Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 24.03.2021 – W 2 K 19.888
Titel:

Erfolglose Klage wegen fehlerhafter Bewertungen bei der Ersten Juristischen Staatsprüfung

Normenkette:
BayJAPO § 14, § 30, § 31
Leitsatz:
Im Gegensatz zu Prüfungsentscheidungen, welche nur einer eingeschrnkten gerichlichen Überprüfung unterliegen, sind Fachfragen, d.h. Fragen, die einer fachwissenschaftlichen Erörterung zugänglich sind, uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Für letztere ist entscheidend, ob die vom Prüfungsteilnehmer vertretene Auffassung nach dem Stand der Fachwissenschaft vertretbar ist. Dieser objektive Bewertungsmaßstab tritt für die Beantwortung von Fachfragen an die Stelle der autonomen Einschätzung des Prüfers. (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erste Juristische, Staatsprüfung 2019/1, Bewertungen der Klausuren 2, 4 und 5, Beurteilungsfehler, verneint, Erste Juristische Staatsprüfung 2019/1, Erste Juristische Staatsprüfung, Erste Juristische Prüfung, Beurteilungsfehler verneint, Bewertungen der Klausuren 2, 4 und 5, Prüfungsrecht, Staatsexamen, Nachprüfung, Nachprüfungsverfahren, Fachfragen, Prüfungsentscheidungen, gerichtliche Überprüfbarkeit
Fundstelle:
BeckRS 2021, 12450

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die Bewertung von drei schriftlichen Arbeiten im Rahmen des Ersten Juristischen Staatsexamens im Termin 2019/1.
2
Der Kläger nahm im Termin 2019/1 an der Ersten Juristischen Staatsprüfung als Wiederholer teil. Mit Bescheid vom 26. Juni 2019 teilte das Bayer. Staatsministerium der Justiz dem Kläger mit, dass er die Prüfung erneut nicht bestanden habe. Seine schriftlichen Arbeiten wurden wie folgt bewertet:

Aufgabe

1

2

3

4

5

6

Punktzahl

4,0

4,0

4,0

1,5

4,0

4,0

3
Als Prüfungsgesamtnote erzielte der Kläger 3,58 Punkte (mangelhaft). Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass eine weitere Wiederholung der Prüfung auch nach einem erneuten Studium nicht möglich sei (§ 36 Abs. 1 JAPO).
4
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 23. Juli 2019 beantragte der Kläger beim Beklagten die Nachprüfung. Es wurden Einwendungen gegen die Bewertung der Klausuren 2, 4 und 5 erhoben. Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens wurden die Stellungnahmen der jeweiligen Prüfer eingeholt, auf die Bezug genommen wird. Die Prüfer hielten an ihren Bewertungen fest.
II.
5
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 23. Juli 2019, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, ließ der Kläger bei Gericht Klage erheben. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:
6
Bezüglich der Klausur 2, die von beiden Prüfern mit 4 Punkten bewertet wurde, rüge der Kläger, die Prüfer monierten zu Unrecht, dass er den Zahlungsanspruch für die gesamte Zeit auf § 535 Abs. 2 BGB stütze und konkurrierende Anspruchsgrundlagen, insbesondere § 987 BGB, nicht erörtere. Nach dem Lösungsweg des Klägers sei es jedoch konsequent, den Zahlungsanspruch auf § 535 Abs. 2 BGB zu stützen. Da der Kläger die nachträgliche Zahlung der rückständigen Miete fehlerhafterweise bei der Schlüssigkeitsprüfung gem. § 331 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO berücksichtigt habe, sei er in sich folgerichtig zu dem Ergebnis gekommen, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam und das Mietverhältnis nicht beendet worden sei. Er hätte sich daher selbst widersprochen, wenn er die von den beiden Korrektoren erwartete Differenzierung zwischen den Zeiträumen vor und nach der fristlosen Kündigung vorgenommen hätte. Auch die Anfertigung eines Hilfsgutachtens zu dieser Frage wäre ein Fehler gewesen, da es eine unzulässige Alternativlösung darstellen würde.
7
Hinsichtlich der Klausur 4, die vom Erstprüfer mit 2 Punkten und vom Zweitprüfer mit 1 Punkt bewertet wurde, beanstande der Kläger, dass der Erstkorrektor in der zusammenfassenden Würdigung ausführe, die Auffassung, J. habe bedingt vorsätzlich gehandelt, sei unvertretbar und es fehle folglich jegliche Erörterung der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen. Da bedeutende Stimmen des Schrifttums eine Anerkennung des voluntativen Elements mit Blick auf den Eventualvorsatz ablehnten, sei die Annahme von bedingtem Vorsatz sehr wohl vertretbar. Zudem könne dem Kläger nicht der Vorwurf gemacht werden, die Fahrlässigkeitsprüfung nicht zu leisten, da diese nur bei einem Verneinen des Vorsatzes angezeigt gewesen wäre. Soweit der Erstprüfer darüber hinaus moniere, der Kläger habe die meisten Probleme nicht erkannt, bleibe er deren nähere Konkretisierung schuldig. Der Kläger habe zu etlichen Problemen Ausführungen gemacht und sie damit behandelt und erkannt. Zudem dürfe das Erkennen der zentralen Probleme erst in deutlich höheren Notenbereichen gefordert werden. Da der Zweitprüfer den tatsächlichen Feststellungen des Erstprüfers beigetreten sei, habe er dessen Bewertungsfehler übernommen.
8
Hinsichtlich der Bewertung der Klausur 5, die von beiden Prüfern mit 4 Punkten bewertet wurde, rüge der Kläger, dass der Erstkorrektor in seiner zusammenfassenden Bewertung moniere, die Fristproblematik als Hauptthema des Aufgabenteils 1 werde verkannt. Verkennen bedeute laut Duden das Nichterkennen einer Problematik. Dies treffe auf die Bearbeitung nicht zu. Der Kläger berechne die Monatsfrist zutreffend. Weiter erkenne er als Kern des Problems, dass der Antrag nach § 124a Abs. 4 Satz 1 Satz 2 VwGO beim VG und nicht beim VGH zu stellen gewesen wäre. Zutreffend werde auch ausgeführt, dass eine Weiterleitung durch den VGH an das VG erst nach Fristablauf erfolgt sei. Allein die Lösung über die Vorverlagerung auf die Einreichung beim VGH über § 173 VwGO i.V.m. § 167 ZPO vermöge nicht zu überzeugen, auch wenn es durchaus vertretbar erscheine, aufgrund § 83 VwGO, § 17a Abs. 2, 17b GVG die Einreichung beim VG als fristwahrend zu bewerten, was der Lösung im Fall der Klageeinreichung beim örtlich unzuständigen VG entspreche. Die Stellungnahme des Erstprüfers im Nachprüfungsverfahren, dass sich die Verwendung des Begriffs „verkannt“ auf die „widersprüchlichen Ausführungen“ des Klägers beziehe, räume die geltend gemachten Bedenken gegen die Korrektur nicht aus. Da sich der Zweitprüfer den Ausführungen des Erstprüfers - auch im Nachprüfungsverfahren -angeschlossen habe, habe er sich dessen Bewertungsfehler zu Eigen gemacht.
9
Der Kläger lässt beantragen,
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Juni 2019 verpflichtet, über das Bestehen der Ersten Juristischen Staatsprüfung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
10
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
11
Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen der Prüfer ausgeführt:
12
Bei der Klausur 2 hätte der Kläger eine Differenzierung zwischen den Zeiträumen vor und nach der fristlosen Kündigung selbst bei dem von ihm eingeschlagenen Weg vornehmen müssen. Es sei umstritten, ob mit der Zahlung rückständiger Miete die fristlose Kündigung nach § 569 Abs. 3 Satz 2 BGB ex tunc oder ex nunc unwirksam sei. Folge man der herrschenden Meinung, wonach die Zahlung nicht zurückwirke, hätten für die Schwebezeit Ansprüche sowohl auf eine Entschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB als auch aus § 987 BGB bestanden. Dass der Kläger diese Problematik erkannt und einer bestimmten Ansicht unter Ablehnung der anderen gefolgt sei, sei der Klausur nicht zu entnehmen. Im Übrigen sei die Problematik der Unterscheidung zwischen den Zeiträumen vor und nach der fristlosen Kündigung im Sachverhalt offensichtlich angelegt. Der Kläger hätte die Thematik daher in jedem Fall hilfsgutachterlich bearbeiten müssen. Eine Überschreitung des Bewertungsspielraums der Prüfer liege insoweit nicht vor.
13
Hinsichtlich Klausur 4 sei die Bewertung des Erstkorrektors, die Annahme eines Eventualvorsatzes des J. sei unvertretbar, zutreffend und frei von Bewertungsfehlern. Die Annahme eines Eventualvorsatzes sei nach dem Sachverhalt abwegig und hätte einer fundierten, schlüssigen und widerspruchsfreien Begründung bedurft. An einer solchen fehle es jedoch. Im Einleitungssatz der Prüfung des subjektiven Tatbestandes definiere der Kläger den Vorsatz mit Wissen und Wollen der Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes. Er setze damit auch das Vorliegen eines voluntativen Elementes voraus. Auf Seite 7 lasse der Kläger dann aber für den Eventualvorsatz genügen, dass J. die Gefährlichkeit der Steinwürfe erkannt und den Eintritt eines tatbestandlichen Erfolges für möglich gehalten habe, so dass der Kläger den Vorsatz allein auf das Vorliegen von Wissenselementen stütze. Bereits insoweit verfingen sich die Ausführungen des Klägers in Widersprüche. Diese würden noch deutlicher, wenn man die Bearbeitung auf Seite 6 unten betrachte. Hier komme der Kläger zu dem Ergebnis, dass J. entgegen der zuvor geschilderten Darstellung geglaubt habe, dass ein Wurf schräg nach oben keine Gefahr begründe, so dass J. danach die Gefährlichkeit gerade nicht erkannt habe. Auch im Übrigen widersprächen sich die Ausführungen auf Seiten 6 und 7 fortwährend und könnten nicht überzeugen.
14
Hinsichtlich der Klausur 5 kritisiere der Kläger zu Unrecht, dass der Erstprüfer die Fristenproblematik als „verkannt“ bewertet habe. Es stelle einen gravierenden Mangel dar, hinsichtlich der Fristwahrung auf § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 167 ZPO abzustellen. Statt auf § 167 ZPO hätte der Kläger auf die prozessuale Fürsorgepflicht des Gerichts eingehen müssen, die allerdings nach herrschender Meinung nur erfordere, dass eine Weiterleitung überhaupt stattfinde. Für die Fristwahrung sei sodann allein auf den nach Weiterleitung erfolgten Eingang beim zuständigen Gericht abzustellen. Auf diese Thematik gehe der Kläger jedoch nicht ein. Insoweit verkenne er die eigentliche Problematik bei einer Einreichung eines Antrags auf Berufungszulassung beim falschen Gericht. Die Korrekturen kämen deshalb rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis, dass der Kläger die vorliegende Fristproblematik verkannt habe.
15
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 24. März 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 26. Juni 2019 ist im streitgegenständlichen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubewertung der angegriffenen Prüfungsaufgaben 2, 4 und 5 (§ 113 Abs. 5 VwGO).
17
Die Aufhebung eines Prüfungsbescheids und die Verpflichtung der Behörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen, setzt voraus, dass die Bewertung fehlerhaft ist und dieser Fehler Einfluss auf das Gesamtergebnis hat.
18
Prüfungsentscheidungen unterliegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Dies folgt aus der Eigenart einer Prüfungsentscheidung als einem höchstpersönlichen Fachurteil über die Qualität einer Prüfungsleistung. Soweit es sich um prüfungsspezifische Wertungen handelt, steht den Prüfern ein Bewertungsspielraum zu. Der prüfungsspezifische Bewertungsspielraum bezieht sich auf die Gesichtspunkte, die sich wegen ihrer prüfungsspezifischen Komplexität im Verwaltungsstreitverfahren nicht ohne weiteres - insbesondere nicht isoliert - nachvollziehen lassen und daher mit rein objektiven Maßstäben kaum messbar sind. Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraumes sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels. In diesen Bewertungsspielraum dürfen die Gerichte nicht eindringen; hier haben sie nur zu prüfen, ob der Prüfer die rechtlichen Grenzen seines Beurteilungsspielraums überschritten hat. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn das vorgeschriebene Prüfungsverfahren nicht eingehalten worden ist, der Prüfer von falschen Tatsachen ausgegangen ist, er allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet hat, sich von unsachlichen Erwägungen hat leiten lassen oder seine Bewertung willkürlich ist. Zudem müssen die prüfungsspezifischen Wertungen und Gewichtungen nachvollziehbar sein; sie dürfen insbesondere keine inhaltlichen Widersprüche enthalten (BVerwG, B.v. 28.6.2018 - 2 B 57/17 - juris; B.v. 5.3.2018 - 6 B 71/17 - juris).
19
Uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar sind hingegen Fachfragen, d.h. Fragen, die einer fachwissenschaftlichen Erörterung zugänglich sind. Für diese ist entscheidend, ob die vom Prüfungsteilnehmer vertretene Auffassung nach dem Stand der Fachwissenschaft vertretbar ist. Dieser objektive Bewertungsmaßstab tritt für die Beantwortung von Fachfragen an die Stelle der autonomen Einschätzung des Prüfers. Die Verwaltungsgerichte haben nachzuprüfen, ob der Prüfer diesen Maßstab beachtet, d.h. eine fachlich richtige oder doch vertretbare Bemerkung nicht als falsch bewertet hat (BVerwG, B.v. 5.3.2018 - 6 B 71/17 - juris; B.v. 17.12.1997 - 6 B 55/97 - juris).
20
Das Gericht hat jedoch die zu Grunde liegenden Prüfungsbewertungen nur insoweit zu überprüfen, als vom Prüfling dagegen substantiierte Einwendungen vorgebracht werden. Der Prüfling muss also auf vermeintliche Irrtümer und Rechtsfehler wirkungsvoll hinweisen (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/81 - juris Rn. 44). Dazu genügt es nicht, dass er sich generell gegen eine bestimmte Bewertung seiner Prüfungsleistungen wendet und etwa pauschal eine zu strenge Korrektur bemängelt. Vielmehr muss er konkret darlegen, in welchen Punkten die Korrektur bestimmter Prüfungsleistungen nach seiner Auffassung Bewertungsfehler aufweist, indem er substantiierte Einwände gegen Prüferbemerkungen und -bewertungen erhebt. Macht er geltend, dass etwa eine als falsch bewertete Antwort in Wahrheit vertretbar sei und auch so vertreten werde, so hat er dies unter Hinweis auf entsprechende Fundstellen näher darzulegen (BVerwG, U.v. 24.2.1993 - 6 C 35/92 - juris Rn. 27).
21
Ist die vom Prüfling gerügte Bewertung einer Prüfungsaufgabe fehlerhaft und hat dieser Fehler Einfluss auf das Prüfungsergebnis, so führt dies zur Aufhebung des Bescheides über die Prüfungsendnote und zur Verpflichtung der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen. Können allerdings Auswirkungen dieser materiellen Prüfungsfehler auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung ausgeschlossen werden, so folgt - wie bei unwesentlichen Verfahrensfehlern - aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, dass ein Anspruch auf Neubewertung nicht besteht, weil sich die Prüfungsentscheidung im Ergebnis als zutreffend und damit als rechtmäßig darstellt (BVerwG, B.v. 13.3.1998 - 6 B 28/98 - juris).
22
Nach diesen Maßgaben kann der Kläger mit seinen Rügen nicht durchdringen.
23
1.1. Bei der Korrektur der Prüfungsaufgabe 1 lässt sich kein Bewertungsfehler feststellen. Die Rüge, es sei von den Prüfern zu Unrecht moniert worden, dass der Kläger den Zahlungsanspruch für die gesamte Zeit auf § 535 Abs. 2 BGB stütze und nicht zwischen den Zeiträumen vor und nach der fristlosen Kündigung differenziere, obwohl dies nach seinem Lösungsweg konsequent sei, da der Kläger davon ausgegangen sei, dass das Mietverhältnis aufgrund der Zahlung der rückständigen Miete nicht beendet worden sei, greift nicht durch. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Prüfer auch nach dem vom Kläger eingeschlagenen Lösungsweg eine Differenzierung zwischen den Zeiträumen vor und nach der fristlosen Kündigung erwartet haben. Denn es ist umstritten, ob die Zahlung rückständiger Miete nach § 569 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Wirkung ex tunc oder ex nunc zur Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung führt. Bei Annahme einer Unwirksamkeit ex nunc mit der herrschenden Meinung hätten nach dem Lösungsweg des Klägers Ansprüche auf Entschädigung aus § 546 a Abs. 1 BGB und § 987 BGB bestanden. Das Fehlen von Ausführungen hierzu und die damit unterbliebene Differenzierung zwischen den Zeiträumen vor und nach der fristlosen Kündigung durften die Prüfer bemängeln. Ein Bewertungsfehler ist nicht erkennbar.
24
1.2. Auch hinsichtlich der Klausur 4 besteht kein Anspruch auf Neubewertung.
25
Zwar hat der Erstprüfer in seiner zusammenfassenden Würdigung der Arbeit bemängelt, die Auffassung, J. habe bedingt vorsätzlich gehandelt, sei unvertretbar, obwohl die Annahme von dolus eventualis des J. nach der in der Literatur vertretenen Mindermeinung der sog. Möglichkeitstheorie im Ergebnis vertretbar ist. Dies hat der Zweitprüfer durch sein Beitreten zu den Feststellungen des Erstprüfers übernommen.
26
In seiner Stellungahme im Nachprüfungsverfahren hat der Zweitprüfer jedoch klargestellt, dass die Bejahung von bedingtem Vorsatz nur akzeptabel gewesen wäre, wenn man sich mit der Mindermeinung der Möglichkeitstheorie allein mit dem kognitiven Vorsatzelement begnügen würde und weiter ausgeführt, dass dann jedoch die verschiedenen Positionen hätten dargestellt werden müssen, ebenso wie der Kläger hätte begründen müssen, warum er nicht der Billigungstheorie folge, die er jedoch im Anfang referiert habe, worin ein Widerspruch liege.
27
Der Erstprüfer hat in seiner schriftlichen Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren dargelegt, dass die Ausführungen des Klägers zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit in sich widersprüchlich seien, da sich der Kläger anfangs der Billigungstheorie anschließe und sodann völlig konträr zu seiner eigenen Ausgangsargumentation bewusste Fahrlässigkeit ablehne. Selbst unter Berücksichtigung der in der Literatur vertretenen Mindermeinung der Möglichkeitstheorie seien die Ausführungen des Klägers daher völlig unbrauchbar. Eine andere Bewertung sei auch bei Berücksichtigung der Vertretbarkeit der Möglichkeitstheorie nicht gerechtfertigt.
28
Diese Kritik der Prüfer ist nicht zu beanstanden. Zwar ist die Annahme von bedingtem Vorsatz des J. und damit das vom Kläger gefundene Ergebnis als solches vertretbar. Die Herleitung dieses Ergebnisses durch den Kläger ist jedoch in keiner Weise nachvollziehbar. Seine Ausführungen hierzu sind mehrfach in sich widersprüchlich. Obwohl der Kläger auf Seite 6 Vorsatz als „Wissen und Wollen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes“ definiert, lässt er es auf Seite 7 genügen, dass J. die Gefährlichkeit der Steinwürfe und den Eintritt eines tatbestandlichen Erfolges „für möglich hält“, was er zuvor auf Seite 6 unten jedoch verneint hatte, und kommt zu dem Ergebnis, dass J. deswegen die Verwirklichung des gesetzlichen Erfolges „billigend in Kauf genommen hat“. Der Kläger vermischt damit die verschiedenen Theorien zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit und schließt sich nicht bewusst der Möglichkeitstheorie unter Auseinandersetzung mit der herrschenden Meinung an. Dass seine Ausführungen vor diesem Hintergrund als unbrauchbar bewertet wurden, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Ein kausaler Bewertungsfehler ist nicht festzustellen.
29
Auch die weiteren Rügen des Klägers gegen die Korrektur der Klausur 4 greifen nicht durch. Dass die unterbliebene Prüfung einer fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen als Fehler gewertet wurde, lässt sich den Korrekturbemerkungen nicht entnehmen. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die Prüfer monieren, dass die Hauptprobleme der Arbeit entweder gar nicht oder verfehlt erörtert werden. Dies durften sie aufgrund des ihnen zustehenden prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums bei der vergebenen Notenstufe „mangelhaft“ berücksichtigen. Auch legen beide Prüfer in ausreichendem Umfang dar, worin sie zentrale Mängel der Arbeit sehen.
30
1.3. Auch hinsichtlich der Bewertung der Klausur 5 lässt sich kein Bewertungsfehler erkennen.
31
Die vom Zweitprüfer übernommene Bewertung des Erstprüfers, der Kläger habe bei Frage 1 die Fristenproblematik als Hauptthema dieses Aufgabenteils verkannt, ist nicht zu beanstanden. Denn der Kläger hat die Frage der fristgemäßen Rechtsmitteleinlegung falsch beurteilt und damit verkannt.
32
Soweit der Erstprüfer in seiner Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren ausführt, dass sich der Begriff „verkennt“ auf die inhaltlich widersprüchlichen Ausführungen bezöge, was der Zweitprüfer ebenfalls übernommen hat, hat der Erstprüfer in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er mit der Begriffsverwendung „widersprüchlich“ habe ansprechen wollen, dass es sich hinsichtlich der Fristproblematik um keine konsistente Lösung gehandelt habe. Der Zweitprüfer hat sich dem angeschlossen.
33
Diese Kritik der Prüfer ist nicht zu beanstanden. Obwohl der Kläger zunächst feststellt, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist dem nach § 124a Abs. 4 Satz 2 VwGO zuständigen VG „zugestellt“ wurde, kommt er unter fehlerhafter Heranziehung der nicht einschlägigen Vorschrift des § 167 ZPO zu dem Ergebnis, die Rechtsmittelfrist sei gewahrt worden, da die Antragschrift fristgemäß beim VGH eingelegt worden sei und dieser sie ordnungsgemäß und somit „demnächst“ an das VG weitergeleitet habe. Dies durfte als nicht konsistente Lösung und Verkennen der Fristproblematik als Hauptthema des Aufgabenteils gewertet werden. Ein Bewertungsfehler ist nicht festzustellen.
34
Nach alledem bleibt die Klage ohne Erfolg.
35
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 1 VwGO.
36
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.