Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 15.03.2021 – M 5 K 18.5830
Titel:

Keine rückwirkende Beförderung im Ruhestand

Normenketten:
BeamtStG § 8 Abs. 4, § 9
VwGO § 84
Leitsätze:
1. Eine Beförderung eines bereits im Ruhestand befindlichen und nicht zu weiteren Dienstleistungen herangezogenen Beamten ist rechtlich unmöglich, da für ihn das Leistungslaufbahngesetz und dessen Beförderungsvorschriften nicht gelten; auch § 9 BeamtStG setzt sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck ein aktives Beamtenverhältnis voraus, da nur ein aktiver Beamter die dort genannten Anforderungen konkret erfüllen kann. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine rückwirkende Beförderung auf einen Zeitpunkt, als noch ein aktives Beamtenverhältnis bestand, ist nach § 8 Abs. 4 BeamtStG kraft Gesetzes ausgeschlossen, da die Ernennung auf einen zurückliegenden Zeitpunkt unzulässig und insoweit unwirksam ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Ernennung zu einer Beförderung ist erst durch Aushändigung der Ernennungsurkunde formell wirksam; daran ändert auch nichts, wenn die Ernennungsurkunde bereits ausgestellt und ein Übergabetermin vereinbart war. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beamter im Justizvollzugsdienst, Klage auf rückwirkende Beförderung, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, Versetzung in den Ruhestand, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, keine Beförderung im Ruhestand, keine rückwirkende Beförderung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 25.05.2021 – 3 ZB 21.1152
Fundstelle:
BeckRS 2021, 12542

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der am ... geborene Kläger wendet sich gegen die Versagung der Beförderung zum … im Justizvollzugsdienst.
2
Der Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit mit Wirkung zum 1. Mai 2019 als Justiz … (Besoldungsgruppe ...) in Diensten des Beklagten; er war bei der Justizvollzugsanstalt (JVA) E. tätig.
3
Mit Wirkung vom 1. Februar 2016 hätte der Kläger zum … im Justizvollzugsdienst (Besoldungsgruppe ...) befördert werden sollen. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz (Justizministerium) hatte die Beförderung mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 verfügt und die Unterlagen samt Ernennungsurkunde an die JVA E. übersandt.
4
Mit Schreiben vom 21. Januar 2016 teilte die JVA E. dem Justizministerium mit, dass gegen den Kläger wegen des Verdachts der Unterschlagung von Anstaltseigentum bzw. unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs Strafanzeige erstattet und ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist und sandte die - noch nicht an den Kläger ausgehändigte - Ernennungsurkunde an das Justizministerium zurück. Mit Verfügung vom 4. Februar 2016 hob das Justizministerium die mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 verfügte Beförderung des Klägers auf.
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Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ist mit Verfügung der Staatsanwaltschaft … vom 18. Mai 2016 eingestellt worden. Das Disziplinarverfahren ist mit Verfügung vom 15. Februar 2017 gegen eine Geldbuße in Höhe von 200,00 EUR beendet worden.
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Seit 12. Dezember 2017 ist der Kläger durchgehend dienstunfähig erkrankt.
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Mit Schreiben vom … Juni 2018 beantragten die Klägerbevollmächtigten für den Kläger, diesen entsprechend der Verfügung vom 23. Dezember 2015 zu befördern, da das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger auflagenlos eingestellt worden sei.
8
Mit Bescheid vom 14. August 2018 lehnte das Justizministerium den Antrag auf Beförderung ab. Ein Anspruch auf Beförderung bestehe nicht. Beförderungen seien nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der dafür in Frage kommenden Beamten vorzunehmen. Die streitgegenständliche Beförderung sei keine Regelbeförderung. Der Kläger sei derzeit nicht der Leistungsstärkste unter den Beförderungskonkurrenten. Für eine Beförderung des Klägers fehle es zudem an der gesundheitlichen Eignung, da der Kläger seit 12. Dezember 2017 durchgehend dienstunfähig erkrankt sei. Die Disziplinarmaßnahme sei im Rahmen der Beförderungsentscheidung zu berücksichtigen. Aufgrund der Dienstunfähigkeit habe der Kläger sich noch nicht bewähren können.
9
Mit Schreiben vom … September 2018 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. August 2018 ein. Die Beförderung sei mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 bereits ausgesprochen worden. Das Ermittlungsverfahren sei ohne Auflagen eingestellt worden. Damit sei der Grund für die Rücknahme der Beförderung weggefallen. Dem Kläger stehe daher ein Anspruch auf Beförderung mit Wirkung vom Februar 2016 zu. Denn wäre das Ermittlungsverfahren nicht eingeleitet worden, wäre der Kläger befördert worden. Alle Beförderungsüberlegungen, die nach dem 23. Dezember 2015 aufgetreten sein sollen, dürften nicht berücksichtigt werden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2018 wies das Justizministerium den Widerspruch zurück. Es wiederholte im Wesentlichen die Gründe aus dem Bescheid vom 14. August 2018 und führte ergänzend aus: Die Einleitung des Disziplinarverfahrens stelle ein von Amts wegen zu beachtendes Beförderungshindernis dar. Dies durfte auch noch berücksichtigt werden, obwohl die Auswahlentscheidung bereits getroffen war. Die Ernennungsurkunde sei dem Kläger noch nicht ausgehändigt gewesen, sodass die Beförderung noch nicht wirksam geworden sei. Zum Zeitpunkt der Rücknahme der Beförderungsentscheidung sei der Ausgang des Ermittlungsverfahrens nicht absehbar gewesen.
11
Mit Schriftsatz vom … November 2018, eingegangen bei Gericht am 29. November 2018, hat die Klagepartei Klage erhoben und beantragt,
12
den Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2018 aufzuheben und den Kläger entsprechend der Verfügung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 23. Dezember 2015 zum … im Justizvollzugsdienst mit Wirkung zum 1. Februar 2016 zu befördern.
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Der Klägerbevollmächtigte wiederholt und vertieft im Wesentlichen die Gründe aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor: Der Kläger habe im Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung die Voraussetzungen für die Beförderung erfüllt. Der Grund für die fehlende Aushändigung der Beförderungsurkunde sei ein Diebstahlsverdacht gewesen. Dieses „Hindernis“ sei mit der auflagenlosen Einstellung des Ermittlungsverfahrens weggefallen, sodass keine Gründe für die Versagung der Beförderung gegeben seien. Der ursprüngliche Beförderungsbescheid müsse wieder aufleben. Das Disziplinarverfahren ändere daran nichts, denn ein Beamter, der wegen eines Dienstvergehens eine Geldbuße zahlen muss, könne trotzdem befördert werden. Die Beförderung des Klägers sei bereits wirksam gewesen, unabhängig davon, dass die Ernennungsurkunde dem Kläger nicht übergeben worden sei. Die Beförderung sei gegenüber dem Kläger bereits ausgesprochen und mit der Verfügung vom 23. Dezember 2015 zugesichert worden. An diese Zusicherung sei das Justizministerium gebunden. Das Procedere indiziere eine schikanöse Behandlung. Das Anführen neuer Gründe sei unzulässig. Nachgeschoben werden könnten nur solche Gründe, die bei Erlass des streitigen Verwaltungsakts bereits vorgelegen haben. Es dürfe keine erneute Prüfung erfolgen, ob die Beförderungsvoraussetzungen vorliegen. Das Vorschieben der Krankheit des Klägers als Versagungsgrund sei rechtsmissbräuchlich. Hätte der Beklagte zeitnah nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger die Beförderung ausgesprochen, hätte die danach eingetretene Erkrankung des Klägers keine Rolle gespielt. Es gehe nicht um eine rückwirkende Beförderung, sondern um die Wirksamkeit einer bereits vollzogenen Beförderung.
14
Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2019 hat das Justizministerium die Akten vorgelegt und für den Beklagten beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Eine rückwirkende Ernennung sei unzulässig. Die Entscheidung über den Beförderungsantrag vom 18. Juni 2018 sei auf der Grundlage der zum Antragszeitpunkt vorliegenden Tatsachen zu treffen gewesen. Die gegen den Kläger verhängte Disziplinarmaßnahme sowie die krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit seien zu berücksichtigen gewesen. Die Beförderung sei gegenüber dem Kläger nicht wirksam geworden, da die Ernennungsurkunde nicht ausgehändigt worden sei. Die verwaltungsinterne Verfügung vom 23. Dezember 2015 sei nicht an den Kläger gerichtet gewesen und könne daher keine Zusicherung diesem gegenüber darstellen.
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Mit Beschluss vom 2. Februar 2021 ist der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen worden. Die Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheids erfolgte mit Schreiben vom 9. Februar 2021.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

19
Über die Verwaltungsstreitsache kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
20
1. Die Klage ist bereits wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
21
Nach allgemeiner Auffassung fehlt einer Klage, die auf gerichtlichen Rechtsschutz gerichtet ist, das Rechtsschutzinteresse dann, wenn der Kläger seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht verbessern kann und die Inanspruchnahme des Gerichts deshalb für ihn nutzlos erscheint. Dies ist hier der Fall. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung des Gerichts ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung. Im vorliegenden Fall befindet sich der Kläger seit dem 1. Mai 2019 wegen Dienstunfähigkeit im Ruhestand. Darüber hinaus hat er am 4. Dezember 2019 die Regelaltersgrenze für Justizvollzugsbeamte nach der Übergangsregelung von 61 Jahren erreicht und befindet sich daher seitdem im gesetzlichen Ruhestand (Art. 130, 129 i.V. Art. 143 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Beamtengesetzes). Ein Ruhestandsbeamter kann wegen Beendigung seines aktiven Beamtenverhältnisses jedoch nicht mehr befördert werden.
22
Mit dem Eintritt in den Ruhestand erhält der (bisherige) aktive Beamte einen neuen rechtlichen Status. Dieser steht zwar im Zusammenhang mit dem Status eines aktiven Beamten (sog. Statusakzessorietät), ist jedoch rechtlich gesehen etwas anderes. Zwar ist es möglich, dass der Aktivstatus auf den Ruhestandsstatus durchschlägt, etwa die Rücknahme einer Beförderung eines zum Beförderungszeitpunkt noch aktiven, zum Zeitpunkt der Rücknahme bereits im Ruhestand befindlichen Beamten. Rechtlich unmöglich ist jedoch eine Beförderung eines bereits im Ruhestand befindlichen und nicht zu weiteren Dienstleistungen herangezogenen Beamten, für den das Leistungslaufbahngesetz und dessen Beförderungsvorschriften nicht gelten. Sowohl § 9 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz/BeamtStG) als auch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz/LlbG) setzen sowohl nach ihrem Wortlaut als auch Sinn und Zweck ein aktives Beamtenverhältnis voraus, da nur ein aktiver Beamter die hier genannten Anforderungen konkret erfüllen kann. Das Gericht kann nicht den Beklagten zu etwas verpflichten, was rechtlich unmöglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.1997 - 2 C 38/95 - juris Rn. 19; VG München, U. v. 23.9.2004 - M 12 K 03.3785 - juris Rn. 17; VG Regensburg, U.v. 31.10.2012 - RO 1 K 11.776 Rn. 25 ff.).
23
Die vom Klägerbevollmächtigten beantragte rückwirkende Beförderung zum 1. Februar 2016 - als noch ein aktives Beamtenverhältnis bestand - ist nach § 8 Abs. 4 BeamtStG kraft Gesetzes ausgeschlossen. Die Ernennung auf einen zurückliegenden Zeitpunkt ist unzulässig und insoweit unwirksam. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten steht vorliegend auch nicht „die Wirksamkeit einer bereits vollzogenen Beförderung“ in Rede. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG erfolgt die Ernennung durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde. Erst wenn die Ernennungsurkunde ausgehändigt ist, ist die Ernennung formell wirksam (Thomsen in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand: 1. April 2020, BeamtStG, § 8 Rn. 17). Dem Kläger ist die Ernennungsurkunde zum … im Justizvollzugsdienst nie übergeben worden, sodass eine wirksame Ernennung nicht erfolgt ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Ernennungsurkunde bereits ausgestellt und ein Übergabetermin vereinbart war.
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2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 84 Abs. 1 Satz 3, § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).