayVwVfG genügen. (Rn. 38 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rücknahme einer Geeignetheitsbestätigung zum Aufstellen von Geldspielgeräten, Betrieb, in dem die Verabreichung von Speisen und Getränken eine untergeordnete Rolle spielt, Vollgaststätte (verneint), Beherbergungsbetrieb (verneint), Prostitutionsgewerbe, Stundenhotel, Koberraum, Geldspielgeräte, Geeignetheitsbestätigung, Verabreichung von Speisen und Getränken, untergeordnete Rolle, Vollgaststätte, Prostitution, Koberfenster, Beherbergungsbetrieb
Fundstelle:
BeckRS 2021, 12808

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt Rechtsschutz gegen den Widerruf der ihm erteilten Geeignetheitsbestätigung gemäß § 33c Abs. 3 GewO i.V.m. § 1 Abs. 1 SpielV zum Aufstellen von Geldspielgeräten, gegen die Anordnung der Entfernung bereits aufgestellter Geldspielgeräte sowie gegen die Zwangsgeldandrohung für den Fall der Nichtentfernung.
2
Der Kläger beantragte am 20. Mai 2016 bei der Beklagten eine Bestätigung über die Geeignetheit des Aufstellungsorts für Gewinnspielgeräte gemäß § 33c Abs. 3 GewO für den Aufstellungsort „…‘“ im Anwesen …, … … (im Folgenden: Anwesen). In diesem Anwesen betreibt Herr … mit einer Erlaubnis nach § 2 GastG vom 2. Juni 2016 eine „Getränkebar im Bordellbetrieb“ namens „…“ in einem Aufenthaltsraum im Erdgeschoss (rot markierte Teilfläche gemäß Bauplan ...) täglich bis zur Sperrzeit (Bl. * ff. der Behördenakte Geldspielgeräte). Auf dem Bauplan … des Erdgeschosses sind vier zur Straße hin gelegene Zimmer eingezeichnet, wobei das vom Eingang aus gesehen zweite, ca. 8 m² große Zimmer rot umrandet und mit „Getränkebar Anbahnungszone“ bezeichnet ist (Bl. … der Behördenakte Gaststätte).
3
Das gesamte Anwesen wird von … gemietet (Geschäftsraummietvertrag, Bl. … der Behördenakte Gaststätte). Die Gewerbemeldung lautet auf „Gewerbliche Zimmervermietung zur Ausübung der Prostitution“. Im ersten und zweiten Obergeschoss befinden sich sechs Zimmer, die von Prostituierten zur Ausübung des Prostitutionsgewerbes genutzt und vier Zimmer, die von jedermann stündlich gemietet werden können (Betriebskonzept, Bl. … und Mietzahlungsliste, Bl. … der Behördenakte Prostitutionsschutzgesetz). Das Anwesen kann nur durch einen Eingang im Erdgeschoss betreten werden; ein getrennter Eingang für die Zimmer im Obergeschoss existiert nicht. Der Gaststättenbetrieb beschränkt sich auf die Ausgabe von Getränken und Snacks durch je einen Automaten. Gaststättenpersonal ist nicht vorhanden.
4
Mit Bescheid vom 8. Juli 2016 erteilte die Beklagte dem Kläger die Bestätigung gemäß § 33c Abs. 3 GewO, dass der Aufstellungsort „…‘“ im Anwesen den Vorschriften des § 1 Abs. 1 bzw. § 2 der Spielverordnung (SpielV) entspreche.
5
Eine Ortseinsicht der Beklagten im Anwesen am 9. März 2018 ergab, dass im Erdgeschoss die Trennwand zwischen dem vom Eingang aus gesehen ersten Zimmer und dem als „Getränkebar Anbahnungszone“ bezeichneten zweiten Zimmer entfernt worden war (Aktenvermerk, Bl. … der Behördenakte Geldspielgeräte). In dem Raumteil, der ursprünglich das zweite Zimmer („Getränkebar Anbahnungszone“) war, standen ein Getränkeautomat, ein Snackautomat und ein Geldspielgerät (Lichtbildaufnahmen, Bl. …der Behördenakte Geldspielgeräte). Auch die Trennwand zwischen dem dritten und vierten Zimmer war entfernt worden. In dem dadurch neu geschaffenen Raum standen zwei weitere Geldspielgeräte (Lichtbildaufnahme, Bl. … der Behördenakte Geldspielgeräte). Beide Räume im Erdgeschoss wurden nach Einschätzung der Mitarbeiterin der Beklagten als Koberräume, d.h. zur Kontaktaufnahme von Prostituierten mit Freiern genutzt.
6
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 27. Mai 2019 und 12. Juni 2019 zum beabsichtigten Widerruf der Geeignetheitsbestätigung vom 8. Juli 2016 an. Sie führte aus, dass laut Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. November 2018 (22 CS 18.1974) eine Prostitutionsstätte, in welcher die Verabreichung von Speisen und Getränken eine untergeordnete Rolle spiele, kein geeigneter Ort zum Aufstellen von Geldspielgeräten im Sinne des § 33c Abs. 1 GewO sei. Bei dem Anwesen handele es sich um eine solche Prostitutionsstätte, in der die Verabreichung von Speisen und Getränken nur eine untergeordnete Rolle spiele und das Prostitutionsgewerbe im Vordergrund stehe. Da die Voraussetzungen des § 33c Abs. 3 GewO nicht mehr gegeben seien, sei der Widerruf der Geeignetheitsbestätigung beabsichtigt. Der Kläger nahm mit Schreiben seines ehemals Bevollmächtigten vom 13. Juni 2019 dahingehend Stellung, dass es sich bei dem betroffenen Gastronomiebetrieb um einen Bordellbetrieb handele. Laut Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Juni 2011 sei in einem Bordellbetrieb das Aufstellen von Geldspielgeräten zulässig, wenn darin auch eine Gaststätte betrieben werde. Vorliegend werde eine Gaststätte betrieben, da eine Gaststättenerlaubnis mit Vollkonzession für die Abgabe von Alkohol und Speisen vorliege, Tische und Stühle vorhanden seien sowie alkoholische und nicht-alkoholische Getränke verkauft würden.
7
Mit Bescheid vom 8. Juli 2019, zugestellt am 19. Juli 2019, widerrief die Beklagte die dem Kläger mit Schreiben vom 8. Juli 2016 erteilte Geeignetheitsbestätigung gemäß § 33c Abs. 3 Satz 1 GewO zum Aufstellen von Geldspielgeräten im Anwesen (Ziffer I) und verpflichtete den Kläger, die Geldspielgeräte bis spätestens sieben Tage nach Bekanntgabe des Bescheides aus dem Anwesen zu entfernen (Ziffer II). Die Beklagte drohte für den Fall eines Verstoßes gegen Ziffer II des Bescheides ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR an (Ziffer III), ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffern I und II an (Ziffer IV), legte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf (Ziffer V) und setzte die Gebühr auf 104,11 EUR fest (Ziffer VI).
8
Die Beklagte stützte den Widerruf auf Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG. Im Anwesen werde der Prostitution nachgegangen und seit 24. Juni 2013 eine erlaubnispflichtige Gaststätte betrieben, in der alkoholische Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben würden. Eine Gesamtbetrachtung des Betriebes habe nun ergeben, dass die Verabreichung von Speisen und Getränken nur eine untergeordnete Rolle spiele. Im Mittelpunkt des Betriebes stehe eindeutig die Ausübung des Prostitutionsgewerbes. Laut Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. November 2018 (22 C 18.1974) stelle ein solcher Betrieb keinen geeigneten Aufstellungsort gemäß § 1 SpielV dar. Die Voraussetzungen für eine Bestätigung gemäß § 33c Abs. 3 Satz 1 GewO seien daher nicht gegeben. Der Widerruf erfolge im pflichtgemäßen Ermessen. Der Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren des Glückspiels überwiege gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Automatenaufstellers am Betrieb der Geldspielgeräte. Rechtsgrundlage für die Entfernung der Geldspielgeräte sei Art. 7 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 LStVG. Der Gewerbetreibende dürfe Geldspielgeräte nur aufstellen, wenn ihm die zuständige Behörde schriftlich bestätigt habe, dass der Aufstellungsort den Vorgaben der SpielV entspreche. Diese Bestätigung sei nach Ziffer I des Bescheides widerrufen worden und könne nicht wieder erteilt werden, da es sich bei dem Bordellbetrieb nicht um einen geeigneten Aufstellungsort für Geldspielgeräte gemäß § 33c Abs. 3 Satz 1 GewO, § 1 SpielV handele. Das Aufstellen der Geräte in einem nicht dafür geeigneten Betrieb erfülle den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (§ 144 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 33c Abs. 3 Satz 1 GewO). Die Zwangsgeldandrohung beruhe auf Art. 29, Art. 30 Abs. 1, Art. 31 Abs. 1 VwZVG. Ein geringeres Zwangsgeld würde angesichts der mit den Automaten zu erzielenden Umsätze den Kläger voraussichtlich nicht zur Entfernung der Geräte bewegen.
9
Der Kläger ließ am 24. Juli 2019 Klage gegen den Bescheid vom 8. Juli 2019 erheben. Die am 24. Juli 2019 und 9. September 2020 gestellten Anträge auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, welche das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschlüssen vom 8. Oktober 2019 (AN 4 S 19.01427) und 8. Oktober 2020 (AN 4 S 20.01781) ablehnte, nahm der Kläger jeweils in der Beschwerdeinstanz mit der Begründung zurück, dass aufgrund der coronabedingten Schließungen des Betriebes im Anwesen das Rechtsschutzbedürfnis für die Eilanträge entfallen sei.
10
Im Klageverfahren beantragt der Kläger,
den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2019 aufzuheben.
11
Zum Sachverhalt führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Klage- und den dazugehörigen Eilverfahren aus, dass der Beherbergungsbetrieb im ersten und zweiten Obergeschoss ein Stundenhotel sei, das aber auch ohne gewerbliche Begleitung genutzt werden könne. Im Erdgeschoss seien tatsächlich aus den vier zur Straße gelegenen kleineren Räumen durch Entfernung von Trennwänden zwei große Räume entstanden. In diesen Räumen fänden keine sexuellen Dienstleistungen und keine Kontaktaufnahme mit Freiern statt. Die Kommunikation zwischen Prostituierten und auf der Straße befindlichen Freiern fände lediglich durch sogenannte Koberfenster in den zur Straße gelegenen Räumen im Erdgeschoss statt. Hätten sich Prostituierte und Freier geeinigt, hole die Prostituierte den Freier an der Eingangstür ab und gehe mit ihm direkt aufs Zimmer im Obergeschoss. In einem der vier kleineren Räume im Erdgeschoss betreibe Herr … mit einer Erlaubnis nach § 2 GastG die Gaststätte „…“, die von käuflichen Damen und gelegentlich auch von Freiern genutzt werde. Nur in diesem Raum finde Schankbetrieb statt und seien die Geldspielgeräte aufgestellt. Selbst wenn sich die Prostituierten länger in den Räumen im Erdgeschoss aufhielten, werde dadurch aus diesen Räumen kein Bordell und keine Prostitutionsstätte. Die Zimmervermietung und die Gaststätte seien vollständig getrennt. In einer Schankwirtschaft dürften nach der SpielV Geldspielgeräte aufgestellt werden.
12
Zur Rechtslage führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf der Geeignetheitsbescheinigung nicht vorlägen. Es seien nachträglich keine Tatsachen eingetreten, welche die Behörde berechtigen würden, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Seit der Erteilung der Geeignetheitsbescheinigung im Jahr 2016 hätten sich die Tatsachen nicht verändert. Dass in dem Anwesen ein Stundenhotel betrieben werde, ergebe sich schon daraus, dass die Gaststättenerlaubnis für eine „Getränkebar im Bordellbetrieb“ mit dem Namen „…“ in einem als Nicht-Sperrbezirk gekennzeichneten Bereich erteilt worden sei. Im Mittelpunkt des Gaststättenbetriebes stehe nicht die Ausübung des Prostitutionsgewerbes, sondern die Verabreichung von Speisen und Getränken. Dies sei die einzige Leistung des Herrn … Dass im Obergeschoss die Ausübung des Prostitutionsbetriebes im Mittelpunkt stehe, ändere nichts an der Geeignetheit der Gaststätte im Erdgeschoss zum Aufstellen von Gelspielgeräten. Selbst wenn Beherbergungsbetrieb und Gaststätte eine Einheit bilden sollten, würde dies an der Geeignetheit zum Aufstellen von Geldspielgeräten nichts ändern, da auch Beherbergungsbetriebe gemäß § 1 SpielV geeignete Aufstellungsorte seien.
13
Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. November 2018 habe mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun, da es in jenem Verfahren nicht um den Widerruf, sondern die Ablehnung einer Geeignetheitsbescheinigung gegangen sei und vorliegend kein pauschaler Eintrittspreis für die Nutzung eines Anbahnungsbereichs erhoben werde. Jedermann könne in der Gaststätte Getränke konsumieren, ohne Eintritt zahlen oder Anbahnungsgespräche führen zu müssen. Die Sachlage sei vielmehr mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 28. Juni 2011 (M 16 K 11.1074) vergleichbar, da sich die Bar in einem separaten Raum befinde und nicht Teil eines größeren Anbahnungsbereichs sei. Des Weiteren verbiete sich die von der Beklagten vorgenommene „Gesamtbetrachtung des Betriebes“, ohne dass klar sei, welchen Betrieb die Behörde konkret in ihre Gesamtbetrachtung aufnehme, da eine solche gesetzlich nicht vorgesehen sei.
14
Es bestehe auch kein öffentliches Interesse am Widerruf gemäß Art. 49 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG. Das Aufstellen von Geldspielgeräten - selbst an ungeeigneten Orten - gefährde nicht das öffentliche Interesse, sondern stehe nach dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag im Gegenteil in dem öffentlichen Interesse, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in regulierte Bahnen zu lenken, um den Gefahren des unregulierten Glücksspiels insbesondere im Internet entgegenzuwirken.
15
Schließlich sei der Bescheid ermessensfehlerhaft, da die Behörde die Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten gemäß Art. 49 und Art. 56 AEUV und die daraus folgenden Gebote der Transparenz, Publizität und Gleichbehandlung nicht berücksichtigt habe. Der grenzüberschreitende Sachverhalt liege nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bei einem gesicherten grenzüberschreitenden Interesse vor. Ein solches bestehe vorliegend deshalb, weil EU-Ausländer Interesse an der Nutzung von Geldspielgeräten und EUausländische Unternehmen Interesse an der Aufstellung von Geldspielgeräten in Deutschland hätten. Folglich müsse die Beklagte darlegen und nachweisen, dass der Widerruf zwingend erforderlich, verhältnismäßig sowie Ausdruck einer systematischen und kohärenten Regulierung und Behördenpraxis sei.
16
Mit Schriftsatz vom 30. September 2020 trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers weiter vor, dass die Bundesländer vor einigen Tagen verbindlich beschlossen hätten, den vierten Glücksspieländerungsstaatvertrag bereits jetzt auf Vollzugsebene umzusetzen. Dadurch würden Online-Automatenspiele erlaubt. Aus Sicht der Bundesländer sei es nunmehr legal, in Deutschland an jedem Ort sogenannte virtuelle Automatenspiele anzubieten, zu betreiben und zu konsumieren. Diese „virtuelle Automatenspiele“ entsprächen denjenigen in der hier maßgeblichen Gaststätte. Wenn es legal sei, die bekannten Geldspielgerätespiele auf Computer, Tablets und Handys zu bringen und an jedem Ort in Deutschland, auch in jeder Prostitutionsstätte zu konsumieren, sei es verfassungsrechtlich und unionsrechtlich nicht gerechtfertigt, dem Kläger - selbst wenn es nicht um eine Gaststätte, sondern ein Bordell ginge - die Geeignetheitsbestätigung zu entziehen.
17
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
18
In sachlicher und rechtlicher Hinsicht bezog sich die Beklagte auf die vorgelegten und beigezogenen Behördenakten, die Begründung des Bescheides vom 8. Juli 2019, ihren Vortrag im Verfahren AN 4 S 19.01427 und im Beschwerdeverfahren 23 CS 19.2342 und die Begründung des für wirkungslos erklärten Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach im Verfahren AN 4 S 19.01427. Seit der Antragsrücknahme im ursprünglichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und Einstellung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 15. Juni 2020 habe sich kein neuer Sachstand ergeben.
19
Im Verfahren AN 4 S 19.01427 trug die Beklagte vor, dass die im Erdgeschoss gelegenen Räume als Koberräume genutzt würden und damit Teil eines einheitlichen Anbahnungsbereichs seien. Dies ergebe sich aus der Gaststättenerlaubnis mit der Betriebsart „Getränkebar im Bordellbetrieb“ und der Bezeichnung der Betriebsräume im Bauplan als „Getränkebar Anbahnungsbereich“. Anlass für die Neubewertung sei der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gewesen, bis zu dessen Erlass sich die Beklagte in einem Rechtsirrtum befunden habe. Durch die Duldung von Geldspielgeräten an ungeeigneten Orten würde das öffentliche Interesse gefährdet, den Spielbetrieb einzudämmen. § 1 SpielV sei europarechtskonform.
20
Die Behördenakte des Ordnungsamts der Beklagten betreffend Geldspielgeräte, … …(Blatt …), betreffend Gaststättenerlaubnis, … (Blatt …23 …) und betreffend Vollzug des Prostitutionsschutzgesetzes, Anwesen … (Blatt …) wurden beigezogen. Ergänzend wird auf die beigezogenen Behördenakten und die Gerichtsakten in den Eilverfahren (AN 4 S 19.01427 und AN 4 S 20.01781) und dem vorliegenden Klageverfahren sowie auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
21
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
22
Sowohl die Aufhebung der Geeignetheitsbestätigung (1.) als auch die Anordnung der Entfernung der Geldspielgeräte aus dem Anwesen (2.) und die Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall des Verstoßes gegen die Anordnung der Entfernung (3.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.
23
Die Aufhebung der Geeignetheitsbestätigung gemäß § 33c Abs. 3 GewO (Ziffer I) ist rechtmäßig. Die Geeignetheitsbestätigung ist rechtswidrig (a). Sie kann deshalb zwar nicht gemäß Art. 49 BayVwVfG widerrufen werden (b), jedoch kann der Widerruf in eine Rücknahme gemäß Art. 48 BayVwVfG umgedeutet werden (c).
a)
24
Die dem Kläger am 8. Juli 2016 erteilte Geeignetheitsbestätigung gemäß § 33c Abs. 3 GewO war bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig, weil das Anwesen kein geeigneter Aufstellungsort im Sinne des § 33c Abs. 3 Satz 1 GewO i.V.m. § 1 Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spielverordnung - SpielV) i.d.F. d. Bek. vom 27. Januar 2006 (BGBl. I S. 280), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666) war.
25
Nach § 33c Abs. 3 Satz 1 GewO darf der Gewerbetreibende Spielgeräte im Sinne des § 33c Abs. 1 GewO nur aufstellen, wenn ihm die zuständige Behörde schriftlich bestätigt hat, dass der Aufstellungsort den auf der Grundlage des § 33f Abs. 1 Nr. 1 GewO erlassenen Durchführungsvorschriften entspricht. Die SpielV stellt eine solche Durchführungsvorschrift dar.
aa)
26
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SpielV dürfen Geldspielgeräte in Räumen von Schank- und Speisewirtschaften, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, aufgestellt werden. § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV erfasst nur sogenannte „Vollgaststätten“, d.h. Räume, die durch den Schank- oder Speisebetrieb geprägt sind und nicht überwiegend einem anderen Zweck dienen (BVerwG, B.v. 23.7.2020 - 23 CS 19.2024 - juris Rn. 8; B.v. 18.3.1991 - 1 B 30/91 - juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 10.11.2015 - 10 CS 15.1538 - juris Rn. 21). Das Spielen darf lediglich Annex zu einer im Vordergrund stehenden Bewirtungsleistung sein (BayVGH, B.v. 22.10.2019 - 23 CS 18.2668 - juris Rn. 21; B.v. 10.11.2015 - 10 CS 15.1538 - juris Rn. 21). Um Umgehungsversuche im Zusammenhang mit der sogenannten „Mikrogastronomie“ vorzubeugen und die unkontrollierte Ausbreitung von Geldspielgeräten einzudämmen, wurde § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV geschaffen (BR-Drs. 437/13, S. 3). Danach dürfen Geldspielgeräte nicht aufgestellt werden in Betrieben, in denen die Verabreichung von Speisen oder Getränken nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die in § 1 Abs. 1 SpielV normierte Beschränkung der Aufstellungsorte für Geldspielgeräte würde aufgehoben, wenn schon durch die Nebenleistung eines Getränkeangebots eine Schankwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV und damit die Zulässigkeit der Aufstellung von Geldspielgeräten begründet werden könnte; denn ein solcher Getränkeausschank lässt sich ohne großen Aufwand auch in Betrieben einrichten, die der Verordnungsgeber durch Nichtaufnahme in die Liste des § 1 Abs. 1 SpielV von Geldspielgeräten gerade freihalten wollte (BVerwG, B.v. 18.3.1991 - 1 B 30/91 - juris Rn. 5).
27
Für die Beurteilung, ob eine Vollgaststätte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SpielV vorliegt oder die Verabreichung von Speisen und Getränken lediglich eine untergeordnete Rolle im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV spielt, ist eine Gesamtbetrachtung aller objektiven Umstände des Einzelfalls erforderlich (VG Augsburg, B.v. 24.8.2018 - Au 5 S 18.1006 - BeckRS 2018, 28713 Rn. 45). Zu berücksichtigen sind dabei unter anderem folgende Kriterien:
- das Größenverhältnis zwischen der gastronomisch genutzten Fläche und der anderweitig genutzten Fläche bzw. der Fläche des Gesamtbetriebes
- das Vorhandensein einer sichtbaren Abgrenzung bzw. optischen Trennung zwischen der gastronomisch genutzten Fläche und einem anderweitig genutzten Bereich
- das Vorhandensein einer gaststättentypischen Ausstattung und Einrichtung, z.B. Bartresen, Steh- oder Sitzgelegenheiten, wobei das Fehlen einer solchen ein Indiz für einen untergeordneten Betrieb ist, umgekehrt aber das Vorhandensein einer Bar nicht zwingend darauf schließen lässt, dass es sich nicht um einen untergeordneten Betriebsteil handelt (BayVGH, B.v. 7.11.2018 - 22 CS 18.1974 - juris Rn. 19)
- der Anteil des Umsatzes bzw. Gewinns aus dem Getränke- und Speisenverkauf, den Geldspielgeräten und der sonstigen gewerblichen Tätigkeit
- das Verlangen eines Eintrittspreises für den Zutritt zum Gesamtbetrieb
- das Aufsuchen der Gaststätte durch Gäste, die nur wegen des Barbetriebes kommen und dort Getränke konsumieren, um die besondere Atmosphäre zu genießen bzw. die in erster Linie zur Wahrnehmung gaststättentypischer Tätigkeiten wie Einnahme von Speisen und Getränken und Kommunikation kommen
- die Kapazität des Angebots an Speisen und Getränken
- die Anzahl der Bewirtungsplätze
- die Öffnungszeiten der verschiedenen Nutzungsbereiche (vgl. zu allem BayVGH, B.v. 23.7.2020 - 23 CS 19.2024 - juris Rn. 1, 8, 12; B.v. 7.11.2018 - 22 CS 18.1974 - juris Rn. 17, 19; U.v. 10.11.2015 - 10 CS 15.1538 - juris Rn. 21; VG Augsburg, B.v. 24.8.2018 - Au 5 S 18.1006 - BeckRS 2018, 28713 Rn. 45, 48; VG Freiburg, B.v. 3.11.2017 - 5 K 8978/17 - juris Rn. 12; VG München, U.v. 28.6.2011 - M 16 K 11.1074 - juris Rn. 23, 25, 30; BR-Drs. 437/13, S. 17).
28
Diese Gesamtbetrachtung ist vorliegend auf das gesamte Anwesen als Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV zu erstrecken, da die Zimmer im Erdgeschoss einschließlich der Gaststätte „…“ und die Zimmer in den Obergeschossen nach den objektiven Umständen einen einheitlichen Betrieb bilden.
29
Die Gaststätte selbst stellt keinen selbstständigen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV dar: Die Gaststätte verfügt über keinen separaten Eingang, sondern kann nur über den Flur im Erdgeschoss erreicht werden, an dem auch andere Zimmer und die Treppe in die Obergeschosse liegen (Bauplan, Bl. … der Behördenakte Geldspielgeräte). Nach Entfernung einer Trennwand bildet die als Gaststätte genehmigte Fläche im Erdgeschoss mit einer nicht als Gaststätte genehmigten Fläche einen einheitlichen Raum. Dieser neu geschaffene große Raum wird von Prostituierten genutzt, die sich in sogenannten Koberfenstern anbieten. Folglich ist die Gaststätte unter räumlichen und funktionalen Aspekten als unselbstständiger Teil der zur Straße gelegenen Räume im Erdgeschoss zu sehen.
30
Auch diese zur Straße gelegenen Räume im Erdgeschoss stellen keinen selbstständigen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV dar, sondern bilden zusammen mit den Zimmern in den Obergeschossen einen einheitlichen Betrieb: Sowohl das Erdgeschoss als auch die Obergeschosse können nur über einen gemeinsamen Vordereingang betreten werden und haben einheitliche Öffnungszeiten. Das gesamte Gebäude wird von Herrn … gemietet (Gewerberaummietvertrag, Bl. … der Behördenakte Gaststätte), der sowohl der Inhaber der Gaststättenerlaubnis vom 2. Juni 2016 als auch der Betreiber des Stundenhotels ist. Die zur Straße gelegenen Räume im Erdgeschoss einschließlich der Gaststätte stehen in funktionalem Zusammenhang mit dem Stundenhotel, da sich die Prostituierten, welche die Zimmer mieten, in den Räumen im Erdgeschoss in sogenannten Koberfenstern anbieten. Bei lebensnaher Betrachtung ist davon auszugehen, dass die Anbahnungsgespräche zwischen Prostituierten und Freiern nicht nur durch die Fenster, sondern auch in den hinter den Fenstern gelegenen Räumen selbst stattfinden und es sich bei diesen somit um sogenannte Koberräume handelt. Der Vortrag des Klägers, dass die Kommunikation zwischen Prostituierten und potentiellen Freiern ausschließlich durch die Koberfenster erfolge und die Freier direkt von der Straße in die Zimmer in den Obergeschossen geführt würden, erscheint lebensfremd. Vor allem in den kalten Wintermonaten ist nicht davon auszugehen, dass sich Freier und Prostituierte nur durch das Fenster unterhalten und hierfür nicht auch die Räume im Erdgeschoss nutzen.
31
Bei Gesamtbetrachtung aller objektiven Umstände spielt die Verabreichung von Speisen und Getränken im Anwesen lediglich eine untergeordnete Rolle.
32
Der genehmigte Gastraum im Erdgeschoss des Anwesens umfasst laut Grundrissplan Nr. …, der gemäß Hinweis Nr. 2 der Gaststättenerlaubnis vom 2. Juni 2016 Teil derselben ist, eine Fläche von 8,06 m² (Gaststättenerlaubnis, Bl. … der Behördenakte Gaststätte). Die Mietfläche des Gesamtanwesens beträgt laut Geschäftsraummietvertrag 280 m² (Geschäftsraummietvertrag, Bl. … der Behördenakte Gaststätte). Damit macht die Fläche des Gastraums lediglich 3% der gesamten Mietfläche des Anwesens aus. Auf diesen 8 m² sollen ein Getränkeautomat, ein Snackautomat und bis zu drei Geldspielgeräte aufgestellt werden. Damit verbliebe für die Gäste, die gemäß Hinweis Nr. 3 der Gaststättenerlaubnis vom 2. Juni 2016 die alkoholischen Getränke ausschließlich im Betriebsraum verzehren dürfen, nur wenige m², sodass die Anzahl der Bewirtungsplätze im einstelligen Bereich liegen dürfte. Weiter ist nach Entfernung der Trennwand zwischen dem genehmigten Gastraum und dem Nachbarraum keine optische Trennung zwischen gastronomisch und anderweitig genutzter Fläche (mehr) vorhanden. Für eine untergeordnete Bedeutung des Gaststättenbetriebes spricht auch, dass die Gaststätte über keinen separaten Eingang verfügt, sondern das gesamte Anwesen nur über einen gemeinsamen Vordereingang betreten werden kann. Auch die Öffnungszeiten der Gaststätte sind weitgehend gleichlaufend mit denen des Stundenhotels: Das Stundenhotel hat laut Homepage 24 Stunden geöffnet (https:* … abgerufen am 7.5.2021), die Gaststätte laut Gaststättenerlaubnis täglich bis auf die Sperrzeit von 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr. Im Übrigen fehlt es an der gaststättentypischen Einrichtung und Ausstattung. Auf den Lichtbildern der Ortseinsicht vom 9. März 2018 sind Stehtische und Barhocker zu sehen, jedoch weder Bartresen, noch Gläser oder Geschirr. Im Übrigen wäre aus dem Vorhandensein einer Bar nicht zwingend darauf zu schließen, dass es sich nicht um einen untergeordneten Betriebsteil handelt (BayVGH, B.v. 7.11.2018 - 22 CS 18.1974 - juris Rn. 19). Auch Barpersonal wird nicht beschäftigt. Der Gaststättenbetreiber Herr* … beschränkt sich hinsichtlich der gastronomischen Leistungen darauf, einen Getränke- und einen Snackautomaten vorzuhalten. Der Aufwand für die gastronomische Tätigkeit wird sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht erkennbar so gering wie möglich gehalten, was ebenfalls ausdrückt, dass dem Darreichen von Speisen und Getränken im Betriebskonzept eine deutlich untergeordnete Rolle zukommt. Welcher Anteil am Umsatz durch den Gaststättenbetrieb generiert wird, ist weder vorgetragen noch dem Gericht anderweitig bekannt geworden. Angesichts der moderaten Getränkepreise zwischen 1 EUR und 6,80 EUR (Preisliste, Bl* … der Behördenakte Gaststätte) und der Tatsache, dass für eines der sechs von den „FFK-Mädels“ genutzten Zimmer 40 EUR pro Tag (Bl. … der Behördenakte Geldspielgeräte) und für eines der vier für das Stundenhotel reservierten Zimmer von externen Gästen 25 EUR für die erste Stunde und 12 EUR für jede weitere Stunde (https:* …abgerufen am 7.5.2021) verlangt wird, spricht vieles dafür, dass der Umsatz durch den Getränke- und Snackautomaten weit übertroffen wird vom Umsatz durch die Zimmervermietung. Nach alledem ist von einer deutlich untergeordneten Funktion des Gaststättenbetriebes auszugehen.
bb)
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Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 SpielV dürfen Geldspielgeräte in Beherbergungsbetrieben aufgestellt werden.
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Das Anwesen stellt keinen Beherbergungsbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV dar. Beherbergungsbetrieb in diesem Sinn sind Räume, die gewerbsmäßig grundsätzlich jedermann zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden (BVerwG, B.v. 25.2.1976 - I B 29.76 - GewA 1976, 170/171). Die Leistung besteht in der Gewährung von Unterkunft, regelmäßig mit Schlafgelegenheit, wobei das Gesamtbild maßgeblich ist (Hahn in Friauf, GewO, Stand: Dezember 2019, § 1 SpielV Rn. 22).
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Vorliegend steht nach dem Gesamtbild bei der Vermietung der Zimmer in den Obergeschossen des Anwesens nicht die Gewährung von Unterkunft bzw. Übernachtungsmöglichkeiten im Vordergrund, sondern die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen durch Prostituierte. Sechs der zehn Zimmer im ersten und zweiten Obergeschoss werden ausschließlich an Prostituierte vermietet, die in diesen Zimmern sexuelle Dienstleistungen erbringen. Dementsprechend lautet die Gewerbeanmeldung für das Anwesen auf „Gewerbliche Zimmervermietung zur Ausübung der Prostitution“. Der Mieter des Anwesens, Herr* …, hat mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 27. September 2017 gemäß § 37 Abs. 2 ProstSchG die Ausübung eines Prostitutionsgewerbes in dem Anwesen angezeigt, einen Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb des Prostitutionsgewerbes gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 ProstSchG gestellt und vortragen lassen, dass in dem Anwesen seit vielen Jahren eine Prostitutionsstätte betrieben werde. Dem vorgelegten Betriebskonzept für das Anwesen lässt sich u.a. entnehmen, dass sich im Erdgeschoss zwei Räume zur Anbahnung befinden und für den Wechsel der Bettwäsche und anderer Wäsche Geld verlangt wird. Gerade Letzteres ist für einen normalen Beherbergungsbetrieb unüblich. Dies alles macht deutlich, dass es sich bei dem Anwesen um eine Stätte zur Ausübung des Prostitutionsgewerbes handelt und nicht um einen Beherbergungsbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV.
36
An dieser Einschätzung ändert sich auch dadurch nichts, dass vier der zehn Zimmer für das Stundenhotel reserviert sind und von jedermann gemietet werden können. Die Berechnung der Zimmermiete pro Stunde statt wie in einem Hotel o.ä. üblich pro Nacht und die Werbung auf der Homepage des Stundenhotels („Unseren Gästen bietet unser Hotel ein sicheres, verschwiegenes und zentral gelegenes Refugium für die erotischen Abenteuer des Lebens. Egal ob One-Night-Stand, das Treffen mit dem/der neuen Partner/in oder der Affäre. Wenn eine Location gesucht wird, in der man unerkannt und in sicherer Umgebung seine erotischen Ambitionen umsetzen will, sind wir die erste Wahl.“ https:* …abgerufen am 7.5.2021) zeigen, dass auch bei Vermietung dieser Zimmer nicht die Gewährung von Unterkunft, geschweige denn Übernachtungsgelegenheiten im Vordergrund steht.
b)
37
Die Aufhebung der Geeignetheitsbestätigung in Ziffer I des Bescheides vom 18. Juli 2019 findet ihre Rechtsgrundlage nicht wie von der Beklagten angegeben in Art. 49 BayVwVfG. Ein solcher Widerruf wäre nur möglich, wenn die Geeignetheitsbestätigung rechtmäßig gewesen wäre. Darüber hinaus ist kein Widerrufsgrund nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG einschlägig. Insbesondere liegt keine nachträglich eingetretene Tatsache vor.
c)
38
Der Widerruf der Geeignetheitsbetätigung kann jedoch in eine Rücknahme gemäß Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG umgedeutet werden.
39
Nach Art. 47 Abs. 1 BayVwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Zuständig für die Umdeutung ist nach dem Zweck die Stelle, die mit dem fehlerhaften Verwaltungsakt befasst ist. Daher kann ein Verwaltungsakt, der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ist, vom Gericht umgedeutet werden (BVerwG, U.v. 23.11.1999 - 9 C 16/99 - NVwZ 200, 575/575; BayVGH, U.v. 2.7.2004 - 1 B 02.1006 - NVwZ-RR 2005, 787/791).
40
Die Voraussetzungen für eine Umdeutung des Widerrufs der Geeignetheitsbestätigung in eine Rücknahme liegen vor: Der Widerruf hat das gleiche Ziel wie die Rücknahme, da beides Formen der Aufhebung eines Verwaltungsakts sind. In der Verfahrensweise und der Form, in denen der Widerrufsbescheid erlassen wurde, hätte auch der Rücknahmebescheid erlassen werden können. Auch die materiellen Voraussetzungen für die Rücknahme der Geeignetheitsbestätigung gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4 BayVwVfG sind erfüllt.
41
Nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Wie bereits dargelegt, ist die Geeignetheitsbestätigung ein rechtswidriger Verwaltungsakt. Die Rücknahme erfolgte innerhalb der Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG, die mit Kenntnis der Behörde von den Tatsachen, welche die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen, beginnt. Zu diesen Tatsachen gehört die Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts an sich. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts beruht stets auf einem konkreten, für den Inhalt des Verwaltungsakts ursächlichen Rechtsanwendungsfehler, der darin besteht, dass die Behörde entweder den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht, nicht vollständig oder in sonstiger Weise verfälscht ihrer Entscheidung zugrunde gelegt oder den von ihr zutreffend ermittelten Sachverhalt unzureichend berücksichtigt oder unzureichend gewürdigt hat (BVerwG, B.v. 19.12.1984 - Gr. Sen. 1/84, 2/84 - NJW 1985, 819/820). Vorliegend hat die Beklagte einen solchen Rechtsanwendungsfehler begangen, indem sie den bei Erlass der Geeignetheitsbestätigung am 8. Juli 2016 vollständig bekannten Sachverhalt unzureichend berücksichtigt hat und daher fälschlicherweise davon ausgegangen ist, dass das Anwesen ein geeigneter Aufstellungsort im Sinne des § 33c Abs. 3 Satz 1 GewO i.V.m. § 1 Abs. 1 SpielV war. Die Kenntnis von der damals unzutreffend erfolgten Beurteilung des Anwesens erlangte die Beklagte als sie sich mit der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. November 2018 (Az. 22 CS 18.1974) auseinandersetzte und in diesem Zusammenhang die erforderliche Gesamtbetrachtung des Betriebes vornahm. Damit war die Jahresfrist am 18. Juli 2019 noch nicht abgelaufen.
42
Die nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG zu treffende Ermessensentscheidung lässt bei der insoweit - auf den Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO - beschränkten gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit keine Fehler erkennen. Wird wie vorliegend vom Gericht eine Umdeutung eines Widerrufs in eine Rücknahme vorgenommen, ist im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung zudem zu ermitteln, ob die bei der Prüfung des Art. 49 BayVwVfG von der Behörde angestellten Ermessenserwägungen auch den Anforderungen des Art. 48 BayVwVfG genügen (BVerwG, B.v. 18.9.1991 - 1 B 107/91 - juris Rn. 10). Maßgebliche Gesichtspunkte der Ermessensausübung bei der Rücknahme sonstiger begünstigender Verwaltungsakte im Sinne des Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG sind einerseits die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und andererseits die Rechtssicherheit und der Vertrauensschutz (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 48 Rn. 135; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 77). Die Beklagte hat das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Betrieb der Geldspielgeräte dem Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren des Glückspiels gegenübergestellt und ist in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass Letzteres überwiegt.
43
Die Rücknahme verstößt auch nicht gegen höherrangiges Unionsrecht. Ein grenzüberschreitender, unionsrechtlich relevanter Sachverhalt ist nicht ersichtlich. Insbesondere steht hier anders als in den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs keine abstrakt-generelle Regelung im Raum, die EU-Ausländer, die wie der Kläger Glücksspielautomaten aufstellen und betreiben, in ihren Grundfreiheiten betreffen könnte. Streitgegenständlich ist die Geeignetheitsbestätigung, die dem Kläger für ein bestimmtes Anwesen erteilt worden ist und die für keine andere Person - gleich ob EU-Ausländer oder nicht - Wirkung entfalten kann (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 85. EL September 2020, § 33c Rn. 34). Grundfreiheiten von EU-Ausländern können angesichts einer solchen konkret-individuellen Regelung nicht einmal potentiell betroffen sein und waren von der Beklagten daher auch nicht zu berücksichtigen.
44
Der Entwurf eines Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (Glücksspielneuregelungsstaatsvertrag - GlüNeuRStV-E), der am 12. März 2020 durch die Bundesländer beschlossen wurde und am 1. Juli 2021 in Kraft treten soll (Haertlein in BeckOK, Großkommentar, Stand: 01.03.2021, § 762 BGB Rn. 24), führt nicht dazu, dass die Rücknahme der Geeignetheitsbestätigung gegen Verfassungs- oder Unionsrecht verstößt. Der GlüNeuRStV-E (abrufbar unter https://gluecksspielstaatsvertrag.org/) sieht unter anderen die Erlaubnisfähigkeit des Betriebes virtueller Automatenspiele vor. Virtuelle Automatenspiele sind im Internet angebotene Nachbildungen terrestrischer Automatenspiele (§ 3 Abs. 1a Satz 1 Glü-NeuRStV). Bereits die Legaldefinition macht klar, dass zwischen virtuellen und terrestrischen Automatenspielen rechtlich differenziert wird, sodass die Neuregelungen in Bezug auf virtuelle Automatenspiele keine Auswirkungen auf die bestehenden Regelungen bezüglich terrestrischer Automatenspiele haben. Im Übrigen ändert der GlüNeuRStVE - unabhängig davon, ob er erst am 1. Juli 2021 in Kraft tritt oder bereits vorab in Vollzug gesetzt wird - nichts daran, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses gemäß § 33c Abs. 3 Satz 1 GewO eine Geeignetheitsbestätigung zum Aufstellen von Gewinnspielgeräten erforderlich war und das Anwesen gemäß § 1 SpielV keinen geeigneten Aufstellungsort für Geldspielgeräte darstellte.
2.
45
Die Anordnung der Entfernung der Geldspielgeräte aus dem Anwesen bis spätestens sieben Tage nach Bekanntgabe des Bescheides (Ziffer II) ist rechtmäßig.
46
Rechtsgrundlage für diese Anordnung ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz - LStVG) i.d.F. d. Bek. vom 13. Dezember 1982 (BayRS II S. 241) zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98). Speziellere sicherheitsrechtliche Eingriffsbefugnisse existieren nicht. Insbesondere kann das behördliche Handeln nicht auf § 15 Abs. 2 GewO gestützt werden, da das Aufstellen von Gewinnspielgeräten ohne die erforderliche Geeignetheitsbestätigung hiervon nicht erfasst wird. Bei der Geeignetheitsbestätigung gemäß § 33c Abs. 3 GewO handelt es sich nicht um eine Zulassung im Sinne des § 15 Abs. 2 GewO. Das ergibt sich daraus, dass die eigentliche Zulassung zum Aufstellen von Gewinnspielgeräten durch die Erlaubnis nach § 33c Abs. 1 GewO gegeben wird und die Bestätigung nach § 33c Abs. 3 GewO lediglich den Zweck verfolgt, den Gewerbetreibenden von der Verantwortung für die Geeignetheit des Aufstellungsortes freizustellen (VGH BW, U.v. 1.9.1989 - 14 S 2193/87 - GewA 1990, 403/404; im Ergebnis auch VG München, U.v. 28.6.2011 - M 16 K 11.1074 - juris Rn. 39).
47
Die Anordnung wurde von der Beklagten als der gemäß Art. 6 LStVG sachlich und gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG örtlich zuständigen Sicherheitsbehörde getroffen. Die gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche Anhörung erfolgte mit Schreiben vom 27. Mai 2019 und 12. Juni 2019.
48
Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden. Durch die Verpflichtung des Klägers zur Entfernung der Geldspielgeräte aus dem Anwesen soll die Begehung einer Ordnungswidrigkeit unterbunden werden. Da die Geeignetheitsbestätigung gemäß § 33c Abs. 3 GewO i.V.m. § 1 SpielV zurückgenommen wurde und die Voraussetzungen für eine (Wieder-)Erteilung auch weiterhin nicht vorliegen, erfüllt die Aufstellung von Geldspielgeräten in dem dafür nicht geeigneten Anwesen den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 144 Abs. 2 Nr. 4 GewO i.V.m. § 33c Abs. 3 Satz 1 GewO.
49
Die Beklagte hat von dem ihr nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG eingeräumten Ermessen in fehlerfreier Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Verpflichtung zur Entfernung der Geldspielgeräte ist geeignet, um die Begehung der Ordnungswidrigkeit zu unterbinden. Ein milderes gleich wirksames Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels ist nicht gegeben. Der Verstoß gegen die GewO und die SpielV kann nur effektiv und dauerhaft unterbunden werden, wenn die Geldspielgeräte von dem ungeeigneten Aufstellungsort entfernt werden. Die Anordnung ist auch angemessen. Das öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände - der Einhaltung der GewO und der SpielV - überwiegt gegenüber dem privaten, rein finanziellen Interesse des Klägers an einem Weiterbetrieb der Geldspielgeräte. Die Entfernung der Geldspielgeräte ist für den Kläger technisch ohne besonderen Aufwand möglich.
50
Der Kläger ist als Aufsteller der Geldspielgeräte Handlungsstörer gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG und deshalb zutreffender Adressat der Entfernungsanordnung.
3.
51
Die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 EUR für den Fall des Verstoßes gegen Ziffer II des Bescheides (Ziffer III) ist ebenfalls rechtmäßig.
52
Rechtsgrundlage für die Androhung des Zwangsgeldes ist Art. 19, 29, 31, 36 VwZVG.
53
Die allgemeinen (Art. 18 f. VwZVG) und besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Ziffer II des Bescheides ist ein wirksamer Verwaltungsakt mit vollstreckungsfähigem Inhalt in Gestalt einer Handlungspflicht (Art. 18 Abs. 1 VwZVG), dessen sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO unter Ziffer IV des Bescheides angeordnet wurde (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG). Das Zwangsgeld ist das mildeste Mittel zur Durchsetzung einer Handlungspflicht (Harrer/Kugele/Kugele, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand: Dezember 2019, Art. 29 VwZVG Anm. 6). Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist im Hinblick auf Art. 31 Abs. 2 VwZVG nicht zu beanstanden. Bei der Festsetzung der Höhe wurde berücksichtigt, wie hoch das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Betrieb der Geldspielgeräte sein kann.
54
Ermessensfehler nach § 114 Satz 1 VwGO bei der Auswahl des Zwangsmittels oder der Höhe des Zwangsgeldes sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat in ihre Ermessenserwägung insbesondere die finanziellen Auswirkungen für den Kläger eingestellt.
4.
55
Einwände gegen die Kostenlast (Ziffer V) und die Gebührenfestsetzung (Ziffer VI) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
II.
56
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.