Titel:
Zusatzpflicht für nicht von medizinischer Fakultät verliehene Professorentitel
Normenketten:
GG Art. 12 Abs. 1
Berufsordnung für die Ärzte Bayerns § 27 Abs. 6 S. 4
Leitsatz:
§ 27 Abs. 6 S. 4 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns, wonach eine nicht von einer medizinischen Fakultät verliehene Professorenbezeichnung nur unter Angabe der Fakultäts- und Hochschulzugehörigkeit geführt werden darf, ist mit Art. 12 GG vereinbar, weil sie dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung dient. (Rn. 22 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Führen einer Professorenbezeichnung, Zusatzpflicht für einen nicht von einer medizinischen Fakultät verliehenen Titel, Berufsausübungsfreiheit, Zusatzpflicht für Professorentitel
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 08.08.2024 – 21 ZB 21.1536
Fundstelle:
BeckRS 2021, 12285
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt das Führen einer Professorenbezeichnung („Prof.“) ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit.
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Die Klägerin ist Professorin für Traditionelle Europäische Naturheilkunde, Traditionelle Chinesische Medizin und Medizinpädagogik an der staatlich anerkannten Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport,, und niedergelassene Fachärztin für Allgemeinmedizin.
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Im Juli 2013 wurde seitens der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft * gegenüber der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport bestätigt, dass bei der Klägerin die Einstellungsvoraussetzungen für eine Professur gemäß § 100 Abs. 1 BerlHG vorlägen. Die Klägerin sei mit Aufnahme ihrer Tätigkeit an der Hochschule berechtigt, den Professorentitel zu führen.
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Mit Schreiben vom 4. Februar 2015 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie ihren Professorentitel im Internetauftritt ihrer Gemeinschaftspraxis nicht korrekt ankündige. Sie müsse in Zukunft folgende Bezeichnung verwenden: „Prof. (Hochschule für Gesundheit und Sport, *)“.
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Mit Schreiben vom 12. Juni 2019 führte der Beklagte gegenüber der Klägerin aus, dass die Klägerin auf der Homepage der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport sowie im Internetauftritt ihrer Gemeinschaftspraxis nunmehr den Titel „Prof. Dr. med.“ führe, und bat sie um Richtigstellung auf beiden Seiten und künftige Beachtung.
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Dem entgegnete der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 6. September 2019, dass die Klägerin den Titel „Prof. Dr. med.“ auf der Homepage der Gemeinschaftspraxis entgegen der Darstellung des Beklagten nicht führe. Weiter habe sie an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport nicht lediglich einen Lehrauftrag, sondern sei dort angestellt. Aufgrund der Zustimmung der Senatsverwaltung aus dem Juli 2013 sei sie berechtigt, den Professorentitel zu führen. Die Forderung aus dem Schreiben vom 12. Juni 2019 werde zurückgewiesen. Der Beklagte gehe von falschen rechtlichen Maßgaben aus. Eine Habilitation sei weder hochschul- noch berufsrechtlich Voraussetzung für die Führung eines Professorentitels. § 27 Abs. 6 Satz 4 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (BO) sehe zwar vor, dass eine Professorenbezeichnung nur unter Angabe der Fakultäts- und Hochschulzugehörigkeit geführt werden dürfe, wenn er nicht von einer medizinischen Fakultät verliehen worden sei. Die Titelführung auf der Homepage der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport falle jedoch nicht in den Anwendungsbereich der Regelung, da diese nur die berufliche Kommunikation der Ärzte regele. Auch auf der Homepage der Gemeinschaftspraxis dürfe die Klägerin ihren Professorentitel ohne Angabe der Hochschulangehörigkeit führen. Der Titel sei zwar nicht von einer medizinischen Fakultät verliehen worden, er weise aber einen engen fachlichen Bezug zur Medizinwissenschaft auf. Nach der Rechtsprechung sei auch in diesen Fällen die Titelführung ohne Zusatz erlaubt. Die Klägerin sei im Übrigen als Professorin in die Betreuung medizinischer Doktorarbeiten an der * eingebunden. Dies ergänze den fachlichen Bezug ihrer Professur zur Medizinwissenschaft. Zur Vermeidung von Nachteilen werde die Klägerin bis auf weiteres und ohne Anerkennung einer entsprechenden Rechtspflicht ihren Professorentitel zunächst mit dem vom Beklagten verlangten Zusatz führen. Der Beklagte werde aufgefordert zu bestätigen, dass die Klägerin berechtigt sei, ihren Professorentitel auch nach Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport weiter zu führen und ihn sowohl auf der Homepage der Hochschule als auch auf der Homepage ihrer Gemeinschaftspraxis sowie sonst in ihrer ärztlich beruflichen Kommunikation ohne die vom Beklagten geforderte Angabe der Hochschule zu führen.
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Mit Schreiben vom 26. September 2019 teilte die Bayerische Landesärztekammer dem Beklagten mit, dass dem Bevollmächtigten der Klägerin insofern recht zu geben sei, als die Ankündigung auf der Internetseite der Hochschule nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO falle. Die klägerseits zitierten Gerichtsentscheidungen würden aber von anderen rechtlichen Grundlagen ausgehen. Die Berufsordnung für die Ärzte Bayerns regele die Problematik in § 27 Abs. 6 Satz 4 BO explizit. Es sei ausdrücklich der Wunsch des bayerischen Satzungsgebers gewesen, dass Professorenbezeichnungen von nichtmedizinischen Fakultäten als solche gekennzeichnet würden. Hinsichtlich des Führens der Professorenbezeichnung nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sei dem Bevollmächtigten der Klägerin wiederum Recht zu geben, da das * Hochschulgesetz die genannten Vorschriften so regele.
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Mit Schreiben vom 2. Oktober 2019 bestätigte der Beklagte gegenüber der Klägerin, dass ihr auch nach dem Ausscheiden aus der Hochschule das Recht zur Führung des Professorentitels zustehe, wenn ihr Arbeitsverhältnis nicht vor Ablauf einer gesamten Beschäftigungsdauer von fünf Jahren beendet worden sei. Die Ankündigung auf der Internetseite der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport unterfalle nicht dem Anwendungsbereich des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO. Die Klägerin müsse jedoch im Rahmen ihrer ärztlichen Berufsausübung, insbesondere auf der Praxishomepage, den Zusatz nach § 27 Abs. 6 Satz 4 BO führen. Ihr sei die Bezeichnung „Professor“ nicht von einer medizinischen Fakultät verliehen worden. Der Zusatz verstoße auch nicht gegen die Berufsfreiheit der Ärzte. Die sehr geringe Beeinträchtigung der Berufsfreiheit der Klägerin sei angemessen im Hinblick auf die Unterschiede in der Wertschätzung, die das allgemeine Publikum der Grundlage der Berechtigung zur Führung der Bezeichnung „Professor“ entgegenbringe.
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Am 28. Januar 2020 ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen,
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festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, ihre Professorenbezeichnung („Professor“/„Prof.“) in der ärztlich-beruflichen Kommunikation ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit zu führen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klage als allgemeine Feststellungsklage zulässig sei. Die Klägerin habe das erforderliche Feststellungsinteresse, da ihr nicht zugemutet werden könne, der von dem Beklagten geäußerten Rechtsauffassung zuwider zu handeln und berufsaufsichtliche Maßnahmen zu riskieren. Die Klage sei auch begründet, weil der Klägerin der geltend gemachte Feststellungsanspruch zustehe. Sie sei nach dem * Hochschulrecht berechtigt, den Professorentitel zu führen. Diesen dürfe sie auch im ärztlich-beruflichen Bereich ohne Zusatz führen. Dem stehe die Berufsordnung für die Ärzte Bayerns nicht entgegen, weil die Professur der Klägerin einen engen fachlichen Bezug zur medizinischen Wissenschaft im Allgemeinen habe. Die Vorschrift des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO bedürfe vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit der Korrektur. Zweck der Vorschrift sei es, Irreführungen zu vermeiden. Diesem Zweck könne mit einer Unterscheidung nach dem formellen Kriterium der Fakultätszugehörigkeit nicht genügt werden, sondern allein mit dem inhaltlichen Bezug der Professur zur medizinischen Wissenschaft. Der Wortlaut der Vorschrift stehe dem nicht entgegen, weil die verfassungskonforme Auslegung es ermögliche, die Regelungsabsicht des Satzungsgebers, soweit wie verfassungsrechtlich möglich, aufrechtzuerhalten. Entgegen des Vorbringens des Beklagten sei die dargestellte Rechtsprechung auf die Vorschrift des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO uneingeschränkt übertragbar, da das formelle Kriterium der Fakultätszugehörigkeit zur Zweckerreichung bereits ungeeignet sei. Der Professorentitel der Klägerin genüge dem ausschlaggebenden materiellen Kriterium, da der enge fachliche Bezug zur Medizinwissenschaft vorliege. Die Klägerin verantworte neben ihren Professuren als Studiengangsleiterin an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport die Bachelor-Studiengänge Komplementärmedizin und Naturheilverfahren sowie den Masterstudiengang Gesundheitswissenschaften. Sie sei auch für die Betreuung der Themenmodule zuständig. Ein besonders enger Bezug der Professur bestehe schließlich zu den von der Klägerin praktizierten medizinischen Fachbereichen. Zudem sei sie in die Betreuung medizinischer Doktorarbeiten an der * eingebunden. Selbst wenn man die beschriebene verfassungskonforme Auslegung ablehne, sei der Klage stattzugeben, da die Vorschrift des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO dann schlicht verfassungswidrig und nichtig wäre.
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Auf die Klagebegründung wird im Einzelnen Bezug genommen.
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Der Beklagte beantragt,
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Die Klage sei jedenfalls unbegründet. Im Gegensatz zur Muster-Berufsordnung der Bundesärztekammer habe der Bayerische Ärztetag die Regelungen des § 27 Abs. 6 BO bewusst aufrechterhalten, um eine dem Patientenwohl dienende Differenzierung bei der Führung von Professorenbezeichnungen vorzunehmen. Zweck der Regelung sei es, eine berufswidrige Werbung durch fachfremde Professorentitel und darüber falsche Vorstellungen bei Patienten zu verhindern. Die vom Bevollmächtigten der Klägerin zitierte Auffassung, das formelle Kriterium „Professur an einer medizinischen Fakultät“ sei nicht geeignet, diesen Zweck zu erreichen, bleibe hinter dem weitergehenden Zweck der Vorschrift und der tatsächlichen Umsetzbarkeit zurück. Neben der wissenschaftlichen Qualifikation, die mit einer Professur an einer medizinischen Fakultät verbunden sei, sei der betroffene Arzt maßgeblich in die Ausbildung junger ärztlicher Kollegen eingebunden, erwerbe damit auch eine Reputation im ärztlichen Kollegenkreis und sei Teil der Weiterentwicklung der Medizinwissenschaft. Die Vorlesungen der Klägerin würden sich dagegen nicht an Medizinstudenten, sondern an Studenten der Gesundheitswissenschaften richten, deren Ziel nicht die Ausübung ärztlicher Tätigkeit sein könne. Zudem stelle das formale Kriterium eine für den Patienten und für berufsrechtliche Körperschaften nachvollziehbare, umsetzbare und eindeutige Abgrenzung dar. Andernfalls müsse in regelmäßigen Abständen die wissenschaftliche Professorentätigkeit des betroffenen Arztes auf den weiterhin bestehenden engen fachlichen Bezug zur Medizinwissenschaft überprüft werden. Darüber hinaus liege im Fall der Klägerin kein enger fachlicher Bezug zur Medizinwissenschaft vor. Die angegebene Tätigkeit und Vorlesungsthemen könnten zwar im weitesten Sinne zum Bereich der Komplementärmedizin und Gesundheit hinzugezählt werden, würden aber von Seiten der medizinischen Hochschule nicht zum Kernbereich der ärztlichen Ausbildung gerechnet und fänden sich nicht in der ärztlichen Approbation. Zudem sei dem Beklagten nicht bekannt, ob die Klägerin auch das Verfahren zum Erhalt der Lehrbefähigung durchlaufen habe. Zur Verfassungsgemäßheit sei auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 4. Juni 2003 (Az. Vf. 4-VII-02) hinzuweisen. Gleiches müsse auch für den in § 27 Abs. 6 Satz 4 BO geregelten Zusatz der Fakultäts- und Hochschulbezeichnung gelten.
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Mit Schreiben vom 28. April 2020 nahm der Bevollmächtigte der Klägerin Stellung. Die Regelung des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO sei in der Muster-Berufsordnung der Bundeärztekammer und von den meisten Landesärztekammern längst aufgegeben worden. Die Rechtspraxis in anderen Bundesländern wirke sich auf den Erwartungshorizont bayerischer Patienten aus. Insbesondere die Internetauftritte von Arztpraxen seien länderübergreifend einsehbar. Der fachliche Bezug zur Medizinwissenschaft sei bei der Professur der Klägerin gegeben. Auf die Vorbehalte des Beklagten gegen die Komplementärmedizin komme es nicht an. Der medizinwissenschaftliche Wert komplementärmedizinischer Ansätze sei nicht entscheidungserheblich, sondern die berufsrechtliche Beurteilung der von der Klägerin gelehrten Ansätze. Die Professur der Klägerin weise einen hinreichenden fachlichen Bezug zur Medizinwissenschaft auf, weil komplementärmedizinische Ansätze weitreichend akzeptiert seien. Auch die Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer kenne komplementärmedizinische therapeutische Verfahren zur Weiterbildung. Zudem lasse sich Komplementärmedizin nur ausgehend von den naturwissenschaftlichen und schulmedizinischen Grundlagen vermitteln. Das vom Beklagten befürwortete formelle Kriterium enthalte dagegen nicht notwendig eine Aussage zur medizinisch-fachlichen Qualifikation von Professoren. Die Professur der Klägerin habe auch einen engen Bezug zu der von ihr ausgeübten Tätigkeit als niedergelassene Ärztin. Die Professorenbezeichnung weise die Klägerin als Expertin auf dem Gebiet aus, auf dem sie tatsächlich tätig ist. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport zwischenzeitlich beendet. Da sie dort über fünf Jahre lang tätig gewesen sei, bleibe ihre Befugnis zur Führung der Professorenbezeichnung davon unberührt (§ 123 Abs. 6 Satz 5 i.V.m. § 103 Abs. 2 BerlHG).
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Mit Beschluss vom 24. Juni 2020 wurde der beschrittene Verwaltungsrechtsweg für zulässig erklärt.
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In der Sache wurde am 13. April 2021 mündlich vor Gericht verhandelt. Auf das Protokoll über die öffentliche Sitzung wird im Einzelnen Bezug genommen, ebenso wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte.
Entscheidungsgründe
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Die als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig erhobene Klage ist unbegründet.
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1. Die Klägerin ist nicht berechtigt, ihre Professorenbezeichnung in der ärztlich-beruflichen Kommunikation ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit zu führen.
21
a) Gemäß § 27 Abs. 6 Satz 4 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (BO), in Kraft getreten am 1. Januar 2021, darf die Bezeichnung „Professor“ nur unter Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit geführt werden, wenn diese von einer anderen als einer medizinischen Fakultät verliehen worden ist. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Professorentitel der Klägerin nicht von einer medizinischen Fakultät verliehen worden ist. Die Klägerin ist Professorin für Traditionelle Europäische Naturheilkunde, Traditionelle Chinesische Medizin und Medizinpädagogik an der staatlich anerkannten Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport, * (im Folgenden: DHGS). Bei der DHGS handelt es sich nicht um eine medizinische Fakultät im Sinne des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO. Bei wortlautgetreuer Anwendung der Norm ist die Klägerin daher nicht berechtigt, ihren Professorentitel ohne den von dem Beklagten verlangten Zusatz zu führen.
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b) § 27 Abs. 6 Satz 4 BO verstößt entgegen der Auffassung der Klägerseite nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
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Zu der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit der Berufsausübung gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. In den Bereich berufsbezogener Tätigkeiten fällt danach auch die berufliche Außendarstellung der Grundrechtsberechtigten einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste (BVerfG, B.v. 24.7.1997 - 1 BvR 1863/96 - juris m.w.N.). In diesen Schutzbereich greift das Verbot, einen nicht von einer medizinischen Fakultät verliehenen Professorentitel ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit zu führen, ein.
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Dieser Eingriff ist nur dann gerechtfertigt, wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Eine solche liegt mit § 27 Abs. 6 Satz 4 BO vor, denn auch die auf gesetzlicher Grundlage erlassenen, als Satzungen zu qualifizierenden Berufsordnungen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft werden dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht (vgl. BayVerfGH, E.v. 4.6.2003 - Vf. 4-VII-02 - BayVBl. 2004, 46/48 = juris Rn. 53 zu Art. 101 BV). Die vorliegende Berufsordnung findet ihre Ermächtigungsgrundlage wiederum in Art. 19 i.V.m. Art. 17 Heilberufe-Kammergesetz (HKaG), wonach die Berufsordnung insbesondere Vorschriften über die Praxisankündigung (Art. 19 Nr. 3 HKaG) sowie das Ausmaß des Verbots oder der Beschränkung der Werbung (Art. 19 Nr. 7 HKaG) enthalten kann.
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Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist vorliegend gewahrt. Die aus § 27 Abs. 6 Satz 4 BO resultierende Nichtberechtigung, einen nicht von einer medizinischen Fakultät verliehenen Professorentitel ohne Angabe der Fakultäts- und Hochschulangehörigkeit zu führen, stellt eine Berufsausübungsregelung dar und greift somit lediglich auf der untersten Stufe in die Berufsfreiheit der Klägerin ein. Berufsausübungsregelungen sind nach der Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts schon dann gerechtfertigt, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls diese zweckmäßig erscheinen lassen (BVerfG, U.v 11.6.1958 - 1 BvR 596/56 - NJW 1958, 1035). Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG liegt somit dann nicht vor, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist und wenn die dadurch bewirkte Beschränkung der Berufsausübung dem Betroffenen zumutbar ist (BayVerfGH, E.v. 4.6.2003 - Vf. 4-VII-02 - juris Rn. 56). Der mit der Norm verfolgte Zweck ergibt sich aus § 27 Abs. 1 BO. Sie dient der Gewährleistung des Patientenschutzes durch sachgerechte und angemessene Information und der Vermeidung einer dem Selbstverständnis des Arztes zuwiderlaufenden Kommerzialisierung des Arztberufs. Irrtümern in der Bevölkerung über die medizinische Qualifikation eines Arztes, die durch das Führen eines ggf. fachfremden akademischen Titels entstehen können, soll hierdurch entgegengewirkt werden. Die Vorschrift dient damit letztlich dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung (vgl. VG Oldenburg, U.v. 12.12.2000 - 12 A 3047/99 - juris Rn. 33 ff.; BayVerfGH, E.v. 4.6.2003 - Vf. 4-VII-02 - juris Rn. 57).
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Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist die Regelung des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO, die an die Verleihung der Bezeichnung „Professor“ durch eine medizinische Fakultät anknüpft, auch zur Erreichung des dargestellten Zwecks geeignet. Bei der Beurteilung der Geeignetheit des Mittels für den angestrebten Gemeinwohlzweck wird dem Normgeber grundsätzlich ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zugebilligt (Kämmerer in v. Münch/Kunig, 7. Aufl. 2021, GG, Art. 12 Rn. 126). Die Maßnahme muss geeignet sein, den verfolgten Zweck zumindest zu fördern; verfassungswidrig ist eine Maßnahme damit letztlich nur dann, wenn sie nicht dazu beiträgt, wenigstens einen legitimen Gesetzeszweck zu erfüllen (Manssen in v. Mangoldt/Klein/Starck, 7. Aufl. 2018, GG, Art. 12 Rn. 132). Das Führen eines Zusatzes, der auf die Herkunft eines nicht von einer medizinischen Fakultät verliehenen Professorentitels hinweist, ist nach Auffassung des Gerichts geeignet, Irrtümer der Bevölkerung über die medizinische Qualifikation eines Arztes zu vermeiden (anders im Fall einer vollständigen Versagung der Berechtigung zum Führen eines Professorentitels: VG Oldenburg, U.v. 12.12.2000 - 12 A 3047/99 - juris Rn. 36 ff.). Potentielle Patienten haben ein berechtigtes Interesse daran, über die Herkunft eines nicht von einer medizinischen Fakultät verliehenen Professorentitels informiert zu werden, denn ihr Vertrauen auf die besondere Qualifikation des Arztes im medizinischen Bereich knüpft gerade an die Verleihung des Titels durch eine medizinische Fakultät an. Nicht überzeugend ist die Auffassung des VG Oldenburg (a.a.O.), wonach das formale Kriterium der Verleihung durch eine medizinische Fakultät deshalb ungeeignet sei, weil Irrtümer auch erzeugt würden, wenn der Professorentitel auf Vorschlag einer medizinischen Fakultät, aber beispielsweise im medizinisch-historischen oder medizinisch-soziologischen Bereich verliehen worden sei. Selbst wenn ein solcher Titel aus der Sicht eines Teils der Öffentlichkeit möglicherweise kein auf den Arztberuf bezogenes Qualifikationsmerkmal darstellen würde, führt dies noch nicht zur völligen Ungeeignetheit des in § 27 Abs. 6 Satz 4 BO vorausgesetzten Kriteriums der Verleihung durch eine medizinische Fakultät. Denn es ist nicht erkennbar, dass dies der Regelfall wäre. Es mag weiter zutreffen, dass aus dem Umstand, dass der Professorentitel nicht auf Vorschlag einer medizinischen Fakultät verliehen wurde, nicht stets zu folgern ist, dass eine entsprechende wissenschaftliche Qualifikation im medizinischen Bereich nicht vorhanden ist (so VG Oldenburg, U.v. 12.12.2000 - 12 A 3047/99 - a.a.O.). Dies führt indes ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Satzungsgeber musste nicht alle denkbaren Möglichkeiten und Sichtweisen berücksichtigen, sondern durfte aus Gründen der Praktikabilität eine typisierende und pauschalierende Norm erlassen (BayVerfGH, E.v. 4.6.2003 - Vf. 4-VII-02 - juris Rn. 59).
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Die Regelung des § 27 Abs. 6 Satz 4 BO ist auch erforderlich und angemessen. Sie verpflichtet lediglich zur Offenlegung der tatsächlichen Verhältnisse, indem auf die Herkunft der Bezeichnung „Professor“ hinzuweisen ist (vgl. BayVerfGH, E.v. 4.6.2003 - Vf. 4-VII-02 - juris Rn. 54). Die Klägerin muss die ihr den Titel verleihende Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport nicht einmal in ausgeschriebener Form angeben. Die Beklagte hat ihr gegenüber bestätigt, dass insoweit die Abkürzung „DHGS *“ ausreichend ist. Demgegenüber stellt der mit der Norm verfolgte Zweck des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung ein Gemeinschaftsgut von hohem Rang dar. In Abwägung der widerstreitenden Interessen ist eine unverhältnismäßige Belastung der Klägerin somit nicht erkennbar.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.