Titel:
Widerruf der Approbation als Apotheker nach Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften
Normenketten:
BApO 6 Abs. 2. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
StGB § 184b Abs. 3
Leitsätze:
1. Der Tatbestand der Unwürdigkeit im ärztlichen Bereich ist nur dann zu bejahen, wenn ein Arzt vorsätzlich eine schwere, gemeingefährliche, gemeinschädliche oder gegen die Person gerichtete, von der Allgemeinheit besonders missbilligte, ehrenrührige Straftat begangen hat, die ein die Durchschnittsstraftat übersteigendes Unwerturteil enthält und zu einer tiefgreifenden Abwertung seiner Persönlichkeit führt. Hierbei müssen die Straftaten nicht unmittelbar im Verhältnis Arzt-Patient angesiedelt sein. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Erfasst werden vielmehr darüber hinaus auch alle berufsbezogenen, dh mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehenden Handlungen und ferner, abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises. Wegen der insoweit vergleichbaren Rechtslage ist für den apothekerischen Bereich von keinen anderen Maßstabskonkretisierungen auszugehen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Erfasst werden mithin alle mit der eigentlichen Tätigkeit als Apotheker in nahem Zusammenhang stehenden Handlungen und darüber hinaus, abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises, wenn sie zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust führen, die den Betroffenen für den Apothekerberuf als auf absehbare Zeit untragbar erscheinen lassen. Entscheidend hierbei ist, ob das Vertrauen der Öffentlichkeit und der betreuten Kunden in die Seriosität der Apothekerschaft im Ganzen erheblich beschädigt ist, wenn ein Angehöriger dieser Berufsgruppe trotz Begehens eines Delikts sowie einer dadurch bedingten Verurteilung weiter als Apotheker tätig sein könnte. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein wegen strafbaren Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Bewährungsstrafe verurteilter Apotheker ist als unwürdig zur Ausübung des Apothekerberufs anzusehen, weil diese Verurteilung allein schon geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit und der betreuten Kunden in die Seriosität der Apothekerschaft im Ganzen erheblich zu beschädigen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der Approbation als Apotheker nach Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften wegen Unwürdigkeit, keine genügenden Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung des Strafbefehls im, Einzelfall, Apotheker, Approbation, Widerruf, Unwürdigkeit, Besitz kinderpornographischer Schriften, strafrechtliche Verurteilung, Bewährungsstrafe, verminderte Schuldfähigkeit, Therapie
Fundstelle:
BeckRS 2021, 11978
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem ihm die Approbation als Apotheker entzogen wurde.
2
Der Kläger übt seinen Beruf als angestellter Apotheker in … und …aus.
3
Mit inzwischen rechtskräftigem Strafbefehl vom 26. Mai 2020 wurde gegen den Kläger wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten verhängt, die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Dieser Strafbefehl legte dabei dem Kläger folgenden Sachverhalt zur Last:
„Zum Zeitpunkt der Durchsuchung am 09.11.2018 um 7:20 Uhr waren Sie in Ihrer Wohnung …, …wissentlich und willentlich im Besitz von 23 kinderpornographischen Bild- und 3 kinderpornographischen Videodateien, welche auf dem Laptop … gespeichert waren, wobei
- 11 Bilder und 2 Videos hiervon die Vornahme sexueller Handlungen von Erwachsenen an Mädchen oder Jungen unter 14 Jahren (vaginal, anal und oral)
- 1 Video hiervon die Vornahme sexueller Handlungen von Kindern an anderen Kindern jeweils unter vierzehn Jahren (vaginal, anal und oral)
- 11 Bilder hiervon das Darstellen von sexuell aufreizenden Posen von Kindern unter vierzehn Jahren durch die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung oder die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes
- 1 Bild ein gefesseltes komplett entkleidetes weibliches Kind zeigten.“
4
Die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16. Juli 2020 mit, die Verurteilung berühre grundsätzlich auch die Berufspflichten, wonach ein Apotheker gehalten sei, dem Vertrauen zu entsprechen, das den Angehörigen des Berufsstandes entgegengebracht werde, sowie das Interesse und Ansehen des Berufsstandes zu wahren. Vor dem Hintergrund der bereits erfolgten strafrechtlichen Ahndung könne allerdings von Seiten der BLAK kein berufsrechtlicher Überhang erkannt werden, weshalb von der Einleitung eines förmlichen berufsrechtlichen Verfahrens abgesehen werde. Zugleich wurde der Kläger informiert, dass es ihm nun verboten sei, Jugendliche zu beschäftigen, zu beaufsichtigen, anzuweisen und auszubilden. Es werde um Mitteilung gebeten, wie dieses Verbot in der Apotheke, in der er angestellt sei, umgesetzt werde. Zudem werde die Regierung von … informiert, der berufsrechtliche Verfahrensabschluss sei aber ohne Bedeutung für etwaige Maßnahmen der Regierung in eigener Zuständigkeit.
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Die Regierung von … teilte dem Kläger mit Schreiben vom 22. Juli 2020 daraufhin mit, dass beabsichtigt sei, seine Approbation als Apotheker mit sofortiger Wirkung zu entziehen. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben.
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Der Kläger ließ hierzu mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 19. August 2020 Stellung nehmen. Hierzu wurde vorgetragen, dass ein Widerruf wegen Unwürdigkeit und/oder Unzuverlässigkeit nicht in Betracht käme.
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Der Kläger sei nicht als unzuverlässig anzusehen, nachdem abgesehen vom genannten Strafbefehl der …-jährige Kläger in knapp … Berufsjahren straffrei gewesen sei und insbesondere keine Verfehlungen im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung als Apotheker aufgetreten seien, wie sich daraus ergibt, dass es niemals ein förmliches berufsrechtliches Verfahren gegeben habe. Allein aus der einmaligen Begehung der Straftat könne keine herabgesetzte Hemmschwelle hinsichtlich der Verletzung von Rechtsnormen angenommen werden. Auch die Besorgnis, der Kläger würde sich künftig nicht pflichtadäquat verhalten, sei unbegründet. Dieser habe vom … bis …professionelle psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen. Höchst vorsorglich und aus rein präventiven Gründen habe sich der Kläger auch erneut seit …in psychotherapeutische Behandlung begeben. Daneben sei nicht von einer besonderen Schwere der Straftat auszugehen, weil es sich bei der Strafnorm des § 184b Abs. 3 StGB nicht um ein Verbrechen, sondern lediglich um ein Vergehen handle und damit nach gesetzgeberischer Wertung ein vergleichsweise geringer Unwertgehalt ergebe. Bei der konkreten Tat sei auch der Strafrahmen bei weitem nicht ausgeschöpft worden. Auch eine Strafaussetzung zur Bewährung komme bekanntlich nur in Betracht, wenn Staatsanwaltschaft und Gericht von der Prognose ausgingen, der Täter lasse sich die Verurteilung als Warnung dienen und werde künftig keine Straftaten mehr begehen.
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Daneben sei der Kläger auch nicht als unwürdig anzusehen. Trotz moralischer und rechtlicher Kritikwürdigkeit des Verfahrens seien eine umfassende Beurteilung der Einzelfallumstände und eine Betrachtung des Nachtatverhaltens geboten. Hier seien insbesondere die Tatumstände zu sehen, dass sich der Kläger in einer tiefen Lebenskrise mit depressiven Episoden befunden habe, nachdem sich dessen langjährige Lebensgefährtin von ihm getrennt habe und ausgezogen sei, woraufhin er völlig verzweifelt gewesen sei, mit der unerwarteten Einsamkeit im privaten Bereich vorübergehend nicht zurechtgekommen sei und Zerstreuung im Internet gesucht habe. Er habe auch unmittelbar nach der Tatbegehung am 09.11.2018 psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen und habe die volle Verantwortung für sein Handeln übernommen, was sich insbesondere darin zeige, dass er es nicht auf eine Hauptverhandlung habe ankommen lassen, bei der seine persönliche Lebenssituation und eine anzunehmende zumindest eingeschränkte Schuldfähigkeit hätten auswirken können. Für die Beurteilung der Unwürdigkeit sei nicht auf die Zahl der heruntergeladenen Dateien abzustellen, sondern auf Beharrlichkeit, sowie etwaige niedere Beweggründe oder schädliche Neigungen. Hier sei von einer nur kurzen Tatdauer (09.11.2018) und nicht von starker Ausprägung der übrigen Kategorien auszugehen. Auch sei - ohne Verharmlosungsabsicht - zu berücksichtigen, dass keine Weiterverbreitung erfolgt sei und die Opfer niemals von der Tat (dem Anschauen der Bilder) jemals erfahren hätten. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die Bayerische Landesapothekerkammer von der Einleitung eines förmlichen berufsrechtlichen Verfahrens in Kenntnis des Strafbefehls abgesehen habe.
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Die Regierung von … erließ daraufhin am 9. September 2020 (dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 15. September 2020) den verfahrensgegenständlichen Bescheid und verfügte:
1. Die Herrn … mit Wirkung vom 23.06.1994 durch das … … erteilte Approbation als Apotheker wird widerrufen.
2. Die unter Nr. 1 bezeichnete Urkunde wird eingezogen. Herr … ist verpflichtet, der Regierung von … das Original seiner Approbationsurkunde sowie sämtliche in seinem Besitz befindliche Ausfertigungen, Zweitschriften und beglaubigte Kopien hiervon bis spätestens 12.10.2020 zu übermitteln.
3. Die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 2 dieses Bescheids wird angeordnet.
4. Sofern Herr … seiner Verpflichtung aus Nr. 2 dieses Bescheides nicht bis zum 12.10.2020 nachkommt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 EUR fällig, das hiermit angedroht wird.
5. Herr … hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
6. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr von 400 EUR festgesetzt.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die Regierung von … sei nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BApO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 HeilBZustV zuständig. Die Untersagung werde auf § 6 Abs. 2 BApO gestützt, weil sich aus dem zugrundeliegenden Sachverhalt die Unwürdigkeit des Klägers für die Ausübung des Berufs des Apothekers ergebe. Zugrunde gelegt werden könnten alle im Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen. Die genannten Zweifel an der Schuldfähigkeit seien keine gewichtigen Anhaltspunkte, hiervon abzuweichen, nachdem der dieser Einwand bereits im Strafverfahren hätte vorgebracht werden können und müssen. Darüber hinaus seien auch die Akten des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zu berücksichtigen. Aus diesen ergäbe sich, dass der Kläger nach weiteren Dateien gesucht habe und weitere 588 gelöschte kinderpornographische Dateien gefunden worden seien.
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Anders als die Unzuverlässigkeit verlange die Unwürdigkeit ein schwerwiegendes Fehlverhalten, welches seine weitere Berufsausübung als untragbar erscheinen lasse. Dieser Entziehungstatbestand hänge auch nicht vom zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten in der Öffentlichkeit bekannt geworden sei, sondern davon, ob das Verhalten des Apothekers für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die heilberufliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheine. Entscheidend sei damit, ob eine gravierende Verfehlung vorliege. Dabei sei das Delikt abgesehen vom konkreten Strafrahmen schon vom Deliktscharakter, aber auch in seiner spezifischen Prägung eine unentschuldbare und gravierende Straftat und damit als sehr schwerwiegendes Fehlverhalten nach diesen Maßstäben anzusehen. Der Gesetzgeber habe die Besitzverschaffung und den Besitz kinderpornographischer Schriften in § 184b StGB unter Strafe gestellt, um das Schaffen und Aufrechterhalten eines Marktes solcher Darstellungen schon im Ansatz zu verhindern. Damit trügen auch die Konsumenten eine Mitverantwortung, die vom Gesetzgeber schon beim Besitz solchen Materials unter Strafe gestellt worden sei. Konkret sei auch die besonders schwerwiegende Art der Darstellungen der vom Kläger im Besitz befindlichen Darstellungen zu berücksichtigen. Die willentliche Beschaffung und der Konsum kinderpornographischen Materials bedeuteten ein Fehlverhalten, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Apothekers schlechthin nicht zu vereinbaren sei und daher das Verdikt der Unwürdigkeit rechtfertige. Dabei habe der Kläger auch mehrmals zielgerichtet nach derartigem Material gesucht, nicht nur am o.g. Tag, an dem die Durchsuchung stattgefunden habe. Ob der Kläger dabei tatsächlich durch Akzeptanz des Strafbefehls Verantwortung übernommen habe oder nur eine öffentliche Hauptverhandlung habe vermeiden wollen, werde bezweifelt. Die Relativierung, der Kläger hätte das Material lediglich angesehen oder heruntergeladen, verkenne die Bedeutung der Konsumenten für derartige Darstellungen und bewirke auch einen vertieften Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Dass es bisher keine berufsrechtlichen Verfahren gegeben habe, spiele keine Rolle, weil § 6 Abs. 2 BApO nur eine „abstrakte“ Unwürdigkeit verlange.
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Nachdem von einer Unwürdigkeit auszugehen sei, komme es auf die Unzuverlässigkeit insoweit nicht mehr an. Insoweit sei jedoch anzumerken, dass der Kläger sehr wohl strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, weil er wegen Betruges zuvor zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sei. Eine gerade einmal zweimonatige psychotherapeutische Hilfe könne vernünftigerweise nicht als ausreichend für eine ernsthafte Bewältigung der gezeigten Neigungen gewertet werden. Außerdem entfalte das durch § 184b StGB bestrafte Delikt keinesfalls nur einen geringen Unwertgehalt, einem Vergehen könne grundsätzlich auch eine schwerere Schuld inne sein als einem Verbrechen. Es komme auch nicht auf die konkrete Ahndung an, sondern lediglich auf das zugrundeliegende Verhalten. Zudem sei die Strafe keinesfalls am unteren Rand des Strafrahmens gewesen; auch habe das Strafrecht einen anderen Prognosemaßstab für die Beurteilung der Bewährung.
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Der Widerruf der Approbation verstoße auch unter Berücksichtigung der Wertungen des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dabei räume § 6 Abs. 2 BApO kein Ermessen ein. Zwar bedeute die subjektive Berufswahlbeschränkung einen Eingriff, dieser diene aber dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, hier dem Vertrauen der Patienten in die Lauterkeit des Apothekers sowie die Wertschätzung dieses Berufes in der Gesellschaft und seine Integrität. Anders als bei Ärzten bestehe hier die Grundlage des Vertrauensverhältnisses in seiner charakterlichen Integrität. Dem Apotheker komme im Gesundheitssystem eine Aufgabe zu, die nur beim Erhalt des Ansehens des Berufsstandes des Apothekers in der Öffentlichkeit erfüllt werden könne. Damit sei der Widerruf der Approbation auch geeignet und mangels milderen Mittels erforderlich. Wegen des überragenden öffentlichen Interesses am besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Apotheker und Patient sei der Eingriff angemessen. Es sei nicht zumutbar, dass ein als unwürdig anzusehender Apotheker weiterhin diesen Beruf ausüben dürfe. Bei der Angemessenheit sei auch zu berücksichtigen, dass später ein Antrag auf Wiedererteilung der Approbation gestellt werden könnte. Alternative Betätigungsmöglichkeiten verblieben auf dem Gebiet der Wissenschaft und Forschung oder im Verlagswesen. Einer zusätzlichen Berücksichtigung individueller Umstände (Alter, wirtschaftliche Situation) bedürfe es von Verfassung wegen nicht. Schließlich entfalte die Einschätzung der Landesapothekerkammer keine Sperrwirkung. Dies ergebe sich schon dadurch, dass die nach Landesrecht gebildete Kammer nicht die bundesrechtliche Kompetenz nach § 6 BApO einschränken könne. Im Übrigen verfolgten beide Verfahren unterschiedliche Zielsetzungen. Das berufsrechtliche Verfahren bezwecke die Ahndung von Standesrecht, der Approbationswiderruf diene der Gefahrenabwehr.
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Die Rückforderung der Approbationsurkunde erfolge im pflichtgemäßen Ermessen und diene der Missbrauchsvermeidung.
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Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger mit einem am 28. September 2020 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten Klage erheben mit dem Antrag:
Der Bescheid der Regierung von … vom 09.09.2020, Az.: … zugestellt am 15.09.2020, wird aufgehoben.
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Zugleich wurde gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid wiederherzustellen (AN 4 S 20.02002).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünden bereits erhebliche Zweifel, ob der Kläger wirklich als unwürdig anzusehen sei. Diesbezüglich werde auf das Vorbringen aus der Stellungnahme vom 19.08.2020 verwiesen.
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Daneben werde auf die Stellungnahme der Bayerischen Landesapothekerkammer verwiesen, die in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände des Fehlverhaltens klargestellt habe, dass kein berufsrechtlicher Überhang zu erkennen sei und von einem förmlichen berufsrechtlichen Verfahren abgesehen werde. Dabei verkenne der Beklagte, dass die BLAK sich gerade mit der Frage befasst habe, ob das Fehlverhalten des Klägers das Ansehen des Berufsstandes beeinträchtigt habe und das Vertrauen, das die Öffentlichkeit diesem Berufsstand entgegenbringe. Schließlich sei die Kammer zum Ergebnis gekommen, dass der Schutz dieses Ansehens und Vertrauens der Berufsgruppe der Apotheker keine über die strafrechtliche Ahndung hinausgehende Sanktion erfordern würde. Wenn schon die Landesapothekerkammer als diesem Berufsstand besonders nahestehende Fachbehörde, die naturgemäß ein besonderes Interesse am Schutz des Ansehens dieses Berufsstandes und dem diesem entgegengebrachten Vertrauen durch die Öffentlichkeit habe, zu diesem Ergebnis gelange, könne dieses Interesse des Klägers am Vollzug keinesfalls überwiegen. Vielmehr müsse vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG und im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes der Kläger die Möglichkeit einer Klärung im Hauptsacheverfahren haben. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die der Verurteilung zugrundeliegenden Verfehlungen der Öffentlichkeit nicht bekannt seien und das strafrechtliche Ermittlungsverfahren bereits vor über 2 Jahren eingeleitet worden sei. Da der Ansehensverlust nach Meinung des Beklagten mit Begehung der Straftat verursacht worden sei, stelle die Anordnung des Sofortvollzugs eine ungeeignete, jedenfalls aber unverhältnismäßige Maßnahme dar, da dem …-jährigen Kläger faktisch die Existenzgrundlage entzogen würde.
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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 30. September 2020,
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Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei unzweifelhaft von der Unwürdigkeit des Klägers auszugehen, weil der Besitz kinderpornographischer Schriften nach § 184b Abs. 3 StGB eine derart unentschuldbare und schwerwiegende Straftat darstelle, dass ein gravierendes Fehlverhalten eines Heilberufangehörigen vorliege, das geeignet sei, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern. Es komme auch nicht auf die Sicht der Landesapothekerkammer, sondern nur auf diejenige der entscheidenden Behörde an. Zudem könne es nicht auf das Bekanntwerden der Vorwürfe ankommen, weil die Unwürdigkeit ansonsten etwa durch einen Ortswechsel ausgeräumt werden könnte. Dabei bedürfe es gerade keiner konkreten Gefährdung des Berufsstandes der Apotheker. Maßgebend sei allein eine objektive Betrachtungsweise. Auch das Zurückliegen der Taten von zwei Jahren schließe den Widerruf nicht aus. Schließlich könnten individuelle Gesichtspunkte wie der behauptete Entzug der Existenzgrundlage keine Rolle spielen, weil das Gesetz hierfür bei Vorliegen der Unwürdigkeit keinen Spielraum lasse.
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Die Kammer stellte mit Beschluss vom 12.10.2020 (AN 4 S 20.02002) die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Regierung wieder her. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass zwar viel nach summarischer Prüfung durch das Gericht für das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Widerruf der Approbation zur Ausübung des Apothekerberufs spreche, die strengen Anforderungen für die Anordnung des sofortigen Vollzugs des Approbationswiderrufs allerdings nicht vorlägen. Bei der Abwägung überwiege - unter besonderer Berücksichtigung des besonderen grundrechtlichen Schutzes durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG - das private Suspensivinteresse des Klägers. Die gegen ein Suspensivinteresse sprechenden Gründe seien vor dem Hintergrund des drohenden sofortigen Berufsverbots als nachrangig anzusehen.
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Mit Schriftsatz vom 5. März 2021 verwies der Bevollmächtigte des Klägers auf eine Impulskontrollstörung, an welcher der Kläger leide, und auf dessen finanzielle Situation, die sich aus der geringen zu erwartenden Rentenzahlung und aus der Tatsache ergebe, dass der Kläger bei Verlust seines Arbeitsplatzes auch die vom Arbeitgeber überlassene Wohnung verliere.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen, hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 9. September 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Entzugsbescheid konnte auf § 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO gestützt werden. Dabei ist diese Rechtsgrundlage zunächst auch als hinreichend bestimmt anzusehen.
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Die Regelung wird den Anforderungen des grundgesetzlich vorgegebenen Bestimmtheitsgebots gerecht. Zwar handelt es sich beim Begriff der Unwürdigkeit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, allerdings lassen sich die für die Auslegung maßgeblichen Gesichtspunkte hinreichend aus dem Gesamtzusammenhang herleiten. Für die entsprechenden Vorschriften der § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO für die Approbation als Arzt ergibt sich die aus der einem Arzt zukommenden Aufgabe, der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes zu dienen (§ 1 Abs. 1 BÄO), sowie aus seinen berufsrechtlichen Pflichten (vgl. insoweit BVerfG, B.v. 08.09.2017, Az. 1 BvR 1657/17, Rn. 11 - juris). Die Aufgaben eines Apothekers umfassen daneben vergleichbar die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, der Apotheker dient damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes (§ 1 Sätze 1 und 2 BApO). Insoweit ist auch eine unterschiedliche Beurteilung des Approbationsentzugs bei Ärzten und Apothekern nicht angezeigt.
27
Die Voraussetzungen für einen Approbationsentzug wegen Unwürdigkeit liegen vor.
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1. Die Zuständigkeit für den Erlass des Bescheides lag dabei bei der Regierung von …, wie sich aus § 12 Abs. 4 Satz 1 BApO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 (HeilBZustV) ergibt.
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2. Der Kläger ist auch als unwürdig zur Ausübung des Apothekerberufs im Sinne der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO anzusehen.
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Dabei ist für die Beurteilung der Unwürdigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs nicht ausschließlich das Verhalten des Apothekers bei der Betreuung und Beratung von Apothekenkunden im engeren Sinn, d.h. im Kernbereich der Apothekertätigkeit, maßgebend. Der wesentliche Zweck der Regelung über den Widerruf der Approbation wegen Berufsunwürdigkeit, der den damit verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Recht der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit legitimiert, liegt darin, ein ungetrübtes Vertrauensverhältnis der Bevölkerung in die Apothekerschaft sicherzustellen. Im Interesse des Einzelnen und der Volksgesundheit sollen die von der Apothekerschaft betreuten Kunden und Patienten die Gewissheit haben, dass sie sich ohne Skrupel einem Apotheker voll und ganz anvertrauen können; sie sollen nicht durch ein irgend geartetes Misstrauen davon abgehalten werden, rechtzeitig die Hilfe eines Apothekers in Anspruch zu nehmen. Diesem Anliegen ist nicht bereits dann Genüge getan, wenn der betreffende Apotheker keinen Anlass bietet, an seiner Pharmaziekunde zu zweifeln. Vielmehr wird Untadeligkeit weiter in allen berufsbezogenen Bereichen erwartet (VG Augsburg, Urteil vom 25. Februar 2016 - Au 2 K 15.1028 -, Rn. 25, juris, unter Bezugnahme auf korrekte Abrechnungen eines Apothekers mit den Krankenkassen).
31
Der insoweit vergleichbare Tatbestand der Unwürdigkeit im ärztlichen Bereich ist nur dann zu bejahen, wenn ein Arzt vorsätzlich eine schwere, gemeingefährliche, gemeinschädliche oder gegen die Person gerichtete, von der Allgemeinheit besonders missbilligte, ehrenrührige Straftat begangen hat, die ein die Durchschnittsstraftat übersteigendes Unwerturteil enthält und zu einer tiefgreifenden Abwertung seiner Persönlichkeit führt. Hierbei müssen die Straftaten nicht unmittelbar im Verhältnis Arzt-Patient angesiedelt sein. Erfasst werden vielmehr darüber hinaus auch alle berufsbezogenen, d.h. mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehenden Handlungen und ferner, abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises (VGH Mannheim, B.v. 28.07.2003 - 9 S 1138/03 -, Rn. 3, juris unter Verweis auf B.v. 27.10.1994 - 9 S 1102/92 -, NJW 1995, 804; OVG Münster, U.v. 12.11.2002 - 13 A 683/00 -, NVBl 2003, 233 und U.v. 15.01.2003 - 13 A 2774/01). Wegen der insoweit vergleichbaren Rechtslage sieht die Kammer keinen Anlass, für den apothekerischen Bereich von anderen Maßstabskonkretisierungen auszugehen.
32
Erfasst werden mithin alle mit der eigentlichen Tätigkeit als Apotheker in nahem Zusammenhang stehenden Handlungen und darüber hinaus, abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises, wenn sie zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust führen, die den Betroffenen für den Apothekerberuf als auf absehbare Zeit untragbar erscheinen lassen. Entscheidend hierbei ist, ob das Vertrauen der Öffentlichkeit und der betreuten Kunden in die Seriosität der Apothekerschaft im Ganzen erheblich beschädigt ist, wenn ein Angehöriger dieser Berufsgruppe trotz Begehens eines Delikts sowie einer dadurch bedingten Verurteilung weiter als Apotheker tätig sein könnte (VG Augsburg, Urteil vom 25. Februar 2016 - Au 2 K 15.1028 -, juris Rn. 25, unter Verweis auf die entsprechende Würdigung bei Ärzten, vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2009 - 21 ZB 09.1589 - juris Rn. 7).
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Die sich hieraus ergebenden Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers vor, weil die dem Strafbefehl zugrundeliegenden Tatsachen und sonstigen Ermittlungsergebnisse für die Entscheidung verwertet werden durften (a), kein Grund für eine anderweitige Einschätzung hinsichtlich der Schuldfähigkeit bzw. wegen seines Nachtatverhaltens (b) oder der Reaktion der Landesapothekerkammer (c) vorliegt und das Verhalten des Klägers insgesamt damit geeignet ist, die Unwürdigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs zu begründen (d).
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(a) Die dem Strafbefehl vom 26.05.2020 zugrundeliegenden Tatsachen konnten auch dem vorliegenden Verfahren des Beklagte zugrunde gelegt werden. Zwar ist ein Strafbefehl kein im ordentlichen Verfahren ergangenes Urteil, sondern eine in einem besonders geregelten summarischen Verfahren getroffene richterliche Entscheidung. Weil aber der Strafbefehl einen strafrechtlichen Schuldspruch enthält, eine entsprechende Rechtsfolge festsetzt und beim Ausbleiben eines Einspruchs die Wirkung eines rechtskräftigen Strafurteils erlangen kann, erkennt das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung an, dass namentlich im Ordnungsrecht die in einem rechtskräftigen Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden dürfen, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellungen ergeben, was auch für den Fall von Approbationswiderrufen anerkannt wird (BVerwG, U.v. 26.09.2002, Az. 3 C 37/01, juris Rn. 37 f. m.w.N.).
35
Daneben konnte der Beklagte auch die weiteren im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse heranziehen. Dies gilt für die eigenständige Überprüfung von gewonnenen Erkenntnissen und Beweismitteln für den Widerruf der Approbation, verpflichtet aber zur kritischen Würdigung und evtl. zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts in eigener Zuständigkeit. Hierzu muss dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, sich zu äußern und seine eigene Sicht - gegebenenfalls unter Beweisangebot - darzulegen (BVerwG, B.v. 28.04.1998, Az. 3 B 174/97, juris Rn. 4). Dabei hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens das tatsächliche Vorliegen dieser Tatsachengrundlage in Zweifel gezogen.
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(b) Aus Sicht der Kammer war eine vom Strafbefehl abweichende Beurteilung der Schuldfähigkeit des Klägers in Bezug auf sein Verhalten nicht geboten.
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Auch unter Berücksichtigung der nachträglich vorgelegten Bescheinigungen, dass der Kläger sich im Zeitraum vom … bis* … in eine „lösungsfokussierte Therapie“ und sich „höchst vorsorglich“ erneut in psychotherapeutische Behandlung begeben habe, führen nicht dazu, dass von einem anderen Sachverhalt bzw. von einem anders gearteten Vorwurf ausgegangen werden müsste. Insoweit ist anzumerken, dass allein eine Behandlung einer Depression (vgl. Attest vom …*) überhaupt nicht geeignet ist, ein früheres strafbares Verhalten in anderem Licht erscheinen zu lassen. Auch aus der Bescheinigung vom …über eine Therapie mit dem Ziel der Verhaltenskontrolle auch hinsichtlich rechtswidriger Verhaltensweisen - insbesondere in Anbetracht der zeitlichen Nähe der Durchsuchung und der kurzen Zeitdauer der Therapie kann sich keine für das gegenständliche Verfahren andere Bedeutung ergeben.
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Soweit der Bevollmächtigte des Klägers eine verminderte Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB zum Zeitpunkt der Straftat wegen einer tiefen Lebenskrise mit depressiven Episoden des Klägers anführt, kann dies schon deshalb nicht zu einer veränderten Beurteilung führen, weil der Kläger dies in einer Hauptverhandlung hätte darlegen können und müssen.
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Diesbezüglich äußerte der Kläger selbst, trotz mehrfacher Bitte bei den behandelnden Ärzten sei ihm eine entsprechende Attestierung nicht ausgestellt worden. Damit fehlt es aus Sicht des Gerichts auch an einer genügenden Anknüpfungstatsache, die überhaupt eine weitergehende Untersuchungspflicht auslösen könnte. Selbst wenn man von der Möglichkeit ausgehen wollte - was von Seiten des Gerichts explizit offengelassen wird -, dass die vom Bevollmächtigten des Klägers genannte Erkrankung, die durch einen mit „Impulsstörungen (Impulskontrollstörung)- Ursachen, Symptome und Therapie“ betitelten Aufsatz ohne Quellenangabe beschrieben wurde und bei dem es sich offensichtlich um eine gekürzte Wiedergabe der Internetseite „https://www.heilpraxisnet.de/krankheiten/impulsstoerungen/“ handelt, geeignet sein könnte, die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit zu begründen, fehlt es bereits an jeglicher Attestierung bzw. vorgelegten ärztlichen Feststellung hierzu. Weder aus der Ärztlichen Bescheinigung des Dr. …, Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie, vom … („Es liegt eine Depression vor, die medikamentös behandelt wird“), noch aus der „Bestätigung der Lösungsfokussieren Therapie* …- …“ von Herrn …, Diplom-Psychologe, vom … (mit Verweis auf eine emotionale Krise und die Wiedererlangung der Verhaltenskontrolle) ergibt sich auch nur ansatzweise eine Feststellung der behaupteten Diagnose.
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(c) Der Beklagte war bei der Einschätzung der Unwürdigkeit i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO nicht an die Würdigung der Bayerischen Landesapothekerkammer gebunden, die mit Schreiben vom 16.07.2020 mitteilte, sie sähe vor dem Hintergrund der bereits erfolgten strafrechtlichen Ahndung des Verhaltens des Klägers aktuell keinen berufsrechtlichen Überhang, so dass von der Einleitung eines förmlichen berufsrechtlichen Verfahrens in diesem Fall abgesehen werden könne.
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Die nach Art. 52 Abs. 1 HKaG eingerichtete Landesapothekerkammer ist nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Art. 17, Art. 18 Abs. 1, 2 und 4 sowie Art. 39 Abs. 1 HKaG für die Einleitung berufsgerichtlicher Verfahren zuständig. Aus der Zielrichtung der in Art. 59 Abs. 1 Satz 1 Art. 17 HKaG genannten Berufspflichten ergibt sich zwar auch die Anforderung, dem im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Damit wäre eine Ahndung des Verhaltens nicht von vornherein ausgeschlossen. Gleichzeitig ergeben sich aus der Zusammenschau der Art. 59 Abs. 1 Satz 1 und Art. 18 Abs. 1, 2 und 4 HKaG weitaus konkretere fachbezogene Verhaltenspflichten, weshalb auch von einer anderen Fokussierung dieser Pflichten gegenüber der (zumal bundesrechtlichen) Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO ausgegangen werden kann. Jedenfalls ergibt sich bereits aus dem Anschreiben der Bayerischen Landesapothekerkammer an den Kläger vom 16.07.2020, dass der dort genannte berufsrechtliche Verfahrensabschluss ohne Bedeutung für etwaige Maßnahmen der Regierung in eigener Zuständigkeit ist. Damit kann insbesondere nicht der Schluss gezogen werden, die Apothekerschaft sehe das Verhalten des Klägers als nicht relevant für das Ansehen des Berufsstandes an.
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(d) Gemessen an diesen Maßstäben ist der Kläger als unwürdig zur Ausübung des Apothekerberufs anzusehen. Der nach § 184b Abs. 3 StGB strafbare Besitz einer Menge kinderpornographischer Schriften wie im Falle des Klägers (23 dem Strafbefehl zugrunde gelegten Bilddateien, weitere 588 zum Zeitpunkt der Durchsuchung gelöschte Bilddateien) allein ist schon geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit und der betreuten Kunden in die Seriosität der Apothekerschaft im Ganzen erheblich zu beschädigen.
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§ 184b Abs. 3 StGB dient dabei mit seinen Besitzverschaffungs- und Besitzverboten (Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3) der Austrocknung des Marktes für kinderpornografische Produkte (Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 184b Rn. 2, BT-Drs. 12/3001 S. 5 u. 12/4883 S. 7 f.) und dem Persönlichkeitsschutz der abgebildeten Kinder, mittelbar aber auch in besonderem Maße dem Jugendschutz (a.a.O.). Der Bundesgesetzgeber hat dabei mit Gesetz vom 21.1.2015 (BGBl. I (2015) S. 10) den Strafrahmen für den Besitz kinderpornographischer Inhalte von zwei auf drei Jahre erhöht und damit seine Einschätzung erhöhter Strafwürdigkeit zum Ausdruck gebracht.
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Dabei handelt es sich nicht - wie von Seiten des Klägers angeführt - um ein Delikt, dass hinsichtlich der Besitzverschaffung an den Bildern insoweit unmittelbar opferlos sei, weil in Hinblick auf die geschützten Rechtsgüter §§ 184 und 184b StGB abstrakte Gefährdungsdelikte darstellen und es insoweit unerheblich ist, ob tatsächlich eine konkrete Gefahr vorlag (BeckOK StGB/Ziegler, 47. Ed. 1.8.2020 Rn. 2, StGB § 184 Rn. 2, § 184b Rn. 2).
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Gerade im Hinblick auf den kinder- und jugendschützenden Charakter der Vorschrift wird deutlich, wie vertrauensbeeinträchtigend der Verstoß hiergegen ist. Auch wenn der Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB inzwischen bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren reicht, kann bei der im Strafbefehl ausgesprochenen Strafe kaum von der Annahme eines minder schweren Falles ausgegangen werden, für den nämlich auch eine Geldstrafe mögliche Folge wäre (deren Rahmen nach § 40 Abs. 1 Satz 2 StGB bei 5 Tagessätzen beginnt). Vielmehr zeigt die Höhe der verhängten Strafe, dass eine Geldstrafe schon nicht mehr in Betracht kam und eine Freiheitsstrafe - wenn auch unter Aussetzung zur Bewährung - geboten erschien.
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Erst recht unter Berücksichtigung der Schwere der auf den Bildern gezeigten Darstellungen und der Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit (Darstellung eines gefesselten Kindes, Darstellungen der Vornahme sexueller Handlungen durch Erwachsene an Kindern unter 14 Jahren, Darstellungen sexueller Handlungen von Kindern unter 14 Jahren untereinander) ist mit dem Beklagten davon auszugehen, dass das Ansehen und das Vertrauen der Bevölkerung gegenüber einem solchen Verhalten nachhaltig beeinträchtigt ist und damit das überragende Ziel der Volksgesundheit gefährdet ist, weil die von der Apothekerschaft betreuten Kunden und Patienten gerade bei einem solchen - auch nicht unmittelbar berufsbezogenen - Verhalten nicht mehr die Gewissheit haben, dass sie sich ohne Skrupel einem Apotheker voll und ganz anvertrauen können.
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Dabei kommt es für die Unwürdigkeit - anders als bei der Unzuverlässigkeit - nicht auf ein Bekanntwerden der Vorfälle an, weil es hierbei gerade nicht um einen konkreten Vertrauensverlust geht, sondern um das hierdurch geschützte generelle Vertrauen in die Apothekerschaft als Ganzes. Das Vertrauen in die Seriosität der Apothekerschaft setzt also voraus, dass ein Verhalten wie das des Klägers so sanktioniert wird, dass grundsätzlich die Bevölkerung darauf vertrauen kann, dass diejenige Person ihre Tätigkeit in der Apotheke nicht mehr ausüben darf. Daher kann denklogisch der Entzug der Approbation wegen Unwürdigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs nicht vom zufälligen Ereignis des Bekanntwerdens des gezeigten Verhaltens des Klägers abhängig gemacht werden.
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Auch das zweijährige Zurückliegen des Verhaltens zum Zeitpunkt des Approbationsentzugs hindert den Beklagten nicht an seiner Entscheidung. Bei der Beurteilung der Unwürdigkeit kann es denklogisch nur darauf ankommen, was der entscheidenden Behörde bekannt geworden ist. Vorliegend erhielt die Regierung von … erstmals mit Schreiben des StMGB vom 13.07.2020 Kenntnis von dem in Frage stehenden Sachverhalt. Zudem kann das Vertrauen der Bevölkerung denklogisch nur darauf gerichtet sein, dass eine Behörde in Kenntnis der Umstände eine entsprechende Entscheidung trifft. Gleichwohl erscheint es auch von Seiten des Gerichts befremdlich, warum der Beklagte nicht schon zu einem weit früheren Zeitpunkt durch eine MiStra hierüber in Kenntnis gesetzt wurde.
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Der Entzug der Approbation des Klägers wegen Unwürdigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs stellt sich auch im Hinblick auf den Grundrechtseingriff nach Art. 12 Abs. 1 GG als nicht unverhältnismäßig und damit als rechtmäßig dar.
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Der Widerruf der Approbation aufgrund von Unwürdigkeit dient dem Schutz des wichtigen Verfassungsguts der Gesundheit der Bevölkerung. Durch seine vertrauensstiftende Wirkung ist er auch geeignet, dieses Ziel zu fordern, weil damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Apothekerschaft dadurch gestärkt wird, dass diese sich darauf verlassen kann, dass im Falle einer Unwürdigkeit auch hierauf reagiert wird.
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Insbesondere ist kein milderes ebenso wirksames Mittel zur Verfolgung des Ziels des Gesundheitsschutzes ersichtlich. Soweit in anderen Fällen des Entzugs der Approbation eines Apothekers der Entzug einer Apothekerbetriebserlaubnis als milderes Mittel angesehen wurde, ist festzustellen, dass dies im Falle des Klägers, der als angestellter Apotheker tätig ist, nicht möglich ist. Darüber hinaus kann derartiges als geeignete Maßnahme nur dann in Betracht kommen, wenn der Schwerpunkt des Unwürdigkeitsvorwurfs sich gerade auf den selbständigen Betrieb einer Apotheke bezieht und nicht - wie vorliegend - auf die charakterliche Würdigkeit/Eignung zur Ausübung der Tätigkeit eines (auch angestellten) Apothekers.
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Der Entzug der Approbation wegen nachträglich eingetretener Unwürdigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs ist auch nicht deshalb als unverhältnismäßig anzusehen, weil in der Entscheidung individuelle Erschwernisse oder Umstände des Klägers notwendigerweise außer Acht gelassen wurden. Dabei kommt es allein darauf an, ob sich der Kläger eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs des Apothekers ergibt. Die Feststellung der Unwürdigkeit führt dabei automatisch zum Entzug der Approbation; diese verlangt ein schwerwiegendes Fehlverhalten, bei dessen Würdigung alle Umstände der Verfehlung(en) zu berücksichtigen sind (BVerwG, B.v. 16.02.2016 - 3 B 68/14 -, Rn. 9, juris; B.v. 20.09.2012 - 3 B 7/12 -, Rn. 4, juris). Bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Unwürdigkeit ist der damit verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit gerechtfertigt, ohne dass es einer zusätzlichen Abwägung mit den persönlichen Lebensumständen des Betroffenen bedarf (BVerwG, Beschluss vom 14. April 1998 - 3 B 95/97 -, Rn. 11, juris zur ärztlichen Approbation). Anderes ergibt sich hingegen für eine spätere Prüfung im Zusammenhang mit einer eventuellen Wiedererteilung (BVerwG, B.v. 16.02.2016 - 3 B 68/14 -, Rn. 9, juris).
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Der Entzug der Approbation ist überdies auch im konkreten Fall des Klägers unter Berücksichtigung von Art. 12 Abs. 1 GG nicht unangemessen, weil das öffentliche Interesse am Funktionieren der öffentlichen Gesundheitsversorgung im Einzelfall das individuelle Interesse des Klägers am Fortbestehen seiner Approbation überwiegt. Dabei ist selbst bei Betrachtung der individuellen Umstände, namentlich der absehbaren Erreichung des Rentenalters … und dem Zurückliegen des strafrechtlich geahndeten Verhaltens, der Approbationsentzug nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Es ist trotz zu erwartender Schwierigkeiten nicht davon auszugehen, dass dem Kläger keine andere Tätigkeitsmöglichkeit - auch im pharmazeutischen Fachbereich - mehr offensteht. Bei einer Betrachtung der zu erwartenden Rentenhöhe von etwa 1.880 EUR monatlich (1.488 EUR aus der Bayerischen Apothekerversorgung zzgl. 398 EUR aus der Deutschen Rentenversicherung Bund) ist auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Kündigung der Wohnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar von einer schlechteren finanziellen Situation des Klägers auszugehen, keinesfalls aber von der angedeuteten drohenden Obdachlosigkeit.
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Zudem kann auch im Wege der Abwägung der Schwere der Straftat nicht von einer inzwischen eingetretenen „Erledigung“ ausgegangen werden, nachdem selbst die Bewährungszeit insgesamt länger ist als der strafrechtlich geahndete Besitz kinderpornographischen Materials zurückliegt. Abgesehen davon, dass die beiden vom Kläger begonnenen Therapien verfahrenstechnisch motiviert erscheinen, können diese verhältnismäßig kurzen Therapien dabei nicht schon geeignet sein, den Unrechtsgehalt zu verringern. Somit wäre dies auch nicht geeignet, ein verloren gegangenes Vertrauen der Patienten in die apothekerische Integrität wiederherzustellen; selbst ein längerer Zeitablauf wäre hierfür nicht genügend (vergleichbar zur ärztlichen Tätigkeit BVerfG, B.v. 08.09.2017 - 1 BvR 1657/17 -, Rn. 15, juris)
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Die Einziehung der Approbationsurkunde und die Verpflichtung zur Übermittlung der Approbationsurkunde (Ziffer 2.) ergeben sich aus Art. 52 Satz 1 und 2 VwVfG. Die Zwangsgeldandrohung (Ziffer 4 des Bescheides vom 09.09.2020) begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.