Inhalt

LG Schweinfurt, Endurteil v. 08.02.2021 – 23 O 538/20
Titel:

Deckungsschutz aus Betriebsschließungsversicherung

Normenketten:
IfSG § 6, § 7
BGB § 305c, § 307
Leitsätze:
1. Verweisen die Bedingungen einer Betriebsschließungsversicherung zum Deckungsumfang "auf die in §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger", besteht kein Leistungsanspruch, wenn der wegen Covid-19 angeordnete Betriebsschließungszeitraum vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem Covid-19 namentlich in das IfSG aufgenommen wurde. (Rn. 20 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine deratrige Regelung in den Versicherungsbedingungen unterliegt als leistungsbeschreibende Klausel keiner Inhalts- oder Transparenzkontrolle. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebsschließungsversicherung, Covid-19, namentlich, Inhaltskontrolle, Transparenzgebot
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Urteil vom 07.10.2021 – 1 U 65/21
Fundstellen:
VersR 2021, 770
BeckRS 2021, 1221
LSK 2021, 1221

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Versicherungsleistungen wegen einer Betriebsunterbrechung im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19).
2
Die Klägerin betreibt ein Hotel mit Restauration in und ist mit der Beklagten über eine Betriebs- und Mehrkostenversicherung“ (Anlage Kl) verbunden. Die Beklagte verpflichtet sich in dieser Versicherung, der Klägerin den Schaden zu ersetzen
„[…] wegen einer behördlich angeordneten Betriebsschließung (§ 5) auf der Grundlage des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG)“
(§ 1 Nr. 3 der Versicherungsbedingungen - Anlage K2).
Weiter bestimmt § 5 der Versicherungsbedingungen das Folgende:
„ Versicherte Betriebsschließung
1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetztes (IfSG)
a) den versicherten Betrieb […] zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt […]
[…]
2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die in den §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“
(Anlage K2).
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Gemäß § 12 der Versicherungsbedingungen ist als Unterbrechungsschaden der Betriebsgewinn zu ersetzen sowie die Kosten, die in Folge der Betriebsunterbrechung nicht haben erwirtschaftet werden können, und zwar mit einer Tageshöchsthaftung von 959 € für die Dauer von 30 Tagen.
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Mit Wirkung zum 01.02.2020 weitete zunächst das Bundesministerium für Gesundheit gemäß Verordnung vom 30.01.2020 (BAnz AT 31.01.2020 VI) die Pflicht zur namentlichen Meldung gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG auf den Verdacht einer Erkrankung mit COVID-19 aus. Diese Verordnung wurde außer Wirkung gesetzt mit dem am 23.05.2020 in Kraft getretenen Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.05.2020 (BGBl. I, 1018). Seit Inkrafttreten dieses sog. Zweiten Bevölkerungsschutzgesetzes ist COVID-19 nunmehr in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst, t) bzw. § 7 Abs. 1 Nr. 44a IfSG namentlich aufgenommen.
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Zwischenzeitlich waren seit dem 18.03.2020 auf Grund der Allgemeinverfügung des Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 16.03.2020 zum Vollzug des IfSG und des LadSchIG unter dem Geschäftszeichen 51-G8000-2020/122-67 (BayMBI. 2020 Nr. 143) Gastronomiebetriebe sowie Hotels und Beherbergungsbetriebe auf Grund von COVID-19 zunächst untersagt worden. Hiervon war auch die Klägerin betroffen.
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Die Klägerin begehrt für die Unterbrechung ihres Betriebs in der Zeit vom 18.03.2020 bis zum 17.04.2020 Versicherungsleistungen von der Beklagten. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 16.04.2020 dies bereits zurückgewiesen hatte, verlief auch eine dahingehende anwaltliche Aufforderung für die Klägerin vom 30.04.2020 (Anlage K4) ohne Erfolg.
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Die Klägerin behauptet im Wesentlichen, während der Betriebsschließung seien ihr als zu erwirtschaftender Rohertrag 17.451,07 € entgangen. Erspart habe sie durch die Schließung allein Betriebskosten in Höhe von 250 €, wohingegen sie die Kosten des Wareneinkaufs in der Zeit vom 01.03.2020 bis zum 15.03.2020 mit 9.963,63 € nicht mehr habe realisieren können. Der Unterbrechungsschaden summiere sich damit auf 27.164,7 €.
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Sie meint, die Beklagte habe vorstehenden Betrag aus der Versicherung zu erstatten und außerdem die Kosten der anwaltlichen Anspruchsverfolgung zu ersetzen. Ihr Betrieb sei auf Grund behördlicher Anordnung geschlossen worden. Dieser Anordnung habe mit COVID-19 dabei eine Krankheit zu Grunde gelegen, die vom IfSG erfasst gewesen sei. Denn auf Grund der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 30.01.2020 zähle der Gesetzgeber COVID-19 gerade zu den vom Tatbestand der §§ 6, 7 IfSG erfassten Krankheiten. Da die Verordnung vom 30.01.2020 auf Grundlage des IfSG ergangen ist, spiele es auch keine Rolle, dass COVID-19 zunächst durch eine Rechtsverordnung erfasst worden ist.
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Die Versicherungsbedingungen seien gemäß § 305c Abs. 2 BGB auch so zu verstehen, dass durch die im Verordnungswege erfolgte Erweiterung um die Coronavirus-Krankheit nunmehr eine meldepflichtige Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliege. Dies gelte deshalb, weil der nicht juristisch geschulte Laie nach durchschnittlichem Verständnis keinen Unterschied machen werde zwischen „namentlich genannter Krankheit“ und einer „Krankheit, die namentlich zu melden“ ist (also unter Nennung des konkret Infizierten). Eben um letzteres ist das IfSG aber jedenfalls im Verordnungswege erweitert worden.
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Im Übrigen wäre die Versicherungsbedingung des § 5 Nr. 2 aber als Risikobeschränkungsklausel unwirksam, da diese die Klägerin um wesentliche Rechte und aus der Natur des Vertrags benachteilige; der Versicherungsvertrag habe behördlich angeordnete Betriebsschließungen absichern sollen, die auf Grund von Krankheiten und Krankheitserregern erfolgen.
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Die Klägerin beantragt wie folgt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 27.164,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.04.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.141,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, es liege kein Versicherungsfall vor. Selbst für die Annahme, dass die Versicherungsklausel im Sinne einer dynamischen Verweisung auf das jeweils aktuelle IfSG verstanden werden würde, sei die zur Betriebsunterbrechung bei der Klägerin zum Anlass genommene Coronavirus-Krankheit während der geltend gemachten Ausfallzeiten gerade noch nicht „namentlich“ im Sinne der Versicherungsbedingungen im IfSG genannt gewesen. Der Begriff „namentlich“ sei nämlich nicht im Sinne von „beispielshaft“ zu verstehen, sondern bedeute vielmehr die „ausdrückliche“ Aufnahme einer Krankheit in das IfSG. Solch eine Aufnahme in das Gesetz hat COVID-19 allerdings erst Mai 2020 erfahren; die Erfassung von COVID-19 zunächst im Verordnungswege spiele hingegen keine Rolle.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistungen aus der Betriebs und Mehrkostenversicherung für diejenigen wirtschaftlichen Nachteile, die ihr im Zeitraum zwischen dem 18.03.2020 und dem 17.04.2020 wegen der auf Grund von COVID-19 über das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 16.03.2020 angeordneten Schließung ihres Betriebs entstanden sein mögen.
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Für behördlich wegen COVID-19 angeordnete Betriebsschließungen besteht im vorliegenden Fall frühestens ein Versicherungsschutz ab dem 23.05.2020. Der hier geltend gemachte Unterbrechungsschaden soll indes schon vor diesem Zeitpunkt eingetreten sein.
I.
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Der streitgegenständliche Unterbrechungsschaden ist nicht vom Versicherungsschutz umfasst.
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Der Umfang des zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsschutzes bestimmt sich aus dem Vertrag und den dazugehörigen Versicherungsbedingungen (Anlage K2). Letztere bestimmen als versicherte Betriebsunterbrechung nur solche behördlichen Betriebsschließungen, die auf Grund meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger ergangen sind. Dabei definiert § 5 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen weiter, dass nicht beliebige Krankheiten oder Krankheitserreger den Versicherungsfall auslösen sollen, sondern allein Betriebsschließungen auf Grund der „in den §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“.
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Maßgeblich bei der Auslegung dieser Versicherungsbedingungen ist, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese nach aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verständig würdigen und verstehen muss (vgl. BGH r+s 2010, 286 [287]).
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Dies vorausgeschickt, ist die Klausel von den „in den §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ so zu verstehen, dass frühestens und erst bei Aufnahme von Krankheiten und Krankheitserreger in das IfSG ein Versicherungsschutz für daraufhin angeordnete Betriebsschließungen bestehen soll. Denn der Satzbestandteil, „namentlich genannt“, kann in seinem Regelungskontext nur so verstanden werden, dass der Versicherungsschutz allein und ausschließlich für die im IfSG ausdrücklich genannten Krankheiten und Krankheitserreger bestehen soll - „namentlich“ im IfSG genannt sind mit anderen Worten die im IfSG „ausdrücklich“ genannten Krankheiten und Krankheitserreger. So nehmen die Versicherungsbedingungen ohne weitere Ergänzung oder Einschränkungen auf die Bestimmungen der §§ 6 und 7 IfSG Bezug und führen den Begriff der Krankheiten und Krankheitserreger an keiner anderen Stelle näher aus. Dies kann bei verständiger Würdigung nur so verstanden werden, dass die Parteien damit den Begriff der Krankheiten und Krankheitserreger durch den Inhalt des IfSG abschließend haben definieren wollen (vgl. dazu OLG Hamm, COVuR 2020, 536 [537] mAnm. Reiff; LG Essen, Urteil vom 11.11.2020, Az. 18 O 180/20, BeckRS 2020, 34553, Rdnr. 23; LG Stuttgart, Urteil vom 29.10.2020, Az. 35 O 32/20, BeckRS 2020, 2..9758 Rdnr. 15; LG Bayreuth, Endurteil vom 15.10.2020, Az. 21 O 281/20, BeckRS 2020, 2..9047 Rdnr. 15; ferner LG Ravensburg, COVuR 2020, 765 [766]).
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Für diese Sichtweise spricht dabei insbesondere, dass durch die Bezugnahme auf das IfSG und die dort enumerativ aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger der Versicherungsumfang nachvollziehbar verständlich wird. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird die Versicherungsbedingungen so verstehen, dass nur bei ihrem Namen genannten Krankheiten und Krankheitserreger versichert sind (siehe auch LG Lüneburg, Urteil vom 30.11.2020, Az. 5 O 171/20, BeckRS 2020, 3..3998 Rdnr. 25). Ohne einen Bezug auf konkrete Krankheiten und Krankheitserreger läge es letztlich völlig im Unklaren, für welche Erreger überhaupt ein Versicherungsschutz bestehen soll; ein Versicherungsschutz für Betriebsschließungen auf Grund sämtlich nur denkbarer (infektiöser) Erreger kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer aus dem Sinnzusammenhang der Versicherung nämlich nicht erwarten. Dies schon deshalb nicht, weil eine Versicherung, die sämtliche möglichen - also auch gegenwärtig noch völlig unbekannten - Infektionen umfassen würde, sich in ihrem Risiko und ihren Kosten schon versicherungslogisch nicht kalkulieren ließe.
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Im von der Klägerin geltend gemachten Zeitraum vom 18.03.2020 bis zum 17.04.2020 warCOVID-19 nicht von den im IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserreger umfasst. Der Gesetzgeber hat COVID-19 erst mit Wirkung zum 23.05.2020 in das Gesetz aufgenommen. Die zuvor ergangene, und mit dem Zweiten Bevölkerungsschutzgesetz außer Kraft gesetzte, Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 30.01.2020 hat den Kanon der im IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserreger nämlich gerade nicht erweitert. Dies ist erst durch das bereits genannte Zweiten Bevölkerungsschutzgesetz geschehen, das COVID-19 jetzt ausdrücklich erfasst, vgl. §§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst, t) und 7 Abs. 1 Nr. 44a IfSG. Die ministerielle Verordnung hingegen hatte allein zum Gegenstand, dass eine Infektion mit COVID-19 als zunächst gerade nicht im IfSG genannte Krankheit gleichwohl den Gesundheitsämtern namentlich zu melden ist - mit diesem „namentlich“ gemeint ist, dass eine COVID-19-lnfektion über die Infektion als solche hinaus mit bestimmten Personendaten des Infizierten zu melden gewesen war (vgl. § 9 IfSG). Eine ausdrückliche Aufnahme von COVID-19 in das IfSG ist damit nicht verbunden gewesen - hierzu wäre der Verordnungsgeber auch nicht ermächtigt gewesen.
II.
23
Einen Anspruch auf Versicherungsleistungen kann die Klägerin auch nicht daraus herleiten, dass § 15 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen den Umfang versicherter behördlicher Betriebsschließungen unwirksame beschränken würde.
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Einer Transparenz- oder Inhaltskontrolle gemäß §§ 305c oder 307 BGB steht schon entgegen, dass es sich bei § 15 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen um eine leistungsbeschreibende Klausel handelt, die nicht der Klauselkontrolle unterfällt.
25
Klauseln, die - wie hier - der erstmaligen Beschreibung des vertraglichen Inhalts dienen, legen bei Vertragsschluss fest, was als Leistung versprochen ist und können schon aus diesem Grund begriffslogisch nicht von einer (noch gar nicht eingegangen) Verpflichtung abweichen (vgl. Weiler, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann [GesamtHrsg], Beck-Online Großkommentar, Stand: 01.12.2020, § 308 Rdnr. 58). Leistungsbeschreibende Klauseln unterfallen deshalb nicht der Klauselkontrolle (BT-Drs. 14/7052, S. 188; BGH, NJW 1987, 1931 [1935]; vgl. auch H. Schmidt, in: Hau/Poseck [Hrsg.], BeckOK BGB, 56. Edition Stand: 01.11.2020, § 307 Rdnr. 159).
§ 15 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen legt den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistungen fest, da diese den Versicherungsfall und damit letztlich die Hauptleistungspflicht der Beklagten überhaupt erst (teilweise) definiert. Mit § 15 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen ist also keine Beschränkung der Leistungspflicht der Beklagten verbunden, sondern es werden zuallererst die Grenzen der Reichweite des Versicherungsfalles abgesteckt (LG Lünebürg, Urteil vom 30.11.2020, Az. 5 O 171/20, BeckRS 2020, 3..3998 Rdnr. 29; siehe auch LG Es sen, Urteil vom 11.11.2020, Az. 18 O 180/20, BeckRS 2020, 34553, Rdnr. 29).
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Unbeschadet dessen wäre bei einer Unwirksamkeit der Klausel angesichts des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion (siehe dazu Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufläge 2019, § 306 Rdnr. 16) der Versicherungsfall auch gar nicht mehr definiert, weil die Definition der Krankheiten und Krankheitserreger wegfallen würde. Die Ansicht der Klägerin würde damit völlig unklar werden lassen, im welchem Fall dann Anspruch auf Versicherungsleistungen bestünden (so zu Recht LG Lüneburg, a.a.O.).
III.
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Unabhängig vorstehender Ausführungen ist § 15 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen aber auch in der Sache weder intransparent (§ 305c BGB) noch unbillig benachteiligend (§ 307 BGB).
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1. Die streitgegenständliche Versicherungsbedingung ist nicht intransparent gemäß § 305c BGB. Dies insbesondere nicht vor dem Hintergrund der im Groß-Zusammenhang erfolgenden unterschiedlichen Verwendung des Wortes „namentlich“.
29
Neben der oben dargestellten Verwendungsweise im Sinne von „ausdrücklich“ verwendet der IfSG-Gesetzgeber den Begriff „namentlich“ auch zur Konkretisierung dessen, wie aufgetretenen Krankheiten und Krankheitserreger zu melden sind. „Namentlich“ meint dort, dass die Meldung an die Gesundheitsämter unter konkreter Benennung des Infizierten zu erfolgen hat.
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Für die Auslegung und das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers bzgl. des Inhalts der streitgegenständlichen Versicherungsbedingung spielt dies allerdings keine Rolle. Wie oben ausgeführt, bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass „namentlich“ im Sinne des § 15 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen den Bezug (allein) zu den ausdrücklich im IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserregern herstellt. Dass der Begriff „namentlich“ an anderer Stelle eine andere Verwendung findet/hat, „verunklart“ den Auslegungsbefund der Verwendungsweise innerhalb der streitgegenständlichen Bedingung nicht, sondern liegt in der Natur der menschlichen Sprache. Es mag an dieser Stelle der sprachphilosophische Hinweis auf die kategoriale Differenz zwischen (so nach Carnap) der Intension eines sprachlichen Zeichens und dessen Extension oder (nach Frege) zwischen dessen Sinn einerseits und dessen Bedeutung andererseits ausreichen - kurz: dasselbe sprachliche Zeichen kann je nach Kontext seiner Verwendung eine unterschiedliche Intension bzw. einen unterschiedlichen Sinn haben (z.B. wäre die Bezeichnung vom „Sonnenaufgang“ im alltagssprachlichen Kontext tunlich, im wissenschaftlichen Kontext aber grober Unfug, weil die Sonne ein Fixstern ist und damit nicht „aufgehen“ kann).
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2. Die Versicherungsbedingung des § 15 Nr. 2 benachteiligt die Klägerin auch nicht, so dass der Vertragszweck gefährdet wäre, § 307 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB.
32
Zweck des Versicherungsvertrages ist die Zahlung einer fixen Geldsumme für den Fall der behördlichen Betriebsschließung auf Grund ausdrücklich im IfSG genannter Krankheiten und Krankheitserreger. Die Beklagte ist als Versicherung grundsätzlich frei in der Bestimmung, welche Risiken sie in den von ihr angebotenen Leistungsumfang aufnehmen möchte und welche nicht. Das heißt mit anderen Worten, die Beklagte deckt mit dem Verweis auf die „namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ leicht nachvollziehbar ein kleineres Spektrum versicherter Ereignisse ab, als der Gesetzgeber den Behörden für Betriebsschließungen über das IfSG zur Verfügung stellt (LG Lüneburg, Urteil vom 30.11.2020, Az. 5 O 171/20, BeckRS 2020, 33998, Rdnr. 36). Eine Gefährdung des Vertragszwecks ist damit nicht verbunden. Ein solches Vorgehen ist vielmehr üblich. Versicherungen dienen stets nur der Erfassung spezifischer Risikoaspekte ab. Es steht einem Versicherungsnehmer ohne weiteres frei, einen umfassenderen Versicherungsschutz - wohl in der Regel gegen eine höhere Versicherungsprämie - zu vereinbaren. Eine andere Beurteilung liefe im Ergebnis daraus hinaus, entweder nur alles oder nichts versichern zu können (LG Stuttgart, Urteil vom 29.10.2020, Az. 35 O 32/20, BeckRS 2020, 2..9758 Rdnr. 19)
B.
33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
34
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
C.
35
Der Streitwert ist gemäß §§ 63 Abs. 2, 48 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO festgesetzt worden.