Titel:
Kostentragung bei Verschulden
Normenketten:
RBStV § 2 Abs. 1, Abs. 2, § 8 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4
VwGO § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 4
Leitsatz:
Die Kosten eines Klageverfahrens können dem Kläger wegen seines Verschuldens nach § 155 Abs. 4 VwGO auferlegt werden, wenn er es unterlassen hat, seine für die Rundfunkbeitragspflicht maßgebliche Wohnungsadresse mitzuteilen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rundfunkbeitragspflicht, Wohnungsadresse, Mitteilungspflicht, Kosten bei Verschulden
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 09.04.2019 – M 26 K 18.557
Fundstellen:
BayVBl 2021, 611
LSK 2021, 12550
BeckRS 2021, 12550
Tenor
I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 9. April 2019 werden der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 4. März 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2017 aufgehoben.
II. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger, die Kosten des Berufungsverfahrens der Beklagte.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich.
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Mit Bescheid vom 4. März 2016 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für die Wohnung S …str. in … M … rückständige Rundfunkbeiträge im privaten Bereich für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2015 in Höhe von 330,68 Euro fest. Mit Datum 14. März 2016 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass es sich bei der Adresse um die Betriebsstätte der Firma S … oHG handele, dessen Miteigentümer er sei, und der Rundfunkbeitrag von dieser regelmäßig beglichen werde. Mit Schreiben vom 23. März 2016 bat der Beklagte um Mitteilung der Wohnanschrift des Klägers. Eine Reaktion darauf sowie auf weitere Schreiben des Beklagten mit gleichlautender Bitte erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2017 bat der Beklagte die Stadtverwaltung W …, die aktuelle Anschrift des Klägers mitzuteilen. Daraufhin erfolgte eine Melderegisterauskunft nach § 45 Abs. 1 BMG, wonach der Kläger am 1. Oktober 1995 nach M … in … R … verzogen sei. Mit Bescheid des Beklagten vom 27. Dezember 2017 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen und gleichzeitig der Festsetzungsbescheid im Wege der Umdeutung dahingehend geändert, dass Rundfunkbeiträge im privaten Bereich für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2015 nunmehr für die Wohnung M … in … R … festgesetzt wurden.
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Am 5. Februar 2018 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München. Er trug vor, er sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Anwesen M … in … R … wohnhaft gewesen; er sei dort weder Eigentümer noch Mieter. Laut der Angaben im örtlichen Telefonbuch werde das Anwesen vom Ehepaar H. und J. G. bewohnt und er biete vorsorglich für den Umstand, dass er selbst dort im streitgegenständlichen Zeitraum nicht gewohnt habe, Zeugnis von Herrn H.G. an. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 9. April 2019 - mit Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) - ab. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Kläger bestreite, im fraglichen Zeitraum die genannte Wohnung selbst bewohnt zu haben. Das Gericht könne diese Frage nicht zu seiner vollen Überzeugung aufklären. Dennoch ergebe die richterliche Überzeugungsbildung auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 RBStV, dass von der Wohnungsinhaberschaft des Klägers auszugehen sei, da er laut Auskunft der Meldebehörde seit 1. Oktober 1995 unter der Anschrift M … in … R … gemeldet sei und dies auch nicht bestritten habe. Es wäre Sache des Klägers gewesen, vorzutragen, wo er tatsächlich im maßgeblichen Zeitraum gewohnt habe.
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Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 9. April 2019 den Bescheid des Beklagten vom 4. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Dezember 2017 aufzuheben.
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Zur Begründung trägt er vor, aus den von ihm (im Zulassungsverfahren) vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2015 nicht in der Wohnung in M … in … R …, sondern seit dem 1. Januar 2012 in der F …str. in … A … … … gewohnt habe und gemeldet gewesen sei.
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Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Verfahren
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO). Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 30. April 2021 und vom 5. Mai 2021 ihr Einverständnis damit erklärt.
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A. Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 4. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Dezember 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts besteht im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2015 keine Rundfunkbeitragspflicht des Klägers im privaten Bereich für die Wohnung M … in … R … Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist daher abzuändern und der Bescheid vom 4. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.Dezember 2017 aufzuheben.
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Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV wird als Inhaber jede Person vermutet, die 1. dort nach dem Melderecht gemeldet oder 2. im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist. Aus den vom Kläger im Zulassungsverfahren vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Voraussetzungen für seine Beitragspflicht im privaten Bereich im Hinblick auf die Wohnung M … in … R … nicht vorlagen, weil er dort im maßgeblichen Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2015 weder gewohnt hat noch gemeldet war. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen wohnt der Kläger seit 1. Januar 2012 in der F …str. in … A … … … Laut Vertrag zwischen Herrn H. G. und dem Kläger vom 7. Februar 1998 ist der Mietvertrag für das Anwesen M … in … R … zum 31. März 1998 aufgehoben worden. Mit Datum 29. April 2019 bestätigte die Verwaltungsgemeinschaft H … im Landkreis M … … … folgende Wohnungen des Klägers in der gleichnamigen Gemeinde sowie dessen Meldung dort: Der Kläger sei am 31. März 1998 von M … in … R … in die G …str. … in … H … gezogen und von dort am 1. Februar 2006 in die F …str. in … A … … … Laut Meldebescheinigung der Gemeinde A … … … vom 2. Dezember 2013 ist er am 1. Januar 2012 in die F …str. in … A … … … umgezogen und ist dort mit alleiniger Wohnung gemeldet.
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Die durch die Melderegisterauskunft der Stadt W … vom 30. Oktober 2017 entstandene Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV ist durch die vom Kläger vorgelegten Auskünfte widerlegt und kann keine Rundfunkbeitragspflicht des Klägers im privaten Bereich nach § 2 Abs. 1 RBStV im Hinblick auf die Wohnung M … in … R … begründen.
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B. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 4 VwGO. Nach dieser Bestimmung können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Grundsätzlich hat der unterliegende Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Kostenregelung zulasten eines Beteiligten wegen Verschuldens nach § 155 Abs. 4 VwGO geht als Spezialregelung derjenigen des § 154 Abs. 1 VwGO vor (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2016 - 15 CE 16.1333 - BayVBl 2017, 565). Die Regelung kann nicht nur die ausscheidbaren Mehrkosten für einzelne Prozesshandlungen erfassen, sondern die gesamten Prozesskosten, wenn durch ein schuldhaftes vorprozessuales Verhalten die Erhebung eines an sich vermeidbaren Rechtsschutzbegehrens verursacht wurde. Ein Verschulden eines Beteiligten im Sinn des § 155 Abs. 4 VwGO liegt vor, wenn dieser unter Außerachtlassung der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt durch sein Verhalten einen anderen Beteiligten oder das Gericht zu Prozesshandlungen oder Entscheidungen veranlasst hat, die nicht erforderliche Kosten verursacht haben. Der Kläger hat dadurch, dass er vorprozessual trotz entsprechender Aufforderungen des Beklagten seiner Anzeigepflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 4 RBStV nicht nachgekommen ist und auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren seine für die Rundfunkbeitragspflicht im streitgegenständlichen Zeitraum maßgebliche Wohnungsadresse nicht angegeben hat, die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens schuldhaft ausgelöst. Der Senat hält es deshalb für ein Gebot der Billigkeit und damit ermessensgerecht, die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Hätte dieser, wie es der ihm obliegenden Anzeigepflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 RBStV entspricht, seine Wohnungsadresse an den Beklagten gemeldet, wäre der erstinstanzliche Prozess vermeidbar gewesen. Hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens bleibt es bei der gesetzlichen Kostentragungspflicht des Beklagten als unterlegener Partei nach § 154 Abs. 1 VwGO, weil er es in der Hand gehabt hätte, nach Vorlage der entsprechenden Unterlagen durch den Kläger im Rahmen des Antrags auf Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 4 VwGO) dessen Klage abzuhelfen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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C. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.